8857/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.09.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0243-I/A/15/2011

Wien, am 1. September 2011

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 9109/J der Abgeordneten Gartelgruber und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 bis 7:

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass zur Frage der psychischen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs weltweit eine Vielzahl von Untersuchungen und Metastudien vorliegen.

 

Die zitierte norwegische Studie von Pedersen, auf die sich der in der Präambel der parlamentarischen Anfrage erwähnte Artikel aus der medizinischen Fachzeitschrift vor allem bezieht, stammt aus dem Jahr 2007 und wurde 2008 veröffentlicht. Diese Studie vernachlässigt allerdings Risikofaktoren wie Armut und Gewalterfahrungen, die sich unabhängig von einem Schwangerschaftsabbruch auf die psychische Gesundheit auswirken bzw. auch die Wahrscheinlichkeit eines Schwangerschafts- abbruches erhöhen können. Der Autor dieser Studie kommt selbst zu dem Schluss: „we need to remember that several other factors effecting the lives of women who have an abortion, which it was not possible to control for the present study, could be implicated…“ (Scandinavian Journal of Public Health, S 427).

 

Die im Frauengesundheitsbericht 2010/2011 erwähnte Studie des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Frauengesundheitsforschung aus dem Jahr 2001, bei der 1000 Frauen befragt wurden, kommt zu dem Schluss, dass es hinsichtlich der sozio-demographischen Merkmale große Unterschiede zwischen den Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden und denjenigen Frauen, die sich entschließen, die Schwangerschaft fortzuführen, gibt. Sowohl kurz nach dem Schwangerschaftsabbruch als auch drei Monate danach konnten keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Depressivität und Ängstlichkeit dieser beiden Gruppen bestätigt werden. Allerdings zeigten sich bei beiden Gruppen drei Monate nach der jeweiligen Entscheidung (für oder gegen eine Schwangerschaft) Zeichen einer emotionalen Entlastung und positiven Bewältigung.

 

Aufgrund der Vielzahl von internationalen Studien und Metaanalysen und auch im Hinblick auf die Studie des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Frauengesundheits-forschung ist nicht davon auszugehen, dass in Österreich andere Ergebnisse zu erwarten sind. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Metastudie zum Post Abortion-Syndrome der American Psychology Association (APA), die 220 seit 1989 durchgeführte und publizierte wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema berücksichtigt, kommt zu dem Schluss, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, dass ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch dadurch bedingte psychische Beschwerden bei erwachsenen Frauen zur Folge hat.

Der Prozentsatz von Frauen, die nach einer Abtreibung unter psychischen Problemen leiden, ist nicht höher als bei Frauen, die eine ungeplante Schwangerschaft ausgetragen haben und insgesamt nicht höher als in der gesamten weiblichen Bevölkerung.

 

In der aus Dänemark stammenden aktuellsten Studie aus dem Jahr 2011 (National Center for Register-Based Research, Aarhus University, Aarhus, Denmark, and Gynecologic Clinic, Juliane Marie Center, Copenhagen University) werden alle Gesundheitsdaten der Bevölkerung von 1995 bis 2007 einbezogen, wodurch Daten von 85.000 Frauen vorliegen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen. Die Hypothese, dass ein Schwangerschaftsabbruch das Risiko für psychische Störungen erhöhe, lässt sich nicht belegen. Die Inzidenzrate von psychiatrischen Kontakten ist vor und nach dem Schwangerschaftsabbruch ähnlich, es gibt keine signifikanten Unterschiede, die ein erhöhtes Risiko belegen.

 

Forschung und Praxis zeigen vielmehr, dass der Brennpunkt auf der Unterstützung der Frauen liegen soll, die ein erhöhtes Risiko haben, ungewollt schwanger zu werden (vgl. dazu Studien der Universität of California, San Francisco, 2010, Steinberg, J.R. und Finer, L.B.).


Fragen 8 bis 11:

In den österreichischen Familienberatungsstellen, die auf Schwangerenberatung spezialisiert sind sowie in allen Frauengesundheitszentren (Wels, Linz, Villach, Graz, ISIS in Salzburg, FEM in Wien) bieten qualifizierte Expertinnen (Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen) vertrauliche und kostenlose Beratung an. Darüber hinaus gibt es

österreichweit eine Reihe von Beratungsstellen unterschiedlicher Träger, deren Adressen in verschiedenen Sozialratgebern publiziert sind, wie z.B. Sexualberatungsstellen (vgl. Courage in Tirol, Bily in OÖ, Lichtblick in NÖ), Psychosomatische Ambulanzen, Familienberatungsstelle, die aus fachlicher Sicht die Nachfrage gut abdecken.

 

Fragen 12 bis 17:

Sämtliche Recherchen im Zusammenhang mit der Studie des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Frauengesundheitsforschung (2001) zum Thema psychische Reaktionen auf einen Schwangerschaftsabbruch spiegeln den Grundtenor wider, dass die große Mehrzahl der in der Studie befragten Frauen sowohl kurz nach dem Abbruch als auch für einige Zeit danach eine Mischung verschiedenster Gefühle hat, wobei jedoch eine positive Grundtendenz im Sinne einer Erleichterung vorherrscht. Wie aus dem Bericht zur Studie hervorgeht, besteht die größte Belastung wahrscheinlich in der Phase bevor die Entscheidung getroffen wird.

In der Literatur (u.a. dem bereits zitierten Report of the APA Task Force on Mental health and Abortion, 2008) wurden folgende Frauen als besonders gefährdet für eine negative Reaktion beschrieben, weshalb ihnen eine spezielle Nachbetreuung angeboten werden sollte:

Frauen, die

·      eine gewollte Schwangerschaft aus medizinischen Gründen abbrechen

·      in ihrer Entscheidung von ihrem Partner/den Eltern nicht unterstützt werden

·      gedrängt wurden eine Entscheidung zu treffen, die sie später bereuen

·      mit tiefen religiösen Überzeugungen in Konflikt kommen

·      generell unsicher sind, ob sie schwierige Situationen meistern können

·      sich selbst die Schuld geben, dass sie schwanger geworden sind

·      die Entscheidung zum Abbruch erst im zweiten Trimenon treffen konnten

·      vorhergehende psychische Probleme hatten.

Diese Daten sind öffentlich zugänglich.