8731/AB XXIV. GP

Eingelangt am 16.08.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

Alois Stöger

  Bundesminister

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien                                                                                      

 

 

GZ: BMG-11001/0211-I/A/15/2011

Wien, am 16. August 2011

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 8803/J der Abgeordneten Doppler und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1:

Die Öffnung von Leichen ist in Anknüpfung an verschiedene Kompetenzrechtstatbestände sowohl durch Bundes- als auch durch Landesgesetze geregelt. Im Bereich des Strafrechtswesens kann der Staatsanwalt aufgrund der Strafprozessordnung die Öffnung einer Leiche anordnen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tod einer Person durch eine Straftat verursacht worden ist. Die sanitätspolizeiliche Leichenöffnung gründet auf dem Kompetenztatbestand Leichen- und Bestattungswesen, das nach der österreichischen Bundesverfassung von dem in die Bundeskompetenz fallenden Gesundheitswesen ausdrücklich ausgenommen ist. Nach den landesgesetzlichen Vorschriften erfolgt die Anordnung der Leichenöffnung zur Feststellung der Todesursache durch die Bezirksverwaltungsbehörden. Aufgrund der krankenanstaltenrechtlichen Bestimmungen sind die Leichen der in öffentlichen Krankenanstalten verstorbenen Pfleglinge zu obduzieren, wenn die Obduktion sanitätspolizeilich oder strafprozessual angeordnet worden oder zur Wahrung anderer öffentlicher oder wissenschaftlicher Interessen, insbesondere wegen diagnostischer Unklarheit des Falles oder wegen eines vorgenommenen operativen Eingriffes, erforderlich ist.

Fragen 2 und 3:

Auf diese und die folgenden Fragen kann nur aus der Perspektive der meinem Ressort nach dem Suchtmittelgesetz obliegenden Aufgaben und ihm dafür zur Verfügung zu stellenden Unterlagen eingegangen werden:

 

Wie ich bereits in meiner Antwort zu Frage 9 der parl. Anfrage Nr. 8678/J dargelegt habe, hat mein Ressort nach dem Suchtmittelgesetz zum Zweck der Gewinnung von Erkenntnissen für die Prävention jene Todesfälle zu erfassen und zu analysieren, die in einem kausalen Zusammenhang mit dem Konsum von Suchtgift stehen. Primäres Ziel ist es, die Hintergründe der mit Drogenkonsum in einem direkt kausalen Zusammenhang stehenden Todesfälle (tödliche Überdosierungen) möglichst gut nachzuvollziehen. Um zu diesem Zweck in die verfügbaren Unterlagen Einsicht nehmen zu können, sind dem Gesundheitsressort nach dem Suchtmittelgesetz zu übermitteln:

 

·       von der Leiterin/vom Leiter der Universitätseinheit für gerichtliche Medizin oder der/dem Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin, die/der nicht dem wissenschaftlichen Personal einer solchen Einrichtung angehört, die oder der eine Leichenbeschau oder Obduktion nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung vornimmt, und

·       von der Leiterin/vom Leiter der Einrichtung, die eine Leichenbeschau oder Obduktion nach den sanitätspolizeilichen Bestimmungen oder eine Obduktion nach den Bestimmungen des Krankenanstaltenrechts vornimmt,

 

die Gleichschriften der Obduktions- bzw. Leichenbeschauergebnisse oder im Falle einer Obduktion des Befundes und Gutachtens samt den Ergebnissen einer allfälligen chemisch-toxikologischen Untersuchung, wenn der Todesfall in einem direkten[1] oder indirekten[2] kausalen Zusammenhang mit dem Konsum von Suchtmitteln steht. Meinem Ressort sind für seine Aufgabe somit jene Gutachten und toxikologischen Befunde bekannt, bei denen von den beauftragten Sachverständigen auf Grund der Ergebnisse einer Obduktion oder Leichenbeschau der Kausalzusammenhang zwischen


Drogenkonsum und Tod als hinreichend eindeutig bestätigt wurde. Die Zahl der betreffenden Obduktionsgutachten ist aus den Tabellen 1 und 2 ersichtlich.

