85/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.12.2008
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMVIT-10.000/0053-I/PR3/2008         DVR:0000175

 

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a  Barbara Prammer

 

Parlament

1017   W i e n

 

Wien,       . Dezember 2008

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde haben am 29. Oktober 2008 unter der Nr. 32/J-NR/2008 an meinen Amtsvorgänger eine schriftliche Anfrage betreffend Ausbau und Attraktivierung des Schienenverkehrs – oder doch das Gegenteil? gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Frage 1:

Ø                  Wann werden Sie endlich die gesamtösterreichische Verkehrsprognose in verschiedenen Varianten vorlegen, die eine wichtige Grundlage des überfälligen, sinnvollen verkehrsträgerübergreifenden Gesamtkonzepts für den Verkehr in Österreich ist?

 

Die Verkehrsprognose „Österreich 2025+“ wurde umgearbeitet, um die Änderungen der Rahmenbedingungen, die in den letzten Jahren zu verzeichnen waren, berücksichtigen zu können. Die Berechnungen sind abgeschlossen.

 

Derzeit erfolgt eine Aufbereitung der Ergebnisse, damit diese im Internet dargestellt werden können. Mit einer Veröffentlichung ist in den nächsten Monaten zu rechnen.

 

Überdies wird derzeit der Schienengüterverkehr auf Grundlage der vorliegenden Prognoseergebnisse ÖBB-intern mit Hilfe des Berechnungsmodells NEMO auf Zugzahlen umgelegt.

 

Frage 2:

Ø                  Wann werden sie endlich das auch von SP–geführten Ländern verlangte und bereits im letzten Regierungsübereinkommen umrissene Gesamtverkehrskonzept vorlegen? Warum wurde bis jetzt keine Einigkeit mit den Bundesländern erzielt? Warum gab es fast zwei Jahre lang praktisch keine wahrnehmbaren Initiativen des Verkehrsministers dazu?

 

Im 2002 veröffentlichten GVP wurde nur ein Teilbereich „Verkehrspolitische Grundsätze und Infrastrukturprogramm“ behandelt. Infolge der geringen Aussageschärfe bedurfte insbesondere das Infrastrukturprogramm der Überarbeitung und Konkretisierung, wie sie mittlerweile im Rahmenplan Schiene und dem Bauprogramm für die Asfinag erfolgt ist.

 

Bisherige Ansätze, in deren Rahmen als Beitrag für ein künftiges Monitoring des ÖPNRV Erreichbarkeiten und Bedienungsqualität im ÖPNRV erfasst wurden, wurden ausführlich diskutiert, es konnte aber keine Einigkeit mit bzw. unter den Bundesländern erzielt werden.

 

Frage 3:

Ø                  Auf welche Weise werden Sie dafür sorgen, dass es auch 2009 zur verkehrs- und klimapolitisch dringend nötigen Angebotserweiterung im Nahverkehr und nicht zu Stagnation oder der von einzelnen ÖBB-Managern ventilierten Angebotskürzung kommt?

 

Gemäß § 11 des Bundesgesetzes über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (ÖPNRV-G 1999), BGBl. I Nr. 204, liegt die Zuständigkeit der Nah- und Regionalverkehrsplanung sowohl im Schienen- als auch im Kraftfahrlinienbereich bei den regionalen Gebietskörperschaften, sodass gegebenenfalls diese mit den Verkehrsunternehmen über die Ausgestaltung eines entsprechenden Verkehrsangebotes (darunter fällt u.a. auch die konkrete Fahrplangestaltung) zu verhandeln bzw. über dessen Sinnhaftigkeit zu entscheiden haben.

 

Eine zentrale Beurteilung seitens des Verkehrsressorts ist jedenfalls nicht zweckmäßig, zumal die Bedürfnisse der Bevölkerung im Hinblick auf einen fahrplangerechten Zugang zum öffentlichen Verkehr durch die betroffenen Gebietskörperschaften „vor Ort“ besser beurteilt werden können.

Weiters ist festzuhalten, dass Schienen- und Kraftfahrlinienverkehrsunternehmen als eigenständige Unternehmen nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen sind, sodass es daher seitens des Verkehrsressorts nicht möglich ist, auf unternehmerische Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

Für nicht kostendeckend zu führende Verkehrsdienste gibt es die Möglichkeit von Verkehrsdienstbestellungen der regionalen Gebietskörperschaften, die mit diesem Instrumentarium auch Einfluss auf die entsprechende Verkehrsplanung nehmen können. Seit In-Kraft-Treten des ÖPNRV-G 1999 wurden und werden auch künftig zahlreiche derartige Verkehrskonzepte nicht zuletzt mit Hilfe von erheblichen Beträgen an Bundesgeldern verwirklicht. So werden ab 2009 zusätzliche Fördermittel von € 328.711,00 für die Verdichtung der S-Bahnzüge zwischen Hütteldorf und Unter Purkersdorf bereitgestellt. Eine neue Regionalbuslinie 426 zwischen Leopoldau U/S-Bahn und Wolkersdorf S-Bahn wird ebenfalls ab 2009 mit einem Betrag in Höhe von € 339.863,00 jährlich gefördert. Weiters wurden zusätzliche Verkehre aus Mitteln des Klimafonds 2007/2008 mit einem jährlichen Betrag von € 6,9 Mio. gefördert.

Darüber hinaus ist im Regierungsprogramm vorgesehen, dass – nach einer bereits erfolgten massiven Steigerung der GWL-Zuschüsse des Bundes im Jahr 2008 – auch im Jahr 2009 eine wesentliche Anhebung ähnlich wie 2008 stattfinden wird, um die Finanzierung eines qualitativ hochwertigen und attraktiven Nahverkehrgrundangebotes sicher zu stellen.    

 

Frage 4:

Ø                  Welche konkreten Zugsverbindungen in der Ost-Region sind in dem Paket enthalten, das laut ÖBB-Vorstellungen ab 2009 gekürzt werden soll (2 Mio. Zugskilometer, die bislang nicht in Extra-Verkehrsdiensteverträgen extra finanziell bedeckt wurden)? Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen.

 

Die ÖBB-Personenverkehr AG hat mir dazu mitgeteilt, dass mit dem Fahrplanwechsel keine Kürzungen der Zugskilometer vorgesehen sind, es kommt im Gegenteil zu Ausweitungen. Mit Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2008 wird in Österreich – und damit auch in der Ost-Region - ein integrierter Taktverkehr eingerichtet, der durch Fahrzeitverkürzung und durch optimale Anschlüsse in neuen integrierten Taktknoten (Fernverkehr, Nahverkehr und Postbus) zu wesentlichen Verbesserungen für die Fahrgäste führt. Durch den einfacheren, leichter merkbaren Taktfahrplan kann es in manchen Fällen zu einer Änderung der gewohnten Abfahrtszeiten kommen. Das Kundenverhalten wird  in den Monaten nach der Implementierung dieses Taktfahrplanes genau beobachtet und analysiert, wodurch es mit Sommer 2009 noch zu einzelnen Adaptierungen kommen kann.

 

Frage 5:

Ø                  Sind darüber hinaus auch Busverbindungen in diesem Paket enthalten?

Laut Auskunft des Verkehrsverbundes Ost-Region, der die entsprechenden Verkehrsdienste mit den Kraftfahrlinienunternehmen abschließt, sind im Jahr 2009 keine Leistungsreduktionen im Kraftfahrlinienbereich für den Verbundbereich geplant. Allerdings hat die VOR Ges.m.b.H. den Auftrag seitens ihres Eigentümers, nicht nachgefragte Kurse zu evaluieren, sodass es in einzelnen Fällen auch zu Einstellungen kommen kann, wobei aber auch im umgekehrten Fall andererseits – speziell im Schülerverkehr – Leistungserhöhungen vorgenommen werden können.

 

Frage 6:

Ø                  In der Öffentlichkeit haben Sie vor der Nationalratswahl einen ÖBB-Tarifstoppangekündigt, der nach 4822/AB XXIII.GP nun über Einsparungen bei den ÖBB sowie über „Umschichtungen“ im BMVIT-Budget finanziert werden soll.

a)      Welche Gelder werden konkret im Rahmen dieser „Umschichtung“ herangezogen?

b)      Können Sie ausschließen, dass dafür andere für den Öffentlichen Personenverkehr budgetierte Gelder eingesetzt werden?

c)      Wenn nein, wie erklären Sie dies – beim ÖBB-Angebot würde ja nichts besser durch dieses Geld, es würde nur nichts teurer?

 

Zur Frage der  Finanzierung der Einnahmenausfälle aufgrund des ÖBB-Tarifstopps finden derzeit Gespräche auf Expertenebene zwischen Vertretern meines Ressorts und der ÖBB statt, um die Frage der Abgeltung der durch das Aussetzen der Tarifanpassung entstehenden Einnahmendifferenz zu klären. Das Ergebnis dieser Gespräche ist auch im Hinblick auf das Ausmaß der erforderlichen Finanzmittel zunächst abzuwarten.

