940/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.04.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0043-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 898/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Harald Vilimsky und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „’Das sagt Österreich’ vom 29.1.2009“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1a - c:

Nach § 283 Abs. 2 StGB ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen (unter anderem) ein Volk hetzt oder dieses in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich macht. Unter „Hetzen“ ist eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zum Hass und zur Verachtung zu verstehen. Es genügt eine tendenziös verzerrte Darstellung, insofern diese zumindest grundsätzlich geeignet ist, zum Hass und zur Verachtung gegen eine bestimmte Gruppe aufzureizen. „Verächtlich“ macht der Täter ein Volk, wenn er durch seinen Angriff der Gruppe unmittelbar oder mittelbar das Recht auf eine ihrer Menschenwürde entsprechende Behandlung abspricht, also den Angegriffenen das Lebensrecht als gleichwertige Menschen bestreitet oder die Angehörigen der Gruppe als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung darstellt. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede verallgemeinernde Unmutsäußerung schon den Tatbestand der Verhetzung erfüllt. Dem Täter muss dabei bewusst sein, durch seine Äußerung zu Hass und Verachtung gegen die von diesem Straftatbestand geschützte Gruppe aufzurufen.

Der Artikel „Die Tschetschenen werden ein Problem“ in der Tageszeitung „Österreich“ vom 29. Jänner 2009 bezieht sich vor dem Hintergrund des auch mediales Aufsehen erregenden Mordfalls U. I. auf in der jüngeren Vergangenheit zum Gegenstand von Strafverfahren und medialer Berichterstattung gewordene Straftaten, in die in Österreich aufhältige Asylanten bzw. Asylwerber aus Tschetschenien involviert bzw. an denen diese beteiligt waren bzw. gewesen sein sollen.

Nach der offensichtlichen Tendenz des Autors stellt der Artikel einen Appell an die Innenministerin dar, Asylmissbrauch von durch erhebliche Straftaten in Erscheinung getretenen Flüchtlingen mit den Mitteln des Rechtsstaates zu unterbinden. Eine Verhetzung im Sinne der obigen Ausführungen liegt nach der von der Fachabteilung meines Hauses geteilten Ansicht der staatsanwaltschaftlichen Behörden nicht vor, weil der gegenständliche Kommentar ein Werturteil im Rahmen einer öffentlich geführten sicherheitspolitischen Debatte enthält, das auf eine hinreichend faktische Basis gestützt wird und die journalistische Freiheit, in einem gewissen Maß auf Mittel der Übertreibung und Provokation zurückzugreifen, nicht exzessiv in einer Form missbraucht wurde, die zum Hass und zur Verachtung gegen das Volk der Tschetschenen aufreizt. Vielmehr werden durch Gewaltdelikte und andere schwere Verbrechen in Erscheinung getretene Fremde auf der einen Seite und der Umgang des Staates mit Asylwerbern und Flüchtlingen ohne und mit krimineller Vergangenheit bzw. Gegenwart auf der anderen Seite unter Bezugnahme auf konkrete Beispiele problematisiert.

Auch der Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 StGB ist schon deshalb nicht erfüllt, weil keine bestimmte oder erkennbare Person oder Personenmehrheit genannt wird und eine pauschale Beleidigung von Angehörigen eines bestimmten Volkes nicht tatbildmäßig im Sinne dieser Bestimmung ist.

Ich ersuche um Verständnis, dass ich im Hinblick auf die Gerichtsanhängigkeit der Strafsache gegen die Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Susanne Winter keine rechtliche Bewertung zur Frage abgebe, worin sich dieser Fall von dem dieser Anfrage zu Grunde liegenden Zeitungskommentar unterscheidet.

. April 2009

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)