8465/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.07.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr.8598/J betreffend Entsenderichtlinie der Abgeordneten Kickl und weiterer wie folgt:

 

Zu Fragen 1, 5 und 6:

Die im Juni 2008 angenommenen Schlussfolgerungen des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz zur Empfehlung der Europäischen Kommission (EK) zur Verstärkung der administrativen Zusammenarbeit im Rahmen der Arbeitnehmerentsendung hatten die EK  aufgerufen, die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung des Informationsaustausches zu unterstützen.

Die EK hat daraufhin einen Expertenausschuss eingerichtet. Die Unterarbeitsgruppe des Expertenausschusses hat im Juni 2010 einen Bericht über ein Informationsaustauschsystem vorgelegt, in dem empfohlen wurde, ein offenes Austauschsystem anzuwenden, wobei das entsprechend angepasste Binnenmarktinformationssystem (IMI) als am geeignetsten erkannt wurde.

Die Schlussfolgerungen zum Informationsaustauschsystem wurden vom Rat Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz am 7. März 2011 angenommen. In diesen Schlussfolgerungen wird u.a. festgehalten, dass ein spezielles Modul des Binnenmarktinformationssystem (IMI) am besten geeignet ist, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen nationalen Verwaltungen zu entsprechen und IMI daher für die Durchführung der Entsenderichtlinie weiterzuentwickeln ist. Außerdem wurde festgehalten, dass die Verwendung des Systems keine neuen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten bringt und dass zur Testung ein Pilotprojekt eingeleitet wird, das sich auf alle Mitgliedstaaten erstreckt und im Frühjahr 2011 beginnen soll. Durch die Einleitung einer Testphase des gesonderten, speziellen Moduls des IMI kann weder der Ausschluss des Arbeitsrechts von der Dienstleistungsrichtlinie noch die Anwendung nationaler Kontrollmaßnahmen in Frage gestellt werden.

 

Die Kommission organisiert und finanziert die Ersteinweisung der BenutzerInnen. Seit dem 16. Mai 2011 können Behörden in der EU, die sich mit der Entsendung von ArbeitnehmerInnen befassen, im Rahmen dieses Pilotprojekts Informationen über das IMI austauschen.


Die EK wird dem Rat über den Expertenausschuss hinsichtlich der Fortschritte im Hinblick auf eine verstärkte Verwaltungszusammenarbeit bei der Entsendung von ArbeitnehmerInnen, insbesondere über die Erfahrungen mit dem speziellen IMI-Modul, ein Jahr nach Beginn des Pilotprojektes berichten.

 

Zu Frage 2:

Diese Gespräche werden auf österreichischer Seite von meinem Ressort geführt.

 

Zu Frage 3:

Die Behörden aller am Pilotprojekt beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union, also auch Behörden aus Deutschland, können im Rahmen dieses Pilotprojekts Informationen über das IMI austauschen.

 

Zu Frage 4:

Es handelt sich um ein EU-weites Projekt, das auf einer Initiative der EK beruht. Die Verhandlungen laufen seit Juni 2008. Das Pilotprojekt startete am 16. Mai 2011. Damit ist auch der unmittelbare zeitliche Zusammenhang mit der Arbeitsmarktöffnung am 1. Mai 2011 gegeben.

 

Zu Frage 7:

An den Gesprächen haben VertreterInnen des Bundesministeriums für Finanzen und meines Ressorts teilgenommen.

 

Zu Frage 8 – 12, 14 - 17:

Im Rahmen des bilateralen Austauschs der Mitgliedstaaten der EU finden regelmäßige Aktivitäten statt, bei denen u.a. im Rahmen der offenen Methode der Koordinierung über gute Praktiken in der Ausgestaltung der nationalen Systeme  informiert wird (z.B. einwöchiges Seminar mit Bulgarien im Februar 2011). Diese Seminare finden in der Regel auf Ebene hochrangiger Beamter statt, von österreichischer Seite haben MitarbeiterInnen meines Ressorts teilgenommen.

Schwerpunktseminare zum Thema Sozialdumping haben auf Ebene hochrangiger ExpertInnen darüber hinaus mit Slowenien, der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik bereits im 1. Halbjahr 2011stattgefunden, mit Ungarn ist ein derartiges Seminar für den Juli 2011 in Vorbereitung. Auf politischer Seite habe ich mit den zuständigen Ministern dieser Mitgliedstaaten im Rahmen von Arbeitsgesprächen in den vergangenen Monaten die österreichische Praxis der Bekämpfung des Sozialdumpings erörtert.

