9177/AB XXIV. GP

Eingelangt am 18.11.2011
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 
Anfragebeantwortung

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0139-I 3/2011

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien                                                                                         Wien, am 16. NOV. 2011

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Bernhard Vock, Kolleginnen und

Kollegen vom 22. September 2011, Nr. 9341/J, betreffend Kastenstände

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen vom 22. September 2011, Nr. 9341/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu den Fragen 1 und 2:

 

Gemäß § 24 Abs. 1 Tierschutzgesetz sind die Mindestanforderungen unter Berücksichtigung der Zielsetzung und der sonstigen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes sowie unter Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Auswirkungen festzulegen.


In Bezug auf die Schweinezucht stimmen die in der 1. Tierhaltungsverordnung vorgesehenen Mindestanforderungen mit denen der Schweineschutz-Richtlinie 2008/120/EG überein.

 

Die Anforderungen in der Schweineschutz-Richtlinie beruhen auf einem Gutachten des wissenschaftlichen Ausschusses für Tiergesundheit und Tierschutz der EFSA aus dem Jahr 2007. Zahlreiche weitere Forschungsarbeiten zeigen, dass die freie Abferkelung in der EU derzeit nicht praxisreif ist, sodass sich am anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse seitdem nichts geändert hat.

 

Ziel des Tierschutzgesetzes ist der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere (§ 1). Es ist davon auszugehen, dass diese Zielbestimmung auch die Ferkel erfassen soll, sodass deren Leben und Wohlbefinden entsprechend zu berücksichtigen sind. Beim freien Abferkelsystem ist jedoch ein massiver Anstieg der Ferkelverluste durch Erdrücken zu erwarten. Dies würde dem in § 1 gebotenen Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Ferkel nicht ausreichend Rechnung tragen.

Um eine dauernde Bewegungseinschränkung der Sauen, die mit § 16 Abs. 1 Tierschutzgesetz nicht vereinbar wäre, auszuschließen, wurde die Verpflichtung zur Gruppenhaltung im Zeit-raum ab vier Wochen nach dem Decken bis eine Woche vor der Abferkelung eingeführt. Bei Zuchtsauen bewirkt das Gebot der Gruppenhaltung in dem von der 1. Tierhaltungsverordnung vorgegebenen Zeitraum eine freie Bewegungsmöglichkeit an rund 165 Tagen im Jahr.

 

Die derzeit geltenden Anforderungen an die Sauenhaltung mit der verpflichtenden Gruppenhaltung tragen daher auch den Zielsetzungen und Bestimmungen des Tierschutzgesetzes Rechnung.

 

Die zusätzlichen Ferkelverluste in freien Abferkelsystemen führen zu wirtschaftlichen Einbußen, zu denen noch ein zusätzlicher Arbeitsaufwand und zusätzliche Investitionskosten kommen, da sich der Platzbedarf für Abferkelbuchten deutlich erhöhen würde. Die derzeit geltende Regelung der Mindestanforderungen berücksichtigt daher auch die ökonomischen Auswirkungen der Anforderungen so wie dies § 24 Tierschutzgesetz gebietet, um den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentums- und Erwerbsfreiheiten Rechnung zu tragen.

 

Die Mindestanforderungen für die Sauenhaltung sind in der 1. Tierhaltungsverordnung gesetzeskonform geregelt. Ich teile daher die Bedenken der Volksanwaltschaft nicht.


Zur Frage 3:

 

Das BMLFUW hat zum einen zwei Forschungsarbeiten zur Praxisreife der freien Abferkelung in Auftrag gegeben und dem BMG zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurde in mehreren Gesprächsrunden zu erarbeiten versucht, wo – unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und damit unter verfassungsrechtlich gebotener Bedachtnahme auf die ökonomischen Auswirkungen – Verbesserungen bei der Sauenhaltung erreicht werden können.

 

Weiters wurde Mitte Juli ein Kompromissvorschlag des BMLFUW vorgelegt.

 

Zur Frage 4:

 

Es fanden zwei Treffen auf Ministerebene statt, am 26. Juli und am 7. Oktober 2011. Beim letzten Treffen wurde eine weitere konstruktive Zusammenarbeit vereinbart.

 

Zur Frage 5:

 

Hochrangige Beamtengespräche zwischen BMG und BMLFUW haben am 24. Mai 2011 und am 22. Juni 2011 stattgefunden. Weiters fand am 30. Juni eine Besprechung zum Thema Fachstellenverordnung statt. Darüber hinaus gab es eine Reihe von Abstimmungen auf Ebene der beiden Ministerbüros.

 

Zur Frage 6:

 

Aufgrund des Bundes-Verfassungsgesetzes ist es Aufgabe des VfGH, über Gesetzwidrigkeiten von Verordnungen einer Bundesbehörde zu erkennen. Entscheidungen des VfGH mit dem Ziel der Behebung von Gesetzwidrigkeiten sind wichtig zur Gewährleistung der Legitimation des österreichischen Rechtes.

 

In der Frage der Zulässigkeit von Kastenständen und Ferkelschutzkörben liegt jedoch keine Gesetzwidrigkeit der 1. Tierhaltungsverordnung vor, sodass eine Befassung des VfGH nicht zwingend erforderlich ist.


Zur Frage 7:

 

Wie bereits ausgeführt ist nicht davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof– sollte er in dieser Frage befasst werden – jedenfalls im Sinne der Volksanwaltschaft entscheiden würde. Sollte dies trotzdem geschehen, so wäre im Einvernehmen zwischen BMG und BMLFUW eine Verordnungsänderung durchzuführen, selbstverständlich – wie vom TSchG vorgeschrieben – unter Bedachtnahme auf die ökonomischen Auswirkungen sowie unter Berücksichtigung der verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte der Eigentums- und Erwerbsfreiheit sowie des Vertrauensschutzes.

 

Wenn die Frage so zu verstehen ist, welche Auswirkung die Umsetzung des vom BMG vorgelegten Begutachtungsentwurfes hätte, so darf auf die Erläuterungen zum Entwurf verwiesen werden. Hier beziffert das BMG selbst die Mehrkosten für die österreichischen Ferkelerzeuger mit € 40 Mio. pro Jahr. Damit ist völlig klar, dass es zu keinerlei Neuinvestitionen mehr käme und Betriebe, die bereits gemäß der EU-Schweineschutzrichtlinie umgebaut haben, ab dem 01.01.2020 ihre Produktion einstellen müssten. Die Betriebe, die noch nicht umgebaut haben, werden nicht gemäß den vom BMG vorgeschlagenen Anforderungen investieren und müssen mit 01.01.2013 ihre Produktion einstellen, da sie dann nicht mehr den EU-Vorgaben entsprechen. Somit wäre bis Ende 2019 mit einer Ferkelerzeugung von noch rund 70 % der bisherigen Erzeugung und ab 2020 nur noch mit einer Restproduktion an Ferkeln zu rechnen. Diese Ausfälle würden jedenfalls durch Ferkel aus anderen Mitgliedstaaten ersetzt, wo nach geltendem EU-Recht die Zuchtsauen in Systemen mit Ferkelschutzkorb gehalten werden.

 

Solange praxisreife und wirtschaftlich vertretbare Systeme zur freien Abferkelung nicht gegeben sind und solange nicht - in die Gespräche bereits eingebrachte - sachgerechte Übergangsfristen akzeptiert werden, kann diesem Entwurf nicht zugestimmt werden.

 

 

Der Bundesminister: