9057/AB XXIV. GP

Eingelangt am 09.09.2011
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Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

 

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017     W i e n

 

GZ: BKA-353.110/0124-I/4/2011

Wien, am 9. September 2011

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Brunner, Freundinnen und Freunde haben am 11. Juli 2011 unter der Nr. 9176/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Geschäfte der mehrheitlich staatseigenen VERBUND Gesellschaft und österreichische Atomstromimporte gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 13:

Ø  Welche konkreten Schritte werden Sie als Bundeskanzler umsetzen, um die Glaubwürdigkeit der Österreichischen Atompolitik wiederherzustellen?

Ø  Die Bundesregierung kündigte nach ihrer Klausur im Mai 2011 an, Österreich „spätestens 2015 unabhängig vom Atomstrom“ machen zu wollen. Welche konkreten gesetzlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dieses Ziel zu erreichen? Welche weiteren Maßnahmen sind zu diesem Zweck konkret geplant und bis wann sollen diese umgesetzt werden?

Ø  Aus welchem Grund wurde dieses Ziel 2015 als Fristende gesetzt und warum wurde gegen eine frühere Zielerreichung entschieden?

Ø  Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Österreich nicht nur bilanziell unabhängig von Atomstromimporten wird, sondern auch de-facto keinen Atomstrom importiert?

Ø  Wenn ja, welche konkreten gesetzlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dieses Ziel zu erreichen? Welche weiteren Maßnahmen sind zu diesem Zweck konkret geplant und bis wann sollen diese umgesetzt werden?


Ø  Sind Sie der Meinung, dass der VERBUND aus allen Geschäften mit Atomstrom aussteigen soll?

Ø  Wenn ja, was wird die Republik Österreich als Eigentümervertreterin dazu konkret unternehmen?

Ø  Werden Sie sich als Bundeskanzler dafür einsetzen, dass Firmen, die mehrheitlich in österreichischem Staatsbesitz sind, weder Atomstrom kaufen noch mit Atomstrom handeln. Berücksichtigen Sie bitte bei der Beantwortung, dass Strom aus „unbekannter Herkunft“ einen Atomstromanteil von 28,89% aufweist.

Ø  Wenn ja, welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, damit Firmen, die mehrheitlich in österreichischem Staatsbesitz sind, aus dem Atomstromhandel aussteigen?

Ø  Können sie ausschließen, dass Firmen, die mehrheitlich in österreichischem Staatsbesitz sind, Atomstrom beziehen?

Ø  Können sie ausschließen, dass öffentliche Einrichtungen im Eigentum der Republik Österreich Atomstrom beziehen?

Ø  Wenn nicht, werden Sie sich als Bundeskanzler dafür einsetzen, dass Firmen, die mehrheitlich in österreichischem Staatsbesitz sind, sowie öffentliche Einrichtungen im Eigentum der Republik Österreich, keinen Atomstrom beziehen? Welche konkreten Maßnahmen werden Sie hierbei setzen?

Ø  Die Republik Österreich hat einen Anteil von 510 Millionen Euro an der Kapitalerhöhung der VERBUND AG im November 2010 übernommen. Die Bundesregierung begründete die Kapitalerhöhung durch Steuermittel folgendermaßen: "Beim Verbund können durch zusätzliche finanzielle Mittel geplante Investitionen rascher in Angriff und vor allem die Wasserkraft, die CO2-freie Elektrizität liefert, forciert ausgebaut werden. Die Entscheidung zur Kapitalerhöhung bei der Verbund AG ist also klima- und energiepolitisch sowie wirtschafts- und finanzpolitisch richtig. Und hier wird umgesetzt, was im Regierungsprogramm fixiert ist." (Finanzstaatssekretär Reinhard Lopatka am 20.10.2010)
a. Welche Projekte und Investitionen wurden bis jetzt mit den Mitteln der Kapitalerhöhung finanziert?
b. Welche geplanten Projekte und Investitionen werden mit den Mitteln der Kapitalerhöhung finanziert?

 

Die österreichische Bundesregierung ist sich der Bedeutung der Energiepolitik für die österreichische Wirtschaft und Umwelt bewusst und bekennt sich daher zu einer sicheren und leistbaren Energieversorgung, dem bewussten und effizienten Umgang mit Energie und zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien.

 

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Aktionsplan „Internationales Umdenken von der Kernenergie hin zu erneuerbarer Energie und Energieeffizienz“ der Bundesregierung vom 22. März 2011 hinweisen, der konkrete Aktivitäten beinhaltet, die die österreichische Bundesregierung im Bereich der Energiepolitik setzen will. Ziel des Aktionsplans ist die Steigerung der Energieeffizienz in allen wesentlichen Sektoren, der Ausbau erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung, im Wärme- und Verkehrsbereich, die langfristige Sicherstellung der Energieversorgung, der sorgsame Umgang mit eigenen Energieressourcen sowie die Senkung der Abhängigkeit von ausländischen Energieerzeugern.

