8619/AB XXIV. GP
Eingelangt am 05.08.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Glücksspiel- und Wettangebote: Illegales Glücksspiel & Glücksspielbetrug – Gerichtliche Verfahren 2010“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 7:
Wie schon in der Beantwortung der letztjährigen Voranfrage zur Zahl 4911/J-NR/2010 dargelegt, steht dazu kein Datenmaterial aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ) zur Verfügung. Ich darf auf die ausführliche Begründung meiner Amtsvorgängerin verweisen.
Nach wie vor gilt demnach auch, dass es zur Beantwortung dieser Fragen erforderlich wäre, bundesweit sämtliche Verfahren des Jahres 2010, die wegen Strafanzeigen gemäß § 168 StGB geführt wurden, einzeln zu überprüfen und statistisch auszuwerten. Angesichts der hohen Anzahl an derartigen Verfahren und des damit verbundenen nicht bewältigbaren Aufwandes für die Staatsanwaltschaften ersuche ich um Verständnis, dass ich von der Beantwortung dieser Fragen Abstand nehmen muss.
Zu 8 und 9:
Ich verweise auf die der Anfragebeantwortung angeschlossenen Auswertungen aus der VJ. In der Gerichtlichen Kriminalstatistik 2010 scheinen elf (rechtskräftige) Verurteilungen wegen § 168 StGB auf. Die Verurteilungszahlen der letzten zehn Jahre, auch aufgelistet nach Landesgerichtssprengeln, können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Daten zu den Staatsanwaltschaften liegen in der Gerichtlichen Kriminalstatistik nicht vor.
|
|
LG für Strafsachen Wien |
LG Eisenstadt |
LG Krems an der Donau |
LG St. Pölten |
LG Wiener Neustadt |
LG Linz |
LG Ried im Innkreis |
|
2000 |
1 |
9 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
|
2001 |
0 |
37 |
0 |
0 |
0 |
1 |
2 |
|
2002 |
3 |
12 |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
|
2003 |
1 |
15 |
0 |
0 |
2 |
0 |
5 |
|
2004 |
0 |
2 |
0 |
0 |
1 |
1 |
0 |
|
2005 |
2 |
7 |
0 |
1 |
0 |
0 |
2 |
|
2006 |
0 |
5 |
2 |
4 |
0 |
0 |
0 |
|
2007 |
0 |
2 |
0 |
3 |
0 |
1 |
0 |
|
2008 |
1 |
1 |
0 |
0 |
1 |
0 |
0 |
|
2009 |
2 |
1 |
0 |
0 |
0 |
3 |
0 |
|
2010 |
0 |
4 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
|
|
LG Steyr |
LG Wels |
LG Salzburg |
LG für Strafsachen Graz |
LG Leoben |
LG Klagenfurt |
LG Innsbruck |
LG Feldkirch |
|
2000 |
1 |
1 |
4 |
0 |
0 |
0 |
1 |
1 |
|
2001 |
1 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
3 |
1 |
|
2002 |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
0 |
7 |
2 |
|
2003 |
0 |
0 |
1 |
1 |
0 |
0 |
6 |
0 |
|
2004 |
0 |
0 |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
3 |
|
2005 |
0 |
1 |
0 |
0 |
1 |
0 |
4 |
0 |
|
2006 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
3 |
3 |
|
2007 |
0 |
1 |
1 |
0 |
0 |
0 |
5 |
2 |
|
2008 |
0 |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
0 |
|
2009 |
0 |
1 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
0 |
|
2010 |
0 |
0 |
2 |
0 |
0 |
1 |
3 |
1 |
Zu 10:
Diesbezüglich hat sich an der Einschätzung meines Ressorts in der AB 3507/XXIV GP vom 23. Dezember 2009 (zu Fragepunkt 45) nichts geändert. Eine Anhebung des Strafrahmens des geltenden § 168 StGB bzw. eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit halte ich daher nicht für indiziert.
Zu 11 bis 14:
Es ist technisch nicht möglich, eine Liste sämtlicher sichergestellter, beschlagnahmter, eingezogener bzw. für verfallen erklärter Gegenstände zu erstellen und daraus auf automationsunterstütztem Weg die Geld- oder Glücksspielautomaten herauszufiltern. Die händische Auswertung sämtlicher in Frage kommender Akten ist jedoch aus den bereits erwähnten Gründen praktisch undurchführbar, zumal sich diese Recherche nicht nur auf Verfahren im Zusammenhang mit § 168 StGB beschränken dürfte, um vollständige Daten zu erhalten.
Zu 15:
Die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen nach dem Bundesgesetz über die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen von Verwaltungsbehörden im Rahmen der Europäischen Union (EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz – EU-VStVG), BGBl. I Nr. 3/2008, fällt in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und damit nicht in den Vollzugsbereich der Bundesministerin für Justiz.
