9152/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.11.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Werner Neubauer und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Verfahren zur Entziehung der Sachverständigenzulassung von U. S.  sowie strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen U. S.“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5 und 17 bis 19:

Aufgrund einer Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz im April 2010 an die für die Führung der Gerichtssachverständigenliste zuständige Präsidentin des Landesgerichts Linz leitete diese ein Verfahren zur Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen U. S.  ein. Am 27. Juni 2011 langte eine Sachverhaltsdarstellung des Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer beim Landesgericht Linz ein, die den Antrag enthielt, das Verhalten des Sachverständigen unter den in der Eingabe aufgezeigten Gesichtspunkten einer Überprüfung zu unterziehen und den Einschreiter über die aufgrund der Eingabe getroffenen Veranlassungen und Verfügungen zu informieren.

Anzeigenden Gerichten, staatsanwaltschaftlichen Behörden, Interessenvertretungen oder Privatpersonen, die gegenüber der Behörde den Verdacht des Vorliegens eines Entziehungstatbestandes äußern, kommt in einem (allfälligen) Verfahren nach § 10 SDG keine Parteistellung zu.

Da dem Sachverständigen in der Sachverhaltsmitteilung in vielerlei Hinsicht ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen wurde, wurde diese von der Präsidentin des Landesgerichts Linz am 30. Juni 2011 gemäß § 78 Abs. 1 StPO der Staatsanwaltschaft Linz zur Kenntnisnahme und allfälligen weiteren Veranlassung übermittelt. Weiters wurde die Eingabe dem Sachverständigen mit dem Ersuchen übermittelt, binnen drei Wochen dazu Stellung zu nehmen. Schließlich wurde ebenfalls mit Schreiben vom 30. Juni 2011 der Abgeordnete zum Nationalrat Werner Neubauer seitens der Präsidentin des Landesgerichts Linz über dieses Vorgehen informiert.


Der Sachverständige äußerte sich mit einem am 25. Juli 2011 beim Landesgericht Linz eingelangten Schriftsatz umfangreich und wies die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen nachdrücklich zurück. Er berichtete, dass er in diesem Zusammenhang seinerseits Anzeige gegen den Einschreiter an die Staatsanwaltschaft Linz erstattet habe.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. September 2011 führte der Sachverständige aus, dass das Disziplinarverfahren weiterhin noch nicht abgeschlossen sei, obwohl der Kernpunkt, nämlich der Vorwurf, dass er dienstliches Wissen weitergegeben hätte, nicht mehr aufrechterhalten werde.

Unter Berücksichtigung der sowohl von der Staatsanwaltschaft Linz bzw. der Korruptionsstaatsanwaltschaft als auch der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres im Zusammenhang mit den gegen den Sachverständigen erhobenen Vorwürfen gepflogenen Erhebungen und deren Ergebnisse hat die Präsidentin des Landesgerichts Linz von darüber hinausgehenden Erhebungsschritten Abstand genommen. Die gegen den Sachverständigen gepflogenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Korruptionsstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Linz wurden eingestellt; das Disziplinarverfahren ist noch im Gang. Dessen Ausgang wird jedenfalls auch in Ansehung des Verfahrens nach § 10 SDG abgewartet.

Zu 6 bis 8:

Weitere Beschwerden, Anregungen oder Mitteilungen liegen im gegebenen Zusammenhang nicht vor.

Zu 9 und 10:

Im Rahmen des Verfahrens nach § 10 SDG wird geprüft, ob die nach § 2 Abs. 2 Z 2 lit. e SDG geforderte Vertrauenswürdigkeit nach wie vor im ausreichenden Ausmaß vorliegt.

Zu 11 und 12:

Derzeit ist bei der Staatsanwaltschaft Wien noch ein Ermittlungsverfahren gegen U.S. wegen § 302 StGB anhängig. Ich bitte um Verständnis, dass mir eine inhaltliche Beantwortung der Frage nach dem Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens mit Blick auf § 12 StPO nicht möglich ist, weil sie sich auf eine Strafsache bezieht, die sich derzeit in einem nichtöffentlichen Verfahrensstadium befindet.

Zu 13 und 14:

Nach § 5 Abs. 3 StPO ist es unzulässig, Beschuldigte oder andere Personen zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat zu verleiten oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken. Verstöße der Strafverfolgungsbehörden gegen das Lockspitzelverbot widersprechen dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 MRK. Wer in diesem Sinne als „agent provocateur“ tätig


wird, ist, soweit nicht ohnedies strafrechtliche Relevanz besteht, dienstrechtlich und disziplinär zu verfolgen. Die Verantwortlichkeit einer Beamtin bzw. eines Beamten richtet sich nach den Bestimmungen des BDG und umfasst auch ihr bzw. sein außerdienstliches Verhalten (§ 43 Abs. 2 BDG).

Von der unzulässigen Tatprovokation sind die unter bestimmten Voraussetzungen zulässigen Maßnahmen der verdeckten Ermittlung (§ 131 StPO) und des Scheingeschäfts (§ 132 StPO) abzugrenzen. Diese Maßnahmen können teils eigenständig von der Kriminalpolizei wahrgenommen werden, teils bedürfen sie einer Anordnung der Staatsanwaltschaft. Auch im Rahmen dieser Maßnahmen ist jedoch eine Tatprovokation unzulässig.

Zu 15 und 16:

Zum Thema „E-Mail-Fallen“ wurden von der Staatsanwaltschaft Linz Ermittlungen gegen U.S. geführt, weil dieser im Verdacht stand, unter einer bestimmten E-Mail-Adresse Aufforderungen zu nationalsozialistischer Propaganda versendet zu haben. Hiebei wurden neben § 3g Verbotsgesetz auch die Delikte der Datenbeschädigung nach § 126a Abs. 1 StGB und des widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem nach § 118a StGB geprüft. Dieses Verfahren wurde am 26. Juli 2011 gemäß § 190 Z 1 und Z 2 StPO eingestellt.