9293/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.12.2011
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Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

Werner Faymann

bundeskanzler

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017     W i e n

 

GZ: BKA-353.110/0178-I/4/2011

Wien, am 2. Dezember 2011

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Lichtenecker, Freundinnen und Freunde haben am 3. Oktober 2011 unter der Nr. 9396/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Aktivitäten des Herrn Bundeskanzlers gegen die AKW-Ausbaupläne der tschechischen Bundesregierung gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 17:

Ø Welche konkreten politischen Schritte gedenken Sie in Ihrer Funktion als Bun­deskanzler in den nächsten drei Monaten zu setzen, um gegen die AKW-Aus­baupläne der tschechischen Regierung vorzugehen?


 

Ø Falls Sie dies bereits getan haben: Zu welchem Zeitpunkt haben Sie politische Mittel gesetzt, um gegen die AKW-Ausbaupläne der tschechischen Regierung vorzugehen?

Ø Falls Sie (noch) keine politischen Mittel eingesetzt haben: Wann werden Sie den Protest der österreichischen Bundesregierung vortragen und in welcher Form?

Ø Sind Sie in der Funktion als Bundeskanzler aktiv mit der tschechischen Regie­rung, allen voran Premier Petr Nečas, in Kontakt getreten um entsprechende In­formationen zu den AKW-Ausbauplänen zu erhalten? Wenn ja, wann haben Sie Kontakt aufgenommen?

Ø Welche Informationen haben Sie zu welchem Zeitpunkt von den tschechischen Behörden bzw. der tschechischen Regierung zu den AKW-Ausbauplänen erhal­ten?

Ø Falls Sie (noch) keinen Kontakt aufgenommen haben, wann gedenken Sie dies zu tun?

Ø Haben Sie in Ihrer Funktion als Bundeskanzler Direktverhandlungen mit Premier Petr Nečas aufgenommen, um die österreichische Position zu den AKW-Ausbau­plänen vorzutragen?

Ø Falls Sie (noch) nicht in Direktverhandlungen getreten sind, werden Sie dies tun und wenn ja, wann?

Ø Welche konkreten Schritte auf europäischer Ebene gedenken Sie in Ihrer Funk­tion als Bundeskanzler in den nächsten drei Monaten zu setzen, um gegen die AKW-Ausbaupläne der tschechischen Bundesregierung vorzugehen?

Ø Welche konkreten rechtlichen Möglichkeiten sehen Sie, um gegen die tschechi­schen AKW-Ausbaupläne vorzugehen?

Ø Wie stehen Sie dazu, Klagemöglichkeiten gegen die tschechischen AKW-Aus­baupläne aufzugreifen bzw. gegen fehlerhafte Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) vorzugehen?

Ø Haben Sie in Ihrer Funktion als Bundeskanzler bereits rechtliche Schritte gegen die AKW-Ausbaupläne gesetzt?

Ø Wenn ja, wie sehen diese konkret aus und wann haben Sie diese gesetzt?

Ø Fall Sie (noch) keine rechtlichen Möglichkeiten aufgegriffen haben: Werden Sie dies bis Jahresende tun?

Ø Welche weiteren Aktivitäten haben Sie als Bundeskanzler getätigt, damit die In­teressen Österreichs und der Schutz der österreichischen Bevölkerung im Zu­sammenhang mit den AKW-Ausbauplänen der tschechischen Regierung gewahrt werden?

Ø Welche weiteren Aktivitäten werden Sie als Bundeskanzler tätigen, damit die In­teressen Österreichs und der Schutz der österreichischen Bevölkerung im Zu­sammenhang mit den AKW-Ausbauplänen der tschechischen Regierung gewahrt werden?

Ø Gedenken Sie gemeinsam mit der bayrischen Staatsregierung bzw. der Bundes­republik Deutschland eine Allianz zu bilden, um ggfs. gemeinsam gegen die tschechischen AKW-Ausbaupläne vorzugehen?

 

Einleitend halte ich fest, dass die durch die Fragen angesprochenen Themen in ihrer Mehrheit nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes liegen. Der Bedeu­tung der Thematik entsprechend möchte ich die Fragen zusammenfassend dennoch wie folgt beantworten:


 

Die Bundesregierung hat am 22. März 2011 den Aktionsplan „Internationales Um­denken von der Kernenergie hin zu erneuerbarer Energie und Energieeffizienz“ beschlossen. Der Aktionsplan legt dar, dass sich die Bundesregierung gegen den Bau neuer Kernkraftwerke einsetzt und weiterhin das Ziel des Ausstiegs aus der Kernenergie verfolgt. Ich vertrete diese Anliegen – so wie auch alle anderen Mit­glieder der Bundesregierung – selbstverständlich insbesondere gegenüber meinen Amtskolleginnen und -kollegen der Nachbarstaaten, die derzeit Kernkraftwerke be­treiben oder neue Anlagen planen, mit Nachdruck. Weiters bestätige ich, dass die Bundesregierung in Bezug auf bestehende und zukünftige grenznahe Kernkraftwerke weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen wird, um die berech­tigten Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung zu wahren. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der völker- und europarechtlichen Vorgaben für grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Die von der tschechischen Regierung im August beschlossenen Leitlinien, die in das bis Anfang 2012 zu erstellende Energie- und Rohstoffkonzept einfließen sollen, wer­den von den zuständigen Bundesministerien eingehend geprüft. Der darin zum Aus­druck kommende Grundsatz des langfristigen Ausbaus der Nuklearenergie wird von der Bundesregierung bekanntermaßen abgelehnt, was den tschechischen Amtskol­leginnen und -kollegen bei allen entsprechenden Gelegenheiten kommuniziert wird. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat bezüglich des zukünftigen Energiekonzepts dem tschechischen Umweltministe­rium bereits im September 2010 die mögliche Betroffenheit Österreichs gemäß der Sub-Richtlinie notifiziert und um Konsultationen ersucht. Nach Vorlage des Entwurfs wird sich Österreich jedenfalls an der von der tschechischen Seite als obligatorisch bestätigten grenzüberschreitenden SUP beteiligen und insbesondere die möglichen Auswirkungen von nuklearen Ausbauplänen und -szenarien auf Österreich prüfen lassen. In diesem Zusammenhang wird auch eine umfassende Öffentlichkeitsbetei­ligung stattfinden.

 

Bezüglich der Endlagersuche in Tschechien äußert Österreich seine Anliegen und Bedenken im Rahmen der vom Bundesministerium für europäische und internatio­nale Angelegenheiten geleiteten Treffen auf Basis des bilateralen Nuklearinformati­onsabkommens.


 

Weiters achten die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung in Kontakt mit der Europäischen Kommission laufend auf die Klärung der offenen EU-Rechtsfragen im Hinblick auf das tschechische UVP-Gesetz. Aus österreichischer Sicht ist dabei vor allem wesentlich, dass österreichische NGOs, die an diesbezüglichen UVP-Verfah­ren teilnehmen, in Bezug auf den, dieses Verfahren abschließenden Genehmigungs­akt Zugang zu tschechischen Gerichten haben. Österreich drängt darauf, dass – auch vor dem Hintergrund bereits erfolgter sowie geplanter Anpassungen der tsche­chischen Rechtslage an die EU-rechtlichen Vorgaben – die Europäische Kommission diese Rechtsfragen rasch klärt und das diesbezüglich anhängige Vertragsverlet­zungsverfahren gegen Tschechien rasch vorantreibt. Die Einbringung diesbezügli­cher Klagen durch Österreich selbst bleibt vorbehalten.

 

Mit freundlichen Grüßen