8944/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Erich Tadler und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Zwangstrafen beim Firmenbuch“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1, 5 und 6:

Mir ist bekannt, wann das Budgetbegleitgesetz 2011 kundgemacht worden ist; die Kundmachung selbst fällt jedoch in die Zuständigkeit des Herrn Bundeskanzlers. Ich weise aber darauf hin, dass es sich bei dem in der Anfrageeinleitung genannten Datum 28. Februar 2011 nicht um eine „Nachfrist“ handelt, sondern um eine besondere Übergangsvorschrift (§ 906 Abs. 23 dritter Satz UGB), die bewirkt, dass eine bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vorhandene Säumnis erst ab 1. März 2011 nach dem neuen Recht zu bestrafen ist. Mit dieser Bestimmung wird also nur angeordnet, in welcher Weise das neue Recht auf bereits vorhandene Verspätungen (die auch nach altem Recht eine Zwangsstrafe nach sich hätten ziehen müssen) anzuwenden ist.

Zu 2:

Übersicht über die verhängten Zwangsstrafen (Stand Juli 2011):

Handelsgericht Wien                                     5829

Landesgericht Korneuburg                            683

Landesgericht Krems an der Donau             147

Landesgericht St. Pölten                               686

Landesgericht Wiener Neustadt                    608

Landesgericht Eisenstadt                              545

Landesgericht Linz                                        464

Landesgericht Ried im Innkreis                     103

Landesgericht Steyr                                       117

Landesgericht Wels                                       1087

Landesgericht Salzburg                                 2090

Landesgericht Leoben                                   638

Landesgericht für ZRS Graz                          1248

Landesgericht Klagenfurt                               1210

Landesgericht Innsbruck                               565

Landesgericht Feldkirch                                541

 

Zu 3:

Übersicht über die Einsprüche/Rekurse (Stand Juli 2011):

Handelsgericht Wien                                     1321/211

Landesgericht Korneuburg                            300/21

Landesgericht Krems an der Donau             46/10

Landesgericht St. Pölten                               284/14

Landesgericht Wiener Neustadt                    159/0

Landesgericht Eisenstadt                              195/18

Landesgericht Linz                                        154/28

Landesgericht Ried im Innkreis                     12/4

Landesgericht Steyr                                       26/5

Landesgericht Wels                                       403/80

Landesgericht Salzburg                                 591/125

Landesgericht Leoben                                   213/39

Landesgericht für ZRS Graz                          382/36

Landesgericht Klagenfurt                               268/32

Landesgericht Innsbruck                               100/21

Landesgericht Feldkirch                                118/17

 

Zu 4:

Zu den Gerichtskosten liegen mir keine Daten vor; eine bundesweite Erhebung könnte nur händisch durch Einsicht in die gerichtliche Dokumentation erfolgen, zumal etwa viele Rekurse gleichgelagerte Fälle betreffen und vereinfacht (und damit kostengünstiger) erledigt werden können. Mangels einer automationsunterstützten Erfassung könnte eine einigermaßen präzise Erhebung nur mit einem unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand geleistet werden, weshalb ich um Verständnis bitte, dass ich dazu keine Aufträge an die Präsidenten der Oberlandesgerichte erteilt habe.


Zu 7:

Die Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich zum Entwurf eines Budgetbegleitgesetzes-Justiz 2011-2013 (22/SN-233/ME XXIV. GP) wurde bei der Vorbereitung der Regierungsvorlage berücksichtigt. Da die Offenlegungsfrist für die Unterlagen der Rechnungslegung (neun Monate nach dem Bilanzstichtag) in § 277 UGB festgelegt ist, der vom Gesetzesentwurf unberührt geblieben ist, wurde davon Abstand genommen, diese Frist zu verlängern. Eine in der Anfrage angeführte „Vereinbarung zwischen Firmenbuch und den Wirtschaftstreuhändern“, die es ermöglicht haben soll, die Bilanz entsprechend der mit der Finanzverwaltung getroffenen Dauerfristerstreckung einzureichen, wäre schon nach alter Rechtslage gesetzes- und wohl auch richtlinienwidrig gewesen. Zur Entlastung der Firmenbuchgerichte wurde lediglich das Erfordernis der vorherigen Androhung beseitigt, um eine automationsunterstützte Erlassung von Zwangsstrafbeschlüssen in Form von Zwangsstrafverfügungen zu erleichtern.

 

Zu 8:

Die Ablehnung der Novelle des § 283 UGB durch Wirtschaftskammer und Kammer der Wirtschaftstreuhänder war aus ihren Stellungnahmen zum Begutachtungsverfahren bekannt.  Dem gegenüber steht etwa die Stellungnahme der Bundesarbeiterkammer (54/SN-233/ME), die den Entwurf als nicht weitgehend genug kritisierte und eine Verkürzung der Offenlegungsfrist auf sechs Monate forderte. In der Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs (39/SN-233/ME) wird darauf hingewiesen, dass die verfolgten Maßnahmen „dringend notwendig“ seien.

 

Zu 9:

Mangels einer darauf abzielenden Verordnungsermächtigung im Gesetz kommt eine Lösung der angesprochenen Probleme durch Verordnung nicht in Betracht. Die Bestrafung wegen mangelnder Offenlegung von Jahresabschlüssen weit zurückliegender Jahre stellt ein spezifisches Übergangsproblem dar, das bald nicht mehr relevant sein dürfte. Das Oberlandesgericht Wien hat bereits judiziert, dass dann, wenn länger als sieben Jahre zurückliegende Jahresabschlüsse ausständig sind, die vom Erstgericht niemals eingemahnt wurden und nach § 212 UGB nicht mehr aufbewahrt werden müssen, während die nachfolgenden Jahresabschlüsse offen gelegt und unbeanstandet eingetragen worden sind, in verfassungskonformer Auslegung des § 283 UGB idF des BBG 2011 sowie der Übergangsbestimmung des § 906 Abs. 2 dritter Satz UGB von der Verhängung einer Zwangsstrafe abzusehen ist (4 R 221/11s, RIS-Justiz RW0000504).

Was die elektronischen Einreichprobleme betrifft, so wurden bereits Lösungen gefunden, um den Gerichten die Eingaben möglichst zeitnahe zur Verfügung zu stellen. Sollte eine fehlerhafte elektronische Einreichung nicht in der Sphäre des Einreichers liegen, wäre dies ohnedies ein Grund für einen erfolgreichen Einspruch, der die Strafverfügung außer Kraft setzt.