8569/AB XXIV. GP

Eingelangt am 26.07.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Hassparolen und Gewaltaufrufe im Internet – Verhetzung (§ 283 StGB)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Ja, der Rechtsauffassung meiner Amtsvorgängerin, wie sie in der Beantwortung der Voranfrage zur Zahl 6800/J, Fragepunkte 2 und 3, zum Ausdruck kommt, wird uneingeschränkt beigetreten. Sofern die allgemeinen Voraussetzungen zur Strafbarkeit nach den §§ 283 StGB und 3h VerbotsG vorliegen, sind auch die Verbreitung von rassistischen Texten, Bildern und anderen Darstellungen im Internet nach diesen Bestimmungen strafbar und zu verfolgen. Ich sehe daher keinen Bedarf, die vorsätzliche Verbreitung von rassistischem oder fremdenfeindlichem Material über Computersysteme oder Internet ausdrücklich unter Strafe zu stellen.

Zu 2:

Österreich hat das „Mutterübereinkommen“ des Europarats über Computerkriminalität, ETS.  Nr. 185, zwar 2001 gezeichnet und weitestgehend umgesetzt, jedoch bisher noch nicht ratifiziert. Die Arbeiten zur Ratifizierung werden – gerade weil es sich im Wesentlichen nur mehr um einen Formalakt handelt – derzeit abgeschlossen. Die Ratifizierung kann noch in diesem Jahr erfolgen. Der Beitritt zum Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, ETS. Nr. 189, steht nur den Parteien des „Mutterübereinkommens“ offen; die weiteren Schritte werden nach der Ratifizierung des Übereinkommens über Computerkriminalität geprüft werden.

Zu 3:

Der Rahmenbeschluss kann als weitestgehend umgesetzt angesehen werden. Im Einzelnen gilt Folgendes:


Was die Straftatbestände anlangt sieht Artikel 1 des Rahmenbeschlusses zum einen die Kriminalisierung

- der öffentlichen Aufstachelung (einschließlich durch öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, Bild- oder sonstigem Material) zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe, zum anderen die Kriminalisierung

- des öffentlichen Billigens, Leugnens oder gröblichen Verharmlosens von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (sowie von Verbrechen nach Artikel 6 der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs im Anhang zum Londoner Abkommen vom 8. August 1945), das gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe gerichtet ist, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definiert werden, wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt, vor (die Aufsplittung in insgesamt vier Tatbestände im Rahmenbeschluss hatte im Wesentlichen verhandlungstaktische Gründe).

Dabei soll der Verweis auf Religion zumindest Handlungsweisen erfassen, die als Vorwand für die Begehung von Handlungen gegen eine nach Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definierte Gruppe oder ein Mitglied einer solchen Gruppe dienen.

Darüber hinaus steht es den Mitgliedstaaten frei, nur Handlungen unter Strafe zu stellen, die in einer Weise begangen werden, die geeignet sind, die öffentliche Ordnung zu stören, oder die Drohungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen darstellen.

Schließlich kann jeder Mitgliedstaat bei der Annahme dieses Rahmenbeschlusses oder danach eine Erklärung abgeben, der zufolge er die Leugnung oder gröbliche Verharmlosung der vorstehend genannten völkerstrafrechtlichen Verbrechen nur dann unter Strafe stellt, wenn ein nationales Gericht dieses Mitgliedstaats und/oder ein internationales Gericht sie endgültig festgestellt haben oder wenn ausschließlich ein internationales Gericht sie endgültig festgestellt hat.

Vorweggenommen sei, dass eine derartige Erklärung bislang nicht abgegeben wurde.

Im Übrigen gilt, dass der erstgenannte Tatbestand schon derzeit hinsichtlich der Tathandlung als von § 283 StGB umgesetzt gesehen werden kann, während es bei den geschützten Personengruppen noch einer Anpassung bedarf und § 283 StGB auch nicht die Hetze gegen


Einzelpersonen erfasst. Beide Punkte wären jedoch (zum Teil sogar darüber hinaus gehend) vollständig abgedeckt, wenn die mit der Regierungsvorlage eines Terrorismuspräventions­gesetzes 2010, 674 Blg. NR XXIV. GP, vorgeschlagene und am 21. April 2010 dem Justiz­ausschuss zugewiesene Änderung des § 283 StGB vom Gesetzgeber beschlossen würde.

