8490/AB XXIV. GP
Eingelangt am 18.07.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 8651/J der Abgeordneten Schwentner u.a. wie folgt:
Eine Freistellung – der so genannte vorzeitige Mutterschutz - gemäß § 3 Abs. 3 des Mutterschutzgesetzes 1979 (MSchG) kommt seit dem Bestehen des MSchG immer nur dann zum Tragen, wenn jede Art der Beschäftigung - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsplatzsituation - aus individuellen, in der Person der Mutter oder des Kindes gelegenen medizinischen Gründen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bedeuten würde. Die Diagnostik und Feststellung dieser Gefährdung obliegt unverändert nach wie vor den jeweiligen Fachärzten/-ärztinnen, die Freistellung bei Vorliegen eines entsprechenden fachärztlichen Gutachtens ist von den Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen oder den Amtsärzten/-ärztinnen vorzunehmen. Die Beschäftigungsverbote nach § 4 MSchG berücksichtigen dagegen die Gefahren und Einflüsse, die aus den Arbeitsbedingungen der werdenden Mütter im Betrieb resultieren und verpflichten die Arbeitgeber/innen zu deren Berücksichtigung oder zur Beschäftigung der werdenden Mutter an einem Ersatzarbeitsplatz. Diese Rechtslage gilt unverändert seit dem Inkrafttreten des Mutterschutzgesetzes 1979.
Der Erlass des Zentral-Arbeitsinspektorates vom 17.12.2010, mit dem die Indikationen für Freistellungen nach § 3 Abs. 3 MSchG aktualisiert wurden, stellt keine Einschränkung des vorzeitigen Mutterschutzes, sondern die routinemäßige Anpassung der Freistellungsgründe an den aktuellen Stand der Medizin dar. Diese Aktualisierung wurde von Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Ärztekammer erarbeitet. Eine Freistellung nach § 3 Abs. 3 MSchG ohne entsprechende medizinische Indikation wäre – ebenso wie eine Nicht-Freistellung bei entsprechender medizinischer Indikation - eindeutig gesetzwidrig.
Die Indikationen für Freistellungen werden von den Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen regelmäßig überprüft und entsprechend aktualisiert. Der vorherige diesbezügliche Erlass des Zentral-Arbeitsinspektorates stammte aus 1998, frühere Erlässe aus 1993 und 1985, um nur drei Beispiele solcher Erlässe zu nennen.
Die Aufzählung der Indikationen im aktuellen Erlass des Zentral-Arbeitsinspektorates, die eine Freistellung begründen, ist eine demonstrative und keine taxative Aufzählung. In Anlage 1 zum Erlass wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass bei Feststellung einer in der Aufzählung nicht angeführten medizinischen Diagnose im Einzelfall über die Freistellung zu entscheiden ist. Es ist somit nicht richtig, dass nur mehr 18 Diagnosen eine Freistellung begründen können.
Es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass vorzeitiger Mutterschutz frühestens ab Ende der 15. Schwangerschaftswoche möglich ist, im Gegenteil, der Erlass stellt ausdrücklich klar, dass bei besonderer Begründung eine Freistellung auch vor der 15. Schwangerschaftswoche zu erfolgen hat.
Ebenso wenig entspricht es den Tatsachen, dass Krankenstand angetreten werden muss, wenn vorzeitiger Mutterschutz nicht gewährt wird. Gerade für die typischen Beschwerden, die mit einer vollkommen unproblematischen Schwangerschaft einhergehen, sieht § 8a MSchG vor, dass werdende Mütter sich während ihrer beruflichen Tätigkeit unter geeigneten Bedingungen hinlegen und ausruhen können müssen (Ruhemöglichkeit).
Beeinträchtigungen in der Frühschwangerschaft müssen keine Freistellungsindikationen darstellen, weil sie die Schwangerschaft (z.B. Erbrechen) im Normalfall nicht gefährden. Sehr viele Frauen haben Blutungen in den ersten drei oder vier Monaten ihrer Schwangerschaft. Ist aber bereits in der Frühschwangerschaft eindeutig klar, dass eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind aufgrund einer schweren schwangerschaftsassoziierten Erkrankung (pathologische Schwangerschaft) besteht, hat auch vor der 15. Schwangerschaftswoche eine Freistellung gemäß § 3 Abs. 3 MSchG zu erfolgen, was im Erlass eindeutig klargestellt wird. Schwer einstellbarer Diabetes, Epilepsie oder massive Beeinträchtigungen bei Multipler Sklerose, Lungen- oder Herzerkrankungen sind nach wie vor Freistellungsgründe, auch in der Frühschwangerschaft.
