9509/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.12.2011
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
NIKOLAUS BERLAKOVICH
Bundesminister
An die Zl. LE.4.2.4/0160-I 3/2011
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 22. DEZ. 2011
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen vom 25. Oktober 2011, Nr. 9624/J,
betreffend Totalherbizid Glyphosat
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen vom 25. Oktober 2011, Nr. 9624/J, teile ich Folgendes mit:
Zu Frage 1:
Am 29. September 2010 wurde im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit über die „Richtlinie 2010/77/EU hinsichtlich des Ablaufes der Fristen für die Aufnahme bestimmter Wirkstoffe in den Anhang I“, darunter auch der Wirkstoff „Glyphosate“, abgestimmt. Gleichzeitig wurde der Leitfaden zum Verfahrensablauf der Wiederbewertung offiziell zur Kenntnis genommen. Alle Mitgliedstaaten stimmten dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zu.
Zu den Fragen 2 und 4:
Im Rahmen der Verlängerung bzw. Erneuerung der Zulassung von Glyphosate wurden neue Studien und Erkenntnisse sowohl von Industrie und Herstellern als auch von Dritten an die Europäische Kommission und insbesondere an den „Bericht erstattenden Mitgliedstaat“ (Deutschland) herangetragen. Eine detaillierte Aufstellung über die ausgewerteten wissenschaftlich validen Studien wird im Rahmen der Bewertung durch den „Bericht erstattenden Mitgliedstaat“ erstellt.
Da die analoge Anfrage bereits in der Bundesrepublik Deutschland von den Abgeordneten Harald Ebner, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/6858) gestellt wurde, können die entsprechenden weiteren Fakten zu dieser Anfrage der Beantwortung im deutschen Bundestag direkt entnommen werden (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/071/1707168.pdf).
Zu Frage 3:
Die Verordnung (EU) Nr. 1141/2010 der Kommission vom 7. Dezember 2010 zur Festlegung des Verfahrens für die erneute Aufnahme einer zweiten Gruppe von Wirkstoffen in den Anhang I wurde unter den Bestimmungen der Richtlinie 91/414/EWG erarbeitet. Allerdings gelten für „AIR 2“ bereits die Bewertungskriterien der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Deshalb ist zusätzlich zur Verordnung (EU) Nr. 1141/2010 die entsprechende Leitlinie SANCO/10387/2010 (Guidance Document on the renewal of active substances included in Annex I of Council Directive 91/414/EEC to be assessed in compliance with Regulation (EU) No. 1141/2010) zu berücksichtigen.
Zu den Fragen 5 und 6:
Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung wird auf die Homepage der AGES (www.ages.at) und die dort publizierten Stellungnahmen zu Glyphosate verwiesen.
Zu Frage 7:
Wissenschaftlich valide Studien bei denen embryonale Missbildungen festgestellt werden, werden in jedem Fall in der Risikobewertung berücksichtigt.
Zu Frage 8:
Die im Zulassungsverfahren vorgelegten Studien der Zulassungsinhaber sowie öffentlich zugängliche Dokumente rechtfertigen zurzeit keine weiteren Risikominimierungsmaßnahmen für die Anwendungsbereiche der bestehenden Zulassungen.
Zu Frage 9:
Höchstmengen für Lebensmittel und Futtermittel sind wie für alle Pflanzenschutzmittelwirk-stoffe (und deren mögliche Metaboliten/Abbauprodukte) einheitlich in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 geregelt. Diese Höchstmengen, deren Ableitung eine Risikoabschätzung für den Konsumenten bzw. die Konsumentin inkludiert und auf Basis von wissenschaftlich erstellten Studien, die den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungsstand gerecht werden, abgeleitet werden, können über die offizielle Homepage der „DG SANCO“ abgerufen werden (http://ec.europa.eu).