Was den zweitgenannten Tatbestand anlangt, so ist der in Österreich in dem für Österreich wohl historisch relevantesten Bereich durch § 3h des Verbotsgesetzes abgedeckt. Hinsichtlich weiterer Völkermorde, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen möchte ich darauf hinweisen, dass die Umsetzung der materiellrechtlichen Bestimmungen des Statuts des Internationalen Gerichtshofs durch einen entsprechenden Entwurf noch für heuer geplant ist. Dabei könnte erwogen werden, auch für die weitere Umsetzung des Rahmenbeschlusses Vorkehrungen zu treffen.

Die weiteren Regelungen des Rahmenbeschlusses betreffend Anstiftung und Beihilfe (Art. 2 RB), strafrechtliche Sanktionen (Art. 3 RB), Erschwerungsgrund (Art. 4 RB), Verantwortlichkeit und Sanktionierung juristischer Personen (Art. 5, 6 RB), Ermittlung und Verfolgung (Art. 8 RB) sowie internationale Gerichtsbarkeit (Art. 9 RB) können aus der Sicht der zuständigen Fachabteilungen meines Hauses als vollständig umgesetzt angesehen werden.

Zu 4, 6 bis 9 und 11:

Ich darf auf die als Beilage angeschlossenen Auswertungen aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ) verweisen.

Zu 5 und 10:

Laut Auswertung der Gerichtlichen Kriminalstatistik (ISIS Datenbank der Statistik Austria)  wurden im Jahr 2010 gemäß § 283 StGB verurteilt:

LG für Strafsachen Wien

1

LG Eisenstadt

0

LG Korneuburg

1

LG Krems an der Donau

0

LG St. Pölten

0

LG Wiener Neustadt

0

LG Linz

0

LG Ried im Innkreis

0

LG Steyr

0

LG Wels

3

LG Salzburg

0

LG für Strafsachen Graz

1

LG Leoben

0

LG Klagenfurt

1

LG Innsbruck

0

LG Feldkirch

2

Summe

9


An konkreten Strafen wurden dabei verhängt:

LG Wien: Freiheitsstrafe über 6 bis 12 Monate

LG Korneuburg: Freiheitsstrafe über 6 bis 12 Monate

LG Wels: Freiheitsstrafe über 1 bis 3 Monate (in zwei Fällen) sowie

                Freiheitsstrafe über 3 bis 6 Monate

LG Graz: Freiheitsstrafe über 1 bis 3 Monate

LG Klagenfurt: eine teilbedingte Verurteilung

LG Feldkirch: Geldstrafe über 180 Tagessätze (in zwei Fällen)

Zudem verweise ich auf die abgeschlossene Auswertung aus der VJ. Dabei ist zu beachten, dass die Gerichtliche Kriminalstatistik auf den Daten über gerichtliche Verurteilungen aus dem Strafregister basiert. Es  können lediglich Angaben zu rechtskräftigen Verurteilungen gemacht werden, nicht hingegen zu Freisprüchen; auch können die Verurteilungen nicht einzelnen Staatsanwaltschaften zugeordnet werden, sondern lediglich den Gerichten.

Weiters ist zu beachten, dass in der Gerichtlichen Kriminalstatistik bei einem Verfahren wegen mehreren strafbaren Handlungen die Verurteilung dem Delikt zugeordnet wird, das für den Strafsatz maßgebend war („Führendes Delikt“). Dadurch kann es zu Abweichungen zu den Verfahrenszahlen in der VJ kommen.

Zu 12:

Ohne allfällige praktische Probleme bei der strafrechtlichen Verfolgung von Delikten wie Verhetzung im Internet verkennen zu wollen, scheint mir aus österreichischer Sicht der Internationale Rechtsrahmen (insb. EU-Rahmenbeschluss, Cyber-Crime-Konvention des Europarats samt Zusatzprotokoll, CERD-Konvention auf UN-Ebene) ausreichend.

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe Anfragebeantwortung (gescanntes Original) zur Verfügung.