8225/AB XXIV. GP
Eingelangt am 27.06.2011
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag.a Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0174-I/A/15/2011
Wien, am 22. Juni 2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 8380/J des Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Fragen 1 bis 4:
Die Honorierung ist bei Krankenhaus-Ambulanzen, selbständigen Ambulatorien und Arzt-Ordinationen unterschiedlich (gesetzlich) geregelt. Während in landesgesundheitsfondsfinanzierten Krankenanstalten die Ambulanzleistungen grundsätzlich mit den Pauschalzahlungen der Sozialversicherungsträger an die Landesgesundheitsfonds per Gesetz abgegolten sind, sind Honorierungsregelungen mit den übrigen Leistungserbringern im Rahmen privatrechtlicher Verträge zu vereinbaren.
Bei diesen Honorarregelungen wird sowohl auf die gesamte Versorgung einer bestimmten Region durch alle vorhandenen Leistungserbringer Rücksicht genommen als auch auf ökonomische Folgewirkungen bestimmter Honorierungsformen. Insoweit gilt es somit, Interdependenzen zwischen verschiedenen Leistungserbringern bei der Sicherstellung einer Gesamtversorgung zu beachten als auch konkrete Verhaltens-anreize beim jeweiligen Leistungserbringer.
Damit ist einer der wesentlichsten Gründe für die Differenzierungen bei der Vertragsgestaltung angeschnitten:
Die Gesamtverträge der Sozialversicherung und ihre Honorarbestimmungen beruhen auf Rahmenbedingungen:
Eine dieser Rahmenbedingungen ist die Gestaltung und Organisation der Krankenanstalten in einem Bundesland (hier sind nicht nur die öffentlichen Krankenhäuser gemeint, sondern alle Institutionen nach dem KAKuG, somit auch die – durch die Behörde allenfalls jeweils sogar genehmigten usw. – Institute usw.).
Eine weitere Rahmenbedingung ist die länderweise unterschiedlich mögliche Organisation privater Anbieter/innen von anderen Gesundheitsleistungen. Es muss die Möglichkeit bestehen, auch darauf flexibel zu reagieren.
Angesichts der länderweise verschiedenen Angebote von Leistungen des Gesund-heitswesens muss es möglich sein, in Verträgen der Krankenversicherungsträger darauf einzugehen. Das bedingt aber (bereits rein kalkulatorisch) unterschiedliche Honoraransätze, weil sich z.B. die Gemeinkosten auf mehr oder weniger Leistungen usw. verteilen.
Angesichts der Größe der Zahl der Versicherten betrifft das hauptsächlich die Gebietskrankenkassen und deren Gesamtverträge.
Genau diese Besonderheiten zeigt die Arzthonorierung in Österreich auf: Die ärztliche Honorierung ist immer als „Gesamtpaket“ in Reaktion auf (teilweise historisch gewachsene) Organisationsformen im Gesundheitswesen Österreichs zu sehen. Konsequenterweise sind die Dotationen einzelner Leistungspositionen daher nur schwer vergleichbar.
Die Auswirkungen einer „angebotsinduzierten Nachfrage“ und deren Auswirkungen auf die Leistungsanforderungen im niedergelassenen Bereich durch die gegebenen Rahmenbedingungen begründen jedenfalls länderweise unterschiedliche Honorare, ohne dass vereinheitlichende Tendenzen hier in der Ingerenz der Sozialversicherungs-träger lägen. Dementsprechend müssen auch die Obergrenzen, Rabatte bei Vielfachleistungen, Honorarobergrenzen usw. anders gestaltet sein.
So erfolgt die Gestaltung der Leistungsbeschreibungen und Honorare auf Grundlage entsprechender Erfahrungswerte/Statistiken und ist länderweise unterschiedlich. Die Untergliederung in Grund- und Sonderleistungen zeigt auch, wo und wie in einem Bundesland Schwerpunkte in Bezug auf die Verteilung des Honorarvolumens und die unterschiedlichen Rollen der einzelnen Fachgruppen im Zusammenhang mit dem Versorgungsauftrag liegen (z.B. unterschiedliche Zugänge zur Laborversorgung bei Allgemeinmediziner/inne/n in NÖ bzw. Wien).
