937/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.04.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0040-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 895/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Werner Königshofer und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „BAWAG – Strafprozess“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Die in der Anfrage angeführten Fragen betreffen ausnahmslos äußerst umfangreiche und komplexe Verfahren. Die Beantwortung derart detaillierter Fragen würde es erfordern, dass sich mehrere Sachbearbeiter der zuständigen Staatsanwaltschaft neuerlich in diese – teilweise schon abgeschlossenen – Verfahren einlesen. Soweit sich die hier gestellten Fragen auf bereits abgeschlossene Verfahren beziehen, wäre es aufgrund zwischenzeitlich erfolgter personeller Verschiebungen in einigen Fällen für die nun zuständigen Sachbearbeiter sogar notwendig, sich ausschließlich aufgrund der Anfrage, in die Bezug habenden, umfangreichen (abgeschlossenen) Akten neu einzuarbeiten. Aufgrund der komplexen Gerichtsprozesse würde dies in den meisten Fällen einer wochenlangen, wissenschaftlichen Tätigkeit gleichkommen, die neben den Kernaufgaben der Behörde nicht mehr zu leisten ist. Der mit der Anfragebeantwortung verbundene Aufwand ist unvertretbar hoch, zumal die Arbeitskapazität der mit der Ausarbeitung der entsprechenden Berichte befassten Staatsanwälte damit auf längere Zeit vollständig ausgeschöpft wäre und sich die betroffenen Staatsanwälte währenddessen nicht der Bearbeitung der offenen Strafverfahren widmen könnten.

In diesem Zusammenhang darf ich ferner höflich auf die außerordentlich große Zahl derzeit anhängiger komplexer Wirtschaftsstrafsachen und die bekanntermaßen begrenzten personellen Ressourcen verweisen. Die Beantwortung der hier gestellten Fragen konnte daher nur insoweit erfolgen, als der Staatsanwaltschaft Wien eine entsprechende Berichterstattung mit vertretbarem Aufwand möglich war.

Ich darf ferner um Verständnis ersuchen, dass ich mich einer Stellungnahme dort zu enthalten habe, wo die Beantwortung auf eine Würdigung einer bereits von der unabhängigen Rechtsprechung beurteilten Rechtsfrage hinauslaufen würde. Dies gilt selbstverständlich auch für alle Fragen zu Sachverhalten, die noch einer Prüfung in einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren unterzogen sind.

Anhand des Berichtes der Staatsanwaltschaft Wien beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Die Firma AMV spielte im BAWAG-Verfahren keine Rolle. Zudem ist eine über die Vermittlung von Wertpapierverkäufen hinausgehende enge Verbindung dieser Firmen nicht ersichtlich. Der Sachverständige Dr. T. K. erstattete im Rahmen des BAWAG-Verfahrens lediglich zur BAWAG-Bilanz bzw. der Richtigkeit der Bilanzen der BAWAG und ihrer Tochterfirma ein Gutachten, sodass das Erstgericht, das die Frage der Befangenheit des Sachverständigen prüfte, allein aus einer allfälligen steuerlichen Vertretung der Firma AMV keinen Rückschluss auf eine Beeinträchtigung der Objektivität gezogen hat.

Zu 4, 5, 9, 59 bis 63:

Der Zeitraum vor dem Jahr 2000 wurde zwar vom Sachverständigen ebenfalls untersucht, zur Anklage gelangte jedoch nur der Sachverhalt ab dem Jahr 2000, zumal der Schaden fast zur Gänze ab dem Jahr 2000 entstand und somit davon auszugehen war, dass der Zeitraum vor 2000 keine Auswirkungen auf das zu erwartende Strafausmaß haben würde. Teilweise ist der Zeitraum vor dem Jahr 2000 noch Gegenstand eines Verfahrens. Das diesbezügliche Verfahren gegen Dr. T.K. wurde bereits eingestellt.

