8601/AB XXIV. GP
Eingelangt am 01.08.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und Genossinnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Verletzung geistigen Eigentums im Jahr 2010“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Wie bereits in der Beantwortung einer ähnlichen Anfrage im Jahr 2007 ausgeführt, obliegt die Rechtsdurchsetzung im Bereich des geistigen Eigentums primär den durch eine Rechtsverletzung beeinträchtigten Rechteinhabern, die sich hierbei nicht nur der Instrumentarien des zivilgerichtlichen Verfahrens bzw. des strafrechtlichen Privatanklageverfahrens bedienen können, sondern auch mit der Möglichkeit der zollbehördlichen Beschlagnahme rechtsverletzender Waren nach dem Produktpirateriegesetz wirksame Mittel zur Durchsetzung ihrer Rechte haben.
Zu 2 bis 3:
Was die zivilgerichtlichen Verfahren anlangt, so weise ich wie in den vorangegangenen Antworten darauf hin, dass eine Auswertung in der Verfahrensautomation Justiz (VJ) nur in der Form möglich ist, dass alle unter dem Fallcode 41 („Gewerblicher Rechtsschutz“) gemeinsam erfassten Verfahren – das sind alle Zivilverfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG), dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Patentgesetz (PatG), dem Musterschutzgesetz (MuSchG) und dem Markenschutzgesetz (MarkSchG) – angegeben werden. Das Datenmaterial kann der angeschlossenen Beilage entnommen werden.
Die Gesamtzahl der im Jahr 2010 anhängig gemachten Verfahren beträgt 1.122, wobei wiederum die bei weitem überwiegende Anzahl der Verfahren beim Handelsgericht Wien eingebracht wurden (712).
Zu 4:
Strafbestimmungen im Bereich der Verletzung der Rechte geistigen Eigentums umfassen etwa die §§ 60, 68h MarkenschutzG, § 35 MusterschutzG, § 42 GebrauchsmusterG, § 159 PatentG, § 22 HalbleiterschutzG, § 25 SortenschutzG sowie § 91 UrheberrechtsG.
Aus Anlass dieser parlamentarischen Anfrage habe ich eine Auswertung der VJ durch die BRZ GmbH vornehmen lassen. Die Anfallszahlen (fallbezogen) und Erledigungsstatistiken (personenbezogen) können – aufgeschlüsselt nach Dienststellen – den angeschlossenen Tabellen „Frage 4 – Anfall“ und „Frage 4 – Erledigungen“ entnommen werden.
Zu 5:
Dem Bundesministerium für Justiz stehen nach wie vor keine eigenen Daten zur Verfügung, anhand derer der durch Produkt- und Markenfälschungen entstandene Schaden seriös abgeschätzt werden könnte.
Aus der aktuellen Mitteilung der Kommission über den Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums (KOM[2011] 287) lässt sich entnehmen, dass sich nach Schätzungen einer neueren OECD-Studie (2009) das Volumen des internationalen Handels mit gefälschten und nachgeahmten Produkten von gut 100 Mrd. USD im Jahr 2000 auf 250 Mrd. USD im Jahr 2007 erhöht hat. Laut OECD sei dies mehr als die Summe der Bruttoinlandsprodukte von etwa 150 Volkswirtschaften. Die von der Europäischen Kommission veröffentlichten Zahlen zur Tätigkeit der nationalen Zollbehörden weisen eine Zunahme der Fälle, bei denen der Verdacht auf Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums bestand, von 26.704 im Jahr 2005 auf 43.572 im Jahr 2009 aus, was einem Anstieg um mehr als 60 % in fünf Jahren entspricht. Nach Schätzungen der Kreativwirtschaft ist der europäischen Musik-, Film-, TV- und Softwarewirtschaft durch Piraterie allein im Jahr 2008 ein Schaden von 10 Mrd. EUR entstanden und es wurden über 185.000 Arbeitsplätze vernichtet (Pressemitteilung der Kommission IP/11/630 vom 24.5.2011).
Zu 6 und 7:
Auf die Beantwortung der Fragen in den Vorjahren wird verwiesen. Neue Informationen liegen nicht vor.
Zu 8 und 9:
Wie bereits in der Beantwortung der gleichlautenden Fragen im Vorjahr bemerkt, ist der Richtlinienvorschlag KOM(2006) 168 nicht mehr aktuell. Einen neuen Vorschlag hat die Kommission bisher nicht vorgelegt.
Zu 10:
Die geplanten zivilrechtlichen Bestimmungen des ACTA („Anti-Counterfeiting Trade Agreement“) dürften nicht über den Acquis hinausgehen und werden daher keiner Umsetzung bedürfen. Auch durch das ACTA sind die Verpflichtungen über die Rechtsdurchsetzung im Internet nicht restlos geklärt. Auf der einen Seite müssen effektive Rechtsbehelfe für Verletzungen im Internet geschaffen werden (Art. 27 Abs. 1). Auf der anderen Seite sollen die dafür geschaffenen Verfahren keine Barrieren für legitime Nutzungen schaffen, wie z. B. den elektronischen Geschäftsverkehr, und müssen Grundprinzipien wie die Meinungsäußerungsfreiheit, das Recht auf ein faires Verfahren und das Grundrecht auf Privatsphäre beachtet werden.
Im strafrechtlichen Bereich sieht Artikel 26 vor, dass „in geeigneten Fällen“ eine Verfolgung von Immaterialgüterrechtsverletzungen von Amts wegen möglich zu sein hat. Das österreichische System der Verfolgung von Immaterialgüterrechtsverletzungen ausschließlich durch Privatanklagen kann daher für derartige geeignete Fälle nicht uneingeschränkt aufrecht erhalten werden. Was ein geeigneter Fall ist, wird durch ACTA nicht definiert und bleibt daher dem Ermessen des innerstaatlichen Gesetzgebers überlassen. Aufgrund des Verhandlungsverlaufs ist allerdings klar, dass hiemit besonders schwere Fälle (wie die im Zuge der Verhandlungen oft als Beispiel angeführte Herstellung von Raubkopien im großen Umfang durch eine kriminelle Organisation) gemeint sind. Zur Umsetzung von ACTA wird daher zumindest für schwerste Fälle (beispielsweise bei gewerbsmäßiger Begehung wie im deutschen Recht oder bei Begehung im Rahmen einer kriminellen Organisation) der Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums die Möglichkeit der amtswegigen Verfolgung einzuführen sein.
Im Übrigen entspringt aus ACTA auch im strafrechtlichen Bereich kein Umsetzungsbedarf.
Anmerkung der Parlamentsdirektion:
Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe
Anfragebeantwortung (gescanntes Original)
zur Verfügung.