 

Frage 7:

Ø                  Halten Sie wirklich – wie in 4822/AB XXIII.GP angeführt – die „Konkretisierung des Infrastrukturprogramms“ für die Antwort auf die Herausforderung eines „Gesamtkonzepts für den Öffentlichen Verkehr“? Geht es für die Fahrgäste und Güterkunden nicht viel mehr darum, was auf der wie auch immer „konkretisierten“ und weiterentwickelten Infrastruktur in welcher Qualität und wie oft bzw. wie pünktlich, verlässlich, …. fährt, und ob dies kurzfristig oder irgendwann in ferner Zukunft verbessert wird?

 

Die Beförderungsqualität (in Form von Pünktlichkeit und Verlässlichkeit) sowohl im Güter– als auch im Personenverkehr wird maßgeblich vom Zustand des Streckennetzes beeinflusst. Hier sind Jahrzehnte lange Rückstände aufzuholen. Demzufolge ist der Ausbau der Infrastruktur eine Voraussetzung für die Hebung der Betriebsqualität für die Eisenbahnverkehrsunternehmen. Dem wird insbesondere dadurch entsprochen, dass sowohl sicherungs- als auch fahrzeugtechnisch entsprechende Aufrüstungen durchgeführt werden (z.B.: Einführung von ETCS). Pünktlichkeit ist auch ein Kriterium, das im Vertrag, der den Zuschuss des Bundes zum Betrieb der Infrastruktur regelt, ein Leistungskriterium darstellt.

Wie schon in der Beantwortung zur Frage 3 ausgeführt wurde, wird die Investitionsoffensive bei der Schieneninfrastruktur auch durch eine massive Erhöhung der Bundesmittel begleitet, die  für die Attraktivierung des Nahverkehrs erforderlich sind. In Bezug auf die damit finanzierten gemeinwirtschaftlichen Leistungsbestellungen beabsichtigt das bmvit, diese leistungsorientierter, transparenter und verstärkt nach Qualitätsparametern auszurichten.

 

Frage 8:

Ø                  Halten Sie eine rein defensive „Just-In-Time“-Umsetzung der EU-Vorgaben zum Öffentlichen Verkehr wirklich für die nötige „Offensivreform“, auch gemessen am ansonsten ja immer wieder gern zitierten Vorbild der Schweiz, die einen völlig anderen Weg ging und geht?

 

Auf Grund der VO (EG) Nr. 1370/2007, welche mit 3. Dezember 2009 in Kraft tritt, sind die Mitliedstaaten dazu angehalten, die gesetzlichen Bestimmungen auf nationaler Ebene dementsprechend anzupassen, sodass auch für Österreich diesbezüglich ein entsprechender Handlungsbedarf gegeben ist.

 

Unabhängig davon werden natürlich die Verhandlungen über eine allfällige Nahverkehrsreform auch zwischenzeitlich weitergeführt, wobei mein Ressort stets bemüht ist, die entsprechenden Verhandlungen zu einem ehestmöglichen Abschluss zu bringen. Entsprechende bundesgesetzliche Änderungen sind jedoch erst nach Vorliegen eines entsprechenden Verhandlungsergebnisses zweckmäßig und sinnvoll. Das Vorliegen eines Ergebnisses wird u.a. auch von der Bereitschaft zu einer konstruktiven Zusammenarbeit der regionalen Gebietskörperschaften abhängen und kann daher nicht allein durch das Verkehrsressort gesteuert bzw. beeinflusst werden.

 

Frage 9:

Ø                  Werden Sie – anders als in Ihrer Antwort 4822/AB XXIII.GP angedeutet – an Stelle des erfahrungsgemäß von den ÖBB sehr beliebig zu ihrem betriebswirtschaftlichen Gunsten interpretierbaren Grundangebots- „Gummiparagraphen“ des ÖPNRV-G eine klare, gesetzliche Vorgabe für das Mindestangebot wie in der Schweiz auf Basis der verkehrspolitischen und nicht der unternehmenspolitischen Notwendigkeiten vorschlagen, wenn nein, warum nicht?

 

Die Sicherstellung eines Grundangebotes im Bereich der Schienenbahnen ist aus Sicht des BMVIT im ÖPNRV-G 1999 ganz klar geregelt. Die praktische Umsetzung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmung erfolgt im Rahmen der Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen bei den ÖBB und den Privatbahnen.  

