799/AB XXIV. GP
Eingelangt am 26.03.2009
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möglich.
BM für Unterricht, Kunst und Kultur
Anfragebeantwortung
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Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien
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Geschäftszahl: |
BMUKK-10.000/0039-III/4a/2009 |
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Wien, 24. März 2009
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 792/J-NR/2009 betreffend die Integrationsmaßnahmen im Bereich von Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen, die die Abg. Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen am 28. Jänner 2009 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Fragen 1 und 2:
Eingangs ist zu bemerken, dass das Kindergartenwesen entsprechend der bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung den Bundesländern in Gesetzgebung und Vollziehung zugewiesen ist. Ungeachtet dieses Umstandes ist festzuhalten, dass die interkulturelle/interkonfessionelle Begegnung über Sprach- und Glaubensgrenzen hinweg für Kinder von Zuwanderern im Sinne der sozialen Integration und für Kinder mit österreichischem Bildungshintergrund im Sinne des Erwerbs von interkultureller Kompetenz von wesentlicher Bedeutung ist.
Zu Frage 3:
Kinder bringen
ein natürliches Interesse an Neuem und Fremden mit. Dieses Interesse z. B.
an neuen Sprachen, an den Festen und Bräuchen anderer Länder usw. wird
im Rahmen des Unterrichtsprinzips „Interkulturelles Lernen“
aufgegriffen, durch das ein Beitrag zum gegenseitigen Verständnis, zum
Erkennen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten und zum Abbau von Vorurteilen
geleistet werden soll. „Eine allenfalls vorhandene Zwei- oder
Mehrsprachigkeit soll positiv besetzt und die Schülerinnen und
Schüler sollen ermuntert werden, Kenntnisse in der Muttersprache im
Unterricht sinnvoll einzubringen.“ Interesse und Neugier an kulturellen
Unterschieden soll geweckt werden, „um nicht nur kulturelle Einheit,
sondern auch Vielfalt als wertvoll erfahrbar zu machen“ (vgl. dazu die
Lehrplanverordnungen BGBl. Nr. 439/1991 für die Volksschulen,
BGBl. Nr. 528/1992 für die Sonderschulen,
BGBl. II Nr. 134/2000 für die Hauptschulen, BGBl. Nr. 616/1992
für die Polytechnischen Schulen, sowie BGBl. II Nr. 133/2000
für die AHS, novelliert durch BGBl. II Nr. 277/2004).
Für den Aufbau von Toleranz, Umgang mit Andersartigem und Konfliktfähigkeit stellt die sprachlich und kulturell heterogene Gruppe „ein einzigartiges Lernfeld“ dar. Dabei soll und darf Multikulturalität auch ganz bewusst auf die „binnenkulturelle, sprachliche und dialektale Vielfalt“ unseres Landes bezogen werden. Hinzuweisen ist, dass „gerade die Vielfalt der heterogenen Gruppe und die Fülle der dadurch möglichen Fragestellungen und Unterrichtsthemen … den Blick auf das Eigene schärfen …“ kann (vgl. Basil Schader: Sprachenvielfalt als Chance. Das Handbuch. Hintergründe und 101 praktische Vorschläge für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen. Zürich, Orell Füssli 2004, S. 41 bzw. 51f).
Während sich der besondere Förderunterricht in Deutsch als Zweitsprache ausschließlich an Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch richtet, deren Kompetenz der Unterrichtssprache noch nicht zielsprachenadäquat ist, hat das Unterrichtsprinzip „Interkulturelles Lernen“ aber auch dann seine Gültigkeit, wenn in der Klasse keine Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und keine Schülerinnen und Schüler, die einer autochthonen Volksgruppe angehören, vertreten sind.
