902/AB XXIV. GP

Eingelangt am 08.04.2009
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BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau                                                   (5-fach)

Präsidentin des Nationalrates

Parlament

1010 Wien                                                                        

 

 

 

GZ: BMASK-10001/0104-I/A/4/2009

 

Wien,

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 847/J der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde wie folgt:

Frage 1:

Die zweite Phase der Übergangsregelungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit und – in bestimmten Dienstleistungssektoren – auch für die Dienstleistungsfreiheit von Staatsangehörigen der EU-8-Mitgliedstaaten endet mit 30. April 2009. Die Bundesregierung hat bereits die Verlängerung für die dritte Phase (1. Mai 2009 bis 30. April 2011) beschlossen und mich und den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ermächtigt, dies der Europäischen Kommission – wie in den Beitrittsverträgen vorgesehen - zeitgerecht vor Ablauf der zweiten Phase mitzuteilen.

Eine ausführliche Argumentation für das Vorliegen der Voraussetzungen ist in Arbeit und wird noch mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten abgestimmt. Die Begründung wird sich vor allem auf die spezifische geographische Lage Österreichs, die damit verbundenen Migrations- und Pendelpotenziale, den Integrationsbedarf der bereits niedergelassenen Migranten, das nach wie vor bestehende Lohngefälle zu den neuen Mitgliedstaaten, die bisher gesetzten Liberalisierungsschritte und nicht zuletzt die negative Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes im Zuge der globalen Finanzmarktkrise und den damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit und den gleichzeitigen Rückgang der Beschäftigung konzentrieren.


Fragen 2 und 3:

Den Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping kommt vor dem Hintergrund

zusammenwachsender Arbeitsmärkte eine besondere Bedeutung zu. Ein zentrales Anliegen der Bundesregierung ist daher, begleitend zur Verlängerung der Übergangsregelungen die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung auf EU-Ebene zu verbessern und die Schwarzarbeit und den Sozialbetrug bzw. –missbrauch insgesamt zu bekämpfen. Das Regierungsprogramm sieht dabei die Verbesserung und Systematisierung der Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping in Abstimmung mit den Sozialpartnern vor.

Auf nationaler Ebene wurde mit dem AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz, BGBl. I Nr. 91/2008, bereits ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung der Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften im Baubereich gesetzt. Auf der Grundlage des Regierungsprogramms und des Maßnahmenpakets der Sozialpartner „Arbeitsmarkt – Zukunft 2010“ sind bis zum Sommer weitere Maßnahmen geplant, die vor allem die ordnungsgemäße Entlohnung grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer/innen

sicherstellen sollen.

Frage 4:

Die Übergangsregelungen haben bewirkt, dass auch die Erbringung von Arbeitsleistungen durch Selbständige weitest gehend kontrolliert werden konnte, zumal in Weiteranwendung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für die Beurteilung einer Tätigkeit der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes herangezogen wurde. Damit konnte über bewilligungspflichtige Zulassungen (bei Feststellung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit) und begleitende Kontrollen Scheinselbständigkeit in vielen Fällen verhindert werden. Es muss hier aber auch darauf hingewiesen werden, dass Kontrollen gemeinschaftsrechtlich nur soweit zulässig sind, als sie nicht mit Artikel 43 (Niederlassungsfreiheit) bzw. mit Artikel 49 (Dienstleistungsfreiheit) des EG-Vertrages im Widerspruch stehen. In diesem rechtlichen Spannungsfeld sind Umgehungsversuche nicht vollständig auszuschließen.

