9512/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.12.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0307-I/A/15/2011

Wien, am 21. Dezember 2011

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 9623/J der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Eingangs möchte ich darauf hinweisen, dass Zulassungs- und Bewertungsfragen ebenso wie die Überwachung des Verkehrs und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit liegen. Daher liegen Zulassungsunterlagen bzw. Daten über Anwendungskontrollen und zur Marktüberwachung von Pflanzenschutzmitteln meinem Haus nicht vor. Die Mitarbeiter/innen des Bundesministeriums für Gesundheit verfolgen die Entwicklungen auf diesem Gebiet selbstverständlich, da Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf oder in Lebensmitteln bzw. im Trinkwasser in den Zuständigkeitsbereich meines Ressorts fallen.

Frage 1:

Im Rahmen der Verlängerung bzw. Erneuerung der Zulassung von Glyphosat wurden neue Studien und Erkenntnisse, sowohl von der Industrie und den Herstellern, als auch von Dritten an die Europäische Kommission und insbesondere an den „Bericht erstattenden Mitgliedstaat“ (Reporting Member State – RMS) Deutschland herangetragen. Eine detaillierte Aufstellung über die ausgewerteten wissenschaftlich validen Studien wird durch den RMS jeweils im Rahmen der Bewertung erstellt.


Da die analoge Anfrage bereits in Deutschland von den Abgeordneten Harald Ebner, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/6858 – gestellt wurde, können die entsprechenden weiteren Fakten zu dieser Anfrage der Beantwortung im deutschen Bundestag – Drucksache 17/7168, vom 27.9.2011 entnommen werden (siehe dazu den Link zum Dokument auf der Website des Deutschen Bundestages http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/071/1707168.pdf ).

Fragen 2 und 3:

Im Zusammenhang mit diesen Fragestellungen darf ich auf die Website der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) und die dort publizierten Stellungnahmen verweisen (siehe dazu die Links zur AGES Website http://www.ages.at/landwirtschaft/landwirtschaftliche-sachgebiete/pflanzenschutzmittel/aktuelles/ages-zu-glyphosat/ bzw. http://www.ages.at/landwirtschaft/landwirtschaftliche-sachgebiete/pflanzenschutzmittel/aktuelles/ages-zu-glyphosat/stellungnahme-zu-teratogenen-effekten-von-glyphosat/ und http://www.ages.at/landwirtschaft/landwirtschaftliche-sachgebiete/pflanzenschutzmittel/aktuelles/ages-zu-glyphosat/stellungnahme-der-ages-zur-toxizitaet-von-glyphosat/).

Frage 4:

Bei dem in der Frage erwähnten Bericht der Deutschen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) an die zuständigen EU-Behörden handelt es sich um den „Draft Assessment Report“ (DAR) aus dem Jahr 1998 zu Glyphosat, der von Deutschland als Bericht erstattender Mitgliedstaat im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung erstellt wurde. In diesem DAR wurden alle im Verfahren vorgelegten und damals in der publizierten Literatur verfügbaren toxikologischen und ökotoxikologischen Studien einschließlich der Methodik und der Ergebnisse beschrieben. Laut diesem DAR wurden in einzelnen Studien nach Verabreichung von (unrealistisch) hohen Dosis-Mengen, die bereits für einen Teil der Muttertiere tödlich waren, über vereinzelte Befunde am Herzen berichtet (Herzerweiterung, Ventrikelseptumdefekte). In der Mehrzahl der Studien, die nach anerkannten Qualitätsstandards durchgeführt wurden, traten solche Effekte nicht auf.


Für die gesundheitliche Risikobewertung ist zu berücksichtigen, dass die Zufuhr einer unphysiologisch hohen Dosis chemischer Stoffe, die bereits primär bei den Muttertieren zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden oder zu Mortalität führen, auch sekundär an den sich entwickelnden Nachkommen Schäden auslösen können.

Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Daten ist deshalb anzunehmen, dass der Wirkstoff Glyphosat – ausgehend von realistisch zu erwartenden Einsatz- und damit Rückstandsmengen in Lebensmitteln und Trinkwasser- keine für den Menschen relevanten entwicklungsschädigenden Eigenschaften besitzt. Diese Einschätzung wurde im gemeinschaftlichen Bewertungsverfahren der EU für Glyphosat von den anderen EU-Mitgliedstaaten bestätigt und wird auch weiterhin von den europäischen und außereuropäischen Bewertungsbehörden (z.B. U.S. EPA) sowie von internationalen Organisationen (z.B. WHO) geteilt.

 

Frage 5:

Wissenschaftlich valide Studien – nicht nur mit Glyphosat – bei denen embryonale Missbildungen festgestellt werden, werden in jedem Fall in der Risikobewertung berücksichtigt.

Frage 6:

Die im Zulassungsverfahren vorgelegten Studien der Zulassungsinhaber/innen sowie öffentlich zugängliche Dokumente rechtfertigen derzeit keine weiteren Risikominimierungsmaßnahmen für die Anwendungsbereiche der bestehenden Zulassungen (siehe dazu die Beantwortungen der Fragen 2 und 3). Im Übrigen verweise ich darauf, dass Zulassungsfragen oder Anwendungseinschränkungen für Pflanzenschutzmittel nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit liegen.

Fragen 7 und 8:

Im Zusammenhang mit diesen Fragestellungen verweise ich auf die Website der AGES und die dort publizierten Stellungnahmen (siehe dazu die Beantwortung zu den Fragen 2 und 3).

 

Frage 9:

Höchstgehalte an Pestizidrückständen (Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und deren Metaboliten und Abbauprodukte) in oder auf Lebens- und Futtermitteln sind EU-weit einheitlich in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 geregelt. Diese Höchstgehalte, deren Ableitung eine Risikoabschätzung für die Konsument/inn/en inkludiert und die auf Basis von wissenschaftlich erstellten Studien abgeleitet werden, die den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, können über die offizielle Website der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher (DG SANCO) der Europäischen Kommission (EK) abgerufen werden. Auf der Website sind alle Höchstgehalte, die für Lebensmittel und Futtermittel gelten, gelistet (siehe dazu den Link http://ec.europa.eu/sanco_pesticides/public/index.cfm ).

 

Im Trinkwasser gilt für Pestizide (mit Ausnahme des niedrigeren Grenzwertes von 0,03 µg/l für einige Stoffe) der gemäß Trinkwasserverordnung – TWV festgelegte Grenzwert (Parameterwert) von 0,1 µg/l. Dieser Wert gilt auch für Glyphosat. Für dessen Metaboliten AMPA, der als toxikologisch nicht-relevant bewertet wurde, gilt ein Aktionswert von 3 µg/l (siehe dazu das Dokument „Aktionswerte bezüglich nicht relevanter Metaboliten von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen in Wasser für den menschlichen Gebrauch“ http://www.bmg.gv.at/cms/home/attachments/3/5/2/CH1252/CMS1167208341459/konsolidierte_fassung.pdf.

 

Frage 10:

Eine Änderung von Rückstandshöchstgehalten in oder auf Lebens- und Futtermitteln, die gemäß Verordnung (EG) Nr. 396/2005 in Kraft sind, ist auf Antrag jederzeit möglich. Das Verfahren zur Abänderung eines Höchstgehaltes ist genau geregelt. Der Antrag wird beim zuständigen Bericht erstattenden Mitgliedstaat der EU (Reporting Member State – RMS) eingereicht, wobei gleichzeitig eine Information an die Europäische Kommission (EK) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergeht. Nach eingehender Prüfung der übermittelten Unterlagen durch den RMS wird der Bewertungsbericht an die EFSA übermittelt. Diese erstellt dann innerhalb von 3 Monaten eine mit Gründen versehene Stellungnahme („Reasoned Opinion“), die Entscheidungsgrundlage zur Verabschiedung eines „neuen“ Höchstgehaltes ist. Die Verabschiedung (Abstimmung) des Höchstgehaltes, an der alle Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind, erfolgt im ständigen Ausschuss. Nach Konsultation durch das Europäische Parlament (EP) erfolgt schließlich eine Veröffentlichung im Amtsblatt der EU. Ab diesem Zeitpunkt ist dann der „neue“ Höchstgehalt rechtsverbindlich.


