8861/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für europäische und internationale Angelegenheiten

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen haben am 4. Juli 2011 unter der Zl. 8946/J-NR/2011 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „mangelnder Wille zur Ratifizierung des Feuerwaffenprotokolls“ gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu Frage 1:

Österreich unterstützte 2001 die in der Präambel der Resolution der VN-Generalversammlung
55/255 zur Annahme des Feuerwaffenprotokolls (Protocol against the Illicit Manufacturing
of and Trafficking in Firearms, Their Parts and Components and Ammunition, supplementing
the United Nations Convention against Transnational Organized Crime)
angeführten
Erwägungen1.

Zu Frage 2:

Bei dem VN-Feuerwaffenprotokoll handelt es sich um ein sogenanntes gemischtes
Abkommen, welches von der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dritten
Vertragspartnern andererseits unterzeichnet
und geschlossen wird. Gemischte Abkommen
sind wie im gegenständlichen Fall immer dann notwendig, wenn durch das Abkommen
Bereiche berührt sind, die in der (v.a. ausschließlichen)

'(siehe http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N00/574/45/PDF/N0057445.pdf?OpenElement)

Kompetenz der Mitgliedstaaten verblieben sind. Andere Bereiche (hier Art. 10) fallen wieder
in die alleinige Zust
ändigkeit der EU. Die in die Zuständigkeit der Union fallenden Teile des
Übereinkommens müssen grundsätzlich unionsweit angewandt werden, damit der Grundsatz
der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts in Verbindung mit dem allgemeinen
Grundsatz der Nichtdiskriminierung gewahrt bleibt.

Beim Abschluss eines gemischten Abkommens ist daher grundsätzlich ein gemeinsames und
koordiniertes Vorgehen der Union und aller Mitgliedstaaten erforderlich, da sich die
Mitgliedstaaten nur zur Erfüllung jener Verpflichtungen aus dem gemischten Abkommen
verpflichten können, die auch in ihre Kompetenz fallen. Kann Österreich auf Grund der
ausschließlichen Unionskompetenz in einem Bereich aber nicht die Verpflichtungen aus dem
Protokoll erfüllen, würde die Ratifikation zu völkerrechtswidrigem Verhalten Österreichs
führen. Um daher eine Einheitlichkeit der Erfüllung der Vertragspflichten zu gewährleisten,
müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten gemeinsam ratifizieren.

Im gegenständlichen Fall soll also die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch die
Mitgliedstaaten und die Union gemeinsam erfolgen. Diese Pflicht zur Zusammenarbeit ergibt
sich aus der Notwendigkeit einer geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Union
(Gutachten 2/91 des EuGH). Auch die EU selbst hat das VN-Feuerwaffenprotokoll
unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

Zu Frage 3:

In der Ratsarbeitsgruppe Zollunion wurde seit etwa einem Jahr eine Verordnung zur
Umsetzung von Art. 10 VN-Feuerwaffenprotokoll vorbereitet und Ende Juni 2011 dem
Ausschuss der St
ändigen Vertreter 1 zugeleitet. Nach der Zustimmung im Europäischen
Parlament im Juli sollte der Wettbewerbsfähigkeitsrat im September die Verordnung
beschließen.

 

Zu klären bleibt dann noch, wann der Genehmigungsbeschluss des Abschlusses des
Protokolls gefasst und wann die Ratifikationsurkunde beim VN-Generalsekretär hinterlegt
werden soll.


Mein Ressort hat gemeinsam mit den übrigen zuständigen Ressorts bereits mit den

Vorbereitungsarbeiten für die Ratifikation des Protokolls begonnen.

Damit sollte eine - vorzugsweise - gemeinsame Hinterlegung der Ratifikationsurkunden der

EU und ihrer Mitgliedstaaten möglicherweise noch im Laufe des heurigen Jahres möglich

sein.

Zu Frage 4:

Die Gründe für die bisher nicht erfolgte Ratifizierung des VN-Feuerwaffenprotokolls wurden
oben dargestellt und haben nichts mit Kleinwaffenproduktion in Österreich zu tun.
Diesbezüglich gab es keine Gespräche von heimischen Produzenten im Bundesministerium
für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA).

Zu Frage 5:

Bezüglich der Nichtratifikation gab es keine Interventionen oder Lobbying von Vertretern der
österreichischen Waffenproduzenten oder -händler im BMeiA.

Zu Frage 6:

Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht in den Vollzugsbereich des BMeiA.
Zu Frage 7:

Die Gründe dafür liegen in der Anwendung der besonders strengen datenschutzrechtlichen
Vorschriften Österreichs. Diese schützen Daten einzelner Firmen, wenn aufgrund der
geringen Anzahl einschlägig tätiger Firmen aus den Gesamtdaten Rückschlüsse auf
spezifische Daten eben dieser Firmen gezogen werden können.

 

Das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend übermittelt jährlich die Daten
über die Gesamtexporte von Klein- und Leichtwaffen gemäß dem Formular der VN an das
BMeiA. Diese Informationen umfassen die beantragten Mengen je Bestimmungsland sowie je
Ursprungsland. Dieses Formular wird mit größter Sorgfalt ausgefüllt.


Zu Frage 8:

Die Änderung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen Österreichs fällt nicht in den
Vollzugsbereich des BMeiA.

Zu Frage 9:

Solche Maßnahmen fallen nicht in den Vollzugsbereich des BMeiA.
Zu Frage 10:

Bisher haben 16 EU Mitgliedstaaten (Stand 27. 7. 2011) ratifiziert: Belgien (24.9.2004),
Estland (12.5.2004), Finnland (17.5.2011), Italien (2.8.2006), Lettland (Beitritt 28.7.2004),
Litauen (24.5.2005), Niederlande (Beitritt 8.2.2005), Polen (4.4.2005), Portugal (3.6.2011),
Rum
änien (Beitritt 16.4.2004), Schweden (28.6.2011), Slowakei (21.9.2004), Slowenien
(21.5.2004), Spanien (Beitritt 9.2.2007), Ungarn (Beitritt 13.7.2011) und Zypern (6.8.2003).