Frage 5:

Mein Amtsvorgänger Bundesminister a.D. Dr. Bartenstein hat von 2000 bis 2008 für den Tourismus, für die Land- und Forstwirtschaft und gesondert für Erntehelfer mit Verordnungen gemäß § 5 AuslBG folgende Kontingente festgelegt:

 

 

Tourismus

Landwirtschaft

 

Wintertourismus

Sommertourismus

Land- und Forstwirtschaft

Erntehelfer

2000

3.045

2.920

9.900

kein Kontingent

2001

6.925

6.190

11.086

4.745

2002

8.830

6.845

11.520

5.465

2003

9.220

6.720

11.914

6.295

2004

8.982

6.455

11.979

6.315

2005

8.895

5.902

11.884

6.315

2006

8.005

5.262

10.690

6.315

2007

7.855

5.335

11.100

6.815

2008

7.855

5.250

11.755

6.920

 

Im Rahmen dieser Kontingente hat das Arbeitsmarktservice (AMS) Beschäftigungsbewilligungen bis zur in den jeweiligen Verordnungen festgelegten Maximaldauer erteilt.

Seit dem Beitritt der EU-8 ist unter Bedachtnahme auf die Gemeinschaftspräferenz in den Verordnungen ausdrücklich angeordnet, dass Arbeitskräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Drittstaatsangehörigen bevorzugt zu bewilligen sind.

Für das Jahr 2009 hat Bundesminister Dr. Mitterlehner im Dezember 2008 eine erste Verordnung (BGBl. II Nr. 492/2008) für die befristete Beschäftigung von Saisoniers in der Land- und Forstwirtschaft mit einem Kontingent von 5.445 erlassen. Die Landwirtschaftskammer Österreich hat bereits um ein weiteres Kontingent und ein gesondertes Kontingent für Erntehelfer ersucht. Für den Sommertourismus ist wie in den letzten Jahren eine Verordnung für Ende April/Anfang Mai geplant.

Zur Vorbereitung der Kontingentverordnungen für 2009 habe ich jedenfalls veranlasst, dass die Landesgeschäftsstellen des AMS unter Einbindung der in den Landesdirektorien vertretenen Sozialpartner den erwarteten zusätzlichen Bedarf an Kontingentplätzen unter besonderer Berücksichtigung der vorgemerkten und für eine Vermittlung in Betracht kommenden inländischen und integrierten ausländischen

Arbeitskräfte erheben. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit halte ich es für dringend geboten, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um offene Stellen auch im

Saisonbereich vorrangig mit verfügbaren Arbeitskräften zu besetzen, bevor weitere Saisoniers zugelassen werden.

Frage 6:

Die im Rahmen der Kontingente für 2008 erteilten Bewilligungen entfielen zu 81% auf Arbeitskräfte aus allen neuen EU-Mitgliedstaaten (einschließlich Rumänien und Bulgarien), davon wiederum 77% auf Arbeitskräfte aus den im Jahr 2004 beigetretenen Staaten (EU-8). 19% der Bewilligungen entfielen auf Saisoniers aus Drittstaaten.

Fragen 7 und 8:

Für den Vollzug der Kontrolle der illegalen Beschäftigung (KIAB) ist der Bundesminister für Finanzen zuständig (siehe dazu auch die Vollzugsklausel des § 35 Z 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes). Es kann daher nur auf die vom Bundesministerium für Finanzen zur Verfügung gestellten Daten aus dem Betrugsbekämpfungsbericht 2008 verwiesen werden:

Stand 23.1.2009

1.1. bis 31.12.2008

1.1. bis 31.12.2007

1.1. bis 31.12.2006

Anzahl der kontrollierten Betriebe

26.330

27.885

21.038

Anzahl der illegal beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer

11.480

12.165

8.417

Summe der beantragten Geldstrafen AuslBG

24.777.860

29.758.933

23.793.170

Summe der beantragten Geldstrafen ASVG

5.763.015

 

 

Kontrollmitteilungen an Krankenkassen

4.858

6.364

4.238

Anzahl der Strafanträge insgesamt

10.002

7.267

5.214

Anzahl der Strafanträge ASVG

4.465

1.600

937

 

 

 

 

 

 