Generell ist auszuführen, dass der Umfang eines Gutachtens auf den Gutachtensauftrag abzustimmen ist, sodass die vom Gericht zu beurteilende Vollständigkeit eines Gutachtens nur daran zu messen ist. Im Hinblick auf § 192 Abs. 1 Z 1 StPO kann auch bei der Beauftragung eines Sachverständigen eine Gewichtung erfolgen.

Zu 6 bis 8:

Im Zuge des Verfahrens wurden auch Stellungnahmen von privater Seite vorgelegt und im Rahmen der Entscheidungsfindung berücksichtigt und entsprechend beurteilt.

Zu 10 bis 14, 20, 24, 25, 39, 50:

Die Tätigkeit des Dr. T.K. wurde geprüft. Da sich kein Hinweis für ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Genannten ergab, wurde das Verfahren eingestellt.

Zu 15 bis 17:

Diese Fragen betreffen Angelegenheiten, die nicht in die Vollziehungskompetenz des Bundesministeriums für Justiz fallen.

Zu 18, 19, 21 bis 23 und 40:

Nach herrschender Auffassung richtet sich die Methode der Unternehmensbewertung grundsätzlich nach dem Ertragswertverfahren. Die Rechtsprechung lehnt es jedoch ab, eine bestimmte Bewertungsmethode allgemein als rechtlich verbindlich anzusehen. Nach der Rechtsprechung ist die Frage der Unternehmensbewertung ein Problem der Betriebswirtschaftslehre, deren im Regelfall von einem Sachverständigen zu ermittelnde Ergebnisse im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen sind, ob sie der gestellten Bewertungsaufgabe adäquat sind.  Für die Bewertung eines eingebrachten Betriebs in der Bilanz gelten teilweise besondere Bewertungsregeln (vgl. § 202, 203 Abs. 5 UGB).


Zu 26 bis 28:

Diese Fragen beziehen sich auf steuerrechtliche Anforderungen an Belege und fallen daher nicht in die Vollziehungskompetenz des Bundesministeriums für Justiz.

Zu 29 bis 32:

Diese Vorgänge wurden überprüft. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten konnte Frau I.St. nicht nachgewiesen werden.

Zu 33 bis 35:

Diese Fragen beziehen sich auf ein noch anhängiges, nicht öffentliches Verfahren, sodass darüber keine Auskunft erteilt werden kann.

Zu 36 bis 38:

Diese Fragen beziehen sich auf die Aufsicht über Wirtschaftsprüfer, die nicht in den Vollzugsbereich der Bundesministerin für Justiz fällt.

Zu 41 und 42:

Der Sachverhalt wurde der Staatsanwaltschaft Wien zur strafrechtlichen Beurteilung übermittelt.

Zu 43:

Unter dem Begriff Kapitalmarkt ist die Gesamtheit aller Kapitalmarktteilnehmer zu verstehen. Umfasst sind damit nicht nur die aktuellen Aktionäre einer börsenotierten Gesellschaft (dann wäre es eine Frage des Gesellschaftsrechts), sondern auch zukünftige Aktionäre, sonstige institutionelle Investoren sowie Kleinanleger in den verschiedensten Finanzprodukten. Ob sich der Kapitalmarkt der Richtigkeit eines Firmenwertgutachtens sicher sein kann, hängt in erster Linie davon ab, ob die einschlägigen Veröffentlichungsbestimmungen, für die das Bundesministerium für Finanzen zuständig ist, eine Information des Kapitalmarkts überhaupt vorsehen. Betreffend die Bewertung von Unternehmen wird auf die Antwort zu den Fragen 18 bis 22 verwiesen.

Zu 44 bis 50:

Dieser Sachverhalt wird derzeit von der Staatsanwaltschaft Wien geprüft.


Zu 51 bis 57:

Es handelt sich bei diesen Fragen um Angelegenheiten der Wertpapieraufsicht, die nicht in die Vollziehung des Bundesministeriums für Justiz fallen.

Zu 58:

Mangels einer konkreten gesetzlichen Regelung der Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten und mangels eines direkten Vertragsverhältnisses könnte eine Haftung aus Schutzwirkungen des Prüfvertrags zu Gunsten der Dritten oder aus objektiv-rechtlichen Sorgfaltspflichten diesen gegenüber abgeleitet werden.

