8914/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.09.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien Österreich

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0248-I/A/15/2011

Wien, am 6. September 2011

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 9177/J der Abgeordneten Schwentner, Windbüchler-Souschill, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

 

Fragen 1 bis 4 und 7:

In der Anlage zu der vom Hauptverband verlautbarten „Liste nicht erstattungsfähiger Arzneimittelkategorien gemäß § 351c Abs. 2 ASVG“, www.avsv.at Nr. 34/2004, werden unter Pkt. 4 „Arzneimittel zur Empfängnisverhütung“ angeführt, mit der Begründung, dass Arzneimittel zur Empfängnisverhütung der Verhinderung des Eintritts einer Schwangerschaft dienen und daher nicht zur Therapie einer Krankheit im Sinne des § 120 Abs. 1 Z 1 ASVG eingesetzt werden, und daher nicht der Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs. 2 ASVG dienen.

Daher sind Arzneimittel zur Empfängnisverhütung nicht im Erstattungskodex angeführt und dürfen grundsätzlich auch nicht als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden. Analog dazu sind auch andere Möglichkeiten der Empfängnisverhütung grundsätzlich keine Kassenleistung.

Eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherungsträger erfolgt ausschließlich bei Vorliegen einer entsprechenden medizinischen Indikation nach vorheriger Bewilligung durch die Chefärztin/den Chefarzt.

 

Im Abrechnungsjahr 2010 wurden in der ATC-Gruppe G03A (hormonelle Kontrazeptiva zur systemischen Anwendung) österreichweit (alle Krankenversicherungsträger) 3.952 Verordnungen auf Kosten der sozialen Krankenversicherung erstattet (Datenquelle: BIG, Maschinelle Heilmittelabrechnung - HMDB-Datenbank, Hypercube HMSTAT00, Abfragezeitpunkt 28. Juli 2011).

 

Aus einer aktuellen Datenquelle zum Verhütungsverhalten in Österreich (internationale Untersuchung in 18 europäischen Ländern des Generations and Gender Survey 2008/09 (GGS)), deren Ergebnisse im Österreichischen Frauengesundheitsbericht 2010/11 veröffentlicht wurden, zeigt sich, dass die drei häufigsten Verhütungsmethoden, die 18 bis 45-Jährige Frauen benutzen, die Pille (44,5%), das Kondom (21,4%) und die Kupfer- und Hormonspirale (17,2%) sind.

 

Ergänzend ist festzuhalten, dass es nach den meinem Ressort vorliegenden Informationen möglich ist, in der Apotheke orale hormonelle Verhütungsmittel zu einem sehr geringen Privatverkaufspreis zu erhalten. So beträgt z.B. der Preis für eine 6-Monatspackung eines gängigen hormonhaltigen oralen Verhütungsmittels € 22,30; die monatlichen Kosten betragen somit € 3,72.

 

Fragen 5 und 6:

Orale Kontrazeptiva sind generell rezeptpflichtig, sie werden auf Grund der oben dargelegten Sachverhalte auf Privatrezept abgegeben. Daher existieren naturgemäß keine Aufzeichnungen über die Anzahl der Abgaben.

Aus diesen Gründen können daher auch keine Angaben über die mit der Beschaffung oraler Kontrazeptiva verbundenen Ausgaben gemacht werden.

 

Über Art, Häufigkeit der Anwendung und die damit verbundenen Kosten anderer, auf (fach-) ärztlichen Eingriffen beruhender Verhütungsmethoden liegen meinem Ressort keine Informationen vor.

 

Frage 8:

Die Bereitstellung von kostenlosen Verhütungsmitteln sowie die damit verbundene Verbesserung des Zugangs zur Verhütung für Jugendliche und einkommensschwache Frauen ist eine wichtige gesamtpolitische Fragestellung und erfordert einen breiten, bisher noch nicht herrschenden, gesellschaftlichen Konsens, um die entsprechenden finanziellen Ressourcen bereitzustellen.


Das Bundesministerium für Gesundheit unterstützt Frauen in Bezug auf das Thema Verhütung durch die österreichweite Förderung von Frauengesundheitszentren, in welchen einschlägige Beratung unter anderem für junge sowie einkommensschwache Frauen stattfindet. Die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung betreibt ebenfalls eigens eingerichtete First Love Ambulanzen in ganz Österreich.

Zusätzlich darf auf regionale Aktivitäten verwiesen werden wie zum Beispiel ein Aufklärungsfilm mit dem Titel „Sex, we can“ für Jugendliche welcher an Schulen in Wien gezeigt wird und welcher auch unter www.sexwecan.at downloadbar ist.

 

Frage 9:

Die Kostentragung durch einen Krankenversicherungsträger aus dem Versicherungsfall der Krankheit erfolgt bei Vorliegen einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn; dies ist gemäß § 120 Abs. 1 ASVG bzw. den entsprechenden Bestimmungen der Parallelgesetze ein regelwidriger Körper‐ oder Geisteszustand, der eine Krankenbehandlung notwendig macht. Daneben ist § 133

Abs. 2 ASVG bzw. sind die jeweiligen Bestimmungen der Parallelgesetze zu beachten, wonach die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig zu sein hat, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. Die Wendung "ausreichend, zweckmäßig, notwendig" ist dabei als "Instrument gegen extrem zweckwidrige Leistungsgewährung" zu verstehen. Der Zweck der Krankenbehandlung ist es, die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebensnotwendigen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederherzustellen, zu festigen oder zu bessern. Die auf diese Weise beschriebene Behandlungsbedürftigkeit stellt das Maß dar, an Hand dessen im Einzelfall geprüft werden muss, ob und in welchem Ausmaß die Versicherten „ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe“ auf Rechnung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen können. Es ist somit im Einzelfall zu prüfen, ob eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vorliegt oder nicht.

Nun ist die Empfängnisfähigkeit als solche (wie auch die Schwangerschaft) kein regelwidriger Körper‐ oder Geisteszustand und daher auch keine Krankheit. Somit zählt die Empfängnisverhütung für sich genommen jedenfalls nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Daher begründet sie keinen Anspruch auf Ersatz von schwangerschaftsverhindernden Arzneimitteln auf Rechnung der Krankenkasse, es sei denn, aus medizinischen Gründen wäre eine Verschreibung eines derartigen Arzneimittels erforderlich.