Zu den Fragen 10 bis 12:
Eine Änderung von Höchstmengen, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 (Lebens- und Futtermittel) in Kraft sind, ist auf Antrag jederzeit möglich. Das Verfahren zur Abänderung einer Höchstmenge ist genau geregelt. Eine Bewertung der Höchstmenge erfolgt auf Basis der vom Antragsteller eingereichten wissenschaftlichen Studien zum Rückstandsverhalten und zur Toxikologie (bzw. falls vorhanden und wissenschaftlich valide, der veröffentlichten Literatur) durch die EFSA. Eine Festlegung von Grenzwerten erfolgt ausschließlich auf EU-Ebene.
Zu Frage 13:
Vom EU-Referenzlabor für Einzelmethoden (CVUA Stuttgart) werden Informationen für die nationalen Referenzlaboratorien über analytische Methoden zur Verfügung gestellt. Mit dieser Methode können in pflanzlichen Erzeugnissen mit hohem Wassergehalt mehrere Wirkstoffe simultan bestimmt werden. Das Kompetenzzentrum der AGES in Innsbruck ist auf die Untersuchung von Pflanzenschutzmittelrückständen spezialisiert. Die amtlich eingereichten Proben werden mittels Multimethode auf ca. 500 Wirkstoffe untersucht. Zusätzlich hat das Kompetenzzentrum der AGES in Innsbruck eine analytische Methode für die Bestimmung von Glyphosat und AMPA (Metabolit von Glyphosat) in Obst, Gemüse, Getreide und Futtermitteln entwickelt.
Zu Frage 14:
Von den amtlichen Laboratorien führt nur das Kompetenzzentrum der AGES in Innsbruck Untersuchungen auf Glyphosat durch. Die Analyse dauert je nach Dringlichkeit zwischen 3 und 10 Arbeitstagen und kostet € 277,-- (exkl. MwSt.). Adjuvantien wie POE-Tallowamine und ihre Rückstände sind keine Pflanzenschutzmittel und werden nicht untersucht.
Zu den Fragen 15 und 24:
Für den Einsatz (Verwendung) von Pflanzenschutzmitteln liegen keine Statistiken vor. Mit der neuen „Verordnung (EG) Nr. 1185/2009 über Statistiken zu Pestiziden“ werden die Mitgliedstaaten in Zukunft verpflichtet, Daten über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu erheben.
Zu Frage 16:
Der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit liegen dazu keine Daten vor.
Zu Frage 17:
Im Jahr 2010 wurden 9 Sojaproben im Rahmen der Futtermittelkontrolle des Bundesamts für Ernährungssicherheit untersucht, weiters gab es zwei Privataufträge. Alle Gehalte waren unauffällig.
|
Glyphosatuntersuchungen im Jahr 2010 |
||
|
Futtermittel |
Art der Probe /Bundesland |
Glyphosat mg/kg |
|
Sojasextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in NÖ |
4,20 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in NÖ |
1,17 |
|
Sojabohne |
Hoheitliche Probe in OÖ |
0,08 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in OÖ |
3,53 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in OÖ |
0,37 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in OÖ |
3,98 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in OÖ |
3,95 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in Stmk |
0,43 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Hoheitliche Probe in Stmk |
0,98 |
|
Sojasextraktionsschrot |
Privatprobe |
2,17 |
|
Sojaextraktionsschrot |
Privatprobe |
1,98 |
Zu Frage 18:
Die Einfuhr von Futtermitteln, Vormischungen und Zusatzstoffen nicht tierischen Ursprungs ist gemäß § 5 Abs. 1 der österreichischen Futtermittel-Verordnung 2010 nur über die Grenzeintrittsstellen Flughafen Wien, Flughafen Linz, Bahnhof Buchs und Tisis zulässig.
