8678/AB XXIV. GP
Eingelangt am
10.08.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „dem Bericht des Rechnungshofes über die Effektivität der behördlichen Ermittlungsmaßnahmen“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
Die angesprochenen „Kridafragebögen“ beruhen auf regionalen Fragekatalogen, die in Zusammenarbeit mit den jeweils örtlich zuständigen Dienststellen ausgearbeitet wurden. Ob und inwieweit ein Fragebogen für das gesamte Bundesgebiet im Vergleich zu diesen dezentral ausgearbeiteten Fragen zu einer Steigerung der Effizienz im Bereich der Ermittlungen führen kann, wird geprüft.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verwendung derartiger Fragebögen stets auch in einem Spannungsverhältnis zur Frage der Zulässigkeit von Erkundungsbeweisen steht; so hat der Oberste Gerichtshof in seiner Amtshaftungs-Judikatur betont, dass der einer strafbaren Handlung Verdächtige das Recht für sich in Anspruch nehmen kann, dass seine wirtschaftliche Position nicht durch unverhältnismäßige Ermittlungsschritte beeinträchtigt wird. Dies gelte umso mehr für unbeteiligte Dritte, wenn deren Vermögensinteressen durch das Verfahren gegen bestimmte Verdächtige unmittelbar berührt und gefährdet werden. Daraus folgt, dass die im Verhältnis zu solchen unbeteiligten Dritten zu beachtende – Art und Ausmaß gerichtlicher Vorerhebungen begrenzende – Grundrechtsbindung noch fester ist. Droht daher durch bestimmte Ermittlungen gegen konkrete Verdächtige auch die Beeinträchtigung von Vermögensinteressen unbeteiligter Dritter, so dürfen solche Maßnahmen nur veranlasst werden, wenn die Interessenabwägung bei der Prüfung deren Verhältnismäßigkeit ergibt, dass sie – nach einem durch andere mögliche Ermittlungen bereits erhärteten Tatverdacht – wegen der Schwere der in Rede stehenden strafbaren Handlung(en) und mangels für die Rechtssphäre unbeteiligter Dritter unschädlicher oder wenigstens gelinderer Alternativen im Interesse einer geordneten Strafrechtspflege unvermeidlich sind und daher in Kauf genommen werden müssen (ÖJZ-LSK 2000/155 = ÖJZ-LSK 2000/165 = RdW 2000,467 = EvBl 2000/139 S 605 - EvBl 2000,605 = ÖZW 2001,52 (Wagner) = SZ 73/35.).
Zu 3:
Wenn Ermittlungsersuchen der Kriminalpolizei von der Staatsanwaltschaft abgelehnt werden, so beruht dies auf der der Anklagebehörde nach der neuen Strafprozessordnung zukommenden Leitungsbefugnis. Insbesondere obliegt den staatsanwaltschaftlichen Behörden dabei die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit von Ermittlungsmaßnahmen. Die Frage der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen stellt sich in dem mir berichteten Beispielsfall nicht, vielmehr mangelte es am erforderlichen Tatverdacht.
Zu 4 und 5:
Maßnahmen zur Reform des Systems der Revisionen und Einschauen bei den Staatsanwaltschaften – wie unter anderem auch vom Rechnungshof vorgeschlagen – wurden in das Revisionsprogramm des Bundesministeriums für Justiz aufgenommen. Derzeit wird ein neues und effizienteres Kontrollsystem für die Staatsanwaltschaften entwickelt, das den gestiegenen Anforderungen gerecht wird. Im Rahmen dieses Projektes zur Neuordnung der Einschau- und Revisionstätigkeit für Staatsanwaltschaften sollen die Prüfungsgrundlagen sowie klare Vorgaben für die Prüfungsinhalte und die Informationsaufbereitung erarbeitet und in einem Handbuch zusammengefasst werden.
Zu 6:
Mit der Schaffung einheitlicher Vorgaben für die Prüftätigkeit und Berichterstattung soll auch eine (bundesweite) Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse ermöglicht werden.
Zu 7:
Die Reform des Einschau- und Revisionssystems bei den Staatsanwaltschaften stellt eine umfassende Neuordnung dar, die Arbeiten und Überlegungen in vielen – zum Teil ineinandergreifenden – Bereichen nach sich zieht. Neben der Neufassung der Prüfungsgrundlagen und der Erstellung von Prüfungskatalogen, Checklisten, Berichtsmustern und ADV-Prüfpaketen sind auch organisatorische Maßnahmen erforderlich. Ich ersuche daher um Verständnis, dass konkrete Angaben, bis wann das neue Kontrollsystem umgesetzt werden wird, noch nicht möglich sind.
Zu 8 bis 12:
Ich nehme die Verbesserungsvorschläge des Rechnungshofs sehr ernst und lasse sie auch genau auf ihre Umsetzung prüfen. Die interne Prüfung der Vorschläge zur Verbesserung des Berichtssystems ist noch nicht abgeschlossen. Dabei wird zu beachten sein, dass eine rechtliche Kontrolle in dem in den §§ 8 und 8a StAG vorgesehenen Umfang – gerade bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen – ein wichtiges Steuerungselement zur Qualitätssicherung und zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung darstellt.
