8164/AB XXIV. GP
Eingelangt am 08.06.2011
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag.a Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0153-II/A/9/2011
Wien, am 7. Juni 2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 8270/J der Abgeordneten Dr. Strutz und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Einleitend wird festgehalten, dass das Pilotprojekt e-Medikation ein wichtiges, von den Gesundheitspartnern Bund, Ländern und Sozialversicherung mit starker Einbindung der beiden relevanten Standesvertretungen der Ärzte-und Apothekerschaft, gemeinsam getragenes gesundheitspolitisches Vorhaben ist. Alle Beteiligten erwarten sich von diesem Projekt sowohl eine deutliche Erhöhung der PatientInnensicherheit als auch der Versorgungsqualität.
Für die Beantwortung der Anfrage wurde eine Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt, die in die nachstehenden Ausführungen eingeflossen ist.
Frage 1:
Zum Stand des medizinischen Wissens zählt unbestritten die Tatsache, dass die aus therapeutischen Maßnahmen resultierende Einnahme von Arzneimitteln mit unerwünschten Wirkungen, insbesondere Interaktionen oder Überdosierungen, verbunden sein kann. Das Pilotprojekt e-Medikation bezweckt angesichts von mehr als 12.000 in Österreich zugelassenen Arzneimitteln und dem daraus resultierenden Potenzial unerwünschter Arzneimittelwirkungen, die beteiligten Gesundheitseinrichtungen, aber auch die Patientinnen und Patienten selbst in ihren Bemühungen zur Verbesserung der Arzneimittel- bzw. Patient/inn/ensicherheit mit elektronischen Hilfsmitteln zu unterstützen. Zur Erreichung dieses Zieles ist die Zusammenarbeit aller maßgeblichen Einrichtungen des Gesundheitswesens unverzichtbar. Die Verwendung des e-card-Systems sorgt für eine gesicherte Authentifizierung der Betroffenen und schafft Synergien im eHealth-Bereich. Die gesundheitspolitische Bedeutung der Zielsetzung wird daher sowohl durch das Regierungsprogramm als auch – beschlossen von den neun Landtagen, National- und Bundesrat - in der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens hervorgehoben. Die Vermeidung solcher unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist Teil der allgemeinen Berufspflichten der beteiligten Gesundheitseinrichtungen. Die diesbezüglichen materiellen gesetzlichen Grundlagen finden sich insbesondere im Kranken- und Kuranstaltengesetz, im Ärztegesetz, in den apothekenrechtlichen Vorschriften sowie im ASVG (gemäß § 31d ASVG hat sich der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger an der Planung zur Einführung und Umsetzung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) zu beteiligen).
Darüber hinaus sind für das Pilotprojekt selbstverständlich das Datenschutzgesetz 2000 sowie das Gesundheitstelematikgesetz zu beachten.
Fragen 2 bis 4:
Ja, auf die bestehenden Dokumentations- und Übermittlungsverpflichtungen der Gesundheitsdiensteanbieter in den vorstehend genannten Vorschriften wird verwiesen. Der Zugriff von Privatpersonen auf Gesundheitsdaten, den ich im Zusammenhang der Fragestellung als Zugriff von Patientinnen und Patienten auf ihre eigenen Medikationsdaten verstehe, kann als unverzichtbarer Bestandteil ihrer Privatautonomie, aber auch aufgrund der diesbezüglichen Bestimmungen in der Patientencharta und den gemeinsamen Werten der Europäischen Union nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.
Frage 5:
Das Pilotprojekt e-Medikation wird auf der Grundlage der vorliegenden Genehmigungen der Datenschutzkommission durchgeführt. Die Verwendung der Daten bedarf der Zustimmung der/des Betroffenen; die Einholung der (schriftlichen) Zustimmungserklärungen sowie die umfassende Aufklärung der Betroffenen sind Bestandteil der Projektkonzeption, -abwicklung und datenschutzrechtlichen Genehmigung.
Erste Erfahrungen mit dem Pilotprojekt und datenschutzrechtliche Überlegungen auf europäischer Ebene zeigen unbeschadet des Umstandes, dass der Mehrwert von kollaborativen Informationssystemen wie der e-Medikation unbestritten ist, rechtliche, organisatorische und – daraus resultierend – potenziell auch ökonomische Hürden auf. Für einen österreichweiten Betrieb der e-Medikation ist es notwendig, entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen. Diesbezüglich verweise ich auf die laufenden Arbeiten für ein „ELGA-Gesetz“, das diese Rechtsgrundlage sowie zusätzliche Rechtsschutzgarantien für die Betroffenen enthalten wird.
