8422/AB XXIV. GP

Eingelangt am 13.07.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0155-III/4a/2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 12. Juli 2011

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 8515/J-NR/2011 betreffend die Verbindlichkeit von Gesetzen und die Unterrichtssprache Deutsch, die die Abg. Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen am 17. Mai 2011 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Frage 1:

Vorweg wird bemerkt, dass sich die gegenständliche Parlamentarische Anfrage offenbar auf einen am 30. April 2010 in der Kronenzeitung erschienen Artikel bezieht (http://www.krone.at/Wien/Rechenaufgaben_an_Favoritner_Schule_in_drei_Sprachen-Wirklich_sinnvoll-Story-197719), welcher Rechenaufgaben an der Kooperativen Mittelschule in der Leibnizgasse in Wien-Favoriten thematisiert.

 

Die im einleitenden Teil der Parlamentarischen Anfrage auszugsweise wiedergegebenen Materialien stammen aus der Serie „Interkulturelles Lernen – Mathematik“ (5. bis 8. Schulstufe), die in den Neunziger Jahren im Auftrag des Ressorts entwickelt wurde.

 

Bei den insgesamt vier Bänden im A4-Format handelt es sich um autorisierte Kopiervorlagen auf Grundlage der Mathematiklehrpläne für die Sekundarstufe I. Die Arbeitsblätter verstehen sich als Ergänzung zu den approbierten Mathematikbüchern, vor allem in Klassen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit bosnischer/kroatischer/serbischer oder türkischer Erstsprache. Es obliegt den Lehrkräften, aus der Fülle des angebotenen Materials eine geeignete Auswahl zu treffen.

 

Auf Grund der regen Nachfrage wurden die vier Bände mit geringfügigen Änderungen (neue Rechtschreibung, Euro- statt Schillingbeträgen in Textaufgaben) im Jahr 2006 neu aufgelegt und erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit.

 

Zu Fragen 2 bis 5:

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass in der Bildungsdokumentation kein direktes Erhebungs­merkmal betreffend den „Migrationshintergrund“ der Schülerinnen und Schüler verfügbar ist und daher ersatzweise die bei den Schülerinnen und Schülern angegebene „im Alltag gebrauchte Sprache“ herangezogen wurde; bei mehreren angegeben Sprachen wurde die als erstes genannte Sprache verwendet.

 

Ausgehend davon und auf Basis der Daten der Bildungsdokumentation zum derzeit letzt­verfügbaren Schuljahr 2009/10 liegt an den Hauptschulen im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten (inkl. den dort geführten NMS- bzw. KMS-Klassen) der Anteil an türkisch-sprachigen Schülerinnen und Schülern bei durchschnittlich 26,5%, an der Hauptschule Leibnizgasse (SKZ 910092) bei 36,6%. Der Anteil für Bosnisch/Kroatisch/Serbisch liegt für die Hauptschulen dieses Bezirks zusammen bei 20,4% und für die Schule in der Leibnizgasse bei 29,8%.

 

Zu Frage 6:

Was die Übersetzung von Textbeispielen und Arbeitsanweisungen in die beiden häufigsten Migrantensprachen Bosnisch/Kroatisch/Serbisch und Türkisch betrifft, wird damit der Realität an vielen Schulen entsprochen. Dieser dreisprachige Ansatz hat unter anderem folgende Vorteile:

-      Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, aber eine der beiden anderen Sprachen beherrschen, können problemlos am Mathematik­unterricht teilnehmen, da die sprachlichen Barrieren beseitigt wurden.

-      Jene Schülerinnen und Schüler, die noch Schwierigkeiten mit der deutschen Fachsprache haben, können die Angaben in beiden Sprachen lesen, allfällige Lücken in der einen Sprache durch Wissen aus der anderen Sprache ergänzen und so zu einem besseren Text­verständnis gelangen, welches wiederum Voraussetzung für die Lösung der Aufgaben ist.

-      Schülerinnen und Schüler, welche Deutsch bereits besser als ihre Erstsprache beherrschen, können sich das einschlägige Fachvokabular auch in ihrer Erstsprache aneignen.

Zu guter Letzt sei angemerkt, dass die sprachliche Entwicklung deutschsprachiger Kinder durch das Vorhandensein fremdsprachiger Textpassagen in Materialien nicht beeinträchtigt wird.

 

Zu Frage 7:

In den einschlägigen Lehrplänen sowie in den Bildungsstandards finden sich zahlreiche Bezüge auf die „zunehmend multikulturelle und mehrsprachige Zusammensetzung der Schüler­population an Österreichs Schulen“, wie etwa

-      Die sprachliche und kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft soll als bereichernd erfahren werden.

-      Die Förderung einer positiven Einstellung zur individuellen Mehrsprachigkeit und Sprachen­vielfalt ist auf mannigfache Weise anzustreben.

-      Vergleichsmöglichkeiten zwischen Erstsprache, Zweitsprache und Fremdsprachen [sind zu] nutzen.

-      Die zuerst erworbene Sprache ist in hohem Maß Grundlage für den Erwerb einer Zweit­sprache. Daher soll die Erstsprache beim Zweitspracherwerb nach Möglichkeit berück­sichtigt werden.

-      Eine allenfalls vorhandene Zwei- oder Mehrsprachigkeit soll positiv besetzt und die Schüle­rinnen und Schüler sollen ermuntert werden, Kenntnisse in der Erstsprache im Unterricht sinnvoll einzusetzen.

Diese Empfehlungen stellen keineswegs die Unterrichtssprache Deutsch (vgl. § 16 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz) in Frage, sondern sind als sinnvolle Ergänzung für den Unterricht in einer mehrsprachigen Gesellschaft zu verstehen.

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.