9393/AB XXIV. GP

Eingelangt am 19.12.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0264-Pr 1/2011


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

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Frau
Präsidentin des Nationalrates

Zur Zahl 9496/J-NR/2011

Die Abgeordneten zum Nationalrat Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Anzeige des Justizministeriums gegen den Abg. Gerald Grosz vom 24.5.2011 und das Verfahren 30 St 183/11i-1 wegen des Verdachtes der Verletzung des Amtsgeheimnisses im Bezug auf seine Tätigkeit im ÖBB-Unterausschuss des Rechnungshofausschusses“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 12:

Es hat keine Anzeige des Bundesministeriums für Justiz gegeben. Der Abgeordnete hat – wie auch gegenüber den Medien bekanntgegeben – die Protokolle des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses betreffend „die Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, der ÖBB Holding AG sowie den nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns" an die Staatsanwaltschaft Wien übersendet. Dies wurde vom Bundesministerium für Justiz in Ausübung der Fachaufsicht zum Anlass genommen, die Oberstaatsanwaltschaft Wien zur Berichterstattung über die getroffenen Maßnahmen zu ersuchen.

Auf Grund der medialen Berichterstattung bestand Anlass, die vor dem Unterausschuss abgelegten Aussagen für die genannten Ermittlungsverfahren prüfen zu lassen, weshalb die Fachabteilung im Bundesministerium für Justiz um Berichterstattung ersucht hat. Die zu Grunde genannten Verfahren unterliegen schon auf Grund ihrer Bedeutung per se, aber auch wegen ihrer Behandlung vor dem erwähnten Unterausschuss, der Berichtspflicht gemäß § 8 Abs. 1 StAG.

Das Ersuchen war deshalb so allgemein gehalten, weil der Wissensstand verbreitert werden sollte, welche konkreten Schritte in den bereits anhängigen Verfahren der Staatsanwaltschaft Wien bzw. der vormaligen Korruptionsstaatsanwaltschaft auf Grund der Aussagen vor dem Ständigen Unterausschuss in Aussicht genommen werden bzw. ob daraus neue Erkenntnisse gewonnen werden können.

Diese Formulierung hat jedoch offensichtlich das Missverständnis verursacht, bloß über die rechtliche Einordnung der Veröffentlichung der Tatsache der Übermittlung von Protokollen und der medialen Begründung unter Hinweis auf divergierende Aussagen von Auskunftspersonen zu berichten.

Tatsächlich wäre ein Ermittlungsverfahren nicht einzuleiten gewesen, weil von vornherein feststand, dass § 310 Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht nicht erfüllt sein konnte. Ein Ausschuss gemäß Art. 52b B-VG[1] wird nämlich durch diese Strafbestimmung ausdrücklich nicht erfasst, was der Oberstaatsanwaltschaft Wien nach Prüfung durch die Fachabteilung meines Ressorts am 14. September 2011 auch zur Kenntnis gebracht wurde.

Insoweit erweisen sich die Eintragungen in das Register (hier wurde das Bundesministerium für Justiz als anzeigende Stelle und Abgeordneter zum Nationalrat Gerald Grosz als Beschuldigter erfasst) als überschießend.

Im Übrigen bestand gegen den Abgeordneten auch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wien keine Verdachtslage, die für eine Beschuldigung im Sinne von § 48 Abs. 1 Z 1 StPO[2] konstitutiv ist, sodass auch nach dem Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 8. Juli 2009, JABl. Nr. 23/2009, kein Vorgehen gemäß Art. 57 Abs. 3 B-VG erforderlich war.[3]

Im konkreten Fall wurde die Oberstaatsanwaltschaft Wien mit Erlass vom 6. Oktober 2011, der ebenfalls am 12. Oktober 2011 abgefertigt wurde, darauf hingewiesen, dass es richtig gewesen wäre, von der Einleitung eines Strafverfahrens mangels Vorliegens des objektiven Tatbestands einer Straftat (§ 1 StPO) abzusehen. Ergänzend wurde bemerkt, dass Ersuchen um Berichterstattung, die keinen Verfolgungswillen erkennen lassen, nicht in das St-Register (Strafsachen gegen namentlich bekannte Beschuldigte), sondern in das NSt-Register (sonstige Geschäftstücke) einzutragen wären.

Die Bedeutung der Immunität wurde nicht nur durch den erwähnten Erlass hervorgestrichen, sondern ist auch Gegenstand der jährlichen Besprechung mit den Leiterinnen und Leitern der Staatsanwaltschaften; die Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen wird im Übrigen als Gegenstand der Berichtspflicht von der zuständigen Fachabteilung genau geprüft.

Der gegenständliche Fall wurde schließlich auch von der zuständigen Fachabteilung meines Ressorts zum Anlass genommen, Ersuchen um Berichterstattung exakter zu formulieren.

Letztendlich ist es zu vermeidbaren Missverständnissen gekommen, die dem betroffenen Abgeordneten auch offengelegt wurden.

 

 

 

Wien,      . Dezember 2011

 

 

 

Dr. Beatrix Karl



[1] Artikel 52b. (1) Zur Überprüfung eines bestimmten Vorganges in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung wählt der Ausschuss gemäß Art. 126d Abs. 2 einen ständigen Unterausschuss. Diesem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören.

(2) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

     [2] “Beschuldigter” ist jede Person, die auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben.

     [3] Von einer Verfolgung eines Mitgliedes des Nationalrates (bzw. anderer gesetzgebender Körperschaften) im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG, die die Einholung der Zustimmung des Nationalrates erforderlich macht, kann somit erst dann gesprochen werden, wenn sich der Verdacht der Begehung einer Straftat nach einer objektiven Betrachtungsweise konkret gegen dieses Mitglied richtet. Die Erhebung jener Umstände, die überhaupt erst klären sollen, welche Person konkret verdächtigt wird und welche bestimmten Tatsachen dies begründen, ist noch keine Verfolgungshandlung gegen eine konkrete Person.