1.1. bis 31.12.2008

Anzahl der insgesamt kontrollierten Arbeitnehmer

INL

AUSL

EU

GES

37.142

16.434

15.980

69.556

01.01.2007 bis 31.12.2007

40.131

19.151

17.678

76.960

 

 

 

 

 

 

1.1. bis 31.12.2008

1.1. bis 31.12.2007

1.1. bis 31.12.2006

1.1. bis 31.12.2005

Anzahl der Personen ohne SV- Anmeldung

9.590

8.969

5.211

745

Anzahl der Leistungsbezieher (AMS)

1.007

1.308

738

112

 

Im Zuge des Vorhabens, Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping zu verbessern und zu systematisieren, wird auch geprüft, ob eine Ausweitung der Kompetenzen der KIAB notwendig ist.

Frage 9:

Das Sozialbetrugsgesetz hat bereits mit Wirkung ab 1. März 2005 in das Strafgesetzbuch zwei neue Straftatbestände im Zusammenhang

-       mit der nicht ordnungsgemäßen Anmeldung von MitarbeiterInnen bzw.

-       mit dem nicht ordnungsgemäßen Abführen von Beiträgen in der Sozialversicherung

eingefügt. Das geltende Recht geht somit bezüglich dieser Delikte über den in der gegenständlichen Anfrage unterbreiteten Vorschlag eines Tatbestandes „Sozialbetrug“ im Verwaltungsstrafrecht hinaus.

Im Rahmen des Maßnahmenpakets gegen Lohn- und Sozialdumping wird mit den Sozialpartnern auch die Einführung eines Verwaltungsstraftatbestandes „Sozialbetrug“ (z.B. bei krasser Minderentlohnung bzw. Ausbeutung) diskutiert. Die Einführung eines derartigen Straftatbestandes halte ich für prüfenswert.

Frage 10:

Eine effektive Durchsetzung arbeitsrechtlicher Normen ist für den/die einzelne/n Betroffene/n von großer Bedeutung. Im Rahmen der im Regierungsprogramm vorgesehenen Schaffung eines modernen und flexiblen Arbeitsrechts wird auch die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung ein Thema sein. Hier werden entsprechende Maßnahmen - etwa die verbesserte Möglichkeit einer Verbandsklage - unter Einbindung der Sozialpartner gemeinsam mit dem für das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zuständigen Bundesministerium für Justiz zu diskutieren sein.


Frage 11:

Die Verbesserung der grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung ist jedenfalls notwendig. Daher sind - wie im Regierungsprogramm vorgesehen - die Bemühungen zur grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung zu intensivieren (u.a. bessere Behördenzusammenarbeit, verbesserter Zugang zu Informationen). Auch dieses Thema wird in den Sozialpartnergesprächen zum Lohn- und Sozialdumping erörtert.

Im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes (Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) besteht eine langjährige, enge Zusammenarbeit der Arbeitsinspektionen der Mitgliedstaaten.

In diesem Zusammenhang ist auch das mit 1. März 2008 in Kraft getretene EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz (EU-VStVG) zu erwähnen, mit dem der Rahmenbeschluss 2005/214/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, ABl. Nr. L 76 vom 22. März 2005 für den Verwaltungsbereich umgesetzt wurde.

Frage 12:

Die Verlängerung der Übergangsregelungen und eine weitere kontrollierte und bedarfsorientierte Zulassung von Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedstaaten sollen dazu dienen, den österreichischen Arbeitsmarkt auf eine vollständige Öffnung im Jahr 2011 vorzubereiten. In konsequenter Umsetzung der Gemeinschaftspräferenz wird der Zulassung von neuen EU-Bürgern gegenüber Drittstaatsangehörigen Vorrang eingeräumt. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit werden im Rahmen der Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, insbesondere der Qualifizierungsoffensive des Arbeitsmarktservice, alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um gering qualifizierte inländische und integrierte ausländische Arbeitskräfte, vor allem die Jugendlichen der zweiten Generation, bei der Verbesserung ihrer Position am Arbeitsmarkt zu

unterstützen.