Zu 64 bis 69:

Die Handlungen des H.G. wurden von der Staatsanwaltschaft Wien geprüft. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten des H.G. ließ sich – insbesondere im Hinblick auf die innere Tatseite - nicht nachweisen.

Zu 70 bis 72:

Bisher sind keinerlei Zusammenhänge zwischen Dr. F. und der Flucht von L. und B. bekannt. Die erhebliche geographische Entfernung zwischen der Isla Margerita und Aruba (ca.700 km) legte entsprechende Ermittlungen auch nicht nahe, zumal die Verwendung der Gelder in der Hauptverhandlung geklärt werden konnte.

Zu 73 bis 77:

Zu diesen Fragen ist ein Verfahren anhängig, weshalb ich hiezu keine Stellungnahme abgeben kann. Allein zur Frage 76 kann ausgeführt werden, dass die Klärung dieser Frage für die strafrechtliche Beurteilung nicht relevant war. Diese Umstände sind Gegenstand des Liquidierungsverfahrens in Luxemburg.

Zu 78:

Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Justiz.

Zu 79, 80, 84 und 87:

Das Verhalten des Dr. M.B. wurde geprüft, das Verfahren wurde jedoch am 30. März 2007 aus Beweisgründen eingestellt, zumal Dr. M.B. sein Aufsichtsratsmandat sofort zurückgelegt hat, als er von den Malversationen erfuhr.


Zu 81 bis 83:

Nach § 95 Abs. 5 Z 12 AktG bedarf der Abschluss von Verträgen mit einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats, durch die sich diese außerhalb ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat gegenüber der Gesellschaft oder einem Tochterunternehmen (§ 228 Abs. 3 UGB) zu einer Leistung gegen ein nicht bloß geringfügiges Entgelt verpflichten, der Genehmigung des Aufsichtsrats. Nach § 87 Abs. 1a AktG haben weiters die als Mitglieder des Aufsichtsrats vorgeschlagenen Personen vor der Wahl der Hauptversammlung ihre fachliche Qualifikation, ihre beruflichen oder vergleichbaren Funktionen sowie alle Umstände darzulegen, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen könnten.

Der Abschluss eines Vertrags zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Aufsichtsrats über rechtsanwaltliche Tätigkeiten bedürfte also im Regelfall der Genehmigung des Aufsichtsrats. Ein schon vor der Wahl zum Mitglied des Aufsichtsrats bestehendes Mandatsverhältnis könnte ein Umstand sein, der von der zur Wahl stehenden Person im Sinn des § 87 Abs. 1a AktG offenzulegen ist.

Im Bereich des rechtsanwaltlichen Berufsrechts ist die Frage der Unvereinbarkeit bestimmter Beschäftigungen mit dem Rechtsanwaltsberuf nach § 20 RAO zu beurteilen. Nach dessen lit. c ist mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft der Betrieb solcher Beschäftigungen unvereinbar, welche dem Ansehen des Rechtsanwaltsstands zuwiderlaufen. Zum Grundsatz der freien Anwaltschaft steht dabei jede besoldete Bindung an ein privates Unternehmen dann in einem unlösbaren Widerspruch, wenn der betreffende Rechtsanwalt oder Eintragungswerber im Hinblick auf diese Bindung in seiner Freiheit bei der Vollmachtsübernahme und der Parteienvertretung in einer Weise beschränkt wird, die geeignet ist, das Ansehen der Rechtsanwaltschaft zu beeinträchtigen.