Zu Frage 19:
Im Rahmen der Gewässerzustandsüberwachungsverordnung (GZÜV 2006 i.d.g.F.) wurden der Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat und dessen Metabolit AMPA im Jahr 2004 beobachtet. Die Anzahl aller Messungen, Nachweise über der Bestimmungsgrenze sowie Schwellenwertüberschreitungen (>0,1 µg/l) je Bundesland wird in folgender Tabelle zusammengefasst:
|
Bundesland |
GLYPHOSAT µg/l |
AMPA µg/l |
||||
|
Anzahl Messungen |
Anzahl > BG |
Anzahl > 0,1 |
Anzahl Messungen |
Anzahl > BG |
Anzahl > 0,1 |
|
|
Burgenland |
469 |
2 |
0 |
469 |
22 |
4 |
|
Kärnten |
502 |
0 |
0 |
502 |
0 |
0 |
|
Niederösterreich |
376 |
0 |
0 |
376 |
2 |
2 |
|
Oberösterreich |
289 |
0 |
0 |
289 |
0 |
0 |
|
Salzburg |
209 |
0 |
0 |
209 |
3 |
2 |
|
Steiermark |
730 |
4 |
2 |
733 |
6 |
2 |
|
Tirol |
685 |
0 |
0 |
685 |
0 |
0 |
|
Vorarlberg |
268 |
1 |
0 |
268 |
15 |
3 |
|
Wien |
168 |
0 |
0 |
168 |
1 |
0 |
|
Gesamtergebnis |
3696 |
7 |
2 |
3699 |
49 |
13 |
Für Österreich gab es im Jahr 2004 demnach insgesamt 2 Schwellenwertüberschreitungen für das Herbizid Glyphosat bzw. 13 Schwellenwertüberschreitungen für dessen Abbauprodukt AMPA. Detailliertere Informationen zu den einzelnen Messungen sind aus der Beilage ersichtlich.
Für das Jahr 2013 ist im Rahmen des GZÜV-Messprogramms wiederum ein bundesweit flächendeckendes Monitoring der beiden Parameter an über 2000 Grundwassermessstellen vorgesehen.
Im Jahr 2010 hat das Bundesministerium für Gesundheit eine Schwerpunktaktion (Monitoring) zu aktuellen Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen und entsprechenden Metaboliten im Trinkwasser durchgeführt. Insgesamt wurden bei dieser Aktion österreichweit 114 Proben untersucht. Für Glyphosat und dessen Metaboliten AMPA wurden keine Überschreitungen des Wertes von 0,1 µg/l gefunden. Es ist geplant, im kommenden Jahr neuerlich eine entsprechende Aktion durchzuführen.
Zu Frage 20:
Seit 2010 ist die Untersuchung von Glyphosat in Getreide im Rahmen des mehrjährigen koordinierten Kontrollprogramms der EU in allen Mitgliedstaaten obligatorisch.
Zu Frage 21:
In dieser Publikation ist die Relevanz der gefundenen Effekte für die landwirtschaftliche Praxis kaum behandelt worden. Darüber hinaus sind die genannten Effekte in erster Linie bei herbizidtoleranten Kulturpflanzensorten aufgetreten. In Österreich werden keine glyphosate-toleranten Kulturpflanzen angebaut. Glyphosate-hältige Herbizide werden in Österreich seit Jahrzehnten zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. Nachteilige Effekte auf Bodenfruchtbarkeit und Krankheitsauftreten sind bislang nicht bekannt geworden.
Zu Frage 22:
Wie bereits bei anderen Fragen erwähnt, ist eine erneute Bewertung in Durchführung. Es gibt dazu derzeit keine offiziell für die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten verfügbaren Ergebnisse.
Zu Frage 23:
Im Rahmen des Zulassungsverfahrens werden auch toxikologische Untersuchungen mit Formulierungen durchgeführt. Somit wird ein mögliches Zusammenwirken von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen mit den Beistoffen hinsichtlich akut toxischer Effekte erfasst.
Zu Frage 25:
Die landwirtschaftliche Praxis ist in Österreich nicht einheitlich und von Betriebsstruktur und Bewirtschaftungsform abhängig. Aus dieser Sicht sind keine Informationen zugänglich, die eine klare Aussage in Hinblick auf die Fragestellung ermöglichen. Zu erwähnen ist jedoch, dass Glyphosate v.a. im nicht landwirtschaftlichen Bereich breite Anwendung finden (Nichtkulturland/Kommunalflächen, Haus- und Kleingartenbereich, Gleisanlagen, etc.).
