9295/AB XXIV. GP

Eingelangt am 05.12.2011
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                               Wien, am         Dezember 2011

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0202-I/4/2011

 

 

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 9415/J vom 5. Oktober 2011 der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. und 2.:

Grundlage für die nachfolgende Tabelle bilden sämtliche auf Grund von Betriebsprüfungen und Umsatzsteuersonderprüfungen erfolgten Umsatzsteuernachforderungen für die Jahre 2008 bis 2010. Eine Differenzierung nach Betrugsfällen und anderen Gründen für die Umsatzsteuernachforderungen konnte aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht vorgenommen werden.


 

ÖNACE

Branche - Langtext

USt-Nachforderung 2008 - 2010

G 46

GROSSHANDEL (OHNE HANDEL MIT KRAFTFAHRZEUGEN UND KRAFTRÄDERN)

202.473.800

L 68

GRUNDSTÜCKS- UND WOHNUNGSWESEN

135.309.368

G 47

EINZELHANDEL (OHNE HANDEL MIT KRAFTFAHRZEUGEN)

83.291.833

I 56

GASTRONOMIE

68.276.828

F 43

VORBEREITENDE BAUSTELLENARBEITEN, BAUINSTALLATION UND SONSTIGES AUSBAUGEWERBE

61.590.105

F 41

HOCHBAU

61.404.793

H 49

LANDVERKEHR UND TRANSPORT IN ROHRFERNLEITUNGEN

56.943.500

H 51

LUFTFAHRT

52.154.912

M 70

VERWALTUNG UND FÜHRUNG VON UNTERNEHMEN UND BETRIEBEN; UNTERNEHMENSBERATUNG

52.049.155

G 45

HANDEL MIT KRAFTFAHRZEUGEN; INSTANDHALTUNG UND REPARATUR VON KRAFTFAHRZEUGEN

43.427.199

K 64

ERBRINGUNG VON FINANZDIENSTLEISTUNGEN

30.593.473

M 71

ARCHITEKTUR- UND INGENIEURBÜROS; TECHNISCHE, PHYSIKALISCHE UND CHEMISCHE UNTERSUCHUNG

29.527.695

C 11

GETRÄNKEHERSTELLUNG

26.581.490

 

Zu 3. bis 8.:

Die nachfolgenden Tabellen zeigen die Aufgliederung der Nachforderungen an Umsatzsteuer, Lohnabgaben und Sozialabgaben entsprechend der Betriebskategorisierung nach Anzahl der Arbeitnehmer. Eine Differenzierung nach Betrugsfällen und anderen Gründen für die Nachforderungen konnte aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht vorgenommen werden. Auf Grund der bestehenden Datenlage wurde die Betriebskategorisierung wie folgt vorgenommen


 

K3

keine Arbeitnehmer

K2

bis 5 Arbeitnehmer

 

K1

ab 6 bis 50 Arbeitnehmer

 

 

 

Summe Mehrergebnis USt

Betr.kategorie

2008

2009

2010

K1

87.941.108

88.204.480

95.146.781

K2

98.470.646

101.566.072

99.620.168

K3

122.261.462

124.520.960

100.031.105

 

 Betr.kategorie

Summe Mehrergebnis L, DB, DZ, KommSt

2008

2009

2010

K1

47.296.135,45

56.031.518,22

72.274.847,09

K2

21.063.913,55

20.625.547,38

20.593.032,30

K3

10.762.299,51

5.188.664,97

5.308.513,00

 

 

Summe Mehrergebnis SV

Betr.kategorie

2008

2009

2010

K1

26.460.736,66

34.851.871,17

43.000.916,51

K2

11.822.290,74

12.299.370,93

12.505.962,63

K3

6.485.735,05

3.853.621,54

3.460.570,35

 

Eine Aufgliederung nach Nationalität des Geschäftsinhabers ist auf Grund der Datenlage nicht möglich.