 

Zu Frage 13:

Die Maßnahmen zur Bekämpfung von Lohndumping, die durch das Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetz (LSDB-G) im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) geschaffen wurden, sind seit 1. Mai 2011 in Kraft und gelten für Sachverhalte, die sich nach dem 30. April 2011 ereignen.


Die Kontrollbehörden haben ihre Tätigkeit bereits aufgenommen. Primäres Ziel dieser Maßnahmen ist die Sicherung gleicher Arbeits- und Lohnbedingungen für alle in Österreich tätigen ArbeitnehmerInnen. Es soll einerseits ein fairer Wettbewerb zwischen den inländischen Unternehmen sowie andererseits im Verhältnis zu Unternehmen ohne Sitz in Österreich sichergestellt werden.

Dazu wurde eine behördliche Lohnkontrolle für alle in Österreich tätigen ArbeitnehmerInnen eingeführt, deren primärer Zweck nicht die Verhängung von Geldstrafen ist, sondern die Sicherstellung, dass in Österreich beschäftigte ArbeitnehmerInnen jenes Mindestentgelt erhalten, das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zusteht.

Diese Lohnkontrolle ist von weiteren Maßnahmen begleitet, als deren wichtigste die Schaffung von Verwaltungsstrafbestimmungen zu sehen ist.

 

Zu Frage 18:

Hier sind insbesondere die Regelungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) und des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) zu beachten.

 

AVRAG: Ausländische ArbeitgeberInnen mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz haben gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG die Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen, die zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung zu melden und eine Abschrift der Meldung dem/der Beauftragten (siehe § 7b Abs. 1 Z 4 AVRAG), sofern nur ein/e ArbeitnehmerIn entsandt wird, diesem/dieser auszuhändigen. In Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen ist die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme zu erstatten.

Wird keine Abschrift der Meldung ausgehändigt, hat der/die Beauftragte oder der/die ArbeitnehmerIn eine Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme zu erstatten.

 

Die Meldung nach § 7b Abs. 3 AVRAG hat folgende Angaben zu enthalten:

·         Name und Anschrift des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin;

·         Name des/der vom/von der Arbeitgeber/in Beauftragten;

·         Name und Anschrift des inländischen Auftraggebers/der inländischen Auftraggeberin (Generalunternehmers/Generalunternehmerin);

·         die Namen, Anschriften, Geburtsdaten, Sozialversicherungsnummern und Staatsangehörigkeit der nach Österreich entsandten ArbeitnehmerInnen;

·         Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung in Österreich;

·         die Höhe des dem/der einzelnen ArbeitnehmerIn gebührenden Entgelts;

·         Ort der Beschäftigung in Österreich (auch andere Einsatzorte in Österreich);

·         Art der Tätigkeit und Verwendung des/ Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin; sofern für die Beschäftigung der entsandten ArbeitnehmerInnen im Sitzstaat des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, jeweils die ausstellende Behörde sowie die Geschäftszahl, das Ausstellungsdatum und die Geltungsdauer oder eine Abschrift der Genehmigung;


·         sofern die entsandten ArbeitnehmerInnen im Sitzstaat des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen, jeweils die ausstellende Behörde sowie die Geschäftszahl, das Ausstellungsdatum und die Geltungsdauer oder eine Abschrift der Genehmigung.

 

Gemäß § 7b Abs. 1 AVRAG haben nach Österreich entsandte ArbeitnehmerInnen für die Dauer der Entsendung Anspruch auf zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren ArbeitnehmerInnen von vergleichbaren ArbeitgeberInnen gebührt. Darüber hinaus besteht Anspruch auf bezahlten Urlaub nach § 2 UrlG, sofern das Urlaubsausmaß nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates geringer ist, die Einhaltung der kollektivvertraglichen festgelegten Arbeitszeitregelungen und sonstiger ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen. Seit 1. Mai 2011 haben ArbeitgeberInnen ohne Sitz in Österreich die Lohnunterlagen, die zur Ermittlung des dem/der ArbeitnehmerIn nach österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind, in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereit zu halten (siehe § 7d AVRAG). Die unter Frage 13 dargestellte Lohnkontrolle gilt natürlich auch für die Entsendung von Drittstaatsangehörigen.