Die allfällige Unvereinbarkeit einer (Neben-)Beschäftigung mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs ist gegebenenfalls im Disziplinarverfahren zu prüfen. Bei einer Beratungs- oder Vertretungstätigkeit für eine Gesellschaft durch einen Rechtsanwalt, der gleichzeitig ein Mitglied des Aufsichtsrats ist, wird prima vista wohl davon ausgegangen werden können, dass dies jedenfalls dann zulässig ist, wenn diese Tätigkeit außerhalb der organschaftlichen Beratung liegt und der Aufsichtsrat dieser Tätigkeit zustimmt. Da es sich insoweit aber um eine Angelegenheit der beruflichen Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft handelt, ersuche ich um Verständnis, dass ich dazu bezogen auf den konkreten Fall nicht näher Stellung nehmen kann. Auch die Frage, ob und inwieweit die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts aus seiner anwaltlichen Tätigkeit allfälligen Informationserteilungen an ein Organ der von ihm vertretenen Gesellschaft entgegensteht, handelt es sich um eine Angelegenheit des Einzelfalls, die ich nicht kommentieren kann.

Zu 85:

Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht darin, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen. Wie die Geschäftsführung selbst hat auch ihre Kontrolle ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Diese Kontrollaufgabe besteht in der Prüfung, ob die tatsächliche Geschäftsführung im Ganzen und die einzelnen in ihrem Rahmen gesetzten Verhaltensweisen der Geschäftsführung mit den durch das Gesetz und die jeweilige Satzung vorgegebenen Ziele übereinstimmen. Die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats hat sich in folgenden Stufen zu vollziehen: Einholung von Vorstandsberichten, Prüfung der Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Wahrheit dieser Berichte, im Anlassfall Einsicht und Prüfung von Unterlagen und Vorgängen, im Anlassfall auch ausdrückliche Beanstandung eines Geschäftsführungsvorgangs und eventuell Erweiterung der Liste der zustimmungspflichtigen Geschäfte (§ 95AktG). Weiters kommt die Suspendierung eines Vorstandsmitglieds in Frage und schließlich, wenn die Voraussetzungen des   § 75 Abs. 4 AktG gegeben sind (also insbesondere bei grober Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung) der Widerruf der Bestellung des Vorstandsmitglieds oder der Vorstandsmitglieder. Die hier angeführten Überwachungsschritte und Sanktionsmöglichkeiten haben eine Erörterung der Beanstandungen mit dem Vorstand zur Voraussetzung. Ob eventuelle Anzeigepflichten des Aufsichtsrats gegenüber einer Behörde (Finanzmarktaufsicht) bestehen könnten, wäre vom Bundesministerium für Finanzen zu beantworten.

Zu 86:

Aus der Einleitung zu dieser Frage ist ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt nicht abzuleiten. Daher wurde dieser Umstand auch nicht untersucht.

Zu 88:

Primär wird ein Bericht des Vorstands einzufordern sein, über die weitere Vorgangsweise entscheidet der gesamte Aufsichtsrat (s. Antwort zu Frage 85).

Zu 89 bis 91:

Diese Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Justiz.

Zu 92:

Hier gilt das zu den Fragen 85 und 88 Ausgeführte.

Zu 93 bis 96: 

Es wurden alle Aspekte etwaiger Auftrags- und Beitragstäter im Zuge der AMIS-Gruppe untersucht und nicht nur die Angeklagten L. und Mag. B. vor Gericht gestellt. Hinsichtlich Dr. M.B. wird auf die Beantwortung der Fragen 79f verwiesen.

Zu 97 bis 105:

Diese Vorwürfe wurden von der Staatsanwaltschaft Wien untersucht. Die gegen die Mitarbeiter der Finanzmarktaufsicht erhobenen Vorwürfe erwiesen sich jedoch nicht als stichhältig, sodass das Verfahren einzustellen war.

Zu 106 bis 108:

Aus der Einleitung zu den Fragen 106 bis 108 ist kein Hinweis auf einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt abzuleiten.

Zu 109 bis 112:

Dieser Sachverhalt wurde im Rahmen eines nicht öffentlichen Verfahrens geprüft, weshalb darüber keine Auskunft erteilt werden kann. Generell ist jedoch festzuhalten, dass der Tatbestand einer „unzulässigen Verminderung des Kundenbestandes“ dem materiellen Strafrecht nicht bekannt ist.