 

Zu 9.:

Das Reverse Charge System (Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger) hat sich als Mittel zur Bekämpfung von Steuerbetrug und zur Vermeidung von Steuerausfällen bewährt. Die in § 19 UStG 1994 bereits bestehenden Bestimmungen zum Übergang der Steuerschuld bei Bauleistungen (§ 19 Abs. 1a UStG 1994 – seit 1. Oktober 2002), bei bestimmten Umsätzen von Abfallstoffen (§ 19 Abs. 1d UStG 1994, Schrott-Umsatzsteuer-verordnung BGBl. II Nr. 129/2007 – seit 1. Juli 2007) und bei der Übertragung von Treib-hausgasemissionszertifikaten (§ 19 Abs. 1e UStG 1994 – seit 1. Juli 2010) werden durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 111/2010) sowie das Abgabenänderungsgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 76/2011) wie folgt erweitert:

 


·         Einbeziehung der Reinigungsleistungen (Reinigung von Bauwerken) in den Übergang der Steuerschuld bei Bauleistungen gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 (ab 1. Jänner 2011)

·         Übergang der Steuerschuld bei der Lieferung von Mobilfunkgeräten und integrierten
Schaltkreisen gemäß § 19 Abs. 1e lit. b UStG 1994 (ab 1. Jänner 2012)

Mit Durchführungsbeschluss des Rates vom 22. November 2010 wurde Österreich ermächtigt, für Mobilfunkgeräte und integrierte Schaltkreise das Reverse Charge System einzuführen. Durch den Übergang der Steuerschuld werden in diesem besonders betrugsanfälligen Bereich Steuerausfälle vermieden, die dadurch eintreten, dass der leistende Unternehmer die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht abführt, der Leistungsempfänger aber den Vorsteuerabzug geltend macht. Zum Übergang der Steuerschuld kommt es nur bei im Inland steuerpflichtigen Lieferungen, wenn das in der Rechnung ausgewiesene Entgelt mindestens 5.000 Euro (netto) beträgt.

 

Auch in Zukunft wird eine Ausweitung des Reverse Charge Systems im Rahmen der
EU-rechtlich vorgegebenen Möglichkeiten erfolgen.

 

Abschließend wird auf weitere in den letzten Jahren ergriffene legistische Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und anderer Formen der Umsatzsteuerverkürzung – wie insbesondere Karussellbetrug – hingewiesen:

 

·         Mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007 (BGBl. I Nr. 99/2007) wurde in § 11 UStG 1994 die Verpflichtung des Unternehmers zur Rechnungsausstellung auf steuerpflichtige Werklieferungen und Werkleistungen in Zusammenhang mit Grundstücken ausgedehnt, die an private Leistungsempfänger erbracht werden. Des Weiteren wurde in § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 klargestellt, dass kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, wenn der Unternehmer wusste oder wissen hätte müssen, dass der betreffende Umsatz in ein umsatzsteuerliches Finanzvergehen einbezogen ist.

 

·         Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 (BGBl. I Nr. 52/2009) wurde § 19 Abs. 2 UStG 1994 in Umsetzung der Betrugsbekämpfungsrichtlinie 2008/117/EG dahingehend geändert, dass die Verschiebung des Entstehens der Steuerschuld durch spätere Rechnungsausstellung in jenen Fällen entfällt, in denen die Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 auf den Leistungsempfänger übergeht.

 

·         Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2010 (BGBl. I Nr. 34/2010) wurden in Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 in Umsetzung der RL 2009/69/EG zur Bekämpfung des Steuerbetrugs bei der Einfuhr weitere Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung bei der Einfuhr wegen anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung normiert.

 

Zu 10. und 11.:

Die Bekämpfung und Verhinderung des grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetruges ist ein Schwerpunkt aller europäischen Steuerbehörden und der europäischen Kommission. Wesentliche Elemente der europaweiten Kooperation sind die Verordnung 1798/2003 und die Verordnung 904/2010, welche die europaweite Zusammenarbeit und Amtshilfe in Umsatzsteuerangelegenheiten regeln.

 

Im Einzelnen kommen folgende Instrumente zum Einsatz:

 

·         Auskunftsersuchen gem. Art. 5 der EG-VO 1798/2003

·         Spontanmitteilungen gem. Art. 19 der EG-VO 1798/2003

·         Multilaterale Prüfungen gem. Abschn. 4 der EG-VO 1798/2003

·         EUROFISC gemäß Artikel X der EG-VO 904/2010 als Plattform für einen raschen Informations- und Erfahrungsaustausch in konkreten Umsatzsteuerbetrugs-verdachtsfällen.

