8192/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.06.2011
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

GZ. BMVIT-10.000/0030-I/PR3/2011    

DVR:0000175

 
 


An die

Präsidentin des Nationalrats

Mag.a  Barbara PRAMMER

Parlament

1017    W i e n

 


Wien, am     . Juni 2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Mag.a Brunner, Freundinnen und Freunde haben am 19. April 2011 unter der Nr. 8311/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend  Einhaltung von Sicherheitsvorschriften beim „Eisenbahnfahren made in Niederösterreich“  gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ø  Auf mehreren Nebenbahnstrecken in Niederösterreich will die NÖVOG in die „Rechtskon-struktion“ einer Anschlussbahn ausweichen, obwohl dort ein regelmäßiger Personenverkehr geführt werden soll.

a)    Erachten Sie diese Vorgangsweise als rechtskonform?

b)    Falls nein, was werden Sie gegen diese Vorgangsweise unternehmen?

c)    Falls ja, erachten Sie die Beibehaltung von Rechtsvorschriften für sinnvoll, nach denen zum Betrieb eines Personenverkehrs auf die Rechtsform einer Anschlussbahn ausgewichen wer-den kann?

 

Aus Sicht der allgemeinen gesetzlichen Grundlagen möchte ich vorweg festhalten, dass die dauern-de Einstellung des Betrieb einer Nebenbahn, auf der ein öffentlicher Personenverkehr betrieben wurde, erst nach der Erteilung einer Bewilligung gemäß § 28 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) zuläs-sig ist. Erst nach Vorliegen einer solchen Bewilligung kann die eingestellte Nebenbahn nach Ertei-lung einer Genehmigung gemäß § 17 EisbG als Anschlussbahn betrieben werden. Auf Antrag des Genehmigungswerbers kann auf einer Anschlussbahn auch die Führung eines beschränkt-öffentlichen Verkehrs zugelassen werden, und dies nach Maßgabe der Voraussetzungen gemäß § 17b EisbG. Dessen Voraussetzungen zielen auf eine Abgrenzung gegenüber dem allgemeinen Verkehr und auf die sicherheitsmäßige Ausstattung.

Ob die Voraussetzungen im konkret angesprochenen Anlassfall erfüllt sind, hat aufgrund der Best-immungen über die Behördenzuständigkeit nach dem EisbG die Bezirksverwaltungsbehörde als Eisenbahnbehörde bzw. der Landeshauptmann als Berufungsbehörde zu entscheiden. Ein Instan-zenzug an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie als Oberste Eisenbahnbe-hörde ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es können nur die außerordentlichen Rechtmittel bei den Höchstgerichten ergriffen werden.

 

Zu Frage 2:

Ø  Derzeit ist es offenbar möglich, bestehende Sicherheitsstandards durch ein Ausweichen in anderen Organisationsformen (Anschlussbahn, Veranstaltungsrecht) ganz einfach zu unter-laufen.

a)    Halten Sie diese Situation gegenüber den Bahnbenützern für zumutbar?

b)    Halten Sie es für vertretbar, dass Personenverkehre nach Organisationsformen abgewi-ckelt werden, nach denen keine Sicherheitsstandards für die Bahnbenützer festgelegt sind?

c)    Werden Sie gegen diese Situation etwas unternehmen?

d)    Falls ja, bis wann?

e)    Falls nein, warum nicht?

 

Entsprechend der Gesetzeslage nach dem EisbG ist es nicht möglich, bestehende Sicherheitsstan-dards zu unterlaufen.

 

Zu Frage 3:

Ø  Nach dem Eisenbahngesetz darf auf einer Anschlussbahn nur ein Werksverkehr oder ein beschränkt-öffentlicher Verkehr zugelassen werden, der Werksverkehr jedoch nur für Eisen-bahnbedienstete. Wenn auf einer Anschlussbahn ein beschränkt-öffentlicher Personenver-kehr zugelassen wird, dann muss diese Anschlussbahn die Sicherheitsstandards einer öf-fentlichen Eisenbahn erfüllen.

a)    Wie wird sichergestellt, dass die NÖVOG auf den Anschlussbahnen mit Personenverkehr die Sicherheitsstandards einer öffentlichen Eisenbahn erfüllt?

b)    Wie wird sichergestellt, dass die NÖVOG auf den Anschlussbahnen mit Anschlussbah-nen mit Personenverkehr die Sicherheitsstandards einer öffentlichen Eisenbahn erfüllt?

c)    Weshalb gibt es keine konkreten Festlegungen über die zu erfüllenden Sicherheitsstan-dards, sondern nur diese allgemein gehaltene Formulierung?

 

Der Gesetzeslage nach dem EisbG zufolge darf gemäß § 17b EisbG ein Werksverkehr oder ein beschränkt-öffentlicher Verkehr auf einer Anschlussbahn nur dann zugelassen werden, wenn die technische Ausstattung der Anschlussbahn hinreichende Sicherheit bietet. Bei Zulassung eines be-schränkt-öffentlichen Verkehrs auf einer Anschlussbahn muss die Ausstattung einer solchen dar-über hinaus sicherheitsmäßig der einer öffentlichen Eisenbahn entsprechen. Ob diese Vorausset-zungen vorliegen, ist von der Bezirksverwaltungsbehörde im einzelnen Verfahren zu prüfen und zu entscheiden. Die vom Bundesgesetzgeber verwendeten allgemeinen Gesetzesbegriffe sind im Ver-waltungsverfahren im Konkreten anzuwenden.