Kreuzschmerzen, niedriger Blutdruck und Erbrechen sind hingegen keine Freistellungsgründe. Besteht kein Freistellungsgrund, ist nach medizinischem Wissensstand und den Erfahrungen der Arbeitsinspektion – wenn überhaupt - in der Regel von nur kurzzeitigen Krankenständen während der Schwangerschaft auszugehen, weshalb auch keine finanziellen Nachteile für die betroffenen Frauen zu erwarten sind. Denn langandauernde, also schwere Erkrankungen, stellen ohnehin per se eine Indikation für eine Freistellung nach § 3 Abs. 3 MSchG dar.
Letztlich ist zur Textierung der Anfrage anzumerken, dass die gewählte Formulierung über die „Gewährung“ des vorzeitigen Mutterschutzes zwangsläufig den falschen Eindruck vermitteln muss, es handle sich bei der Ausstellung von Freistellungszeugnissen nach § 3 Abs. 3 MSchG um eine Art „Gnadenakt“ nach freiem Ermessen der Arbeitsinspektionsärzte/-ärztinnen bzw. Amtsärzte/-ärztinnen und nicht – wie im Mutterschutzgesetz klar geregelt - um einen Rechtsanspruch der von pathologischen Schwangerschaften betroffenen Frauen.
Frage 1 bis 4:
Zu den an mich gestellten konkreten Fragen möchte ich zusammenfassend nochmals festhalten, dass schwangere Frauen durch das Mutterschutzgesetz in zweifacher Hinsicht geschützt sind: Bei individuellen, in der Person der Mutter oder des Kindes gelegenen medizinischen Gründen, aus denen jede Art der Beschäftigung - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsplatzsituation - eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bedeuten würde, besteht ein Rechtsanspruch auf Freistellung, den so genannten vorzeitigen Mutterschutz, gemäß § 3 Abs. 3 MSchG. Die Beschäftigungsverbote nach § 4 MSchG stellen dagegen auf die Gefahren und Einflüsse ab, die sich aus den Arbeitsbedingungen und Gefährdungen der schwangeren Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz ergeben. Bei Vorliegen eines Beschäftigungsverbots nach § 4 MSchG dürfen Arbeitgeber/innen schwangere Arbeitnehmerinnen nur an Ersatzarbeitsplätzen ohne Gefährdungen für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind beschäftigen. Steht kein solcher Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung, hat die schwangere Arbeitnehmerin gemäß § 14 MSchG auch ohne Arbeitsleistung einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem/der Arbeitgeber/in. Ein längerer Krankenstand aufgrund schwererer schwangerschaftsassoziierter Erkrankungen stellt per se einen Freistellungsgrund gemäß § 3 Abs. 3 MSchG mit Anspruch auf Wochengeld dar. Bei kürzeren Krankenständen wegen nicht schwerer, vorübergehender Erkrankungen in der Schwangerschaft sind die Arbeitgeber/innen gemäß §§ 2 und 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) bzw. § 8 des Angestelltengesetzes (AngG) zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Es bestehen also neben dem § 3 Abs. 3 MSchG noch eine Reihe weiterer Schutzregelungen für Schwangere.
Die folgenden Antworten zu Frage 1 bis 4 beziehen sich nur auf die Zahlen der Freistellungszeugnisse, die von den Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen ausgestellt wurden. Informationen über die Zahlen der von den Amtsärzten/-ärztinnen ausgestellten Freistellungszeugnisse liegen mir nicht vor. Hierzu verweise ich an den zuständigen Bundesminister für Gesundheit.
Frage 1:
Im 1. Quartal des Jahres 2010 wurden von den Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen 1.092 Freistellungszeugnisse gemäß § 3 Abs. 3 des Mutterschutzgesetzes ausgestellt.
Frage 2:
Im 1. Quartal des Jahres 2011 wurden von den Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen 316 Freistellungszeugnisse gemäß § 3 Abs. 3 des Mutterschutzgesetzes ausgestellt.
Frage 3:
Im 2. Quartal des Jahres 2010 wurden von den Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen 997 Freistellungszeugnisse gemäß § 3 Abs. 3 des Mutterschutzgesetzes ausgestellt.
Frage 4:
Im 2. Quartal des Jahres 2011 wurden von den Arbeitsinspektionsärzten/-ärztinnen 222 Freistellungszeugnisse gemäß § 3 Abs. 3 des Mutterschutzgesetzes ausgestellt.
Frage 5 bis 12:
Auch hierzu verweise ich mangels Zuständigkeit meines Ressorts an den Bundesminister für Gesundheit.