9125/AB XXIV. GP
Eingelangt am
11.11.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Kurt Grünewald, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Praxis der Erstellung medizinischer Gutachten“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1, 2 und 7:
In der gewünschten Differenzierung stehen mir die Daten nicht zur Verfügung. Ich habe jedoch aus der Verfahrensautomation Justiz die Sachverständigen der Fachgruppe Medizin nach ihrem Fachgebiet und dem Landesgerichtssprengel erheben lassen. Die Auswertung ist als Beilage angeschlossen. Aufgrund der fachgebietsbezogenen (und nicht personenbezogenen) Auswertung sind Sachverständige mit mehreren Fachgebieten auch mehrfach gelistet.
Zu 3:
Die Führung der Gerichtssachverständigenliste obliegt der Präsidentin/dem Präsidenten jenes Landesgerichts, in dessen Sprengel die Sachverständigen ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder den Ort der beruflichen Tätigkeit haben (vgl. näher § 3 SDG). Der Präsidentin/dem Präsidenten obliegt es dabei im Rahmen der erstmaligen Eintragung oder der Rezertifizierung der Sachverständigen auch, sich ein Bild über die fachliche Qualifikation (einschließlich der Erfüllung der Voraussetzungen für die Eintragung für ein bestimmtes Fachgebiet) zu machen; im Zusammenhang mit einem Antrag auf Rezertifizierung ist dabei besonders auf die Erfahrungen der Gerichte mit den Sachverständigen Bedacht zu nehmen. Diese Informationen und Daten sind dann auch bei der Zertifizierungs- bzw. Rezertifizierungsentscheidung des Präsidenten/der Präsidentin des Landesgerichts entsprechend zu (be)werten und evident zu halten. Nachdem aktuell rund 9.000 Personen als Sachverständige in der Gerichtssachverständigenliste eingetragen sind, werden allerdings Daten über die inhaltlichen Qualifikationen der Sachverständigen in den Justizapplikationen nicht erfasst.
Zu 4 und 6:
Die Auswahl und Bestellung von Sachverständigen im Einzelfall ist Sache des Gerichts und damit Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung. Die Gerichtssachverständigenliste bietet aufgrund ihrer Unterteilung in Fachgruppen und Fachgebiete und der nach § 3a Abs. 3 SDG bestehenden Möglichkeit, Spezialisierungen innerhalb des Fachgebiets gesondert anzugeben, eine der zentralen Hilfestellungen für die Gerichte bei der Auswahl von geeigneten Sachverständigen.
Bei der Gestaltung und Strukturierung der Gerichtssachverständigenliste ist auch auf die Bedienbarkeit und Benutzerfreundlichkeit Bedacht zu nehmen. Mit aktuell 52 Fachgruppen und 717 Fachgebieten weist die Gerichtssachverständigenliste einen sehr hohen Detaillierungsgrad auf, der zweckmäßig, aber auch ausreichend ist. Es erscheint daher nicht sinnvoll, die den Sonderfächern der Ärzteausbildungsordnung entsprechende Untergliederung der Fachgruppe Medizin noch weiter in sogenannte Additivfächer zu unterteilen. Solche Subspezialisierungen werden sinnvoller Weise als Spezialisierung innerhalb des Fachgebiets nach § 3a Abs. 3 Z 1 SDG in der Gerichtssachverständigenliste ausgewiesen.
Was die Überprüfung der wissenschaftlichen Weiterbildung angeht, so wird darauf regelmäßig im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für eine Rezertifizierung eines/einer Sachverständigen – die Eintragung in die Gerichtssachverständigenliste ist mit fünf Jahren befristet – geachtet. Konkret werden Sachverständige im Rahmen des Rezertifizierungsverfahrens um Mitteilung ersucht, welche Fortbildungsaktivitäten sie in ihrem jeweiligen Fachgebiet gesetzt haben; dazu werden sie regelmäßig aufgefordert, den vom Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen als Beitrag zur Qualitätssicherung eingerichteten Bildungs-Pass oder sonstige Unterlagen und Bestätigungen über absolvierte Fortbildungen oder eigene Vortragstätigkeit sowie eigene Publikationen vorzulegen.
Zur laufenden Qualitätskontrolle der Sachverständigen sind insbesondere die Gerichte und die Parteien berufen. Erscheint ein erstattetes Gutachten als ungenügend, kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch dieselbe Sachverständige bzw. denselben Sachverständigen oder durch andere Sachverständige oder unter Zuziehung anderer Sachverständiger stattfindet (§ 362 Abs. 2 ZPO). Insofern sind auch die Parteien gefordert, gegebenenfalls im Rahmen der Gutachtenserörterung auf allfällige Schwächen bzw. Ungereimtheiten eines Gutachtens hinzuweisen.
Zu 5:
Nach der derzeitigen Rechtslage können Sachverständige einerseits aufgrund Vorliegens eines Ausschließungsgrundes (§ 20 JN) und andererseits aufgrund aller denkbaren Befangenheitsgründe (§ 19 Z 2 JN) abgelehnt werden. Bei Sachverständigen gelten daher – was deren Ausgeschlossenheit bzw. Befangenheit angeht – dieselben gesetzlichen Vorschriften wie auch für Richterinnen und Richter, zumal sie im selben Maß zu Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind (vgl. § 355 Abs. 1 ZPO).
Zu 8 und 9:
Ebenso wie die Auswahl und Bestellung stellen auch die inhaltliche Beurteilung eines Sachverständigengutachtens und die daraus vom Gericht gezogenen Schlüsse und Folgerungen eine Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung dar. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich zu diesen Fragen nicht näher Stellung nehmen kann.
Zu 10 und 11:
Sachverständige haften nach § 1299 ABGB für jenen Fleiß und jene Kenntnisse, die ihre Fachkollegen gewöhnlich haben. Ihnen ist nach der Rechtsprechung auch dann ein Schuldvorwurf zu machen, wenn es ihnen an den für eine Gutachtenserstellung erforderlichen Fähigkeiten mangelt. Das Gutachten ist nach den aktuellen Regeln der Wissenschaft zu erstellen, und zwar auch hinsichtlich der im Rahmen der Befundaufnahme und Gutachtenserstellung einzuhaltenden Anforderungen, Kriterien und Prüfschritte. Die Erarbeitung von allfälligen „Kriterienkatalogen“ für eine Gutachtenserstellung, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu entsprechen haben, ist insoweit in allererster Linie Sache der jeweiligen Sachverständigengruppen und nicht des Bundesministeriums für Justiz. Zudem würden vom Bundesministerium für Justiz verpflichtend vorgegebene Prüfkriterien für die Gutachtenserstellung dazu führen, dass der Spielraum, der ein Eingehen auf den jeweiligen konkreten Einzelfall erst ermöglicht, erheblich eingeschränkt werden könnte.
Dessen ungeachtet ist das Bundesministerium für Justiz gerade im Bereich der Befragung und Begutachtung mutmaßlich missbrauchter Kinder stets bestrebt, eine Verbesserung der Situation der Betroffenen zu erreichen.
Anmerkung der Parlamentsdirektion:
Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe
Anfragebeantwortung (gescanntes Original)
zur Verfügung.