 

Zu Frage 4:

Ø  Welche Gesetze und Verordnungen des Eisenbahnrechts sind konkret für die Durchführung eines beschränkt-öffentlichen Personenverkehrs auf Anschlussbahnen anzuwenden?

 

Die gesetzliche Grundlage besteht wie erwähnt im EisbG. Die Befugnis, auf einer Anschlussbahn selbständig Triebfahrzeuge bedienen und führen zu dürfen, ist darüber hinaus in der Triebfahrzeug-führer-Verordnung, BGBl. II Nr. 64/1999, geregelt.

 

Zu Frage 5:

Ø  Dem Vernehmen nach hat die NÖVOG für die Durchführung des beschränkt-öffentlichen Verkehrs auf den Anschlussbahnen unter anderem auch gebrauchte „Schlierenwagen“ der ÖBB erworben, die nicht den Sicherheitsstandards für öffentliche Eisenbahnen nach der Ei-senbahnbau- und -betriebsverordnung entsprechen sollen.

a)    Dürfen diese „Schlierenwagen“ von der NÖVOG auf den Anschlussbahnen in Niederös-terreich zur Durchführung des beschränkt-öffentlichen Personenverkehrs überhaupt ein-gesetzt werden?

b)    Falls nein, was werden Sie unternehmen, damit diese „Schlierenwagen“ nicht dennoch (rechtswidrig) eingesetzt werden?

 

Die Genehmigungszuständigkeit für Anschlussbahnen insgesamt liegt bei der Bezirksverwaltungs-behörde als Eisenbahnbehörde.

 

Zu Frage 6:

Ø  Durch den Betrieb der niederösterreichischen Nebenbahnstrecken als Anschlussbahnen

unterliegen diese Strecken auch nicht mehr den Netzzugangsbestimmungen für öffentliche

Eisenbahnen.

a)    Welche Eisenbahnverkehrsunternehmen dürfen auf diesen Anschlussbahnen künftig Zugangsrechte ausüben?

b)    Unter welchen Bedingungen dürfen Eisenbahnverkehrsunternehmen auf diesen An-schlussbahnstrecken künftig Zugangsrechte ausüben?

c)    Können Sie ausschließen, dass durch die Organisationsform als Anschlussbahn ein Eingriff in die Zugangsrechte erfolgt ist, der auf den niederösterreichischen Nebenbahn-strecken zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte?

d)    Falls nein, was werden Sie unternehmen?


Auf den Anschlussbahnen gibt es keine generellen Zugangsrechte nach dem EisbG. Im § 75a EisbG sind aber bestimmte Fallkonstellationen geregelt, insbesondere in Fällen so genannter veräs-telter Anschlussbahnen, in denen auch auf Anschlussbahnen Zugangsrechte von Eisenbahnver-kehrsunternehmen einzuräumen sind.

Die Bewilligung zur dauernden Einstellung einer Nebenbahn und deren Weiterbetrieb als An-schlussbahn auf der Grundlage einer diesbezüglichen Genehmigung stellen keinen Eingriff in die Zugangsrechte dar, der zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könnte. Schon vor der Bewilligung zur Einstellung einer Nebenbahn muss die Voraussetzung vorliegen, dass Begehren von zugangs-berechtigten Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Zuweisung von Zugtrassen nicht oder nur für ein geringfügiges Maß vorlagen.

 

 

Zu Frage 7:

Ø  Von den niederösterreichischen Nebenbahnen, die von der NÖVOG jetzt als Anschlussbah-nen weitergeführt werden sollen, zweigen zu Unternehmen auch „reguläre“ Anschlussbah-nen ab, die durch die neue Organisationsform somit zu Nebenanschlussbahnen degradiert werden.

a)         Können Sie garantieren, dass diesen Anschlussbahnen (künftig Nebenanschlussbah-nen) durch diese Organisationsänderung keinerlei Nachteile erwachsen?

b)         Falls nein, was werden Sie unternehmen?

c)         Können die bisherigen Anschlussbahnen (künftig Nebenanschlussbahnen) darauf vertrauen, dass von der NÖVOG oder einem anderen Eisenbahnunternehmen weiterhin beigestellt wird?

d)         Falls nein, was werden Sie unternehmen?

e)         Können Sie ausschließen, dass diese Anschlussbahnen (künftig Nebenanschluss-bahnen) künftig einem „NÖVOG-Monopol“ ausgeliefert sind?

f)          Wenn nein, was werden Sie unternehmen?

g)         Können Sie ausschließen, dass diese Anschlussbahnen (künftig Nebenanschluss-bahnen) von der NÖVOG sang- und klanglos zugesperrt werden?

h)         Falls nein, was werden Sie gegen dieses Unterlaufen der österreichischen Verkehrs-politik (Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene) unterneh-men?

i)          Falls Sie nichts dagegen unternehmen wollen – wie erklären Sie dies?