Frage 13:

Die Verbesserung und der Ausbau gemeinsamer EU-Mindeststandards ‑ unter enger Einbeziehung der Sozialpartner ‑ ist notwendig und wird von mir selbstverständlich unterstützt. 

Dies gilt auch für die konkret genannten Themenbereiche:

·     Arbeitszeit

Derzeit finden im Rahmen des Vermittlungsverfahrens Verhandlungen zwischen Rat und dem Europäischen Parlament über die Änderung der Arbeitszeitrichtlinie statt. Österreich unterstützt hier die Position des Europäischen Parlaments, das ein Auslaufen des Opt-Out (Möglichkeit der Nichtanwendung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit) anstrebt. Weiters vertritt Österreich die Position, dass bei Be­rechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf den/die einzelne/n Arbeitnehmer/in und nicht auf den einzelnen Arbeitsvertrag abgestellt wird. Eine Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes zur Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit auf ein Jahr soll – entsprechend der Position des Europäischen Parlaments – grundsätzlich nur durch Kollektivvertrag möglich sein; durch Gesetz nur in jenen Fällen, in denen keine Kollektivverträge bestehen.


·     Mitbestimmung

Österreich hat sich immer für umfassende Mitbestimmungsregelungen auf euro­päischer Ebene eingesetzt. Dies gilt vor allem auch für die Schaffung von euro­päischen Gesellschaftsformen (wie Societas Europea und Europäische Genos­senschaft). Derzeit wird das Statut einer Europäischen Privatgesellschaft verhan­delt. Auch hier setzt sich Österreich vehement dafür ein, dass bestehende Mitbe­stimmungsrechte gewahrt bleiben und eine Flucht aus der Mitbestimmung verhin­dert wird.

Bei der Änderung der Richtlinie über Europäische Betriebsräte hat die österreichi­sche Regierung die Vorschläge der Europäischen Sozialpartner vollinhaltlich un­terstützt.

Wesentlich beim Ausbau gemeinsamer EU-Mindeststandards erscheint mir auch, dass die Mitgliedstaaten bei der Kontrolle der arbeits- und sozialrechtlichen Standards ausreichend flexibel auf neue Entwicklungen reagieren können.

Die EU-Dienstleistungsrichtlinie berührt per se nicht die arbeits- und sozialrechtlichen Standards. Selbstverständlich wird bei ihrer Umsetzung darauf geachtet, dass die arbeits- und sozialrechtlichen Standards auch nicht in indirektem Wege eingeschränkt werden.

Frage 14:

Das Argument, die Beibehaltung der Übergangsregelungen hätte diverse Formen der Schwarzarbeit begünstigt, ist zu relativieren und für die österreichische Situation nicht zutreffend. Wie die Erfahrungen zeigen, konnte mit der kontrollierten Zulassung weitestgehend sichergestellt werden, dass die neu zugelassenen Arbeitskräfte zu ordnungsgemäßen Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt werden. Zum anderen haben auch viele Mitgliedstaaten, die keine Übergangsmaßnahmen anwenden, zahlreiche Probleme mit Schwarzarbeit, die Lohn- und Sozialdumping fördert.

Der Europäische Gewerkschaftsbund wendet sich mit seiner Position in erster Linie gegen die Formen des Lohn- und Sozialdumpings, überlässt es aber den ArbeitnehmervertreterInnen der einzelnen Mitgliedstaaten, die Relevanz dieser Position für ihr Land zu beurteilen. Wie ich bereits festgehalten habe, trete ich für eine effektive

Bekämpfung der Schwarzarbeit ein, die meines Erachtens vor allem durch Intensivierung der Kontrollmaßnahmen und durch entsprechende Bewusstseinsbildung der betroffenen Akteure Erfolg haben kann.

 

Mit freundlichen Grüßen