8501/AB XXIV. GP

Eingelangt am 18.07.2011
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/164-III/4a/2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 18. Juli 2011

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 8647/J-NR/2011 betreffend den Österreichischen Austauschdienst und die Genehmigungspraxis der Nationalagentur ‚Lebenslanges Lernen‘ sowie der dort verwendeten Definition von Erwachsenenbildung, die die Abg. Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen am 19. Mai 2011 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Frage 1:

Zur Frage, wie „Erwachsenenbildung“ seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur definiert wird und welche Relevanz dieser Definition in Zusammenhang mit den Förder­möglichkeiten im Rahmen des sektoralen Programms „Grundtvig“ zukommt, ist Folgendes fest­zuhalten:

 

Der Begriff „Erwachsenenbildung“ ist qualitativ bzw. hinsichtlich seiner pädagogischen Implika­tionen sehr weit gefasst, wie anhand der nachfolgenden nationalen und internationalen Defini­tionen deutlich wird. Davon zu unterscheiden ist jedoch ganz grundsätzlich die Erwachsenen­bildung als Gegenstand der finanziellen Förderung, da in diesem Zusammenhang Schwerpunkte gesetzt und strukturelle Abgrenzungen vorgenommen werden.

 

Seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur wird Erwachsenenbildung in qualitativer Hinsicht sehr breit bzw. umfassend definiert. Diese Definition findet ihren Nieder­schlag auch in dem aktuell mit den Ländern in Verhandlung befindlichen gemeinsamen „Quali­tätsrahmen für die Erwachsenenbildung in Österreich – Ö-Cert“. Die im Zusammenhang mit dem Qualitätsbegriff von Erwachsenenbildung verwendete Definition lautet: „Die Erwachsenenbildung oder Weiterbildung (beide Begriffe werden synonym verwendet) umfasst alle Formen des formalen, nicht-formalen und zielgerichteten informellen Lernens durch Erwachsene nach Beendigung einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase – unabhängig von dem in diesem Prozess erreichten Niveau. Erwachsenenbildung/Weiterbildung umfasst alle beruflichen, allgemeinbildenden, politischen und kulturellen Lehr- und Lernprozesse für Erwachsene, die im öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Kontext von anderen und/oder selbst gesteuert werden.“

 

Diese Definition entspricht inhaltlich im Wesentlichen jener der Europäischen Kommission, die in ihrer Mitteilung „Erwachsenenbildung: Man lernt nie aus“ (KOM (2006) 614 endg.) Erwachsenenbildung wie folgt definiert: „alle Formen des Lernens durch Erwachsene nach Abschluss der allgemeinen und/oder beruflichen Bildung, unabhängig von dem in diesem Prozess erreichten Niveau (dh. einschließlich Hochschulbildung).“

 

Wesentlich enger wird Erwachsenenbildung seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur hingegen in Zusammenhang mit der Vergabe von Fördermitteln definiert, da hier auf ganz bestimmte Bereiche fokussiert wird, die durch anderweitige Finanzierungs­mechanismen nicht erfasst sind. So sind beispielsweise berufsbegleitend angebotene Fach­hochschulstudiengänge oder Schulen für Berufstätige von den Fördermitteln aus dem Bereich der Erwachsenenbildung ausgeschlossen, da für diese Einrichtungen spezifische gesetzliche Grundlagen und entsprechende Finanzierungsinstrumente bestehen, von denen wiederum die Einrichtungen der Erwachsenenbildung im Sinne des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln ausgeschlossen sind.

 

In rechtlicher Hinsicht ist Erwachsenenbildung im Sinne des Art. VIII des Bundesverfassungs­gesetzes BGBl. Nr. 215/1962 iVm. Art. 14 B-VG insofern negativ definiert, als es sich um Bildungsangebote handelt, die eben nicht in Entsprechung der verfassungs- und einfach­gesetzlichen Grundlagen als Schule, Universität, etc. geregelt sind.

 

Zu Fragen 2 und 3:

Die Definition von Erwachsenenbildung, wie sie von der Nationalagentur für lebenslanges Lernen verwendet wird, entspricht jener des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur und gründet sich auf die in Beantwortung der Frage 1 dargelegten Bestimmungen.

Für den Förderbereich beruht diese Definition auf dem Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl. Nr. 171/1973, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 71/2003.

 

Zu Frage 4:

In qualitativer Hinsicht kann – in Übereinstimmung mit den in Beantwortung der Frage 1 darge­legten Kriterien – etwa eine Schule für Berufstätige als Erwachsenenbildung oder Weiterbildung gesehen werden. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die HTL Hallein als berufs­bildende höhere Schule definiert ist (vgl. § 65 Schulorganisationsgesetz).

 

Auch im Sinne des „Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens“ handelt es sich bei der HTL Hallein nicht um eine Einrichtung der Erwachsenenbildung. Dies geht etwa aus § 6 des Erwachsenenbildungs-Förderungsgesetzes hervor, der lautet: „Bei den Förderungsmaßnahmen hat der Bund die Unabhängigkeit der Förderungsempfänger hinsichtlich der Programm- und Lehrplangestaltung, der pädagogischen Methoden und der Auswahl der Mitarbeiter zu wahren. Förderungsbedingungen, die in diese Bereiche eingreifen, sind unzulässig.“

Die Unabhängigkeit der HTL Hallein bei der Lehrplangestaltung sowie der Auswahl der Mitarbeiter ist – da es sich bei der HTL Hallein um eine Schule in Trägerschaft des Bundes handelt – per se nicht gegeben, und entsprechende Eingriffe des Bundes sind hier nicht nur zulässig, sondern umgekehrt von Gesetzes wegen notwendig und gefordert. Dieser Umstand ist ein deutliches Indiz dafür, dass Bundesschulen für den Gesetzgeber nicht Förderempfänger im Sinne des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volks­büchereiwesens aus Bundesmitteln sein können.

 

Zu einem sachlich ähnlichen Ergebnis kommt ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (GZ 2004/08/0012), in dem festgehalten wird, dass es sich bei Erwachsenenbildung im Sinne des Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes „um ein deutlich niederschwelliges und sehr breit gefächertes, insbesondere nicht primär auf Berufsausbildung zugeschnittenes Bildungsangebot handelt“. Demgegenüber handelt es sich bei Schulen für Berufstätige per Definitionem um ein „auf Berufsausbildung zugeschnittenes Bildungsangebot“, zumal § 65 Schulorganisationsgesetz die Aufgabe der berufsbildenden höheren Schulen damit festlegt, „zur Ausübung eines gehobenen Berufes auf technischem, gewerblichem […] oder sonstigem wirtschaftlichem Gebiet“ zu befähigen.

Das Begehren einer Fachhochschule, als Erwachsenenbildungseinrichtung anerkannt zu werden, vermochte der Verwaltungsgerichtshof letztlich nicht zu folgen, weil er zur Erkenntnis gelangte, dass „es gerade nicht Aufgabe der Fachhochschulen [ist], ein derartig breit gefächertes und niederschwelliges Bildungsangebot für „Jedermann“ bereitzustellen“, wie dies der Katalog des § 2 Erwachsenenbildungs-Förderungsgesetz vorsieht. Dieses Kriterium trifft aus Sicht des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auch auf Schulen für Berufstätige zu.

 

Auch im Sinne des Programms „Grundtvig“, das im Rahmen des Programms lebenslanges Lernen abgewickelt wird und das auf den Bereich Erwachsenenbildung fokussiert, ist die HTL Hallein keine Einrichtung der Erwachsenenbildung.

Laut Artikel 28 der Mitteilung der EU-Kommission zum Programm lebenslanges Lernen richtet sich das sektorale Programm „Grundtvig"  an Erwachsene bzw. Organisationen, die im Bereich Erwachsenenbildung tätig sind, wobei Erwachsenenbildung als nicht berufsbezogene Form der Weiterbildung definiert wird. Die Bildungsaufgabe der HTL Hallein liegt demgegenüber explizit im Bereich der beruflichen (Weiter-)Bildung.

 

Zu Frage 5:

Die Nationalagentur Lebenslanges Lernen erhält die zur Durchführung und Abwicklung der Maßnahmen und Projekte im Rahmen des Programms Lebenslanges Lernen erforderlichen nationalen Kofinanzierungsmittel, um die sehr erfolgreiche Quote an EU-Rückflüssen von derzeit rund EUR 17 Mio. pro Jahr zu sichern sowie Mittel zu Verwaltungs- und Personalkosten. Die vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur zur Verfügung gestellten Kofinanzie­rungsmittel beliefen sich im Jahr 2010 auf rund EUR 3 Mio.

 

Zu Frage 6:

Im Jahr 2010 fanden Fördermittel der Europäischen Union in Höhe von rund EUR 17 Mio. in der Nationalagentur Lebenslanges Lernen Verwendung.


Zu Fragen 7 und 8:

Im Jahr 2010 betrug der Anteil der Struktur- und Personalkosten 17,5%. Im Programm für lebenslanges Lernen standen im Jahr 2010 EUR 17.132.010,00 an EU-Fördermitteln zur Verfügung. Aufgeschlüsselt nach sektoralen Programmen bedeutet dies: Comenius: EUR 2.804.010,00; Erasmus: EUR 7.696.000,00; Leonardo da Vinci: EUR 5.430.000,00; Grundtvig: EUR 1.126.000,00; Querschnittsprogramm: EUR 76.000,00.

 

Zu Fragen 9 und 10:

Grundsätzlich darf festgehalten werden, dass gemäß § 1 Abs. 3 OeAD-Gesetz, BGBl. I Nr. 99/2008, die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte des Bundes dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung obliegt. Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ist im Aufsichtsrat, im Kuratorium sowie im Strategiebeirat vertreten.

Gemäß § 9 Abs. 3 und 4 OeAD-Gesetz bestehen hinsichtlich der Genehmigung von Programmen der OeAD GmbH (ua. EU-Bildungsprogramme) Einvernehmens- bzw. Entscheidungsrechte des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.

 

Gemäß Artikel 2 und 6 der Entscheidung K(2007)1807 der Europäischen Kommission über die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, der Kommission und der nationalen Agenturen bei der Durchführung des Programms Lebenslanges Lernen (2007–2013) und basierend auf dem Verwaltungsübereinkommen zwischen dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ist das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur die der Europäischen Kommission gegenüber genannte zuständige nationale Behörde und somit für die Erstellung der jährlichen ex-post Zuverlässigkeitserklärung zur Gewährleistung der recht- und ordnungsmäßigen Verwendung der von der Nationalagentur verwalteten Gemeinschaftsmittel zuständig. Grundlage der ex-post Zuverlässigkeitserklärung bildet die jährlich durch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung durchgeführte Sekundarkontrolle in der Nationalagentur.

 

Die Kontrolle und das laufende Monitoring der österreichischen Nationalagentur erfolgen durch die einzelnen Abteilungen des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur und des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und setzen sich aus der Sekundar­kontrolle der einzelnen Programmbereiche durch die jeweiligen Fachaufsichten der genannten Ministerien, aus der Systemprüfung der Verfahren und Prozesse in der Nationalagentur durch die für die ressortübergreifende Koordination des Programms Lebenslanges Lernen zuständige Abteilung sowie aus der Finanzprüfung zusammen.

Diese Kontrollen unterliegen regelmäßig stattfindenden Prüfungen und Kontrollen des Europäischen Rechnungshofes sowie des internen Auditservice der Europäischen Kommission. Die Nationalagentur Lebenslanges Lernen verfügt zusätzlich über eine ISO 9001:2008 – Zerti­fizierung. Die Nationalagentur unterliegt zusätzlich dem internen Qualitäts- und Prozess­managementsystem der OeAD GmbH. Die Nationalagentur Lebenslanges Lernen entscheidet nur über Anträge aus Österreich.

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.