8396/AB XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2011
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BM für Frauen und öffentlichen Dienst

Anfragebeantwortung

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017     W i e n

 

GZ: BKA-353.290/0061-I/4/2011

Wien, am        . Juli 2011

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Schwentner, Freundinnen und Freunde haben am 19. Mai 2011 unter der Nr. 8641/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend versteckte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Kollektivverträgen gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 sowie 5 bis 9:

Ø  Warum enthält der Nationale Aktionsplan zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt mit Ausnahme der besseren Anrechnung von Ausbildungen im Bereich der Kindergärten und der Pflege keine weiteren Maßnahmen, die das versteckte Diskriminierungspotential in Kollektivverträgen verringern können?

Ø  Welche Maßnahmen setzen Sie konkret, um der in manchen Kollektivverträgen unterschiedlich ausgestalteten Abrechnung von Ausbildungen entgegenzuwirken?

Ø  Welche Maßnahmen setzen Sie, damit der besondere Kündigungsschutz bis zum Erreichen des Regelpensionsalters in allen Kollektivverträgen für Frauen und Männer vereinheitlicht wird?

Ø  Welche Maßnahmen setzen Sie, damit in Kollektivverträgen keine mittelbar diskriminierenden Bestimmungen bei der Anrechnung von Karenzzeiten festgeschrieben werden?

Ø  Welche Maßnahmen, setzen Sie, um die Sensibilisierung für mittelbar diskriminierende Bestimmungen in Kollektivverträgen in den Verhandlungsteams zu erhöhen?

Ø  Was tun Sie, um eine geschlechtsparitätische oder zumindest eine dem Frauenanteil in der jeweiligen Branche entsprechende Zusammensetzung der Verhandlungsteams bei Kollektivvertragsverhandlungen zu fördern?

 

Die Problematik von verstecktem Diskriminierungspotential in Kollektivverträgen ist mir ein sehr wichtiges Anliegen, wobei die Zuständigkeit dafür in erster Linie bei den Sozialpartnern liegt.

 

Meine Aufgabe – basierend auf dem Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetz-gebungsperiode – war und ist die Koordinierung der Erstellung und Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt (NAP Gleichstellung), welcher im Rahmen eines intensiven und breiten Diskussionsprozesses unter Beteiligung von VertreterInnen der Sozialpartner und der Industriellenvereinigung, aus der Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Politik und NGOs entstanden ist. Dabei wurden 55 Maßnahmen erarbeitet. Dieses Maßnahmenpaket muss nun umgesetzt werden, wobei alle Ressorts, sowie je nach Kompetenzbereich auch die Länder, Gemeinden und die Sozialpartner gefragt sind.

 

Die Verantwortung für die Ausarbeitung und den Abschluss von Kollektivverträgen liegt alleine bei den Sozialpartnern, die sich auch dazu bekennen, sich der Problematik von Diskriminierungen in Kollektivverträgen anzunehmen.

 

Zu den Fragen 2, 3 und 10:

Ø  Wie wird derzeit sichergestellt, dass versteckte Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in Kollektivverträgen entdeckt und verändert werden?


 

Ø  Warum müssen Kollektivverträge vor Ihrem Inkrafttreten nicht verpflichtend von einer unabhängigen Stelle auf diskriminierende Elemente geprüft werden?

Ø  Wie hoch ist der Einfluss, den mittelbar diskriminierende Bestimmungen in Kollektivverträgen auf die Einkommensunterschiede von Frauen und Männern haben?

 

Gemäß GlBG § 11 haben betriebliche Einstufungsregelungen und Normen der kollektiven Rechtsgestaltung bei der Regelung der Entlohnungskriterien den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit oder eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, zu beachten und dürfen weder Kriterien für die Beurteilung der Arbeit der Frauen einerseits und der Arbeit der Männer andererseits vorschreiben, die zu einer Diskriminierung führen.

 

Die Überprüfung von Kollektivverträgen auf die Angemessenheit (Gleichwertigkeit) ihrer Einstufungskriterien kann allerdings im Hinblick auf das in Österreich bestehende Prinzip der Kollektivvertragsautonomie nicht in einem Norm-Prüfungsverfahren mit genereller Wirkung, sondern nur im Einzelfall zwischen den Parteien eines Rechtsstreits erfolgen. Eine quantitative Statistik zu den genauen Prozentanteilen der verschiedenen Einflussfaktoren auf den Gender Pay Gap liegt nicht vor.

 

Verstößt eine Norm des kollektiven Arbeitsrechts bzw. eine betriebliche Einstufungsregelung gegen § 3 Z 2 (bei der Festsetzung des Entgelts) und § 11, so ist die diskriminierende Bestimmung (teil-) nichtig. Sind mindestens drei ArbeitnehmerInnen von solchen Bestimmungen betroffen, dann kann der Betriebsrat beim Arbeits- und Sozialgericht eine Feststellungsklage bzw. eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der ArbeitgeberInnen oder ArbeitnehmerInnen einen Feststellungsantrag beim OGH einbringen.

 

Zu Frage 4:

Ø  Was tun Sie, um eine geschlechtergerechte Bewertung von Tätigkeiten und der damit verbundenen Belastungen, die sich nicht zuletzt in der Entlohnung widerspiegelt, zum Beispiel durch Methoden diskriminierungsfreier Arbeitsbewertung, zu forcieren?


 

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat Workshops für MultiplikatorInnen in Interessenvertretungen und Betrieben entwickelt, in denen umfassende Information über die gesetzlichen Bestimmungen mit der Information über Praxisfälle und Anleitungen für die Sichtbarmachung von Einkommensunterschieden kombiniert werden. Sie veranstaltete 2011 z.B. in Kooperation mit den ÖGB-Frauen mehrere Equal Pay Seminare für BetriebsrätInnen.

 

Kurzlehrgänge bzw. Weiterbildungsseminare mit dem Ziel der Professionalisierung von ExpertInnen für Equal Pay („Frauen verdienen mehr“; „on the way to equal pay“) wurden und werden seit 2008 jährlich durchgeführt und von mir finanziell unterstützt.

 

Im Herbst 2009 wurde mit der Kampagne „gleich=fair“ für gleichen Lohn für gleiche Arbeit geworben.

 

In diesem Zusammenhang stehen auch die Maßnahmen zur Einkommenstransparenz, die Ergebnis des Nationalen Aktionsplans sind. Zusammen werden sie einen wesentlichen Beitrag leisten, um Einkommensunterschiede sichtbar und bekämpfbar zu machen:

Durch eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes wurden  mit 1. März 2011 verpflichtende betriebsinterne Einkommensberichte eingeführt. In einem ersten Schritt müssen ab 2011 die Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Einkommensbericht erstellen. In den Folgejahren wird die Bestimmung auch auf kleinere Unternehmen ausgeweitet. Bis 2014 sind alle Betriebe mit mehr als 150 MitarbeiterInnen dazu verpflichtet, alle 2 Jahre einen Bericht vorzulegen.

In Stelleninseraten und -ausschreibungen müssen das kollektivvertragliche Mindestentgelt und gegebenenfalls die Möglichkeit der Überzahlung angegeben werden.

Um Frauen und Männern, insbesondere auch BerufseinsteigerInnen, leicht zugängliche und aktuelle Informationen zu branchen-/ortsüblichen Lohnstrukturen online zur Verfügung stellen zu können, wurde die Einrichtung eines Gehaltsrechners in Auftrag gegeben. Das Online-Tool wird im Herbst 2011 zur Verfügung stehen.

 

Mit freundlichen Grüßen