 

Weiters hat sich die österreichische Bundesregierung bei ihrer Regierungsklausur im Mai 2011 darauf verständigt, im Bereich der Energiepolitik ein umfangreiches Maß­nahmenpaket umzusetzen. So sollen unter anderem der Anti-Atom-Aktionsplan der Bundesregierung und die Maßnahmenvorschläge zur Energiestrategie Österreich konsequent umgesetzt werden, um die diesbezüglichen Ziele der Bundesregierung in diesen Bereichen zu erfüllen.

 

Die österreichische Bundesregierung hat in ihrer Anti-Atom-Politik in den letzten Monaten beachtliche Erfolge erzielen können: So wurde die österreichische Forderung nach einer umfassenden und transparenten Risiko- und Sicherheitsbewertung ("Stresstest") vom Europäischen Rat Ende März 2011 aufgenommen. Dieser Stresstest wird seit 1. Juni 2011 in allen Kernkraftwerken der Europäischen Union durchgeführt, die Ergebnisse werden noch dieses Jahr vom Europäischen Rat behandelt und der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.

 

Bei den Verhandlungen über das Euratom-Forschungsrahmenprogramm 2012-2013 hat Österreich im Juni 2011 eine Neuorientierung erwirken können, indem die Forschung zu alten und neuen Reaktorsystemen auf Sicherheitsfragen fokussiert wird. Darüber hinaus wird die Europäische Kommission die „Europäische Gruppe für Ethik in Naturwissenschaften und neuen Technologien“ mit der ethischen Bewertung aller Energieformen inklusive der Nuklearenergie beauftragen und damit den Diskurs über Nutzen und Risiken der Nuklearenergie fördern.

 

Um das Ziel, Österreich von Atomstromimporten unabhängig zu machen zu erreichen, wird an einer besseren Kennzeichnung mit Herkunftsnachweisen, sowohl für jenen Strom, der an der Börse gehandelt wird, als auch für bilaterale Verträge zwischen österreichischen und ausländischen Energiekonzernen gearbeitet. Die E‑Control hat in diesem Zusammenhang eine Verordnung zur Stromkennzeichnung ausgearbeitet und zur Begutachtung versendet, die zu einer größeren Transparenz, leichterer Verständlichkeit für die Endverbraucher und einem erhöhten Vertrauen in die Darstellung der Stromkennzeichnung beitragen soll. Doppelzählungen oder die missbräuchliche Verwendung von Herkunftsnachweisen sowie eine Darstellung falscher Informationen zur Stromkennzeichnung sollen verhindert werden. Im Herbst soll ein Energiegipfel weitere Schritte, die zu einer Reduktion der Atomstromimporte führen, diskutieren. Bis dahin gilt es zu überlegen, welche rechtlichen Schritte es gibt, um zu verhindern, dass Atomstrom importiert wird.

 

Am 7. Juli 2011 wurde nach intensiven Verhandlungen das Ökostromgesetz 2012 im Nationalrat beschlossen. Darin werden die Ökostromziele bis 2020 maßgeblich erweitert. Es gab eine breite Zustimmung, dass das Ökostromgesetz die beste Basis dafür ist, dass Österreich seinen europäischen Spitzenplatz beim Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch konsequent weiter ausbauen wird.

 

Die jährliche Förderzuwachssumme wird von 21 auf 50 Millionen Euro erhöht. Errichter und Betreiber von Ökostromanlagen werden über 13 Jahre (bei rohstoffabhängigen Anlagen bis 15 Jahre) mit garantierten Einspeisetarifen von den Stromkonsumenten unterstützt. Ein wesentliches Ziel ist der vollständige Abbau der Anlagen-Warteliste bei Windkraft, Photovoltaik und Wasserkraft durch eine zusätzliche, einmalige Aufstockung des Fördervolumens für neue Ökostromanlagen. Daher gibt es geförderte Einspeisetarife für jene Wind- und Photovoltaik-Anlagen, die ohne Novelle derzeit bis 2015 bzw. 2025 auf der Warteliste gereiht sind. Die E‑Control wird in einem jährlichen Bericht an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend und an den Nationalrat analysieren, inwieweit die Ziele des Gesetzes erreicht wurden, welche Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren erfolgt sind und welche Auswirkungen für den Endverbraucher daraus resultieren.

 

Die österreichische Bundesregierung trägt mit den oben genannten Punkten zur Umsetzung des Aktionsplans für ein „Internationales Umdenken von der Kernenergie hin zu erneuerbarer Energie und Energieeffizienz“ vom 22. März 2011, der auch vom Nationalrat unterstützt wurde, bei.

 

Das Bundeskanzleramt bezieht ausschließlich Ökostrom.

 

Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage Nr. 9175/J durch den Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend.

 

Mit freundlichen Grüßen