9139/AB XXIV. GP
Eingelangt am 14.11.2011
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am November 2011
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0189-I/4/2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 9240/J vom 14. September 2011 der Abgeordneten Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Die Änderung des § 6 Abs. 1 Z 10 lit. b UStG, die am 1.1.2011 in Kraft getreten ist, betrifft ausschließlich den Universaldienstleister im Sinne des § 12 PMG. Eine Bekanntgabe des Umsatzsteuermehrertrags aus Postdienstleistungen würde daher die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht des § 48a BAO verletzen, da die Daten direkt einem Steuerpflichtigen zugeordnet werden können. Die Daten wären darüber hinaus ohnehin nur bedingt aussagekräftig, da aus ihnen nicht rekonstruiert werden könnte, in welchem Ausmaß diese Umsätze wiederum als Vorsteuern durch Kunden geltend gemacht werden konnten.
Zu 2.:
Bei der Anpassung des Umsatzsteuerrechts an die Judikatur des EuGH (Rs. C-357/07 vom 23.4.2009) waren nur geringfügige Mehreinnahmen zu erwarten, da die Änderung der Umsatzsteuerpflicht für Postdienstleistungen, die nicht von einem Universaldienstbetreiber als solcher erbracht werden, zu einem erheblichen Teil Kunden mit Vorsteuerabzug betrifft.
Zu 3.:
Der österreichische Postmarkt ist seit 1.1.2011 gemäß Art. 2 der dritten EU-Postrichtlinie, 2008/06/EG, vollständig liberalisiert. Elf Mitgliedstaaten haben zwar aufgrund geringerer Vorlaufzeit bzw. besonderer Gegebenheiten eine Frist bis 31.12.2012 erhalten, um die vollständige Liberalisierung durchzuführen; das betrifft Österreich aber nur insofern, als die Österreichische Post AG dadurch auch in diesen Ländern als vollwertiger Mitbewerber auftreten kann.
Wie sehr der Eintritt weiterer Anbieter von Postdienstleistungen die Entwicklung der Umsatzsteuer aus dieser Branche beeinflussen wird, hängt davon ab, in wieweit diese Anbieter Kunden von sich überzeugen können. Bislang haben erst vier Unternehmen eine Konzession nach dem PMG beantragt und erhalten, davon drei für regional eng eingegrenzte Dienste. Wie bei den bisherigen Stufen der Öffnung des Postmarkts ist anfangs lediglich mit graduellen Verschiebungen zu rechnen, so dass bei der Umsatzsteuer, bereinigt um die anfallenden Vorsteuern, nur mit geringen Mehreinnahmen zu rechnen sein wird.
Zu 4.:
Nur Universaldienstleistungen eines Universaldienstbetreibers sind umsatzsteuerfrei. Eine weitere Ausnahme von der Steuerbefreiung ist bei individuellen Vereinbarungen gegeben. Diese Beurteilung ergibt sich zwingend aus der Judikatur des EuGH (Urteil vom 23. 4. 2009, Rs C-357/07) und wurde auch so im Umsatzsteuergesetz mit Wirkung ab 1. 1. 2011 festgeschrieben (§ 6 Abs. 1 Z 10 lit. b UStG 1994 in der Fassung des AbgÄG 2010). Vom Universaldienst ausdrücklich ausgenommen sind jedoch gemäß § 3 Z 6 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Postmarktgesetz Postsendungen, die bei Verteilzentren eingebracht werden. Werden die Postsendungen hingegen bei einem anderen so genannten Zugangspunkt eingebracht (zB Einwurf in Postbriefkästen, Aufgabe in einer Post-Geschäftsstelle, unabhängig von deren Größe), erbringt die Post – sofern die übrigen Voraussetzungen, wie Einhaltung der Gewichtsgrenzen, vorliegen – grundsätzlich Universaldienstleistungen.
Daraus ergibt sich die zwingende Umsatzsteuerpflicht für in Verteilzentren aufgegebene Postsendungen gegenüber der Steuerfreiheit für bei den übrigen Zugangspunkten eingebrachte Postsendungen bei Vorliegen der übrigen für Universaldienstleistungen geforderten Voraussetzungen.
