831/AB XXIV. GP
Eingelangt am 27.03.2009
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Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
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An die Präsidentin des Nationalrats Maga Barbara PRAMMER Parlament 1017 Wien |
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GZ: BKA-353.110/0051-I/4/2009 |
Wien, am 25. März 2009 |
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde haben am 27. Jänner 2009 unter der Nr. 738/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Hobbies einer Minderheit von Staaten als Entscheidungsleitung für Österreichs Regierung - was kommt nach der Verschrottungsprämie als Nächstes? gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 6:
Ø Mehr als die Hälfte der Staaten der EU betreiben Atomkraftwerke, eine Minderheit von zehn (von 27) EU-Staaten hat keinen Ausstiegsbeschluss gefasst, eine noch kleinere Zahl von EU-Staaten verfolgt offensive AKW-Ausbaupläne. Nachdem z.B. bei der PKW-Verschrottungsprämie schon der „Gleichklang“ mit einer Minderheit von 8 EU-Staaten für ein „Mitziehen“ der Bundesregierung ausreicht: Ist –auch den Vorstellungen Ihres Beraters Hannes Androsch folgend – ein „Mitziehen“ der Bundesregierung mit den offensiven Atomkraft-Ausbau-Plänen einer vergleichbaren Minderheit von EU-Staaten zu erwarten?
Ø Während Österreich mit dem nach den letzten beiden Novellierungen brustschwachen und krass unzureichenden Ökostromgesetz und dem gesetzgeberisch nicht abgedeckten Bereich Ökowärme hinterherhinkt, haben bereits einige weitere EU-Staaten nach dem Vorbild von Deutschlands Erneuerbare - Energien-Gesetz (EEG) umfassend zukunftsweisende Gesetze zum Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen. Nachdem z.B. bei der PKW-Verschrottungsprämie schon der „Gleichklang“ mit einer Minderheit von 8 EU-Staaten für ein „Mitziehen“ der Bundesregierung ausreicht: Ist ein „Mitziehen“ der Bundesregierung mit den offensiven Ausbau-Plänen einiger EU Staaten für den Sektor Erneuerbare Energien nach Vorbild des deutschen EEG zu erwarten? Wenn nein, warum nicht?
Ø Während Österreich im Führerschein-Vormerksystem aus Lobby-Rücksichten wesentliche Deliktgruppen von Sanktionierung ausgeklammert hat und generell bei Zahl der Delikte ein Minimalmodell verfolgt hat, haben einige EU-Staaten wie Frankreich oder Italien wesentlich weiter reichende – und wie sich an der jeweiligen Entwicklung der Unfallbilanz zeigt, offensichtlich erfolgreiche – Modelle umgesetzt. Nachdem z.B. bei der PKW-Verschrottungsprämie schon der „Gleichklang“ mit einer Minderheit von 8 EU-Staaten für ein „Mitziehen“ der Bundesregierung ausreicht: Ist ein „Mitziehen“ der Bundesregierung mit den offensiven Verkehrssicherheitsmaßnahmen einiger EU-Staaten insbesondere im Bereich Vormerksysteme/Punkteführerschein-Modelle zu erwarten? Wenn nein, warum nicht?
Ø In welchen übrigen Themenfeldern wird die von Ihnen geführte Bundesregierung Initiativen oder Erfolge einer Minderheit von EU-Staaten zum Anlass für die Revidierung eigener Positionen nehmen?
Ø Wie passen das intensive innerstaatliche Engagement von Mitgliedern Ihrer Regierung für eine Verschrottungsprämie und die keineswegs negativen Positionierungen vor dem informellen EU-Ministertreffen zu diesem Thema am 16.1.2009 mit Ihrer Beteuerung zusammen, dass Österreich die Prämie nicht offensiv betrieben habe (vgl. Ihre Aussagen nach dem Ministerrat am 20.1.2009)?
Ø In einer Aussendung der Sozialistischen Korrespondenz vom 20.1.2009 betonen Sie, dass der Automotive - Bereich daneben auch „durch Stärkung der Nachfrage (etwa mittels Steuermaßnahmen in Europa)“ unterstützt werden „müsse“. Was bedeutet „Steuermaßnahmen in Europa“ in diesem Zusammenhang konkret, und welche Maßnahmen im Einzelnen plant die von Ihnen geführte Regierung in diesem Bereich innerstaatlich bis wann umzusetzen?
Das Interpellationsrecht gem. Art. 52 Abs. 1 B-VG erlaubt, die Mitglieder der Bundesregierung über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Gem. Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 B-VG sind zur Besorgung der Geschäfte der Bundesverwaltung die Bundesministerien und die ihnen unterstellten Ämter berufen. Ihre Zahl, ihr Wirkungsbereich und ihre Einrichtung werden durch Bundesgesetz bestimmt.
