8444/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.07.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Harald Vilimsky und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Haftunfähigkeit“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Die Diagnose des vom Gericht bestellten Sachverständigen wird bei Überprüfung der Haftfähigkeit nicht in dem den Justizbehörden zur Verfügung stehenden elektronischen Registern erfasst. Die für eine Beantwortung erforderliche händische Auswertung aller Akten, in denen eine behauptete Haftunfähigkeit geprüft wurde, würde einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand darstellen und überdies dem Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit nicht genügen.

Grundsätzlich ist die Einleitung des Strafvollzuges von Amts wegen für die Dauer des jeweiligen Zustandes aufzuschieben, wenn wegen Krankheit, Verletzung, Invalidität oder sonstiger körperlicher oder geistiger Schwächezustände ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Vollzug in den vorhandenen Strafvollzugseinrichtungen nicht durchführbar ist oder wenn durch die Überstellung in die betreffende Anstalt das Leben des Verurteilten gefährdet wäre.

Entfällt der Vollzug der Freiheitsstrafe wegen Vollzugsuntauglichkeit, so hat das Gericht dennoch unter den in § 5 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz (StVG) genannten Voraussetzungen eine Ersatzhaft anzuordnen.

Eine Ersatzhaft ist u.a. dann zu vollziehen, wenn der Verurteilte nach der Art oder dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentwegen er verurteilt wurde, oder nach seinem Lebenswandel für die Sicherheit des Staates oder der Person besonders gefährlich ist. Zur „Sicherheit der Person“ zählt auch die Sicherheit vor Angriffen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (vgl. OGH vom 27.06.1986, 11 Os 96/86). In diesem Fall ist der Vollzug erforderlichenfalls in einer öffentlichen Krankenanstalt durchzuführen. Dort kann der Verurteilte auch bewacht werden.

Weiters ist eine Ersatzhaft auch anzuordnen, wenn der Verurteilte für die Sicherheit des Eigentums besonders gefährlich ist, wenn er zu einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde und Fluchtgefahr anzunehmen ist sowie wenn die Unterbringung des Verurteilten in einer Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfallstäter angeordnet wurde.

Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen zur Anordnung der Ersatzhaft im konkreten Fall vorliegen, obliegt als Akt der unabhängigen Rechtsprechung dem zuständigen Gericht.

Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen bieten aus meiner Sicht ein ausreichendes Instrumentarium zur Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung im Falle der Vollzugsuntauglichkeit eines Verurteilten, soweit die Prüfung der individuellen Gefährlichkeit ordnungsgemäß vorgenommen wird.

Was den konkret angesprochenen Fall anlangt, so ersuche ich um Verständnis, dass ich zu Angelegenheiten, die ausschließlich in den Bereich der unabhängigen Rechtsprechung fallen, weder eine Stellungnahme abgeben noch Entscheidungen der Gerichte kommentieren kann. Dessen ungeachtet wird im Hinblick auf die allfällige Notwendigkeit von Sensibilisierungsmaßnahmen die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaften im Einzelfall aufsichtsbehördlich geprüft.