800/AB XXIV. GP

Eingelangt am 26.03.2009
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0042-III/4a/2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 24. März 2009

 

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 826/J-NR/2009 betreffend „Vorträge, die weder Professoren noch Geschichtsbücher je so ermöglichen können“ - oder etwa doch? Bleibende Eindrücke einer Zeitzeugin, die die Abg. Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen am 29. Jänner 2009 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1 bis 4 und 8:

Vor gegenständlicher Anfrage waren Schulbesuche von Frau Lemberg nicht bekannt und müssen diese dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur auch nicht gemeldet werden. In der Auswahl und Einbindung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Unterricht sind die Lehrkräfte völlig frei.

 

Zu Fragen 5 bis 7:

Es ist nicht Aufgabe des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, Aussagen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auf deren pädagogischen Gehalt hin zu bewerten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine mit dem Zeitzeugenbesuch verbundene Vor- oder Nachbereitung im Unterricht erfolgt ist und dadurch eine Auseinandersetzung mit den Aussagen der Zeitzeugin erfolgt.


Den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ist es jedoch unbenommen, aufgrund ihrer persönlichen Biographie subjektive Bemerkungen zu aktueller Politik und aktuellen Parteien zu äußern.

 

Als eines der wesentlichen Ziele politischer Bildung ist es, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, sich mit Aussagen und politischen Manifestationen von Einzelpersonen, Parteien, Politikerinnen oder Politikern kritisch auseinander zu setzen, deren Motivlage und Absichten zu erkennen und sich selbst ein differenziertes und begründetes Urteil zu bilden.

 

Als ein wesentlicher Grundsatz hierbei gilt: Was in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, ist auch im Unterricht kontrovers darzustellen.

 

Zu Fragen 9 und 10:

Aus methodischen Überlegungen ist eine Einbeziehung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu jenen Themen sinnvoll, wo Geschichtsbücher und Printmaterialien nur in begrenztem Ausmaß ein Bild der Authentizität vermitteln können. Dies betrifft in besonderer Weise die Vermittlung der Auswirkung nationalsozialistischer Vernichtungs- und Inhaftierungspolitik gegenüber Menschen aus z. B. religiösen, ethnischen oder sogenannten „rassischen“ Gründen. Da sich Politische Bildung an der Universalität der Menschenrechte orientiert, ist dies im Unterricht zu thematisieren. Dies kann durch die Einbeziehung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und deren authentischen Berichte ergänzt werden. Danach richtet sich auch die Einladung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in den Unterricht.

 

Zu Fragen 11 bis 15:

Eine „Ausnutzung der Funktion als Zeitzeuge/Zeitzeugin“ ist nur dann gegeben, wenn Schülerinnen und Schüler keine Möglichkeit hätten und es ihnen untersagt wäre, sich von politischen Aussagen zu distanzieren. Das ist, wie diese Anfrage zeigt, tatsächlich nicht der Fall.

 

Die Einbeziehung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ist eine Ergänzung zum Unterricht und eröffnet den Schülerinnen und Schülern den Erwerb von sowohl historischen als auch politischen Kompetenzen. Insbesondere durch historisch-politische Bildung eröffnet sich für den Unterricht die pädagogische Auseinandersetzung mit der Tragweite historischer Geschehnisse auf gegenwärtige Fragestellungen und Entwicklungen.

 

Da Schülerinnen und Schüler tagtäglich mit der Parteilichkeit und den Interessen von Politik und Parteien konfrontiert werden, haben Lehrkräfte die Aufgabe, diese Kontroversität auch im Unterricht zuzulassen. Das Unterrichtsprinzip Politische Bildung hält dazu fest:

 

„Erzieherischer Grundsatz muss es sein, dass bei Stellungnahmen und Wertungen stets auch abweichende Meinungen aufgezeigt werden im Hinblick darauf, dass in der Demokratie auch verschiedene Wertvorstellungen und Meinungen nebeneinander bestehen können, sofern sie den für unsere Gesellschaft gültigen Grundwerten verpflichtet sind bzw. diese nicht verletzen. Gegensätzliche Interessen sollen offen dargestellt und unterschiedliche Auffassungen im Dialog ausgetragen werden, zumal das Gespräch eine wichtige Voraussetzung dafür ist, einen Konsens zu finden oder einen Kompromiss zu erzielen.“

 


Zur Rolle der Pädagoginnen und Pädagogen heißt es weiter:

 

„Der Lehrer wird Politische Bildung (gerade angesichts der oft starken Bindungen zwischen Lehrer und Schüler) keinesfalls zum Anlass einer Werbung für seine persönlichen Ansichten und politischen Auffassungen machen. Erfordert es die Situation, dass der Lehrer seine persönlichen Ansichten darlegt, so wird er streng drauf zu achten haben, dass durch seine Stellungnahme abweichende Meinungen nicht diskreditiert werden und dass die Schüler eine
kritisch-abwägende Distanz zu dieser persönlichen Stellungnahme des Lehrers aufrecht erhalten können. Die Beachtung des Unterrichtsprinzips Politische Bildung bedeutet somit eine anspruchsvolle Herausforderung an alle Fähigkeiten des Lehrers, sie stellt aber ebenso an den Schüler hohe Ansprüche.“

 

Eine Missachtung dieser Grundsätze durch die Lehrkraft ist im gegenständlichen Fall nicht dokumentiert.

 

Zu Fragen 16 bis 18:

Mit einer Unterbindung von Zeitzeuginnen- und Zeitzeugenbesuchen im Unterricht würde einerseits die gesetzlich garantierte Freiheit der Wahl der Mittel, die im Unterricht durch Lehrkräfte eingesetzt werden, unzulässig eingeschränkt werden, andererseits ist keine strafrechtlich oder sonstige gesetzwidrige Handlung oder Haltung dokumentiert, sodass für eine Einschränkung jede Handhabe fehlt.

 

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.