Zu Frage 4:
Hinsichtlich der Kompetenzlage im Bereich des Kindergartenwesens wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Für den schulischen Bereich ist zu bemerken, dass eine größere Zahl der islamischen Religionslehrer, wie bei anderen Religionen auch üblich, Funktionen im Rahmen der Glaubensgemeinschaft oder von Moscheen ausüben. Diese sind im Religionsunterricht aber funktional als Religionslehrer tätig, wie bei allen andern Kirchen oder Religionsgesellschaften. In diesem Sinn unterrichteten im Schuljahr 2008/09 109 Personen islamische Religion an Bundesschulen. Teilnahme von Imamen im Rahmen von Veranstaltungen, wie beispielsweise Schuleröffnungen erfolgen im Rahmen von interreligiösen Gestaltungen von Feiern.
Zu Fragen 5 und 6:
Zunächst ist festzuhalten, dass das Recht auf Erziehung einschließlich der Rechtes Erziehung und Unterricht nach den eigenen religiösen Überzeugungen sicherzustellen aufgrund Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention ein Recht der Eltern ist. Weiters darf gemäß Art. 14 Abs. 3 StGG 1867 niemand zu einer Teilnahme an einer religiösen Festlichkeit gezwungen werden (…). Falls mit „Erstrecken“ auf Andere die Teilnahme an Feiern gemeint sein soll, so handelt es sich, mit Ausnahme der islamischen konfessionellen Privatschulen, um eine Teilnahme an interkonfessionellen Feiern.
Zu Frage 7:
Die österreichische Kultur kennzeichnet von jeher ein (z.B. in der Sprache oder der Musik spürbar werdender) „Schmelztiegeleffekt“, der einen Surplus-Effekt erzeugt. Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur setzte und setzt eine Reihe von Maßnahmen, die darauf abzielen, dass Kinder die Sprache gut beherrschen; für weitere Details wird auf das Web-Angebot www.sprich-mit-mir.at bzw. www.sprachbaum.at verwiesen. Bezogen auf die deutsche Sprache ist auch der Sprachförder-Bildungsplan zu benennen, der in österreichischen Kindergärten seit 1. September 2008 verwendet wird und der durch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur entwickelt (und durch dieses im Sinne einer Pilotierung begleitet) wird.
In § 16 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes ist normiert, dass die Unterrichtssprache grundsätzlich die deutsche Sprache ist. Förderkurse werden in deutscher Sprache gehalten, spezielle Sprachförderkurse haben die Aufgabe, auch Schülerinnen und Schüler, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, in der deutschen Sprache zu fördern. Ausgehend von einer Fokussierung auf den Gebrauch der deutschen Sprache sieht die Stundentafel der Volksschule (1. bis 4. Schulstufe) für den Pflichtgegenstand Deutsch, Lesen, Schreiben sieben Wochenstunden vor. Im Rahmen des Pflichtgegenstandes Sachunterricht wird mit drei Wochenstunden pro Schulstufe in den Lern- und Erfahrungsbereichen Gemeinschaft, Natur, Raum und Wirtschaft die österreichische Kultur, fächerübergreifend mit Musikerziehung und Bildnerischer Erziehung, vermittelt und erschlossen. Darüber hinaus darf auch auf die allgemeinen Bestimmungen des Grundschullehrplans, insbesondere das Allgemeine Bildungsziel bzw. „Volksschule als sozialer Lebens- und Erfahrungsraum“, verwiesen werden. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 8 hingewiesen.
Zu Frage 8:
In Entsprechung der internationalen Fachwelt beruht eine zielgruppenadäquate Pädagogik in Einwanderungsgesellschaften auf drei Säulen (vgl. dazu de Cillia, Rudolf: Mehrsprachigkeit und Herkunftssprachenunterricht in europäischen Schulen. In: Çınar, Dilek (Hg.): Gleichwertige Sprachen? Muttersprachlicher Unterricht für Kinder von Einwanderern. Band 13 der Reihe „Bildungsforschung”. StudienVerlag, Innsbruck/Wien 1998, S. 229–288):
- Förderung der Landessprache(n)
- Förderung der Erstsprache(n)
- Interkulturelle Erziehung
Mit den Lehrplanverordnungen für Deutsch als Zweitsprache und für den muttersprachlichen Unterricht sowie mit der Verankerung des Unterrichtsprinzips „Interkulturelles Lernen“ wurde im Bereich der allgemein bildenden Pflichtschulen (APS) und AHS-Bereich die Voraussetzung für eine ertragreiche Arbeit in mehrsprachigen und kulturell heterogenen Klassen geschaffen.