 

Gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG ist vom AMS für Drittstaatsangehörige, die von einem EWR-Unternehmen zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet werden, entweder eine EU-Entsendebestätigung auszustellen oder die Entsendung zu untersagen.  Werden ArbeitnehmerInnen nur zur Entsendung angestellt, ist die Entsendung zu untersagen, da neben der Einhaltung der österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen (einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen) auch eine ordnungsgemäße Zulassung zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus erforderlich ist.

 

Drittstaatsangehörige AusländerInnen, die von einem Unternehmen mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz nach Österreich entsandt werden, können nur in Österreich beschäftigt werden, wenn sie im betreffenden EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz über eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung verfügen und bei ihrer Entsendung die in Österreich geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Liegen diese Voraussetzungen vor, erhält der/die inländische AuftraggeberIn, welcher/e die Arbeitsleistungen der entsandten Drittstaatsangehörigen in Anspruch nimmt, eine EU-Entsendebestätigung. Ist das nicht der Fall, wird die Entsendung untersagt (siehe § 18 Abs. 12 AuslBG). Dies gilt auch für rumänische oder bulgarische Arbeitskräfte, die von einem Unternehmen mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz nach Österreich entsandt werden.

In bestimmten geschützten Bereichen (insb. Bau- und Baunebengewerbe, gärtnerische Dienstleistungen) ist aber auch für die Entsendung von rumänischen und bulgarischen Arbeitskräften durch ein Unternehmen mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz eine Beschäftigungsbewilligung bzw. Entsendebewilligung erforderlich.


Zu Frage 19:

Voraussetzung für die Einleitung eines Strafverfahrens ist u.a., dass der Tatort in Österreich liegt. Der Umstand, dass ein/e entsandte/n ArbeitnehmerIn wieder im Ursprungsland ist, hat keine Auswirkungen auf die Einleitung und Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens. Daher sieht § 7i Abs. 9 AVRAG vor, dass bei grenzüberschreitender Entsendung oder Arbeitskräfteüberlassung die Verwaltungsübertretung als in jenem Sprengel begangen gilt, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten oder überlassenen ArbeitnehmerInnen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten am Ort der Kontrolle.

 

Die Anzeige, die von der zuständigen Stelle erstattet wird, hat bereits das allfällige strafbare Verhalten zu beschreiben und hat insbesondere Angaben zu allfälligen Beweisen und/oder Zeugen zu enthalten.

In der Regel wird die Aussage des entsandten Arbeitnehmers/der entsandten Arbeitnehmerin bereits in der Anzeige als Aktenvermerk enthalten sein.

 

Im Strafverfahren selbst ist  nicht der/die entsandte ArbeitnehmerIn Partei, sondern der/die ArbeitgeberIn als Beschuldigte/r. Außerdem haben nach den Strafbestimmungen des § 7i AVRG entweder die Abgabenbehörde, das Kompetenzzentrum LSDB oder der zuständige Krankenversicherungsträger bzw. die Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse Parteistellung.

 

Zur Sicherstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens mit Auslandsbezug, das bekanntermaßen durchaus komplex ist, sieht das AVRAG darüber hinaus Folgendes vor:

·         Für die Anwendung der §§ 7 bis 7k AVRAG gilt als Abgabestelle iSd ZustellG auch die im Inland gelegene auswärtige Arbeitsstelle oder die Betriebsstätte, an der der/die ArbeitnehmerIn tätig ist, und ein/e dort angetroffene/r ArbeitnehmerIn des Empfängers/der Empfängerin gilt als ErsatzempfängerIn, sodass davon auszugehen ist, dass die Zustellung von Schriftstücken an ausländische ArbeitgeberInnen idR im Inland möglich sein wird.

·         Besteht der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung der Unterentlohnung und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe aus Gründen, die in der Person des/der Arbeitgebers/in oder des/der ÜberlassersIin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert wird (z.B. weil die Strafe im Ausland nicht vollstreckt werden kann), kann die Bezirksverwaltungsbehörde vom/von der (inländischen) AuftraggeberIn oder (im Fall einer Arbeitskräfteüberlassung) vom/von der (inländischen) BeschäftigerIn mittels Bescheid einen Teil des noch zu leistenden Werklohns oder Überlassungsentgelts als Sicherheitsleistung einheben.