Es bestehen allerdings wesentliche Unterschiede zwischen Einbringungen in Verteilzentren und Einbringungen bei den übrigen Post-Geschäftsstellen.
Bei der Einbringung in Verteilzentren besteht – im Unterschied zu den übrigen Einbringungen – kein Kontrahierungszwang. Dies bedeutet, dass die Post derartige Einbringungen – zB wenn nur Zustellungen in entlegene Gebiete gewünscht werden – jederzeit ablehnen kann. Der Kontrahierungszwang ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen von Universaldienstleistungen. Nur durch den Kontrahierungszwang kann die flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen gewährleistet werden und ist somit die Steuerbefreiung gerechtfertigt. Weiters liegen bei der Einbringung in Verteilzentren in der Regel individuelle Preisabsprachen vor und sind bestimmte individuelle Bedingungen vereinbart, die die Umsatzsteuerbefreiung nach der Judikatur des EuGH ebenfalls ausschließen. Noch dazu sind diese Preisabsprachen meist umsatzbezogen, somit speziell auf die Auftraggeber abgestellt.
Die Einbringungen in den übrigen Post-Geschäftsstellen (auch wenn die Einbringung in Großfilialen erfolgt) haben hingegen nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post – ohne individuelle Preisabsprachen und andere Bedingungen – zu erfolgen. Weiters besteht Kontrahierungszwang. Die Post kann somit Sendungen, auch wenn sie (nur) in entlegene Gebiete erfolgen, nicht ablehnen. In diesen Fällen besteht nach der Judikatur des EuGH keine Möglichkeit, die Steuerbefreiung auszuschließen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass auch in Post-Geschäftsstellen größere Sendungen aufgegeben werden können.
Die unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Postsendungen, die in Verteilzentren eingebracht werden, gegenüber der Einbringung in den übrigen Post-Geschäftsstellen (einschließlich Großfilialen) ist somit aufgrund der unterschiedlichen Sachverhalte und Auswirkungen nicht nur gerechtfertigt, sondern EU-rechtlich geboten.
Zu 5. und 6.:
Die Umsatzsteuerbefreiung des Universaldienstbetreibers hinsichtlich seiner Universaldienstleistungen ist durch das EU-Recht vorgegeben. Wie bei allen Steuerbefreiungen bestehen Vor- und Nachteile für den befreiten Unternehmer bzw. umgekehrt für die nicht unter die Steuerbefreiung fallenden Unternehmer. Dies ergibt sich daraus, dass mit dieser Steuerbefreiung (ebenso wie mit allen anderen so genannten unechten Steuerbefreiungen) der Verlust des Vorsteuerabzuges verbunden ist.
Die Steuerbefreiung ist somit – wenn man die Gesamtsteuerbelastung betrachtet – vorteilhaft, wenn die Leistungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Personen erbracht werden, hingegen nachteilig, wenn die Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer erbracht werden, da mit der Steuerbefreiung für den Leistungserbringer (hier: Universaldienstbetreiber) der Verlust des Vorsteuerabzuges verbunden ist.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistungsempfänger große oder kleine Mengen an Poststücken aufgeben.
Zu 7.:
Eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung der Beförderung von Poststücken besteht für die Einbringer nicht. Es ist allerdings richtig, dass beim Abschluss individueller Vereinbarungen oder bei Einbringung der Poststücke in Verteilzentren (diese beiden Sonderfälle liegen meist gemeinsam vor) die Anwendung der Steuerbefreiung ausgeschlossen ist. Diese Auswirkung ergibt sich allerdings zwingend durch das EU-Recht und kann von einem Mitgliedstaat nicht außer Acht gelassen werden. Überdies liegen hier – wie bereits zu Frage 4. ausgeführt wurde – sachliche Unterschiede vor.
Zu 8.:
Universaldienstleistungen eines Universaldienstbetreibers müssen – außer es liegen individuelle Vereinbarungen vor – umsatzsteuerfrei gestellt werden. Dies ist EU-rechtlich zwingend vorgegeben (Art. 132 Abs. 1 lit. a der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG in Verbindung mit dem Urteil des EuGH vom 23. 4. 2009, Rs C-357/07). Für Österreich besteht keine Möglichkeit, diese Leistungen steuerpflichtig zu behandeln.
Mit freundlichen Grüßen