9237/AB XXIV. GP

Eingelangt am 25.11.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

BMJ-Pr7000/0246-Pr 1/2011


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

Zur Zahl 9350/J-NR/2011

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Anwendung des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) nach Inkrafttreten der Brüssel-IIa Verordnung“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Definitionen in der sogenannten Brüssel IIa-Verordnung zum Sorgerecht (Art. 2 Z 9) und zum widerrechtlichen Verbringen (Art. 2 Z 11) sind bei der Auslegung dieser Begriffe (auch in Kindesentführungsfällen) als unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Die Definition des widerrechtlichen Verbringens nach der Brüssel IIa-Verordnung entspricht nach einhelliger Auffassung inhaltlich dem Art. 3 des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ). Gleiches gilt für die Definition des Sorgerechts in der Brüssel IIa-Verordnung, die inhaltlich (unter stärkerer Betonung der Pflichten, die mit dem Sorgerecht verbunden sind) mit dem Art. 5 lit. a HKÜ korrespondiert.


Zu 2:

Diese Definitionen weichen nach den Beobachtungen des Bundesministeriums für Justiz nicht von der in Österreich üblichen Auslegungspraxis vor dem Inkrafttreten der Verordnung ab.

Zu 3:

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage keine wissenschaftliche oder rechtspolitische Bewertung von Akten der unabhängigen Rechtsprechung vornehmen kann.

Zu 4:

Ich bitte auch zu dieser Frage um Verständnis dafür, dass ich im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage keine wissenschaftliche oder rechtspolitische Bewertung von Akten der unabhängigen Rechtsprechung vornehmen kann. Auch scheint mir eine solche Anfragebeantwortung nicht das geeignete Forum zu sein, um die vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach erörterte Rechtslage in anderen Ländern zu referieren. Letztlich steht es mir nicht zu, die Entscheidungen der österreichischen Gerichte, die für die österreichische Praxis maßgeblich sind, allgemein oder auch nur in einem bestimmten Einzelfall zu bewerten.

Zu 5:

Das Bundesministerium für Justiz als Zentrale Behörde nach der Brüssel IIa-Verordnung und nach dem HKÜ trachtet danach, durch seine Informationsarbeit dazu beizutragen, die Bestimmungen dieser internationalen Rechtsinstrumente in den betroffenen Berufsgruppen näher bekannt zu machen und die Kenntnis von der bestehenden Rechtsprechung zu verbessern.

Zu 6:

Das Bundesministerium für Justiz ist weder bereit noch befugt, Entscheidungen der unabhängigen Rechtsprechung zu ignorieren. Dabei ist es sich des Spannungsfeldes bewusst, das in Einzelfällen durch die Bestimmungen des HKÜ, der Brüssel IIa-Verordnung, der nationalen Sorgerechte in den einzelnen Mitgliedstaaten und dem Recht auf Freizügigkeit sowie dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK auftreten kann. Eine Suche nach angemessenen Lösungen dieser Probleme muss aber in den hiefür geeigneten Foren, etwa im Rahmen der anstehenden Revision der Brüssel IIa-Verordnung und in den Spezialkonferenzen zum HKÜ, stattfinden.

 

Wien,        . November 2011

 

 

Dr. Beatrix Karl