8792/AB XXIV. GP

Eingelangt am 24.08.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0223-I/A/15/2011

Wien, am 24. August 2011

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 8894/J des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Um die Fragen adäquat beantworten zu können muss der Begriff „künstlicher Tiefschlaf“ ausreichend definiert sein.

Dazu führt O. Univ.-Prof. Dr.  Siegfried Kasper in einer Stellungnahme wie folgt aus: „Der Begriff „Künstlicher Tiefschlaf“ lässt mehrere Vermutungen zu, was damit gemeint sein könnte. Das Spektrum dessen, was gemeint sein könnte, liegt zwischen den beiden folgenden Polen:

a.      Dieser Begriff könnte die Sedierung eines aggressiven Patienten meinen, wobei es sich um die medikamentös induzierte Entspannung bis zur Schlaf-induzierenden Wirkung handelt. Dies ist eine leider immer wieder notwendige Vorgangsweise, wenn man schwer und akut psychisch Kranke behandelt. Dabei handelt es sich um eine vorübergehende Maßnahme zum Schutz des/der Kranken, jedoch nicht um eine Behandlung mit dem Ziel eine Heilung oder Linderung eines Leidens zu erreichen.

b.     Dieser Begriff könnte als anderes Extrem meinen, dass man einen Patienten/ eine Patientin in Vollnarkose versetzt, wo es zur tiefer Bewusstlosigkeit und üblicherweise auch zu einer Unterdrückung der Atmung kommt. Diese Vollnarkose wird üblicherweise von Anästhesisten/Anästhesistinnen, aber nicht von Psychiatern/Psychiaterinnen durchgeführt“.

 

Fragen 1 bis 3:

Nach der Kompetenzverteilung der österreichischen Bundesverfassung sind die Angelegenheiten der Heil- und Pflegeanstalten Bundessache nur hinsichtlich der Grundsatzgesetzgebung, die Ausführungsgesetzgebung und insbesondere die Vollziehung sind jedoch ausschließliche Landessache.

Ein künstlicher Tiefschlaf im Sinne einer Vollnarkose ist keine psychiatrische Behandlungsmethode im engeren Sinn, sondern eine intensivmedizinische Maßnahme, die allerdings bei psychiatrischen Patienten/ Patientinnen im Fall schwerer Komplikationen (entweder bereits eingetreten oder unmittelbar zu erwartenden) notwendig werden kann. Der Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) Univ.-Prof. Dr. Christian Haring nennt als vorstellbares Beispiel schwerste, unbeeinflussbare Suizidalität.

 

Frage 4:

In gegenwärtigen Leitlinien findet sich die Vollnarkose nicht als anerkanntes Standardverfahren in der Psychiatrie wieder. Aufgrund der Fortschritte der pharmakologischen psychiatrischen Therapie ist diese Methode nur mehr als ultima ratio-Maßnahme zu sehen. Daher kann diese Behandlungsmethode nur im Rahmen von Extremsituationen mit einer speziellen fachlichen Begründung und unter intensivmedizinischer Überwachung gerechtfertigt sein.

 

Fragen 5 und 6, 8 bis 10:

Vorweg sei festgehalten, dass laut Auskunft der GESPAG (als Rechtsträgerin der Landes-Nervenklinik Linz Wagner-Jauregg) die in Rede stehende Patientin während ihres Aufenthaltes an der Abteilung für Anästhesiologie-Intensivmedizin an der Wagner-Jauregg-Klinik, während der die „Tiefschlaftherapie“ durchgeführt wurde, nicht nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht war.

Daher gilt das zu den Fragen 1 bis 3 Ausgeführte. Nicht zuletzt sei hier zu Fragen betreffend personenbezogene Gesundheitsdaten auch auf das Grundrecht auf Datenschutz nach dem DSG 2000 verwiesen.

 

Frage 7:

Eine medikamentöse Sedierung kann an allen psychiatrischen Akutstationen durchgeführt werden. Obwohl es sich bei adäquatem medizinischen Vorgehen um eine relativ sichere Intervention handelt, kann nie mit absoluter Sicherheit vorhergesagt werden, ob nicht Komplikationen auftreten. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, wenn zur Sicherheit ein einfaches kardiales Monitoring durchgeführt werden kann. In seltenen Fällen kann bei Komplikationen oder bei Personen mit schweren körperlichen Begleiterkrankungen ein intensivmedizinisches Setting nötig sein.

 

Falls ein Patient/eine Patientin in Vollnarkose versetzt wird, muss dies jedenfalls in einem intensivmedizinischen Setting durchgeführt werden. Die Qualitätskriterien für Intensivbereiche sind im Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2010 im Kapitel 2.4 genau definiert.

 

Frage 11:

Nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten hat die Behandlung in Krankenanstalten nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft zu erfolgen. Dies ist im Einzelfall durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zu beachten. Detaillierte Anweisungen zu bestimmten Behandlungsmethoden und die dabei einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen können jedenfalls auf der Ebene eines Grundsatzgesetzes nicht getroffen werden.

 

Frage 12 und 13:

Diese Methode kann auch in Zukunft nur als ultima ratio-Methode nach Ausschöpfung aller anderen Therapieformen gerechtfertigt sein.

Wie alle Therapien, die außerhalb der üblichen Routine zum Einsatz kommen, muss diese Methode im Falle ihres Einsatzes jedenfalls Zentren mit entsprechender Infrastruktur und erfüllten Strukturqualitätskriterien vorbehalten sein.