 

 

Tab. 1: Übermittelte Obduktionsergebnisse (todeskausaler Drogenkonsum)

Übermittelte Gutachten*

B

K

S

STMK

T

V

W

Ausland

insgesamt

2009**

1

6

25

17

15

9

19

16

126

1

235

2008

2

4

32

22

11

19

21

6

107

0

224

2007

4

3

27

13

5

17

10

9

107

0

195

* Die Bundeslandzuordnung in Tab 1 bezieht sich auf den Auffindungsort der Leiche

** Das Jahr 2010 wurde nicht einbezogen, da  die Arbeiten zum Zeitpunkt der Beantwortung noch nicht  vollständig abgeschlossen sind.



Tab. 2: Übermittelte Obduktionsergebnisse (Tab. 1) aufgeschlüsselt nach direkt  und

 indirekt todeskausalem Drogenkonsum

Übermittelte Gutachten Insgesamt

Davon direkter Kausalzusammenhang *

Davon indirekter Kausalzusammenhang**

2009

235

187

48

2008

224

169

55

2007

195

175

20

* Aufgrund des Gutachtens kann ein direkt kausaler Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und dem Tod angenommen werden

**Aufgrund des Gutachtens und der drogenbezogenen Vorgeschichte kann mit großer Wahrscheinlichkeit ein indirekt  kausaler Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und dem Tod angenommen werden

 

 

Hingegen besteht weder eine Mitteilungspflicht der zur Anordnung einer Obduktion befugten Stellen, in welchen oder wie vielen Fällen eine Obduktion angeordnet wurde, noch eine Übermittlungspflicht der obduzierenden Stellen bzw. Sachverständigen, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen Suchtmittelkonsum und Tod nicht erweislich war. Die Beantwortung der Frage 2, wie viele Obduktionen auf Grund eines Verdachtes auf Drogentod durchgeführt wurden, ist daher auf Basis der meinem Ressort zur Verfügung zu stellenden Informationen nicht möglich.

 

Fragen 4 und 5:

Nach dem Suchtmittelgesetz sind  meinem Ressort vom Bundesministerium für Inneres die diesem bekannt gewordenen Todesfälle zu melden, bei denen Hinweise vorliegen, dass der Tod in einem unmittelbaren oder mittelbaren kausalen Zusammenhang mit dem Konsum von Suchtmitteln stehen könnte.


Meinem Ressort ist daher die in Tabelle 3 ersichtliche Zahl einschlägiger Meldungen zugegangen:

 

 

Tab. 3: Polizeilich gemeldete mutmaßliche Drogentodesfälle

Gemeldet*

B

K

S

STMK

T

V

W

Ausland

insgesamt

2009

1

7

29

29

15

10

23

18

230

1

363

2008

2

5

41

34

11

21

24

10

239

0

387

2007

4

4

42

22

7

18

13

15

209

0

334

* Die Bundeslandzuordnung bezieht sich auf den Auffindungsort der Leiche

 

 

Diese Meldungen enthalten Beobachtungen im Zusammenhang mit der Auffindung der Leiche, die im Falle eines, durch die Obduktionsergebnisse bestätigenden todesursächlichen Drogenkonsums als Hinweise auf die näheren Umstände des Intoxikationsgeschehens mit in die Analyse einfließen. 

 

Eine Differenz zwischen übermittelten polizeilichen Meldungen und tatsächlichen Gutachten lässt nicht den Rückschluss zu, dass in jenen Fällen, in denen meinem Ressort keine Obduktionsergebnisse übermittelt wurden, keine Obduktion durchgeführt wurde. Das kann zwar der Fall sein, es kann sich aber auch um Fälle handeln, in denen sich im Rahmen einer Obduktion der Kausalzusammenhang nicht bestätigt und der Sachverständige daher meinem Ressort das Gutachten nicht zu übermitteln hat.

 

Eine genaue Beantwortung dieser Fragen ist daher aus den meinem Ressort vorliegenden Informationen nicht möglich.

 

Frage 6:

Die Beantwortung dieser Frage liegt nicht in meiner Zuständigkeit. Die Entscheidung, ob im konkreten Fall eine Obduktion oder Leichenöffnung veranlasst wird, liegt in der Zuständigkeit der nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften dazu befugten Stellen (ich verweise auf meine Ausführungen zu Frage 1); die für die Entscheidung der zuständigen Stellen, ob eine Obduktion oder Leichenöffnung veranlasst wird, im jeweiligen Einzelfall Ausschlag gebenden Gründe sind meinem Ressort nicht bekannt.