Ich halte es weiters für notwendig, dass die Kriterien des ministeriellen Weisungsrechts transparent dargelegt werden, wobei der Nationalrat an Hand des jährlichen Berichts über die erteilten Weisungen (§ 29a Abs. 3 StAG) nachvollziehen kann, dass sich die Kontrolle auf die Wahrnehmung von Mängeln in der Anwendung des materiellen und formellen Rechts beschränkt.
Ich habe ferner den Auftrag erteilt, die Entscheidungsabläufe zu straffen und durch den Einsatz sicherer elektronischer Kommunikationsmittel zu beschleunigen; der Umstand, dass die in den §§ 8 und 8a StAG geregelte Berichtspflicht von Einfluss auf die Verfahrensdauer ist, bedarf aus meiner Sicht keiner empirischen Untersuchung, weil ein vorgeschriebener Bericht eine Prüfpflicht auslöst, die – wie eine Rechtsmittelentscheidung – eine gewisse Dauer in Anspruch nimmt.
Im Rahmen des Art. 90a Satz 3 StAG iVm §§ 8, 8a und 29 ff StAG ist eine Entschlackung des Systems der Berichtspflichten angedacht, wobei auf diesem Gebiet noch Gespräche und Verhandlungen mit den Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften sowie der Standesvertretung zu führen sein werden, deren Ergebnissen ich hier nicht vorgreifen möchte.
Zu 13 und 14:
Das Bundesministerium für Justiz ergänzte heuer die Fortbildung im Bereich des Wirtschaftsrechts um den Zertifikatslehrgang „Wirtschaftsrecht“ für RichterInnen und StaatsanwältInnen. Dieser Lehrgang setzte sich aus insgesamt fünf zweitägigen Modulen zusammen, beginnend mit grundlegenden Einführungen in die Betriebswirtschaftslehre und das Gesellschafts- sowie das Steuerrecht. Weiters wurde ein umfassender Überblick über das Themengebiet „Rechnungswesen“ geboten und schließlich der Umgang mit Großstrafverfahren behandelt. An diesem Lehrgang nahmen 38 RichterInnen und StaatsanwältInnen teil. Im Anschluss daran wird eine weitere Spezialisierung in einem modular aufgebauten Vertiefungskurs angeboten werden. Im Jahr 2012 wird dieser Lehrgang neuerlich durchgeführt.
Der von der Oberstaatsanwaltschaft Linz veranstaltete Lehrgang „Wirtschaftsstrafrecht für Praktiker mit Praktikern“ wurde im Frühjahr 2011 um drei Module erweitert. Bis Herbst 2011 wird der Lehrgang überdies durch zwei- bis dreitägige Hospitationen in namhaften Unternehmen und bei Finanz- bzw. Zollbehörden sowie einer auf Insolvenzverwaltung spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei in Linz abgeschlossen.
Darüber hinaus wurde acht StaatsanwältInnen und RichterInnen die Teilnahme an dem von der Johannes Kepler Universität Linz angebotenen zweisemestrigen Lehrgang „Master of Business Administration (MBA) für Juristinnen und Juristen – Betriebswirtschaftslehre für die tägliche Rechtspraxis“ auf Basis Sonderurlaub ermöglicht.
Zur Fortbildungsbereitschaft der StaatsanwältInnen weise ich auf die aktuell hohe Beteiligungsquote von 83 % hin.
Zu 15 bis 17:
Der Rechnungshof hielt in seinem Bericht fest, dass auf Basis der Prüfliste vierteljährlich die Gründe für eine lange Verfahrensdauer und Bearbeitungsverzögerungen sowie getroffene Maßnahmen nachvollziehbar dokumentiert und monatliche Kontrollen insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Verjährung vorgenommen werden sollten.
Eine regelmäßige begleitende Kontrolle bietet die beste Gewähr, dienstaufsichtsbehördlich relevantes Fehlverhalten frühzeitig aufzudecken und Fehlentwicklungen rasch entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck stehen den Organen der Dienstaufsicht zahlreiche Instrumente zur Verfügung, wie die Einsicht in Akten und Geschäftsbehelfe, Registerauswertungen, monatliche Prüflisten oder Listen offener Fälle. Im Rahmen der Dienstaufsicht ist es geboten, diese Kontrollmöglichkeiten nebeneinander einzusetzen, um die Ergebnisse einer Plausibilitätsprüfung unterziehen zu können. In jenen Fällen, in denen Schwachstellen (wie etwa Verfahrensverzögerungen) erkennbar sind, wird die Dienstaufsicht durch regelmäßige Zustands- und Fortschrittsberichte in Kurzintervallen wahrgenommen, um die Entwicklung stärker zu überwachen.
Nach meinen Informationen hat sich seit der Änderung der Bestimmung über die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 58 StGB) mit BGBl. I Nr. 40/2009 die in der Frage angesprochene Verjährungsproblematik wesentlich entschärft.
Die vom Bundesministerium für Justiz eingerichtete Arbeitsgruppe „Dienstaufsicht neu“ kam grundsätzlich zu dem Ergebnis, dass schon mit den vorhandenen Dienstaufsichtsinstrumenten und dem daraus gewonnenen Datenmaterial eine effektive Dienstaufsicht betrieben werden kann; es sollten jedoch die einzelnen Instrumente, insbesondere die Prüfliste, bedarfsgerechter aufbereitet und die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Behörden stärker berücksichtigt werden.