9040/AB XXIV. GP
Eingelangt am 08.09.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
Der Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Peter Fichtenbauer und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „medizinischer Kunstfehler, Gutachter vor Gericht und deren Folgen“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 18:
Ich verfüge über kein Datenmaterial, das mir eine Beantwortung dieser Fragen ermöglicht. In den elektronischen Registern der Verfahrensautomation Justiz werden die Verfahren (unter anderem) nach Deliktstypus gespeichert, nicht jedoch nach bestimmten Tatmerkmalen, wie etwa dem Umstand, ob eine Körperverletzung auf einen ärztlichen Kunstfehler zurückzuführen ist. Es ist daher nicht möglich, die Fragen nach Gerichtsverfahren, denen ein derartiger Tatverdacht zu Grunde liegt oder lag, automationsunterstützt auszuwerten. Eine händische Recherche setzte aber das bundesweite händische Durcharbeiten von Gerichtsakten und staatsanwaltschaftlichen Tagebüchern voraus; ein derartiger Aufwand ist im ordentlichen Justizverwaltungsbetrieb nicht vertretbar, sondern könnte nur im Rahmen wissenschaftlicher Studien geleistet werden. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich derartig umfangreiche Erhebungsaufträge im Hinblick auf den damit verbundenen, unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand nicht erteilen konnte.
Zu 19:
Nach der bestehenden (zivilrechtlichen) Rechtslage sind Ärzte dazu verpflichtet, einen Patienten vor einer Heilbehandlung umfassend über Diagnose, Behandlung und Risiko aufzuklären. Eine solche Aufklärung ist Voraussetzung dafür, dass ein Patient wirksam in eine Behandlung einwilligen kann. Ohne wirksame Einwilligung bleibt der Eingriff rechtswidrig. Je größer die Risiken des Eingriffs und je weniger dringlich er ist, desto strenger sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht zu stellen. Treten ein statistisch relevantes Operationsrisiko, über das der Patient nicht aufgeklärt wurde, und im Zusammenhang damit eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten – auch bei einer lege artis durchgeführten Behandlung – auf, so stehen dem Patienten Schadenersatzansprüche zu. Die Beweislast für die durchgeführte Aufklärung trifft den Arzt. Der Arzt kann sich nur dadurch von der Haftung befreien, indem er beweist, dass der Patient in die Behandlung auch ohne bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte. Bei dieser Beurteilung ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Aufgrund der nicht unbedeutenden zivilrechtlichen Haftungsfolgen liegt eine umfassende Aufklärung somit nicht nur im Interesse des Patienten, sondern auch im Interesse des ihn behandelnden Arztes.
Zu 20:
Aufgabe der Aufklärung ist es, dem Patienten die für seine Entscheidung maßgebenden Informationen zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zur Behandlung bzw. zum Eingriff zu überschauen. Der Patient kann nur dann wirksam seine Einwilligung geben, wenn er über die Bedeutung des vorgesehenen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde. Bereits aus diesen von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen ergibt sich, dass der Patient in einer alltagsverständlichen Sprache aufzuklären ist. Dies findet auch seinen Niederschlag in § 5a Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG), der bestimmt, dass die Aufklärung in möglichst verständlicher und schonungsvoller Art gegeben werden soll. Zudem hat die Aufklärung grundsätzlich im unmittelbaren persönlichen Gespräch zu erfolgen und kann nicht durch ein Merkblatt ersetzt werden, weil dadurch nicht Gewähr gegeben ist, dass der Patient die ihm dargebotene Information zur Kenntnis genommen und verstanden hat. Vielmehr soll ihm im Rahmen eines Gesprächs die Möglichkeit eingeräumt werden, Unklarheiten durch entsprechendes Nachfragen auszuräumen. Eine Delegation der Aufklärung auf nichtärztliches Personal kommt ebenso wenig in Betracht. Abschließend sei erwähnt, dass derzeit im Rahmen der Österreichischen Ärztekammer Überlegungen darüber angestellt werden, durch Richtlinien zu diesem Fragenkreis konkrete Orientierung über die Durchführung der Aufklärung in den einzelnen medizinischen Sparten zu geben.
Zu 21:
Die fachliche und persönliche Eignung einer Person, die die Eintragung als allgemein beeidete/r und gerichtlich zertifizierte/r Sachverständige/r in die Gerichtssachverständigenliste (Zertifizierung) oder deren Verlängerung (Rezertifizierung) beantragt, ist in jedem Einzelfall entsprechend den Vorgaben der §§ 4 und 6 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) im jeweiligen Eintragungs- bzw. Rezertifizierungsverfahren genau zu prüfen. Der rechtliche Rahmen, den die genannten Bestimmungen des SDG zur Verfügung stellen, ermöglicht dabei durch in ihrer Intensität abgestufte Prüfungsinstrumentarien eine für jeden Einzelfall angemessene Überprüfung, die in der Verantwortung des für die Führung der Gerichtssachverständigenliste zuständigen Präsidenten/der zuständigen Präsidentin des Landesgerichts steht.
Eine der Voraussetzungen, um in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen zu werden, ist dabei die Vertrauenswürdigkeit der betreffenden Person (§ 2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG), wobei Verfehlungen und Verstöße gegen Berufspflichten im Berufsbereich die Vertrauenswürdigkeit ebenso erschüttern können wie ein Fehlverhalten bei der Sachverständigentätigkeit, im Rahmen derer die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Sachverständigen eine zentrale Rolle spielt.
Im Gerichtsverfahren bestellte Sachverständige haben jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Aus denselben Gründen, die auch einen Zeugen zur Verweigerung der Aussage berechtigen, kann der Sachverständige die Enthebung von seiner Bestellung begehren. Außerdem kann ein im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens bestellter Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen; so etwa, wenn eine Verfahrenspartei der Ansicht ist, es liege ein zureichender Grund vor, die Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.
Zur laufenden Qualitätskontrolle der Sachverständigen – und zwar auch in Ansehung der Frage der Vertrauenswürdigkeit – sind insbesondere die Gerichte (und insoweit auch die Parteien) berufen. Diese haben dabei nicht nur im laufenden Verfahren auf Hinweise hinsichtlich möglicher Einschränkungen der Objektivität des Sachverständigen zu reagieren, sondern auch dann, wenn sich in einem Verfahren der Verdacht ergibt, dass einer der in § 10 Abs. 1 SDG genannten Tatbestände für die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger vorliegt, Mitteilung an den für die Eintragung des Sachverständigen zuständigen Präsidenten des Landesgerichts zu machen. Ergibt sich in der Folge, dass eine der Eintragungsvoraussetzungen tatsächlich nicht gegeben gewesen oder später weggefallen ist, ist die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger durch Bescheid zu entziehen.
Zu 22:
Ich ersuche um Verständnis, dass ich Akte der unabhängigen Rechtsprechung, die auch der parlamentarischen Interpellation entzogen sind, nicht kommentiere. Derartige Fragen sind von der Rechtsprechung selbst im dafür vorgesehenen Rechtsweg zu klären.