Was die Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen über Geldstrafen und Geldbußen nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Hauptstückes des EU-JZG angeht, erfolgt die Befassung der zuständigen Justizbehörde entsprechend den Vorgaben des zitierten Rahmenbeschlusses des Rates im direkten Behördenverkehr (§ 53c Abs. 4 EU-JZG), sodass eine zentrale Erfassung der eingehenden Ersuchen nicht erfolgt und daher keine statistischen Daten zur Verfügung stehen.
Zu 16:
Ja, der Bericht der Salzburger Nachrichten vom 11. April 2011 mit dem Titel „Glücksspiel: Polizei streitet mit Finanz“ ist dem Ressort bekannt. Das Bundesministerium für Justiz ist jedoch bei Zuständigkeitskonflikten mit Verwaltungsbehörden nur befugt, das Vorliegen der das eigene Ressort betreffenden Zuständigkeit zu prüfen.
Zu 17 bis 19:
Der Straftatbestand des § 168 StGB „Glücksspiel“ stellt das Veranstalten von Glücksspielen oder eines ausdrücklich verbotenen Spiels unter Strafe, sofern dies mit dem Vorsatz, einen Vermögensvorteil zu erzielen, begangen wird, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.
Von der Strafbewährung sind zu Gunsten der Veranstalter und Förderer Spiele ausgenommen, wenn bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird. Ob ein Spiel um geringe Beträge vorliegt, wird von der Rechtsprechung meist nach der Höhe des jeweiligen einzelnen Einsatzes und demnach ohne Rücksicht darauf beurteilt, dass es nicht beim Einzelspiel um Geld bleiben muss und Spielverluste anwachsen können. Die Geringfügigkeit muss aus objektiver Sicht gegeben sein und darf nicht von den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen des einzelnen Spielers abhängig gemacht werden (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 168 RZ 9 und 12). Ein Einsatz von 10 Euro pro Spiel erscheint daher dem normierten geringen Betrag zu entsprechen. Darüber hinaus darf ich auch auf die bezüglich des Spielerschutzes normierten Mindestanforderungen der §§ 5 Abs. 5 lit a Z 1 und 52 Abs. 2 GSpG hinweisen, die für Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten den Einsatz pro Spiel mit 10 Euro begrenzen und ausdrücklich festhalten, dass Einsätze in einem Wert von über 10 Euro die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten.
Daher erfüllt das Veranstalten (auch von verbotenen) Automatenglücksspielen, wenn der jeweilige Einsatz pro Spiel nicht mehr als 10 Euro beträgt, den Straftatbestand des § 168 StGB nicht.
Im Hinblick darauf, dass der Vollzug des Glücksspielgesetzes (GSpG) und allfällige diesbezügliche landesgesetzliche Verbote nicht in die Zuständigkeit der Justiz fallen, ersuche ich um Verständnis, dass ich den zuständigen RessortkollegInnen und KollegInnen auf Landesebene nicht bei der Beurteilung solcher Sachverhalte vorgreifen kann.
Zu 20:
Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen von Finanz- und Sicherheitsbehörden über die Rechtsgrundlage der Beschlagnahme werden bedauert. Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz wird aber auf die unterschiedlichen Vorrausetzungen für die Konfiskation (§ 19a StGB), den Verfall (§ 20 StGB), die Beschlagnahme (§ 53 GSpG) und die Einziehung (§ 26 StGB bzw. § 54 GSpG) verwiesen.
Zu 21:
Amtsmissbrauch nach § 302 StGB liegt vor, wenn ein Beamter mit dem Vorsatz, Rechte Dritter zu schädigen, seine Befugnis, als Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht.
Ein Beamter missbraucht die Befugnis, wenn sein Verhalten rechtlich unvertretbar ist. Wenn er sich im Rahmen des Ermessens oder im Rahmen des rechtlich Vertretbaren hält, liegt ein Befugnismissbrauch nicht vor. Die rechtliche Vertretbarkeit ist objektiv zu beurteilen. Selbst wenn der Beamte nach Möglichkeiten sucht, zugunsten einer Partei entscheiden zu können, liegt dann kein Missbrauch vor, wenn der Hoheitsakt, den der Beamte vornimmt, objektiv vertretbar ist (Bertel in WK2 § 302 RZ 48). Grundsätzlich ist die Begehung des Amtsmissbrauchs auch durch Unterlassen eines Hoheitsaktes möglich, sofern dem betroffenen Beamten eine Garantenstellung und die Pflicht zum Handeln zukommt. Beamte, deren Hauptaufgabe in der Entdeckung, Verfolgung und Aburteilung von Straftätern besteht, missbrauchen ihre Befugnis, wenn sie einen Täter pflichtwidrig nicht anzeigen oder eine Anzeige pflichtwidrig nicht weiterleiten (Bertel in WK2 § 302 RZ 39).