Fragen 6 bis 8 und 17:
Die Durchführung des Pilotprojekts e-Medikation erfolgt auf der Grundlage der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens durch die in der Bundesgesundheitskommission repräsentierten Organisationen. Die Abwicklung des Pilotprojekts erfolgt in Form der interkommunalen Kooperation öffentlicher Körperschaften, wofür ein öffentliches Vergabeverfahren gemäß einer Entscheidung des EuGH (C-480/06) nicht notwendig ist. Es liegen daher auch keine Ausschreibungsunterlagen, Bewerbungen oder Zuschlagsentscheidungen vor. Der Großteil der für das Pilotprojekt erforderlichen Leistungen wird in Form von Eigenleistungen der Kooperationspartner erbracht. Sofern Leistungen Dritter erforderlich sind, werden sie vom jeweils fachlich zuständigen Kooperationspartner - selbstverständlich unter strikter Beachtung der Vergabevorschriften - beauftragt.
Fragen 9 und 10:
Nein. Bestandteil der Konzeption und Abwicklung des Pilotprojekts e-Medikation ist eine begleitende wissenschaftliche Evaluierung. Erst nach Vorliegen dieser Evaluierungsergebnisse und der bereits erwähnten Schaffung einer entsprechenden Rechtsgrundlage wird die Entscheidung über den österreichweiten Rollout und Betrieb zu treffen sein.
Frage 11:
Die Projektleitung im Rahmen dieser interkommunalen Zusammenarbeit wurde vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger übernommen. Die Projektsteuerung wird von einem Projektlenkungsausschuss wahrgenommen, dessen Mitglieder die in der Bundesgesundheitskommission vertretenen Einrichtungen repräsentieren. Das Projektcontrolling erfolgt durch die ELGA GmbH. Datenschutzrechtliche Auftraggeber/innen sind die am Pilotprojekt teilnehmenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie die Rechtsträger der Apotheken und Krankenanstalten. Grundlage für ihre Teilnahme sind die Bescheide der Datenschutzkommission vom 18. Februar 2011 sowie ihre Meldungen der Datenanwendung.
Fragen 12 und 13:
Der Pilotbetrieb in den drei ausgewählten Pilotregionen ist für den Zeitraum 1. April bis 31. Dezember 2011 geplant. Für den Abschluss der Evaluierung und die Aufbereitung der Ergebnisse ist mit einem rund zweimonatigen Nachlaufzeitraum zu rechnen.
Der von der Bundesgesundheitskommission freigegebene Budgetrahmen für die Errichtung des Pilotprojekts e-Medikation beträgt 3,15 Mio. Euro und wird aus den für die Finanzierung der elektronischen Gesundheitsakte - ELGA gemäß Art. 30 Abs. 6
der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens zweckgewidmeten Mitteln bedeckt. Gesamtkosten für einen österreichweiten Betrieb der e‑Medikation können erst nach Vorliegen der Evaluierungsergebnisse und der darauf aufbauenden Planungen der zeitlichen und organisatorischen Vorgangsweise valid abgeschätzt werden.
Fragen 14 und 15:
Beim Bundesvergabeamt wurden von der MedEval – Qualitäts-, Leistungs- und Strukturevaluierung im Gesundheitswesen GmbH, Speckbachergasse 12, 6020 Innsbruck der Antrag auf Feststellung eingebracht, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens betreffend die Umsetzung des Systems e-Medikation mit der Pharmazeutischen Gehaltskasse wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war. Dieser Antrag wurde vom Bundesvergabeamt zurückgewiesen.
Von derselben Antragstellerin wurden beim Bundesvergabeamt Anträge auf Feststellung eingebracht, dass die Durchführung der Vergabeverfahren betreffend die Umsetzung des Systems e-Medikation mit der Compugroup Österreich GmbH, mit der INNOMED Gesellschaft für medizinische Softwareanwendungen GmbH und mit der IB-Informatik Beratung GmbH rechtswidrig war. Vom Bundesvergabeamt wurde zwar festgestellt, dass Seitens des Projekträgers diese Vergabeverfahren rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurden, eine Nichtigerklärung dieser Verträge ist jedoch nur ex nunc erfolgt. Alle bisher vorgenommenen Handlungen in Bezug auf die Verträge behalten somit ihre Gültigkeit, eine Rückabwicklung wurde nicht angeordnet.
