8024/AB XXIV. GP

Eingelangt am 27.05.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0148-II/A/9/2011

Wien, am 26. Mai 2011

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 8174/J der Abgeordneten Huber, Dr. Spadiut, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1:

Grenzwerte für Radioaktivität in Lebensmitteln haben den Zweck, das mögliche Strahlenrisiko für die Bevölkerung durch den Konsum von Lebensmitteln so gering wie vernünftigerweise erreichbar zu halten. Daneben sind Grenzwerte auch ein rechtliches Instrument, um das In-Verkehr-Bringen von unzulässig belasteten Lebensmitteln verbieten zu können.

 

Frage 2:

Grenzwerte müssen selbstverständlich eingehalten werden.


Frage 3:

Grenzwerte dürfen nicht beliebig verändert werden. Die Festlegung von Grenzwerten ist aber ein komplexer Prozess, bei dem die jeweiligen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich Radioaktivität sind dies insbesondere der Anteil der kontaminierten Lebensmittel am Gesamtkonsum, die voraussichtliche Dauer der Lebensmittelbelastung und die Art der beteiligten Radionuklide. Abhängig von der jeweiligen Situation können daher unterschiedlich hohe Grenzwerte durchaus den gleichen Schutzeffekt bewirken. Freilich sollten bei der konkreten Festlegung von

Grenzwerten nicht ausschließlich diese wissenschaftlichen Kriterien ausschlaggebend sein, sondern es sollten Grenzwerte auch für die Bevölkerung nachvollziehbar, verständlich und vertrauensbildend sein.

 

Frage 4:

Die Festlegung von Grenzwerten hat sich selbstverständlich an den medizinischen Notwendigkeiten zu orientieren.

 

Frage 5:

Gemäß § 37 Strahlenschutzgesetz ist der Bundesminister für Gesundheit für die Überwachung der Lebensmittel auf Radioaktivität zuständig. Deshalb wurde von mir in Österreich zunächst auf Basis einer entsprechenden Empfehlung der Europäischen Kommission (DG SANCO vom 15. März 2011) und dann auf Basis der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 297/2011 der Kommission eine lückenlose Kontrolle aller Direktimporte aus Japan veranlasst. Um größtmögliche Transparenz zu schaffen, werden die Ergebnisse dieser Importkontrollen auf der Homepage des Gesundheitsministeriums veröffentlicht.

 

Frage 6:

Am 1. März 2011 gab es gemäß der Verordnung (EWG) 737/90 des Rates über die Einfuhrbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl (kodifiziert mit Verordnung (EG) Nr. 733/2008 des Rates) folgende Grenzwerte für die maximal kumulierte Radioaktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137:

 

·        370 Bq/kg für Milch und Milcherzeugnisse sowie für Säuglingsnahrung

·        600 Bq/kg für alle anderen Erzeugnisse

 

Diese Grenzwerte gelten nur für Importe aus Drittländern, die vom Tschernobylunfall betroffen waren und in der Verordnung (EG) Nr. 1635/2006 der Kommission, einer Durchführungsverordnung zur oben genannten Verordnung, genannt sind.

Auf Basis einer Empfehlung der Kommission vom 14. April 2003 werden diese Grenzwerte der „Tschernobyl-Verordnung“ auch beim In-Verkehr-Bringen innerhalb der Gemeinschaft angewendet. Am 1. März 2011 gab es somit außer für Radiocäsium keine Grenzwerte und diese galten auch nicht für Importe aus Japan, sondern lediglich für bestimmte Drittländer und für den Binnenhandel.


Frage 7:

Am 30. März 2011 waren die in der Antwort zu Frage 6 angeführten Grenzwerte für ihren Geltungsbereich (Import aus vom Tschernobylunfall betroffenen Drittländern, Binnenhandel) weiterhin gültig.

 

Für Importe aus Japan, für die es zuvor keine Bestimmungen hinsichtlich Radioaktivität gab, wurden mit der Durchführungsverordnung (EU) 297/2011 der Kommission vom 25. März 2011 zum Erlass von Sondervorschriften für die Einfuhr von Lebens- und Futtermitteln, deren Ursprung oder Herkunft Japan ist, nach dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima Grenzwerte festgelegt. Dabei wurde auf Euratom-Verordnungen (3954/87, 944/89, 770/90) zur Festlegung von Grenzwerten im Falle von radiologischen Notstandssituationen zurückgegriffen, unter anderem auch deshalb, da die „Tschernobyl-Verordnung“ keine Grenzwerte für Radiojod, sondern nur für Radiocäsium enthält. Die seit dem 30. März 2011 in Österreich für Japanimporte geltenden Grenzwerte sind in der Beantwortung zu den Fragen 8 bis 10 detailliert angeführt.

 

Fragen 8 bis 10:

Am 26. März 2011 traten aufgrund der Durchführungsverordnung (EU) 297/2011 der Kommission („Japan-Verordnung“) zunächst folgende Grenzwerte in Bq/kg für Lebensmittelimporte aus Japan in Kraft:

 

Nuklid

Nahrungsmittel für Säuglinge

Milcherzeugnisse

Andere Nahrungsmittel

Flüssige Nahrungsmittel

Iod-131

150

500

2000

500

Cäsium-134 + Cäsium-137 (Summe)

400

1000

1250

1000

 

Wie erwähnt, stammen diese Grenzwerte aus Euratom-Verordnungen für radiologische Notstandssituationen. Die Grenzwerte für Radiocäsium waren somit für Japanimporte höher als für Importe aus Drittländern, die vom Tschernobyl-Unfall betroffen waren und für den Binnenhandel. Wegen des sehr geringen Anteils japanischer Lebensmittel am österreichischen Lebensmittelkonsum wären die höheren Grenzwerte aus rein gesundheitlicher Sicht unbedenklich gewesen. Da sie jedoch unnötig hoch erschienen, hat Österreich auf meine Anordnung auch gegen die Verordnung 297/2011 gestimmt und ich habe auf eine Senkung dieser Grenzwerte gedrängt. In Briefen an die zuständigen Kommissare Dalli und Öttinger sowie in einer klaren Wortmeldung am Gesundheitsministerrat in Gödöllö habe ich meine Position klar kundgetan. Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 351/2011 der Kommission vom 11. April 2011 zur Änderung der „Japan-Verordnung“ wurden die Grenzwerte für Japanimporte dann auch auf das Niveau der in Japan geltenden Grenzwerte gesenkt.


Damit gelten seit 13. April 2011 folgende Grenzwerte in Bq/kg für Importe aus Japan:

 

 

Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder

Milch und Milcherzeugnisse

Sonstige Lebensmittel, außer flüssigen Lebensmitteln

Flüssige Lebensmittel

Strontium-Isotope, insb. Sr-90

75

125

750

125

Iod-Isotope,
insb. I-131

100

300

2000

300

Alphastrahler,
insb. Pu-239, Am-241

1

1

10

1

Nuklide mit mehr als zehntägiger HWZ,
insb. Cs-134, Cs-137
(außer C-14 und H-3)

200

200

500

200

Die Höchstwerte gelten jeweils für die Summe der einzelnen Isotopengruppen

 

Frage 11:

Ich darf auf meine Ausführungen zu den Fragen 8 bis 10 verweisen.

 

Frage 12:

Mit der Durchführungsverordnung (EU) 297/2011 wurden keine Ausnahmeregelungen für den Import von Lebensmitteln aus Japan geschaffen, sondern bislang nicht erforderliche Regelungen hinsichtlich Radioaktivität getroffen.

 

Frage 13:

Ein Nicht-Import von Lebensmitteln aus Japan gefährdet die Grundversorgung der österreichischen Bevölkerung nicht.

 

Frage 14:

In meinem Zuständigkeitsbereich (Lebensmittel, Kosmetika) habe ich umfassende Kontrollen der Japanimporte angeordnet und für eine völlige Transparenz dieser Kontrollen durch sofortige Veröffentlichung aller Ergebnisse gesorgt. Damit nimmt Österreich EU-weit eine Vorreiterrolle ein. Das durch die „Japan-Verordnung“ EU-weit als Mindestmaß für zusätzliche messtechnische Analysen von Importen von Lebens- und Futtermitteln aus Japan festgelegte Prozentsatz liegt bei 10 bzw. 20 Prozent der Importe, abhängig davon, aus welcher Region Japans die Produkte kommen. Ein Zertifikat der japanischen Behörden, das die Herkunftsregion bestätigt, muss mitgeführt werden. Bei Produkten aus den 13 Provinzen rund um Fukushima bzw. den daran angrenzenden Provinzen (ehemals 12, wurde mittlerweile auf 13 erweitert) muss auch ein Analysezeugnis mitgeführt werden, aus dem hervorgeht, dass die geltenden Grenzwerte der EU eingehalten werden. In meinem Zuständigkeitsbereich werden 100 Prozent der Importe kontrolliert, egal aus welcher Region. Weiteres habe ich mich auf EU-Ebene erfolgreich für eine Senkung der Grenzwerte eingesetzt. Somit wurden und werden ausreichende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gesetzt.

 

Frage 15:

Verordnungen der EU werden nicht vom Gesundheitsminister in die österreichische Gesetzgebung übernommen, sondern sie stellen direkt anzuwendendes Recht dar. Selbstverständlich bringe ich im Rahmen des Entstehungsprozesses von EU-Verordnungen meine Standpunkte ein, wobei insbesondere auch die Meinung der Bevölkerung Berücksichtigung findet. Dass die Grenzwerte für Japanimporte gesenkt wurden, ist nicht zuletzt meinen diesbezüglichen Interventionen zu verdanken.

 

Frage 16:

Selbstverständlich werden EU-Verordnungen von allen betroffenen Stellen des Gesundheitsressorts gelesen und angewendet, sind sie doch, wie bereits erwähnt, direkt anzuwendendes Recht. Eine Umsetzung in österreichisches Recht oder eine aktenmäßige Genehmigung sind somit weder möglich noch erforderlich. Eine Approbationskette für das Lesen und die Einhaltung von Rechtsvorschriften, egal ob nationale oder europäische, oder eine aktenmäßige Genehmigung für EU-Verordnungen gibt es daher nicht.

 

Fragen 17 und 18:

Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 297/2011, mit der Grenzwerte für Japanimporte festgelegt wurden, wurde ressortintern über die vorgesehenen Wege allen betroffenen Stellen übermittelt. Einen Akt betreffend die Erhöhung der Grenzwerte für Japanimporte gibt es nicht, da die Grenzwerte per EU-Verordnung festgelegt sind und somit keiner wie immer gearteten nationalstaatlichen Genehmigung mehr bedürfen. Es handelt sich um eine allgemein publizierte und zugängliche Rechtsvorschrift.