9391/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.12.2011
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BM für europäische und internationale Angelegenheiten
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen haben am 19. Oktober 2011 unter der Zl. 9517/J-NR/2011 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „die skandalösen Vorgänge während der türkischen Parlamentswahlen“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Nein, mir ist nicht bekannt, dass es tatsächlich zu den in der gegenständlichen Anfrage beschriebenen Vorgängen gekommen wäre.
Zu den Fragen 2 und 6 bis 12:
Der Ablauf der Wahlen in Diyarbakir wurde vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) bzw. der Österreichischen Botschaft in Ankara nicht direkt beobachtet, mein diesbezüglicher Wissensstand basiert auf den Berichten internationaler Wahlbeobachter.
Die parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarates (PACE) unter Teilnahme von 61 Parlamentariern aus 30 Ländern, darunter auch Österreich, haben die Parlamentswahlen vom 12. Juni in der Türkei - einschließlich in Diyarbakir - beobachtet.
Ebenso hat das Büro für Demokratische Institutionen und Menschrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE-ODIHR) eine Überprüfungsmission zu den Wahlen entsandt. Die Berichte zu den Wahlen (vgl. etwa
http://assembly.coe.int/Documents/WorkingDocs/Doc11/EDOC12701.pdf) erwähnen einige positive Entwicklungen, etwa die Zulassung der kurdischen Sprache im Wahlkampf, enthalten aber auch Verweise auf die angespannte Lage im Südosten des Landes und die starke Polizeipräsenz während der Wahlen. Wesentliche Kritikpunkte sind vor allem die Beschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit im Zuge des Wahlkampfes.
Grobe Verletzungen des freien und geheimen Wahlrechts - wie in der gegenständlichen Anfrage beschrieben - wurden dagegen von den genannten internationalen Beobachtern oder anderen europäischen Vertretungsbehörden in der Türkei meines Wissens nicht wahrgenommen. Darüber hinaus sind dem BMeiA keine diesbezüglichen Beschwerden der „Friedens- und Demokratiepartei“ BDP bekannt. Auch das endgültige Wahlergebnis in Diyarbakir - die unabhängigen kurdischen BDP Kandidaten konnten dort über 60% der Stimmen gewinnen - gab keinen Anlass, grobe Verletzungen des freien und geheimen Wahlrechts oder einen systematischen Wahlbetrug zu vermuten.
Zu den Fragen 3 bis 5:
Fragen der Menschenrechte und insbesondere der Minderheitenrechte sind sowohl im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei als auch im bilateralen Dialog von zentraler Bedeutung und werden von mir mit Nachdruck und großer Aufmerksamkeit verfolgt.
Die Einhaltung internationaler Minderheitenstandards ist, trotz einiger Verbesserungen, welche auch im jüngsten Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission explizit dargelegt werden, mangelhaft und wird von Österreich immer wieder auch bilateral angesprochen. Achtung und Schutz der Minderheiten gehören zu den politischen Kopenhagener Kriterien, zu deren Erfüllung sich die Türkei im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen verpflichtet hat. Deren Einhaltung wird sowohl von Österreich als auch von EU-Seite konsequent eingemahnt.
Der Fortschritt der Erweiterungsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei ist abhängig von der Erfüllung einer Vielzahl von Kriterien durch die Türkei. Dazu gehört auch der Entwicklungsstand rechtsstaatlicher Strukturen. Das entsprechende Verhandlungskapitel im Beitrittsprozess, „Judikative und Grundrechte“, ist jedoch noch nicht eröffnet worden, da die türkische Seite die Voraussetzungen für den Beginn von Verhandlungen in diesem Bereich noch nicht erfüllt hat.
Zu den Fragen 13 bis 15:
Die österreichische Botschaft in Ankara steht in ständigem Kontakt mit den im Parlament vertretenen Mitgliedern der kurdischen Partei BDP und anderen kurdischen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowohl in Ankara als auch bei verschiedenen Besuchen im Südosten und Osten der Türkei. Dabei wird auch stets der Kontakt zu lokalen Politikern und Bürgermeistern gesucht, um ein ausgewogenes Bild der komplexen Situation zu erhalten. Bei bilateralen Besuchen in der Türkei wird regelmäßig auch die Lage der Kurden von österreichischer Seite thematisiert.