- Förderung der Unterrichtssprache Deutsch – Deutsch als Zweitsprache:
Der Lehrplan sieht für den besonderen Förderunterricht in Deutsch an APS maximal zwölf Wochenstunden für außerordentliche und eine Obergrenze von fünf bzw. sechs Wochenstunden für ordentliche Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch vor.
Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch sind in den Klassenverband integriert. Jene Schülerinnen und Schüler, deren Deutschkompetenz noch nicht ausreicht, um dem Unterricht folgen zu können, werden für maximal zwei Jahre als außerordentliche Schülerinnen und Schüler aufgenommen und sind unter Berücksichtigung ihrer Sprachschwierigkeiten zu beurteilen. Eine Leistungsbeurteilung ist dann nicht vorzunehmen, wenn der Schüler/die Schülerin auf Grund mangelnder Deutschkompetenz die erforderlichen Leistungen nicht erbringen kann.
Für außerordentliche Schülerinnen und Schüler in der Vorschulstufe bzw. den ersten vier Schulstufen wurden im Schuljahr 2006/07 zusätzlich Deutschförderkurse (sog. „Sprachförderkurse“) eingeführt. Im Jahr 2008 wurden die Sprachförderkurse auf außerordentliche Schülerinnen und Schüler in der Hauptschule und in der Polytechnischen Schule ausgeweitet. Diese Kurse haben entsprechend § 8e Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes die Aufgabe, „Schülern von Volksschulen, Hauptschulen und Polytechnischen Schulen, die gemäß § 4 Abs. 2 lit. a des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986, wegen mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache als außerordentliche Schüler aufgenommen wurden, jene Sprachkenntnisse zu vermitteln, die sie befähigen, dem Unterricht der betreffenden Schulstufe zu folgen. Sie dauern ein Unterrichtsjahr und können nach Erreichen der erforderlichen Sprachkompetenz durch einzelne Schüler auch nach kürzerer Dauer beendet werden.“
- Der muttersprachliche Unterricht:
Expertinnen und Experten aus der Sprachwissenschaft sind sich weitgehend einig, dass die schulische Förderung der Erstsprache nicht nur den Erwerb der Zweitsprache Deutsch unterstützt, sondern auch für das Erlernen weiterer Fremdsprachen sowie für den schulischen Erfolg und die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes von Vorteil ist. Diese Erkenntnis wurde bei der Formulierung der Fachlehrpläne für den muttersprachlichen Unterricht berücksichtigt.
Der muttersprachliche Unterricht richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler, die im Familienverband eine andere Sprache als die Unterrichtssprache verwenden, sowie an zweisprachig aufwachsende Schülerinnen und Schüler, und zwar ungeachtet anderer Merkmale wie Staatsbürgerschaft, Schulbesuchsdauer in Österreich und Deutschkompetenz.
Da die Lehrpläne für den muttersprachlichen Unterricht sprachneutral formuliert sind, lassen sie sich mühelos auf alle Sprachen anwenden, was die Einführung neuer Sprachen erleichtert.
- Das Unterrichtsprinzip „Interkulturelles Lernen“:
Um der sprachlich und kulturell heterogenen Zusammensetzung der meisten Schulklassen Rechnung zu tragen, wurde Anfang der neunziger Jahre das Unterrichtsprinzip „Interkulturelles Lernen“ in den Lehrplänen der APS und der AHS verankert (siehe die Beantwortung der Frage 3).
Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied eh.