8771/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.08.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Strafverfahren – Sozialbetrug im Jahr 2010“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 8:

Ich verweise auf die als Beilage angeschlossenen, aus Anlass dieser Parlamentarischen Anfrage durchgeführten Auswertungen aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ) über Strafverfahren nach den §§ 153c bis 153e StGB (Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung; Betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz; Organisierte Schwarzarbeit). Diese Auswertungen wurden einerseits auf das Anfallsjahr 2010 (Fragepunkt 1), andererseits auf die im Jahr 2010 erfassten Erledigungen abgestellt; die Anfallszahlen sind fallbezogen ausgewiesen, die Erledigungen personenbezogen. Zu diesen Auswertungen wird darauf hingewiesen, dass in der VJ keine Rechtskraft erfasst wird.

Daher wurde ergänzend zu den Anfragepunkten 4 und 5 die der Anlage zu entnehmende Tabelle auf Grundlage der Gerichtlichen Kriminalstatistik der Statistik Austria erstellt. Daraus lässt sich die Verurteilungs- und Sanktionenstatistik zu den Delikten nach §§ 153c bis 153e StGB (soweit in Rechtskraft erwachsen) für die Jahre 2005 bis 2010 entnehmen. Ergänzend sei angemerkt, dass die Gerichtliche Kriminalstatistik nur das führende Delikt einer Verurteilung (jenes mit dem strengsten Strafrahmen) ausweist, sodass unter Umständen nicht alle Verurteilungen aufscheinen.

Zu 9:

Betrachtet man die Verurteilungszahlen zu § 153c StGB, so haben diese im Jahr 2010 (390) das Niveau von 2007 (402) nahezu wieder erreicht, nachdem in den Jahren 2008 und 2009 um die 350 Verurteilungen ergingen. Die Verurteilungszahlen zu §§ 153d und 153e StGB steigen seit fünf Jahren stetig. Insgesamt ist daher eine Abnahme an Verurteilungen wegen §§ 153c bis 153e StGB nicht zu erkennen.


Zu 10:

Die Delikte gemäß §§ 153c und 153e StGB sehen eine Strafdrohung von bis zu zwei Jahren vor. Bei einer Verurteilung nach § 153d StGB kann im Grundtatbestand eine Strafe von bis zu drei Jahren verhängt werden; ist die Wertqualifikation nach Abs. 2 leg. cit. erfülllt, so ist eine Strafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu verhängen. Ausgehend von diesen Strafrahmen wurde in den meisten Fällen eine Geldstrafe (§ 37 StGB) oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt.

Sprechen aber weder spezial- noch generalpräventive Gründe dagegen, so ist eine zwei Jahre nicht übersteigende Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachzusehen. Selbiges galt bis Ende des Jahres 2010 auch für Geldstrafen. Seit dem Budgetbegleitgesetz 2011 können Geldstrafen nur mehr maximal zur Hälfte bedingt nachgesehen werden (§ 43a Abs. 1 StGB).

Von den Gerichten wurden daher großteils bedingte Strafen verhängt. Dazu sei angemerkt, dass auch bedingte Strafen geeignet sind, einem Verurteilten das Unrecht seiner Tat vor Augen zu führen und ihn vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Zu 11:

Das Identifizieren und Auffinden von „Strohmännern“ ist allgemein eine Herausforderung für die Strafverfolgung, die auch im Zusammenhang mit „Sozialbetrugsdelikten“ (§§ 153c bis 153e StGB) auftritt.

Mit dem strafrechtlichen Kompetenzpaket, das am 23. Dezember 2010 kundgemacht worden ist, wurde unter anderem § 20a Abs. 1 Z 2 StPO dahin geändert, dass die Organisierte Schwarzarbeit (§ 153e StGB) und das Betrügerische Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d Abs. 2 und 3 StGB) in die Zuständigkeit der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption fällt. In letzterem Fall aber nur dann, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die vorenthaltenen Beträge und Zuschläge 5.000.000 Euro übersteigen. Unter dieser Wertgrenze bzw. in den Fällen des § 153c StGB kann die WKStA nach § 20b StPO die Zuständigkeit zur Führung des Verfahrens an sich ziehen, wenn dies auf Grund des Umfanges oder der Komplexität oder der Vielzahl der Beteiligten, der involvierten Wirtschaftskreise oder des besonderen öffentlichen Interesses erforderlich scheint.

Die Gesetzesänderung tritt mit 1. September 2012 in Kraft und soll eine effektive Grundlage für die künftige Verfolgung von Fällen des schweren Sozialbetrugs darstellen.


Gerade für Fälle mit Auslandsbezug wurde außerdem die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen in den letzten Jahren weiter intensiviert, insbesondere innerhalb der Europäischen Union.

Zu 12:

Das Ermöglichen von Sozialbetrug durch rechtsberatende Leistungen ist für sich allein nicht rechtswidrig. Auch wenn ein bestimmtes Unternehmen später zum Sozialbetrug genutzt wird, sind nicht per se die Rechtsberater, die die Unternehmensgründung begleitet haben, zur Verantwortung zu ziehen.

Anders verhält sich dies natürlich, wenn eine Unternehmensgründung oder sonstige beratende Leistungen mit dem Vorsatz erbracht werden, dass bestimmte betrügerische Handlungen verwirklicht werden sollen. Kann man einem Wirtschaftstreuhänder, Steuerberater etc. nachweisen, dass er vorsätzlich eine Bestimmungshandlung oder einen Beitrag zu einer Tatbestandsverwirklichung im Sinn der § 153c bis 153e StGB geleistet hat, so kommt eine strafrechtliche Verfolgung als Bestimmungs- oder Beitragstäter gemäß § 12 StGB in Verbindung mit dem verwirklichten Delikt in Frage.

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe

Anfragebeantwortung (gescanntes Original)

zur Verfügung.