Zu den Fragen 26 und 27:
Die Abschätzung von Risiken in Bezug auf den Einsatz von Herbiziden erfolgt grundsätzlich im Rahmen der Pflanzenschutzmittelzulassung auf Basis der Richtlinie 91/414/EWG bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Im Rahmen dieses Zulassungsverfahrens wird auch die Wirkung von Herbiziden auf Organismen und Boden bewertet.
Der Antragsteller bzw. die Antragstellerin muss durch Studien belegen, dass die zu erwartende Anwendungspraxis des Herbizides im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Pflanzenschutzmittelbewertung steht.
Zu Frage 28:
Folgende Studien sind dem zuständigen Bundesamt für Ernährungssicherheit bekannt:
§ Kleter GA, Harris C, Stephenson G, Unsworth J, 2008.
Comparison of herbicide regimes and the associated potential environmental effects of
glyphosate-resistant crops versus what they replace in Europe. Pest Management Science, 64: 479-488
§ Hawes C, Haughton AJ, Osborne JL, Roy DB, Clark SJ, Perry JN, Rothery P, Bohan DA, Brooks DR, Champion GT, Dewar AM, Heard MS, Woiwod IP, Daniels RE, Young MW, Parish AM, Scott RJ, Firbank LG, Squire GR, 2003.
Responses of plants and invertebrate trophic groups to contrasting herbicide regimes in the Farm Scale Evaluations of genetically modified herbicide-tolerant crops. Philosophical Transactions ofthe Royal Society, London B, 358: 1899-1915
§ Albajes R, Eizaguirre M, Casado D, Pérez M, López C, Lumbierres B, Pons X, 2007.
Impact of glyphosate use on arthropods related to the cultivation of transgenic herbicide-tolerantmaize. IOBC/wprs Working Group ‘GMOs in Integrated Plant Production’, 3rd EIGMO Meeting “Ecological Impact of Genetically Modified Organisms (EIGMO)”,
http://iobcgmo.sggw.pl/image/programe.pdf
§ Strandberg B, Pedersen MB, 2002.
Biodiversity in glyphosate tolerant fodder beet fields–timing of herbicide application. NERI
Technical Report no. 410. Silkeborg, Denmark: National Environmental Research Institute,
http://www2.dmu.dk/1_viden/2_Publikationer/3_fagrapporter/rapporter/FR410.pdf
§ Brooks DR, Bohan DA, Champion GT, Haughton AJ, Hawes C, Heard MS, Clark SJ, Dewar AM, Firbank LG, Perry JN, Rothery P, Scott RJ, Woiwod IP, Birchall C, Skellern MP, Walker JH, Baker P, Bell D, Browne EL, Dewar AJG, Fairfax CM, Garner BH, Haylock LA, Horne SL, Hulmes SE, Mason NS, Norton LR, Nuttall P, Randle Z, Rossall MJ, Sands RJN, Singer EJ, Walker MJ, 2003. Invertebrate responses to the management of genetically modified herbicide-tolerant and conventional spring crops. I. Soil-surface-active invertebrates. Philosophical Transactions of the Royal Society, London B, 358: 1847-1862
§ Heard MS, Clark SJ, Rothery P, Perry JN, Bohan DA, Brooks DR, Champion GT, Dewar AM, Hawes C, Haughton AJ, May MJ, Scott RJ, Stuart RS, Squire GR, Firbank LG, 2006.
Effects of successive seasons of genetically modified herbicide-tolerant maize cropping on weeds and invertebrates. Annals of Applied Biology, 149: 249-254
§ Zablotowicz RM, Reddy KN, 2007.
Nitrogenase activity, nitrogen content, and yield responses to glyphosate in glyphosate-resistant soybean. Crop Protection, 26: 370-376
§ Butler SJ, Vickery JA, Norris K, 2007.
Farmland biodiversity and the footprint of agriculture. Science, 315: 381-384
Der Bundesminister: