8851/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.09.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

Alois Stöger

Bundesminister

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien    

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0232-I/A/15/2011

Wien, am 1. September 2011

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 8961/J der Abgeordneten Dr. Spadiut, Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 bis 3:

Die Kernaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung besteht darin, den Versicherten und ihren anspruchsberechtigten Angehörigen im Krankheitsfall die jeweils erforderlichen Leistungen der Krankenbehandlung im ausreichenden, zweckmäßigen und notwendigen Ausmaß zukommen zu lassen.

Die Impfung gegen Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) ist keine Form der Krankenbehandlung, sondern eine prophylaktische Maßnahme, die primär nicht zu den von den Krankenversicherungsträgern im Rahmen der Krankenbehandlung zu erbringenden Pflichtleistungen zählt und daher aus diesem Titel auch nicht erbracht werden kann.

Die FSME-Impfung ist vielmehr (in den Worten des Gesetzes) eine der „sonstigen Maßnahmen zur Erhaltung der Volksgesundheit“, zu der die Krankenversicherungsträger jedoch einen Kostenzuschuss zu erbringen haben, dessen Höhe vom jeweiligen Versicherungsträger unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit festzusetzen ist. Die Krankenversicherungsträger haben in diesem Aufgabenbereich somit die Entscheidungsverantwortung sich unter Berücksichtigung ihrer Finanzlage in der FSME-Prophylaxe zu engagieren.

 

Da das österreichische Sozialversicherungs-System nicht zentralistisch angelegt ist, sondern sowohl regional als auch auf Berufsgruppen bezogen eine gewisse

 

Eigenständigkeit zulässt, sind Differenzierungen bei den Kostenzuschüssen zur FSME-Impfung als durchaus systemkonform zu betrachten – zumal die Zuschüsse der Gebietskrankenkassen einander stark angenähert sind. Zudem kann die Impfung auch kostenlos in Gesundheitsämtern bezogen werden. Von einem „Mehr-Klassen-System“, einem Begriff, der schwerwiegende Differenzierungen in der gesundheitlichen Versorgung, wie sie in manchen anderen Staaten bestehen, bezeichnet, kann somit nicht die Rede sein.

 

Ergänzend ist festzuhalten, dass es sich bei den so genannten KFAs nicht um Krankenversicherungsträger, sondern Fürsorge-Einrichtungen der Länder für ihre Bediensteten und deren Angehörige handelt.

 

Fragen 4 und 5:

Die in der parlamentarischen Anfrage geforderte bundesweite Vereinheitlichung durch das Bundesministerium für Gesundheit ist bei dem bestehenden System der Krankenversicherung rechtlich unmöglich. Dazu müsste vielmehr die Selbstverwaltung der Versicherungsträger aufgehoben und durch ein zentralistisches System ersetzt werden. Nachdem die Nachteile solcher Systeme hinlänglich bekannt sind und die Selbstverwaltung sich als eine Organisationsform, die zu einem Ringen um optimale Lösungen in vielfältigen Bereichen anregt, bewährt hat, besteht kein Grund zu System-Umstellungen.

 

Frage 6:

Die Unterschiede der einzelnen Krankenversicherungssysteme bzw. bei den einzelnen Gebietskrankenkassen ergeben sich aus den Verschiedenheiten zwischen den Berufsgruppen, insbesondere zwischen selbständig und unselbständig Erwerbstätigen sowie aus regionalen und strukturellen Unterschieden. So ist zum Beispiel das Einkommen von angestellten Personen durch den Dienstvertrag im Voraus festgelegt, während es sich bei Selbständigen erst am Ende des Jahres rückblickend ergibt. Die Beitragsberechnung muss daher völlig differenziert angelegt werden. Im Rahmen der bestehenden Gegebenheiten, insbesondere auch der unterschiedlichen Risikenverteilung (z.B. sind Gewerbetreibende durchschnittlich älter als Dienstnehmer/innen) haben sich die Leistungen der Versicherungsträger mittlerweile stark angenähert.

 

Würde das Krankenversicherungs-System auf einen Versicherungsträger zentralisiert werden (wie in Frage 5 angesprochen), könnte es die in Frage 6 geforderte Wahlmöglichkeit nicht geben. Die gewünschte Möglichkeit, sich als versicherte Person den zuständigen Versicherungsträger selbst auszuwählen, wird aber auch durch die bereits erwähnten faktischen Differenzen zwischen den Berufsgruppen ausgeschlossen. Nicht nur, dass die Einkommens-Berechnung (wie dargestellt) völlig

unterschiedlich erfolgen muss, die Einkommen von Gewerbetreibenden und die Löhne von Dienstnehmer/inne/n sind auch schwer zueinander in Verhältnis zu setzen und dementsprechend wenig gerecht wäre die Beitragsberechnung.

 

Eine Beseitigung der nach Berufsgruppen orientierten Organisation der Krankenversicherung würde zudem eine wichtige bestehende demokratische Wahlmöglichkeit aufheben: die Möglichkeit der Versicherten, über die Interessenvertretung ihrer Berufsgruppe, die die Versicherungsvertreter der Versicherungsträger entsendet, Einfluss auf die Gestaltung ihrer Krankenversicherung auszuüben. Diese Möglichkeit mag für eine einzelne Person gering erscheinen, doch ergibt sich aus dem Umstand, dass die Interessen der Mitglieder einer Berufsgruppe ähnlich sind, doch ein erhebliches Gewicht.

 

Diese vielfältigen Möglichkeiten der konkreten Umsetzung und Ausgestaltung des Rechtssystems nach den Bedürfnissen der Versicherten ginge sowohl bei einer Zentralisierung als auch bei einer marktähnlichen Organisation der Krankenversicherung verloren.