8085/AB XXIV. GP
Eingelangt am
31.05.2011
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0093-Pr 1/2011

Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 8204/J-NR/2011
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Vorfall im Hort in der Sobieskigasse 31, 1090 Wien“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Bis zum Einlangen dieser Anfrage war der darin beschriebene Vorfall weder mir noch der Staatsanwaltschaft Wien bekannt.
Zu 2 und 3:
Auf Grund der Anfrage hat die Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren wegen §§ 83 Abs. 1, 92 Abs. 1 StGB eingeleitet und wird in dessen Rahmen die zur Aufklärung des Vorfalls erforderlichen Maßnahmen treffen.
Zu 4:
Die Strafdrohung richtet sich grundsätzlich nach der Art des Delikts und reicht von Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, wenn es sich um eine körperliche Misshandlung ohne Verletzungserfolg handelt (zB eine folgenlose Ohrfeige, Bespucken, Übergießen mit einer Flüssigkeit), bis hin zu lebenslanger Freiheitsstrafe, wenn die Misshandlung zum Tod des Opfers geführt hat und dieser vom Täter ernsthaft für möglich gehalten wurde und er sich damit abgefunden hat.
Wenn man davon absieht, dass in den Fällen der §§ 92 und 93 StGB („Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen“; „Überanstrengung unmündiger, jüngerer oder schonungsbedürftiger Personen“) Tatbestandsvoraussetzung ist, dass das Opfer der Fürsorge oder Obhut des Täters unterstehen muss, die dort verpönten Verhaltensweisen also ohne eine solche Konstellation überhaupt nicht strafbar sind, gibt es keine spezifischen Strafausmaße oder Strafdrohungen für Pädagogen.
Zu 5:
Die Strafdrohung für „Unterlassung der Hilfeleistung“ nach § 95 StGB beträgt ganz allgemein höchstens Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. § 95 StGB hat zu verantworten, wer es bei einem Unglücksfall – wozu auch eine von einem Dritten am Opfer begangene strafbare Handlung zählen kann – oder einer Gemeingefahr unterlässt, die zur Rettung eines Menschen aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche Hilfe zu leisten. Dazu bedarf es keiner sogenannten Garantenstellung. Davon zu unterscheiden ist eine allfällige Beitragstäterschaft durch Unterlassen im Sinne des § 2 StGB zu einem durch aktives Tun begangenen Erfolgsdelikt eines Dritten, wie etwa in jenem vom Obersten Gerichtshof zu 15 Os 118/03 entschiedenen Fall, in dem der Dienstgeber und Ausbilder vorsätzlich nichts zur Abwendung der Nötigung durch andere Beschäftigte an einem in seinem Betrieb beschäftigten jugendlichen Ferialpraktikanten unternommen hat. In solchen Fällen ist eine sogenannte Garantenstellung erforderlich, die bei Pädagogen je nach Fallkonstellation durchaus denkbar sein kann, und hat ein Unterlassungstäter grundsätzlich dieselbe Strafdrohung zu gewärtigen wie ein aktiver Täter. Allerdings wird die Tatbegehung durch Unterlassung gegenüber der Herbeiführung eines verpönten Erfolgs durch aktives Tun nach § 34 Abs. 1 Z 5 StGB als Milderungsgrund angesehen (der jedoch wie alle anderen Milderungsgründe auch durch andere Tatumstände aufgewogen werden kann).
Zu 6:
Im elektronischen Verfahrensregister Justiz wird keine entsprechende Kennung für die von der Frage betroffene Tätergruppe der Pädagogen vergeben und eine Berichterstattung der staatsanwaltschaftlichen Behörden lediglich anhand der Erinnerung der Sachbearbeiter ließe keine repräsentative Aussage zu. Von der Erlassung derartiger Berichtsaufträge habe ich daher Abstand genommen.
Die Gerichtliche Kriminalstatistik der Statistik Austria liefert Daten zu rechtskräftigen Verurteilungen, gegliedert nach verschiedenen Kriterien (zB Alter, Geschlecht, Nationalität der Täter, Delikt und verhängte Strafe), nicht jedoch Informationen zum Beruf des Verurteilten. Dies liegt daran, dass die Gerichtliche Kriminalstatistik auf den Daten des Strafregisters aufbaut und im Strafregister die Tätigkeit eines Verurteilten nicht eingetragen wird.
Anfragen zu Verurteilungszahlen bestimmter Berufsgruppen können daher mit dem vorhandenen Datenmaterial nicht beantwortet werden.
Zu 7:
Grundsätzlich steht nach § 354 ABGB dem Eigentümer einer Sache die rechtliche Verfügungsmacht über diese und damit die korrespondierende Ausschlussbefugnis zu. Daraus ergibt sich das Recht des Eigentümers, ein Betretungsverbot auszusprechen oder die Unterlassung von Eingriffen in das Eigentumsrecht gerichtlich zu begehren. Hier ist neben der zivilrechtlichen Seite jedoch auch die verwaltungsrechtliche zu beachten, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz fällt. Weiters darf darauf hingewiesen werden, dass es dem Bundesministerium für Justiz nicht möglich ist, eine konkrete Beurteilung des Einzelfalls abzugeben. Eine endgültige Klärung der Frage kann nur durch die unabhängigen Gerichte erfolgen.
Zu 8:
Schadenersatz gebührt nach allgemeinen Grundsätzen einer Person, der ein Nachteil am Vermögen, an seinen Rechten oder an seiner Person zugefügt wurde (§ 1293 ABGB). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, worin der Schaden, den Herr H. erlitten hat, überhaupt liegt. Ob die weiteren Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs, wie etwa ein Verschulden des Schädigers oder die Kausalität und Rechtswidrigkeit der Handlung, vorliegen, müssten die unabhängigen Gerichte prüfen. Dem Bundesministerium für Justiz ist es verwehrt, einer Beurteilung durch die unabhängigen Gerichte vorzugreifen.
Wien, . Mai 2011
Dr. Beatrix Karl