Die ggst. Fragen zielen auf Vollziehungsbereiche diverser Fachministerinnen und Fachminister. Unabhängig davon möchte ich aber zu diesen Fragen in der gebotenen Sachlichkeit die diesbezüglichen Grundlinien der österreichischen Regierungspolitik festhalten:
Wie auch im Regierungsprogramm 2008-2013 festgehalten, wird die Bundesregierung weiterhin eine aktive Anti-Atom-Politik verfolgen. Kernenergie ist weder eine nachhaltige Form der Energieversorgung noch eine tragfähige Option zur Bekämpfung des Klimawandels. Wir treten in diesem Zusammenhang gegen jede Art der Förderung der Kernenergienutzung sowie gegen den Bau neuer Kernkraftwerke generell ein.
Die Schaffung hoher und verbindlicher Sicherheitsstandards für Nuklearanlagen in anderen Staaten ist ein weiteres Ziel der österreichischen Nuklearpolitik. Vereinbarte Schließungsverpflichtungen besonders problematischer Anlagen sind strikt einzuhalten.
Die Bundesregierung wird die österreichische Anti-Atompolitik gegenüber internationalen Institutionen, in der EU und gegenüber den Nachbarstaaten, die Kernkraftwerke betreiben oder planen, weiterhin mit Nachdruck vertreten.
In Bezug auf die Energieziele hat sich Österreich beim Europäischen Rat im Dezember 2008 zu den EU-Klima- und Energiezielen bekannt. Da die Entwicklung eines nachhaltigen Energiesystems für die Bundesregierung zu den zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre zählt, wird sie eine neue energie- und klimapolitische Gesamtstrategie für Österreich erarbeiten. Insbesondere zur Umsetzung des für Österreich in der Richtlinie erneuerbare Energien bis 2020 vorgegebenen Zieles von 34 % erneuerbaren Energien wird eine koordinierte Strategie bis 2010 entwickelt. Zentrales Handlungsfeld wird dabei - neben dem Ausbau erneuerbarer Energien -die Einsparung von Energie sein. Es sind Aktionspläne und Maßnahmenbündel in den Bereichen Bauen und Wohnen, Mobilität, Energiewirtschaft sowie Gewerbe und Industrie geplant.
Im Vergleich zu Deutschland weist Österreich einen wesentlich höheren Ökostromanteil auf: Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr 2006 betrug in Österreich 56 %, während in Deutschland lediglich 12 % des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt wurden. Die österreichische Bundesregierung ist bestrebt, die Vorreiterposition, die Österreich im Bereich erneuerbare Energien einnimmt, weiter auszubauen: Am 8. Juli 2008 wurde im Nationalrat eine Novelle zum Ökostromgesetz beschlossen, die derzeit der Europäischen Kommission zur Prüfung vorliegt. Sie schafft in zentralen Bereichen verbesserte Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien. Die Novelle sieht verlängerte Tariflaufzeiten, erhöhte Investitionszuschüsse und eine verbesserte Förderabwicklung vor. Die jährlichen Zusatzförderungsmittel werden um rund 25% auf 21 Millionen Euro jährlich angehoben. Damit werden bis 2015 zusätzlich rund 500 Millionen Euro in den Ausbau und die Förderung von Ökostrom investiert. Weiters besteht die Möglichkeit, das Finanzvolumen nach entsprechender Evaluierung anzuheben, wenn das neue Fördervolumen von 21 Millionen Euro ausgeschöpft ist.
Die beiden von der Bundesregierung verabschiedeten Konjunkturprogramme enthalten eine Vielzahl von Maßnahmen zur Unterstützung der österreichischen Wirtschaft. Der Fokus liegt auf Investitionsanreizen, Qualifizierung und Beschäftigung sowie Kaufkraftstärkung durch die vorgezogene Steuerreform. Daneben wurden auch noch weitere Konjunkturbelebungsmaßnahmen beschlossen, wie z.B. die Verlängerung der Kurzarbeit und die erwähnte Verschrottungs-/Umweltprämie für Fahrzeugtausch zur Unterstützung der automotiven Branche. Mehrere EU-Staaten haben Verschrottungsprämien eingeführt bzw. diskutieren deren Einführung. Der Rückgang der globalen Autoverkäufe hat die wirtschaftliche Situation von allen Auto-Produzenten, ihren Zulieferern und Autohändlern (betrifft auch viele Klein- und Mittelbetriebe) dramatisch verschlechtert; Auswirkungen auf den Arbeitsmärkten (z.B. Entlassungen von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern, Anstieg der Kurzarbeit) sind bereits klar ersichtlich. Auf europäischer Ebene werden von der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank Optionen diskutiert, wie die Autoproduzenten unterstützt werden können.