Das gemischte Honorierungssystem (Grundleistungen und Sonderleistungen) ist zielgerichtet und sehr gut geeignet, um effizient Qualität und Ausgaben zu steuern, im Interesse qualitativer Behandlungen, der Patient/inn/en und des Gesundheitswesens insgesamt.
§ 342 Abs. 2 ASVG determinierte bis zur Änderung durch das BGBl. I Nr. 61/2010 grundsätzlich ein Einzelleistungssystem, gleichzeitig sollte jedoch eine Gesamt-ausgabenbegrenzung enthalten sein. Derzeit ist ebenfalls eine Einzelleistungs- oder Pauschalierungshonorierung vorgesehen. Die Ausgestaltung eines solchen Systems obliegt den Krankenversicherungsträgern als Selbstverwaltungskörper gemeinsam mit den Interessenvertretungen. Die Einteilung bzw. Zuordnung von Leistungen und deren verrechenbarer Inhalt hängt wie geschildert von der Ausgestaltung des Honorierungssystems und dessen Rahmenbedingungen ab.
Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang ein aktuelles Erkenntnis des VfGH B 254/10 vom Februar 2011. Der VfGH hat erwogen (II. Erwägungen, Pkt. 1.4.2 und 1.4.3):
„Es liegt im Gestaltungsspielraum der Partner des Gesamtvertrages, entweder die nach medizinisch-sachkundigem Verständnis (also nach der fachlichen Verkehrsauffassung) zusammengehörigen und daher zu einer Einzelleistung zusammengefassten Haupt- und Nebenleistungen unabhängig davon, in welchem Umfang die jeweiligen Leistungsteile in jedem Behandlungsfall schlagend werden und welchen Zeitaufwand sie jeweils im Einzelnen verursachen in Form einer einheitlichen Tarifposition abzugelten (und damit hinsichtlich der jeweils umfänglich ungewissen Nebenleistungen eine gewisse Pauschalierungswirkung zu erzielen). Die Partner des Gesamtvertrages dürfen aber auch eine solche ärztliche Leistung, die mitunter Nebenleistungen inkludiert, weil diese lege artis und daher auch zum Pauschalhonorar erbracht werden müssen, in einzelne Teil (Haupt- und Neben-)leistungen zerlegen und für jede der in Betracht kommenden Teilleistungen einen eigenen Tarif vorsehen, so dass sich für jede Erbringung der Gesamtleistung je nach Art und Ausmaß der erforderlichen Nebenleistungen von Fall zu Fall unterschiedliche Honorare ergeben können.“
Weiters in Pkt. 1.5 der Erwägungen:
„… Auf diese Weise versuchen die Gesamtvertragsparteien einen Ausgleich zwischen dem Interesse der (Vertrags-)Ärzteschaft an einem (hohen) Einkommen aus ihrer Tätigkeit und jenem des beteiligten Krankenversicherungsträgers - letztlich: der betroffenen Versichertengemeinschaft - an einem ausgeglichenen Haushalt herzustellen.…“
Wie bereits erwähnt, ist es das Ziel jedes Krankenversicherungsträgers, in diesen Rahmenbedingungen seine Mittel effizient einzusetzen.
Dies ist letztlich der Hauptgrund für die dargestellte Situation.
So ist es sicherlich unstrittig, dass z.B. die Versorgung in einem Ballungszentrum wie Wien andere Notwendigkeiten erfordert als beispielsweise in Niederösterreich als flächengrößtem Bundesland, das mit einer höchst unterschiedlichen Bevölkerungs-dichte in den einzelnen Regionen konfrontiert ist.
Neben diesen regionalen Differenzierungen zwischen einzelnen Bundesländern sind auch unterschiedliche Versorgungsschwerpunkte zu beachten .
Fragen 5 bis 8:
Auf die obenstehenden Ausführungen darf verwiesen werden. Die Leistungs- und Honorarsysteme des Gesundheitswesens sind ein System kommunizierender Gefäße, bei dem nicht ein Bereich losgelöst von den anderen betrachtet werden darf. Die in den einzelnen Honorarordnungen enthaltenen Leistungen und deren Dotierungen hängen eng mit den regionalen Strukturen und dem in einem Bundesland gewählten Zugang zur Sicherstellung der Versorgung zusammen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die augenscheinlichen Unterschiede zumeist in Honorarhöhen und -gliederungen liegen, aber nicht zwangsweise eine schlechtere Versorgung der Versicherten zur Folge haben müssen.