Zu 113 und 114:

Zunächst ist zu bemerken, dass die Frage, inwieweit das Amtsgeheimnis der Erteilung einer Auskunft entgegensteht, primär von der jeweils befassten Behörde zu beurteilen ist. Ob ein Straftatbestand erfüllt ist, kann jeweils nur anhand der konkret vorliegenden Umstände festgestellt werden. Der hier geschilderte Sachverhalt reicht für eine derartige Beurteilung jedoch nicht aus, sodass sich eine Beantwortung auf zusätzliche hypothetische Annahmen stützen müsste. Die Fragen können daher nicht konkret beantwortet werden.


Zu 115:

Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Justiz.

Zu 116 bis 118:

Gemäß § 198 Abs. 8 Z 1 UGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, soweit sie am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder dem Zeitpunkt ihres Eintritts unbestimmt sind. Als Verbindlichkeiten kommen alle gegenüber Dritten möglicherweise bestehenden Leistungsverpflichtungen in Betracht, die zu einem Vermögensabfluss in der Zukunft führen. Die Ungewissheit einer Verbindlichkeit kann sich auf das Bestehen der Verbindlichkeit, auf deren Höhe oder auf beides beziehen. Trotz Ungewissheit ist jedoch ein bestimmter Grad der Konkretisierung der Verbindlichkeit erforderlich; mit dem Be- oder Entstehen der Verbindlichkeit muss ernsthaft gerechnet werden, es muss wahrscheinlich sein.

Für Entschädigungseinrichtungen iSd § 75 WAG sind Sonderbestimmungen im WAG enthalten: Gemäß § 76 Abs. 3 WAG hat die Entschädigungseinrichtung unverzüglich nach Ablauf des Zeitraums, in dem Anspruchsberechtigte Forderungen anmelden können, Beiträge der Mitgliedsinstitute zur Deckung der Entschädigungsansprüche einzuheben. Gemäß § 76 Abs. 4 hat die Entschädigungseinrichtung zu gewährleisten, dass Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 75 Abs. 3 bis zu einem Höchstbetrag von     20.000 Euro oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Gemäß § 76 Abs. 6 WAG hat die Entschädigungseinrichtung die Beitragseinhebung gemäß Abs. 3 und die Entschädigungsauszahlungen treuhändig abzuwickeln. Sie hat zu diesem Zweck jeweils ein Verzeichnis aller Anlegerforderungen (Abs. 4) und der zu leistenden Beiträge (Abs. 3) zu erstellen. Beiträge gemäß Abs. 3 und Forderungen gemäß Abs. 4 sind unter der Bilanz auszuweisen und hat die Entschädigungseinrichtung keine Rückstellungen gemäß § 198 Abs. 8 UGB zu bilden. Eine Aufstellung des Treuhandvermögens ist als Anhang zum Jahresabschluss auszuweisen.

Eine darüber hinausgehende Beurteilung, welche konkreten Bilanzausweise die AEW GmbH zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen hatte, kann nur von den Gerichten - nach entsprechenden Sachverhaltsermittlungen zur jeweiligen Gefahrenlage - im Rahmen der unabhängigen Rechtsprechung vorgenommen werden.

Zu 119:

Die Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Justiz.

Zu 120 bis 123:

Diese Fragen sind im luxemburgischen Liquidationsverfahren von den dort berufenen Organen zu beurteilen.

Zu 124:

Nach den mir vorliegenden Berichten ist dies auszuschließen.

Zu 125:

Die Entgegennahme von verfahrensrelevanten Unterlagen wurde nach den mir vorliegenden Berichten nicht verweigert.

Zu 126 bis 128:

Allgemein ist auszuführen, dass eine der Dienstbehörde gemeldete Vortragstätigkeit – wie im konkreten Fall für die österreichische Gesellschaft für Wirtschaftstreuhänder – dienstrechtlich unbedenklich ist.

Zu 129:

Diese Frage wird im Rahmen eines noch anhängigen Verfahrens derzeit geprüft.

Zu 130 bis 132:

Diese Fragen können aus den in der Einleitung dargelegten Gründen aufgrund des damit verbundenen Aufwandes nicht beantwortet werden. Ich kann daher nur darauf verweisen, dass sich Dr. M.St. dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hat.

. April 2009

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)