 

Zu 12.:

Mit dem Betrugsbekämpfungsgesetz 2010 (BGBl. Nr. I 105/2010) wurden mit Jänner bzw. Juli 2011 folgende Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Einkommensteuer-gesetz neu eingeführt:

 

·         Vermutung der Nettolohnvereinbarung bei Betrugsfällen gemäß § 62a EStG 1988
(ab 1. Jänner 2011)

Zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung gilt bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart. Für den Zeitraum der illegalen Beschäftigung ist das ausbezahlte Arbeitsentgelt auf einen Bruttolohn hochzurechnen. Wird der Steuerpflichtige im Rahmen eines Werk-vertrages tätig und weist dem Auftraggeber die Erfüllung der gesetzlichen Meldepflichten nach (z.B. mittels Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt), so ist nicht von einer Nettolohnvereinbarung auszugehen.

 


·         Haftung bei Beauftragung zur Erbringung von Bauleistungen gemäß § 82a EStG 1988
(ab 1. Juli 2011)

Zur Vermeidung von Betrugsaktivitäten im Baubereich wurde mit einer Auftraggeberhaftung – ähnlich der gesetzlichen Bestimmung im Bereich der Sozialversicherung (§ 67a ff ASVG) – eine Haftungsbestimmung für Bauunternehmer eingeführt, die Aufträge an Subunternehmer weitergeben. Wird die Erbringung von Bauleistungen nach § 19 Abs. 1a UStG 1994 von einem Unternehmen an ein anderes Unternehmen weitergegeben, so haftet das Auftrag gebende Unternehmen (bis max. 5% des geleisteten Werklohns) für die vom Finanzamt einzuhebenden lohnabhängigen Abgaben, die das beauftragte Unternehmen abzuführen hat. Die Haftung entfällt, wenn das beauftragte Unternehmen in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Liste) geführt wird oder wenn das Auftrag gebende Unternehmen 5% des zu leistenden Werklohnes gleichzeitig mit der Leistung des Werklohnes an das Dienstleistungszentrum bei der Wiener Gebietskrankenkasse überweist.

 

·         Direkte Inanspruchnahme des Arbeitnehmers für Lohnabgaben in Betrugsfällen gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 (ab 1. Jänner 2011)

In Betrugsfällen war bisher keine direkte Inanspruchnahme des Arbeitnehmers in § 83 Abs. 2 EStG 1988 vorgesehen. Sind nachweislich Schwarzlohnzahlungen an die Arbeitnehmer geflossen, der Arbeitgeber jedoch mittlerweile insolvent, geht ein Haftungs-bescheid an diesen ins Leere. Mit der Neuregelung kann eine unmittelbare Inanspruchnahme des Arbeitnehmers erfolgen, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich mit dem Arbeitgeber zusammenwirkt und an der Verkürzung der Lohnsteuer mitwirkt. Die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde und schließt die Geltendmachung einer Haftung gegenüber dem Arbeitgeber nicht aus. Daraus ergibt sich, dass diese Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nur subsidiär erfolgen darf.

 

·         Laufende Überwachung der Lohnabgaben durch Datenübermittlung der Sozial-versicherungsträger gemäß § 89 Abs. 6 EStG 1988 (ab 1. Juli 2011)

Zur Sicherstellung einer laufenden Überwachung der als Selbstbemessungsabgaben konzipierten Lohnabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag) sind die bei den Sozial-versicherungsträgern zeitnah vorhandenen Informationen betreffend Anzahl der zum Monatsletzten gemeldeten Dienstnehmer sowie die monatliche Lohnsumme laut Beitrags-nachweisung pro Arbeitgeber an die Abgabenbehörden zu übermitteln. Die Datenüber-mittlung erfolgt im Wege des Datenträgeraustausches oder automationsunterstützt, um die unmittelbare Weiterverarbeitung in einem elektronischen Risikomanagementsystem zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Maria Fekter eh.