 

 

Die Fragen bezüglich der Garantien fallen nicht in den Vollzugsbereich meines Ressorts.

Im § 75a Abs. 2 EisbG liegt die rechtliche Rahmenbedingung dafür vor, dass den Betreibern von so genannten Nebenanschlussbahnen sowohl von der NÖVOG, als auch von Eisenbahnverkehrsun-ternehmen beigestellt werden könnte. Es liegt am Betreiber der Nebenanschlussbahn, einen Bestel-ler zu beauftragen.

Die so genannten Nebenanschlussbahnen können nur von ihren Betreibern eingestellt und aufge-lassen werden.


Zu Frage 8:

Ø  Seit etwa zehn Jahren wird seitens des Verkehrsministeriums in regelmäßigen Abständen immer wieder die Vorlage einer Anschlussbahnverordnung versprochen. In einer derartigen Regelung müssten auch klare Sicherheitsstandards für die Personenbeförderung auf An-schlussbahnen (beschränkt-öffentlicher Verkehr) enthalten sein.

a)    Weshalb wurde trotz wiederholter Zusagen bis heute keine Anschlussbahnverordnung vorgelegt?

b)    Wie weit sind die Arbeiten zur Erstellung einer Anschlussbahnverordnung fortgeschrit-ten?

c)    Bis wann wird eine Anschlussbahnverordnung vorgelegt werden?

d)    Bis wann werden klare Sicherheitsstandards für die Personenbeförderung auf An-schlussbahnen vorgelegt?

 

Die Anschlussbahnverordnung soll sich – unter Berücksichtigung der gebotenen Unterschiede zwi-schen öffentlichen und nicht-öffentlichen Eisenbahnen – an den entsprechenden Vorgaben der für Haupt- und Nebenbahnen geltenden Bestimmungen orientieren. Da bei der anstehenden Novellie-rung der für Haupt- und Nebenbahnen geltenden Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung (Eis-bBBV) vor der Einleitung des Begutachtungsverfahrens noch einige Fragestellungen diskutiert wer-den, deren Ergebnisse auch für die Anschlussbahnverordnung zu berücksichtigen wären, soll mit der Fertigstellung und Versendung der Anschlussbahnverordnung zur Begutachtung bis zum Ab-schluss der entsprechenden Behandlung bei der EisbBBV abgewartet werden.

 

Zu Frage 9:

Ø  Soweit dies bisher bekannt ist, sollen die Personenverkehre auf den Anschlussbahnen von der NÖVOG weitgehend mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h, also mit Verschub-geschwindigkeit, geführt werden.

a)    Aus welchen Gründen wurde diese Höchstgeschwindigkeit festgelegt?

b)    Halten Sie eine Fahrgeschwindigkeit von 40 km/h für ein attraktives Angebot für die Bahn-kunden?

c)    Falls nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

 

 

Die Fragen der Genehmigungen für Anschlussbahnen fallen, wie bereits ausgeführt, in die Ent-scheidungskompetenz der Eisenbahnbehörde im Land.

 

Zu Frage 10:

Ø  Auch die Mariazellerbahn soll von der NÖVOG ab Laubenbachmühle künftig nicht mehr als öffentliche Eisenbahn, sondern nur mehr als Anschlussbahnen mit „Personen-

Mitbeförderung“ (beschränkt-öffentlicher Verkehr) geführt werden.

a)    Wäre diese „Umwandlung“ mitten auf der Strecke nach dem Eisenbahnrecht überhaupt zu-lässig?

b)    Aus welchen Gründen wäre eine derartige „Umwandlung“ überhaupt sinnvoll?

c)   Würden in diesem Fall ab Laubenbachmühle – also auf der teilweise fernab von Siedlungen und Straßen und in anspruchsvoller Trassierung exponiertem Terrain sowie u.a. durch einen langen Tunnel geführten Bergstrecke - dann geringere Sicherheitsstandards gelten als bis Laubenbachmühle?


Allgemein möchte ich dazu anmerken, dass bevor eine Strecke oder ein Streckenteil als Anschluss-bahn mit beschränkt-öffentlichem Verkehr betrieben werden dürfte, zuerst die dauernde Einstellung als öffentliche Eisenbahn bewilligt werden müsste. Erst nach Vorliegen einer solchen Bewilligung dürfte der eingestellte Streckenteil nach Vorliegen einer entsprechenden Genehmigung als An-schlussbahn betrieben werden. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, könnte auf Antrag auch ein beschränkt-öffentlicher Verkehr oder ein Werksverkehr zugelassen werden.

Sofern überhaupt ein Anschlussbahnbetrieb mit beschränkt-öffentlichem Personenverkehr geführt wird, hätte die Ausstattung der Anschlussbahn sicherheitsmäßig der einer öffentlichen Eisenbahn zu entsprechen. Ob diese Voraussetzung konkret vorliegt, hätte - wie auch bereits erwähnt - die Be-zirksverwaltungsbehörde im Genehmigungsverfahren zur Zulassung des beschränkt-öffentlichen Verkehrs zu prüfen.