 

Frage 7:

Kommt es nicht zu einer Obduktion oder Leichenöffnung, so verbleibt  als Anhaltspunkt für die mögliche Todesursache der nach Besichtigung der äußeren Beschaffenheit einer Leiche von der Totenbeschauärztin/vom Totenbeschauarzt auf dem Totenbeschauschein (Todesbescheinigung) getätigte Todesursachenvermerk. In jenen Fällen, in denen der vom Bundesministerium für Inneres zur Kenntnis gebrachte Hinweis auf einen mutmaßlichen Drogentod nicht durch das Ergebnis einer Obduktion oder Leichenöffnung bestätigt wird, wird Einsicht in die Todesbescheinigung genommen, welche meinem Ressort nach dem Suchtmittelgesetz von der Statistik Österreich


GmbH über Anforderung zu übermitteln ist. Weist die Todesbescheinigung  den Todesursachenvermerk „Suchtmittelintoxikation“ oder einen ähnlichen Vermerk aus, so stellt dies einen Anhaltspunkt für einen möglichen Drogentod dar. Allein aus der äußeren Befundung der Leiche ist allerdings der Kausalzusammenhang zwischen Drogenkonsum und Tod nicht nachweislich. Verdichtet sich der Anhaltspunkt durch das Ergebnis zumindest eines von der Sanitätsbehörde veranlassten immunologischen Testverfahrens, so wird der Drogentod als hinreichend wahrscheinlich angenommen und fließt in die Statistik mit ein.

 

Nicht mit in die jährliche Auswertung fließen jene Fälle ein, bei denen eine ausschließlich aufgrund äußerer Leichenbeschau vermerkte Suchtmittelintoxikation  nicht durch einen zumindest immunologischen Test untermauert wird oder bei denen sich aus dem Todesursachenvermerk auf dem Totenbeschauschein überhaupt kein Anhaltspunkt für einen todeskausalen Drogenkonsum ergibt. Tabelle 5 gibt jene Fälle wieder, in denen auf der Todesbescheinigung eine Suchtmittelintoxikation vermerkt ist, die Todesursächlichkeit des Drogenkonsums aber nicht durch zumindest ein immunologisches Testverfahren abgesichert war.

 

Tab. 5 Suchtmittelintoxikation laut Todesbescheinigung, nicht (immunologisch)

gesichert

 

B

K

S

STMK

T

V

W

insgesamt

2009

0

1

3

7

0

0

0

0

8

19

2008

0

1

1

8

0

0

0

0

22

32

2007

0

0

6

2

1

1

0

0

5

15

 

Die Fragen nach den Todesursachen in jenen Fällen, in denen auf dem Totenbeschauschein (Todesbescheinigung) eine andere Todesursache vermerkt war, kann nicht beantwortet werden, weil mangels Relevanz für die Auswertung und Analyse der drogenbezogenen Todesfälle darüber keine Evidenz geführt wird.

 

Abschließend weise ich darauf hin, dass die Daten der Drogentodesfälle in der jährlich veröffentlichten Statistik und Analyse der suchtgiftbezogenen Todesfälle ausführlich beschrieben und veröffentlicht werden.

 

 

 



[1] Der Indikator »direkt suchtgiftbezogene Todesfälle« ist einer von derzeit insgesamt fünf von der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle definierten epidemiologischen Schlüsselindikatoren, die in ihrer Zusammenschau einer Einschätzung der aktuellen Drogensituation dienen. Es handelt sich um Fälle, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass eine Drogenintoxikation (Überdosierung) todesursächlich war. Die Umstände des Intoxikationsgeschehens geben Einblick in die Entwicklung der Drogensituation, weshalb diese Fälle den eigentlichen und primären Zweck der  jährlichen Auswertungs- und Analysetätigkeit darstellen.

[2] Bei den »indirekt suchtgiftbezogene Todesfällen« ist nicht eine akute Intoxikation Todesursache, sondern handelt es sich um Fälle, bei denen aufgrund von Hinweisen mit großer Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen einer drogenbezogenen Vorgeschichte (z.B. die Person befand sich zur Zeit des Todes in Substitutionsbehandlung oder hat sich im Zusammenhang mit Drogenkonsum mit HIV infiziert) und dem Tod ausgegangen werden kann (z.B. Tod durch Leberzirrhose, durch AIDS). Soweit in den betreffenden Fällen eine Obduktion stattfand, vermittelt deren Analyse einen qualitativen Einblick in die weitreichenden indirekten (Langzeit-)Folgen von Drogenkonsum.