 

Einmal mehr sei auf die völlig unterschiedliche Siedlungsstruktur zwischen Schweiz und Österreich hingewiesen, die eine lückenlose Übertragung der schweizerischen Verhältnisse auf österreichisches Bundesgebiet in punkto ÖV-Gestaltung nicht möglich macht.

 

Frage 10:

Ø                  Welche Gründe – von politischem Unwillen einmal abgesehen – sollten eine klar gesetzlich definierte Mindestversorgung auch von abgelegenen Gemeinden (wie sie auch in der Schweiz zahlreich z.B. in hochgelegenen Bergtälern oder zerstreut besiedelten Mittelgebirgslagen vorhanden sind) in Österreich verunmöglichen, wie in 4822/AB XXIII.GP von Ihnen angeführt?

 

Wie die konkrete Versorgung durch ein öffentliches Verkehrsangebot in abgelegenen Gemeinden zu konzipieren ist, ist auf Grund der klaren gesetzlichen Rahmenvorgaben (vgl. dazu auch meine Ausführungen zu Frage 3) Aufgabe der betroffenen regionalen Gebietskörperschaften und daher keinesfalls auf politischen Unwillen auf Bundesseite zurückzuführen. Es gibt in den einzelnen Ländern höchst unterschiedliche Prioritäten betreffend solcher Aufgaben.

 

In diesen Fällen liegt es an den betroffenen Gemeinden bzw. an den Ländern, entsprechende Planungsaktivitäten für eine Grundversorgung an öffentlichen Verkehrsmitteln zu setzen. Wie sich bereits in vielen Fällen gezeigt hat, hat sich gerade in dünn besiedelten Gebieten (wo beispielsweise ein Linienverkehr im Rahmen des Kraftfahrliniengesetzes zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen nicht betrieben werden kann) die Einrichtung alternativer Betriebsformen (beispielsweise Anrufsammeltaxis) als erfolgreiches Instrumentarium bewährt. Damit kann auch in diesem Bereich eine Grundversorgung an öffentlichen Verkehrsmitteln für die Bevölkerung sichergestellt werden.  

 

Frage 11:

Ø                  Wie – außer mit politischen Unwillen – ist der in 4822/AB XXIII.GP dokumentierte Zugang Ihrerseits erklärbar, dass trotz der seit Jahren bekannten und dokumentierten Unwirksamkeit der Verkehrserregerabgabe in  ihrer derzeit im ÖPNRV-G normierten Form bei zugleich offensichtlichen Problemen mit Verkehrserregern wie Einkaufszentren etc noch immer keine wirksame Neuregelung entwickelt wurde, sondern weiterhin kompetenzrechtlich herumgestritten wird (während zugleich kompetenzrechtliche Probleme in anderen verkehrspolitischen Feldern, etwa bei der Verländerung der Bundesstraßen B, in den letzten Jahren locker übergangen werden konnten)?

 

Es darf nochmals dezidiert darauf hingewiesen werden, dass die derzeit gültige Formulierung im Zusammenhang mit der Verkehrsanschlussabgabe für den Bundesgesetzgeber die einzige Möglichkeit darstellt, eine allfällige Ausschreibungsermächtigung an die regionalen Gebietskörperschaften festzulegen.

 

Es liegt daher nicht am politischen Unwillen, eine Neuregelung auf Bundesebene zu schaffen, sondern an den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die auf der Stufe der einfachen Gesetzgebung unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipen auch einzuhalten und nicht als kompetenzrechtlicher Streit auszulegen sind.

 

Frage 12:

Ø                  Wann werden Sie für die deutliche Redimensionierung der aufgeblähten ÖBB-Holding sorgen und insbesondere für die tatsächliche Stilllegung – nicht nur eine Neustrukturierung, -aufteilung o.dgl. – der ÖBB-DLG sorgen?

 

Die Organe der ÖBB arbeiten intensiv an der Neuausrichtung und einer Organisationsreform des Konzerns, die u.a. eine auf die Kernkompetenz der strategischen Führung ausgerichtete Holding zur Zielsetzung hat. Dies umfasst auch eine Aufteilung der DLG-Aufgaben auf die operativen Töchter bzw. auf die Holding, soweit es sich um strategische Aufgaben handelt. Die grundsätzlichen Beschlüsse dazu wurden vom Aufsichtsrat der ÖBB Holding AG bereits gefasst. Die Umsetzung, wozu allenfalls auch eine Änderung des Bundesbahnstrukturgesetzes erforderlich ist, erfolgt im Laufe des Jahres 2009.