Die Möglichkeit unterschiedlicher Vertragsgestaltungen bietet auch Vorteile für eine Weiterentwicklung: So ist die OÖGKK erfolgreich bemüht, über die Steuerung der Honorierung geeignete Anreize zu setzen (z.B. Forcierung von Zuwendungsmedizin, niedrigste Laborkosten pro Anspruchsberechtigten im Österreichvergleich), die einer bestmöglichen Patient/inn/enorientierung dienen. Zwischen den Gebietskrankenkassen ergibt sich damit die Möglichkeit, im Benchmarking Vergleiche anzustellen und Best Practice-Modelle gegenseitig zu übernehmen. Erst das Zulassen von föderalistischer Steuerung im jeweiligen Bundesland gibt den zuständigen Vertragsparteien (Gebietskrankenkassen und Ärztekammern) die sinnvolle Möglichkeit, spezifische und regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen.
Durch den föderalistischen Aufbau bzw. die föderalistische Struktur der Ärztekammern und der Gebietskrankenkassen mit deren jeweils autonomer Stellung haben die Honorarordnungen im Sinne des sozialpartnerschaftlichen Ausgleiches verschiedene Entwicklungen, dies sowohl hinsichtlich der Art der Gestaltung des Honorierungs-systems (kombiniert zwischen Pauschal- und Einzelleistungshonorierungssystem) als auch hinsichtlich der Tarifhöhe (im Hinblick auf die unterschiedlichen Kaufkraft– und Kostenstrukturen in den einzelnen Bundesländern).
Eine Homogenisierung der Tarifmodelle wird in erster Linie bei neuen Gruppenpraxen- Modellen mit interdisziplinärer Beteiligung, die nach den Bestimmungen des ASVG zwingend mit einem Pauschalhonorierungssystem verbunden werden soll, im Vordergrund stehen.
Frage 9:
Die Fragestellung impliziert, dass eine „Homogenisierung“ eine Verbesserung bewirkt. Dafür liegen keine Belege vor, im Gegenteil: Die Beispiele staatlicher Gesund-heitsdienste (z.B. in Großbritannien oder früheren gesellschaftlichen Systemen Osteuropas) zeigen deutlich, dass Vereinheitlichung keinesfalls zwingend auch Verbes-serungen bringen muss. Es war bisher nicht Ziel, eine „Einheitsversicherung“ zu schaffen.
Abgesehen davon schafft die – bundesgesetzlich vorgegebene – Beitragshöhe ohnedies einen Rahmen, der keine allzu großen finanziellen Varianten zulässt. Dass im Detail Abweichungen bestehen dürfen und auch bestehen, ist sinnvoll und sachgerecht.
Weiters setzt eine Vereinheitlichung der Tarifmodelle, die ja auf Verträgen beruhen, auch vereinheitlichende Maßnahmen bei den Vertragspartnern voraus. Die Vertrags-partner der Sozialversicherung sind zum größten Teil – wofür es gute Gründe gibt – länderweise organisiert (Landeskammern, Landesorganisationen), was es nahelegt, auch die Verträge landesweise zu gestalten.
Wiederholt sei erwähnt, dass eine einheitliche Honorarordnung für die Versicherten keine Vorteile bringt - bestenfalls würde sie zu einer Nivellierung der ärztlichen Honorare im Mittelfeld, wahrscheinlich aber sogar im Spitzenfeld führen.
Es liegen keine Hinweise vor, dass die österreichischen (im Vergleich zu Deutschland etwa halb so hohen) Beitragssätze zur sozialen Krankenversicherung durch eine einheitliche Gestaltung der Vertragstarife besser als bisher abgesichert werden könnten.
Frage 10:
Sozialversicherungsintern wurden das Instrument der Vertragspartner-Analyse und andere zusammenfassende Organisationsformen (Metahonorarordnung, Standardprodukte usw.) entwickelt. Die Vertragspartner-Analyse hat mittlerweile Eingang ins ASVG gefunden (§ 32h) und wird eine bessere Vergleichbarkeit der Kennzahlen ermöglichen. In diesem Rahmen ist man auch bestrebt, Best-Practice-Modelle zu entwickeln. Dass die Sozialversicherungsträger in einschlägigen Arbeitskreisen auf Büroebene untereinander Informationen austauschen, um unzweckmäßige Abweichungen zu vermeiden, ist selbstverständlich.