8732/AB XXIV. GP

Eingelangt am 16.08.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Christian Lausch und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Vorgangsweise nach Misshandlungsvorwürfen durch Häftlinge“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 7:

Der Erlass vom 6. November 2009, JABl. Nr. 36/2009, über Misshandlungsvorwürfe gegen Organe der Sicherheitsbehörden und Strafvollzugsbediensteten dient der Sicherstellung einer objektiven und jeden Anschein der Voreingenommenheit ausschließenden Verfahrensführung und schließt an die Erlässe des Bundesministeriums für Justiz vom 15. September 1989, 880.014/12-II.3/1989 (JABl. Nr. 57/1989) und 30. September 1999, BMJ-L880.014/ 37-II.3/1999 (JABl. Nr. 31/1999) an, die auch Grundlage für die jährliche Berichterstattung an den Nationalrat im Rahmen des Sicherheitsberichts sind (siehe zuletzt Sicherheitsbericht 2009 – Bericht über die Tätigkeit der Strafjustiz, Kapitel 8.4., s 163 ff.). Insofern ist die Befürchtung einer massiven Verschlechterung der Situation von Exekutivbeamten unzutreffend. Jedenfalls ergibt sich schon aus dieser Berichterstattung, dass Verleumdungen gegen Angehörige der Exekutive nicht folgenlos bleiben; so hat es im Jahr 2009 in 46 Ermittlungsverfahren 8 Strafanträge und 4 Verurteilungen wegen § 297 StGB gegeben.

Artikel 13 des in der Anfrage erwähnten Übereinkommens lautet:

Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass jeder, der behauptet, er sei in einem der Hoheitsgewalt des betreffenden Staates unterstehenden Gebiet gefoltert worden, das Recht auf Anrufung der zuständigen Behörden und auf umgehende unparteiische Prüfung seines Falles durch diese Behörden hat. Es sind Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer und die Zeugen vor jeder Misshandlung oder Einschüchterung wegen ihrer Beschwerde oder ihrer Aussagen geschützt sind.


Daraus ist die Verpflichtung abzuleiten, jeden Anschein zu vermeiden, dass der Beschwerdeführer wegen der Erhebung seiner Vorwürfe eingeschüchtert oder sonst aus diesem Grund gegen ihn vorgegangen werde.

Im Übrigen ist dem Erlass nicht zu entnehmen, dass jedwede Beschuldigung einer Misshandlung nicht zu verfolgen wäre:

Im Gesamtzusammenhang lautet die kritisierte Formulierung:

Bei Beschuldigungen, die in Ausübung eines Verteidigungsrechts erhoben werden, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Zwar kann die Wahrnehmung der Verteidigung in Strafverfahren nicht den wahrheitswidrigen Vorwurf einer strafbaren Handlung rechtfertigen, doch bildet bloßer Wortüberschwang aus erlaubter Verteidigung noch keine Verleumdung (LSK 1978/252). Auch ist die Stresssituation des Beschuldigten, vor allem wenn er sich in Haft befindet, angemessen zu berücksichtigen, sodass ein unmittelbarer Widerruf konkreter Misshandlungsvorwürfe in der Regel auf mangelnden Vorsatz oder zumindest auf den Strafaufhebungsgrund nach § 297 Abs. 2 StGB schließen lässt.

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ kann sich in den beiden in Betracht kommenden Verfahren (gegen den Beamten, die Beamtin und gegen den Beschwerdeführer) „gegenläufig“ auswirken. In nicht wenigen Fällen wird das Verfahren gegen den eines Übergriffs beschuldigten Beamten eingestellt werden, ohne dass der Tatverdacht restlos beseitigt ist. Verbleiben in diesem Sinn Zweifel, die trotz Verfahrenseinstellung ein Zutreffen des erhobenen Vorwurfs zumindest möglich erscheinen lassen, so ist ein Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen wegen § 297 StGB nicht einzuleiten.

Damit wird die herrschende Lehre und Rechtsprechung wiedergegeben, zugleich jedoch auch betont, dass der falsche Vorwurf nur in Situationen nicht tatbestandsmäßig ist, in denen er unmittelbar widerrufen wird (was oft nach Vorhalt des § 297 StGB in der Vernehmungssituation der Fall ist).

Abschließend möchte ich betonen, dass es ein besonderes Zeichen der Qualität des österreichischen Strafvollzugs darstellt, wenn den – zahlenmäßig geringen – Vorwürfen in Richtung Misshandlung oder unmenschlicher Behandlung in einer jede Voreingenommenheit ausschließenden Weise nachgegangen wird.