Die in den §§ 50 ff GSpG eingeräumten Befugnisse berechtigen die zuständigen Behörden auch zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Zu einem Einschreiten ohne konkreten Verdacht einer Überschreitung der Bestimmungen verpflichten diese aber nicht. Im Gegensatz dazu verpflichtet § 2 StPO die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft, jeden ihnen zur Kenntnis gebrachten Verdacht einer strafbaren Handlung von Amts wegen zu ermitteln.
Zu 22:
In den Jahren 2010 und 2011 waren den – aus Anlass dieser Anfrage eingeholten – Berichten der Staatsanwaltschaften zufolge nachstehende Verfahren wegen Anzeigen privater Glücksspielanbieter gegen Beamte des Bundesministeriums für Finanzen anhängig:
Staatsanwaltschaft Wien:
Es wurden zwei Anzeigen erstattet, nämlich gegen acht namentlich genannte Beschuldigte und einen unbekannten Verdächtigen (Einstellung nach §190 Z 2 StPO am 15. Juni 2011) und gegen vier namentlich bekannte Verdächtige (Einstellung nach § 190 Z 1 StPO am 8. Juli 2011).
Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption:
Es wurden mehrere Anzeigen erstattet, wobei die Verfahren nach § 190 Z 1 StPO eingestellt bzw. gemäß § 28a Abs. 2 StPO an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet wurden. Zur Anzahl der angezeigten Beamten liegen mir keine Informationen vor.
Staatsanwaltschaft Eisenstadt:
Es waren zwei Verfahren gegen insgesamt drei angezeigte Beamte anhängig. Beide Verfahren wurden nach § 190 Z 1 StPO eingestellt.
Staatsanwaltschaft Salzburg:
Es wurde eine Anzeige gegen unbekannte Täter eingebracht. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Staatsanwaltschaft Wels:
Es wurde eine Anzeige gegen zwei Beamte erstattet; das Verfahren wurde am 13. Juli 2011 nach § 190 Z 1 StPO eingestellt.
Zu 23:
In diesem Zusammenhang ist zunächst auf das Anzeigerecht gemäß § 80 Abs. 1 StPO zu verweisen. Hinweise darauf, dass es sich um eine gezielte Aktion mit rechtsmissbräuchlichem Charakter oder um ein als Nötigung zu wertendes Verhalten handelt, liegen mir nicht vor.
Zu 24:
Im Hinblick darauf, dass sich die Frage auf eine Strafsache bezieht, die sich in einem nichtöffentlichen Verfahrensstadium befindet (§ 12 StPO), ersuche ich um Verständnis, dass mir eine Beantwortung nicht möglich ist, weil dadurch Rechte von Verfahrensbeteiligten verletzt werden könnten.
Zu 25:
Das Bundesministerium für Justiz hat wiederholt im Zuge der Ausarbeitung von Stellungnahmen der Bundesregierung zu Glücksspiel-, Buchmacher- und Totalisateurgesetzen der Länder auf die Berücksichtigung internationaler Vorgaben zur Geldwäschebekämpfung gedrängt (zuletzt am 18. März 2011 im Zusammenhang mit der Ausarbeitung einer Stellungnahme der Bundesregierung zum Entwurf eines Vorarlberger Landesgesetzes über eine Änderung des Wettengesetzes). Ansonsten stehen mir als Mitglied der Bundesregierung keine Mittel zur Beeinflussung der Gesetzgebung der Länder zur Verfügung.
Zu 26:
Mir bzw. dem Bundesministerium für Justiz ist zu der speziellen Frage der besonderen Schutzpflichten der Spielbanken gegenüber ihren Kunden keine rechtsvergleichende Studie bekannt. Eine Haftung für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten ist in den Rechtsordnungen aller EWR-Staaten vorgesehen.
Zu 27:
Zivilrechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten sind im Zusammenhang mit verbotenen Spielen durchaus gegeben. Bei verbotenen Spielen hat nach herrschender Rechtsprechung der Verlierer die Möglichkeit, die bezahlte Wett- oder Spielschuld zurückzufordern. Für Spieler mit krankheitswertiger „Spielsucht“ kommt überdies eine bereicherungsrechtliche Rückforderung verlorener Beträge wegen der Ungültigkeit des Vertrages in Betracht.
Zu 28:
Maßnahmen, die über die Präventionswirkung der hier erörterten Justizgesetze hinausgehen, fallen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Wie in anderen Suchtbereichen wird das Justizressort auch hier alle sinnvollen suchtpräventiven Maßnahmen unterstützen.
Zu 29:
Der zuständigen Legislativabteilung sind im Zusammenhang mit den Glücksspielnovellen 2008 und 2010 keine besonderen problembehafteten Erfahrungen bekannt.
Anmerkung der Parlamentsdirektion:
Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe
Anfragebeantwortung (gescanntes Original)
zur Verfügung