Der Bescheid des Bundesvergabeamtes ist mit 13. Mai 2011 datiert, die Frist für eine Beschwerde an einen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist daher noch nicht abgelaufen.
Ich möchte auch gerne festhalten, dass durch die Entscheidung des Bundesvergabeamtes der laufende Pilotbetrieb laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht gefährdet ist und kein Anlass dafür besteht, das Projekt zu stoppen. Die Erbringung der weiteren Leistungen durch die Arztsoftwarehersteller wird vergaberechtskonform und unter Berücksichtigung des Bescheides des Bundesvergabeamtes sichergestellt. Bei einer von der Ärztekammer für Wien in einer Presseaussendung vom 18. Mai 2011 gemachten Feststellung, dass es zu keinen Softwareadaptionen mehr kommen darf, handelt es sich um eine Fehlinterpretation.
Frage 16:
Der Datenschutzrat hat sich in mehreren Sitzungen, insbesondere am 22. Februar, 25. Mai und 5. Juli 2010, zu denen auch der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger geladen war, mit der Thematik e-Medikation befasst. Mit Schreiben vom 2. Juni 2010 wurde dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die am 25. Mai 2010 beschlossene und als „vorläufig“ bezeichnete Stellungnahme des Datenschutzrates mit folgendem Inhalt (Auszug) übermittelt:
„Hinsichtlich des Pilotprojektes ist anzumerken, dass von der Datenschutzkommission gemäß § 18 Abs. 2 Z 4 DSG 2000, ein Vorabkontrollverfahren durchzuführen ist und das Pilotprojekt erst nach Prüfung durch die Datenschutzkommission starten kann. Nachdem das Informationsverbundsystem gesetzlich nicht vorgesehen ist, bedarf es gemäß § 24 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 einer strengen Informationspflicht des Auftraggebers. Die Möglichkeit, einen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1 DSG 2000) auf die Zustimmung des Betroffenen zu stützen, ist insofern beschränkt, als hier insbesondere auf das in § 4 Z 14 DSG 2000 und in der EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG vorgesehene Zwangsverbot bei Zustimmungserklärungen Rücksicht zu nehmen ist.
Auch bei der Verwendung sensibler Daten kann nach § 9 Z 6 DSG 2000 zugestimmt werden, allerdings muss eine derartige Zustimmung ausdrücklich erfolgen. Zustimmungen sind jederzeit widerrufbar. Ein Widerruf führt zur Unzulässigkeit der weiteren Datenverwendung. Die Zustimmung des Betroffenen kann daher die Verarbeitung sensibler Daten rechtfertigen. Die Zustimmung muss ohne Zwang erfolgen. Die Zustimmung muss einen konkreten Fall betreffen. In Kenntnis der Sachlage bedeutet die Zustimmung der betroffenen Person nach der bewussten Erfassung und Würdigung der Fakten und Auswirkungen einer Handlung. Sie muss in klarer und verständlicher Form genau und umfassend über alle relevanten Aspekte, wie Art und Zweckbestimmung der verarbeiteten Daten, Personen, an die die Daten möglicherweise weitergegeben werden, und ihre Rechte, aufgeklärt werden. Hierzu gehört auch die Aufklärung über die möglichen Folgen bei Verweigerung der Zustimmung zu der jeweiligen Verarbeitung. (…)
Der Datenschutzrat bemerkt, dass sich das geplante Vorhaben des Pilotprojektes auf die Zustimmung des Betroffenen stützt. Nach Beendigung des Pilotprojektes muss allerdings eine taugliche gesetzliche Grundlage für die E-Medikation geschaffen werden, wobei aufgrund der Intensität des durch diese Gesetzesbestimmung bewirkten Grundrechtseingriffes auch ein entsprechend hoher Determinierungsgrad der Ausformulierung des Gesetzes gegeben sein muss.“
Sämtlichen Punkten des Datenschutzrates – soweit sie sich auf das Pilotprojekt beziehen – wurde vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Vorabkontrollverfahren entsprochen, sie sind somit Gegenstand der Bewilligungsbescheide der Datenschutzkommission.