Eine Bewertung des Höchstgehaltes erfolgt auf Basis der von der/vom Antragsteller/in eingereichten wissenschaftlichen Studien zum Rückstandsverhalten und zur Toxikologie (bzw. falls vorhanden und wissenschaftlich valide, der veröffentlichten Literatur). Eine Risikoabschätzung für die Konsument/inn/en, die alle Verzehrsgruppen (also auch Kinder, Vegetarier/innen, Senior/inn/en) inkludiert, wird schließlich als Entscheidungsgrundlage für die mögliche Änderung des Höchstgehaltes durchgeführt.


Rückstandshöchstgehalte für Lebensmittel und Futtermittel werden zurzeit ausschließlich für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe (Pestizide) und deren Abbauprodukte festgesetzt. Für Beistoffe (beispielsweise POE-Tallowamine) ist eine derartige Vorgehensweise im Rahmen der Bewertung von Pflanzenschutzmitteln gesetzlich nicht vorgesehen.

 

Fragen 11 und 12:

Zum Verfahren und den entsprechenden Möglichkeiten zur Änderung von Rückstandshöchstgehalten verweise ich auf die Beantwortung zu Frage 10. Im Falle eines entsprechenden Antrages bzw. bei Vorliegen neuer, wissenschaftlich valider Studien wird vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat (RMS) ein entsprechender Vorschlag, welcher gemäß den Vorgaben zur wissenschaftlichen Bewertung dem letzten Stand der Wissenschaft entspricht, an die beteiligten Stellen der EU (EFSA, EK) übermittelt.

Frage 13:

Vom EU-Referenzlabor für Einzelmethoden (CVUA Stuttgart) werden Informationen für die nationalen Referenzlaboratorien über analytische Methoden zur Verfügung gestellt. Mit diesen Methoden können in pflanzlichen Erzeugnissen mit hohem Wassergehalt mehrere Wirkstoffe simultan bestimmt werden.


Das auf die Untersuchung von Pflanzenschutzmittelrückständen spezialisierte AGES-
Kompetenzzentrum Pflanzenschutzmittel-Rückstände (CC-PSMR) in Innsbruck ist das nationale Referenzlabor (NRL). Die amtlich eingereichten Proben werden mittels Multimethode auf ca. 500 Wirkstoffe untersucht. Daneben können mittels Mehrkomponentenmethode folgende Wirkstoffe nachgewiesen werden: Ethephon, Chlormequat, Mepiquat, Diquat, Maleinsäurehydrazid, Fosethyl-Aluminium, Daminozid, Amitrol.

 

Das AGES CC-PSMR in Innsbruck hat als NRL zusätzlich eine analytische Methode für die Bestimmung von Glyphosat und AMPA (Metabolit von Glyphosat) in Obst, Gemüse, Getreide und Futtermitteln entwickelt. Die analytische Methode wurde im Journal of Food Analytical Methods zur Publikation eingereicht („Determination of glyphosate and its metabolite AMPA in cereals after derivatization by isotope dilution and UPLC-MS/MS“).

 

Trinkwasseruntersuchungen auf Pestizide werden im AGES-Kompetenzzentrum Hydroanalytik (CC HYDRO) in Linz durchgeführt. Im Trinkwasser kann Glyphosat aufgrund seiner Polarität nicht mit den üblichen Multimethoden erfasst werden. Die Bestimmung von Glyphosat sowie des Metaboliten AMPA aus Wasserproben ist durch ISO 21458:2008 (Einzelmethode nach Derivatisierung und Fluoreszenz- bzw. massenselektiver Detektion) normiert.


Adjuvantien wie POE-Tallowamine und ihre Rückstände sind keine Pflanzenschutzmittel und werden daher nicht untersucht.

 

Frage 14:

Von den amtlichen Laboratorien führt nur das AGES CC-PSMR in Innsbruck Untersuchungen auf Glyphosat in Lebens- und Futtermitteln durch. Nach der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs wird gemäß der Rückstandsdefinition Glyphosat sowie zusätzlich der Metabolit AMPA untersucht. Die Analyse dauert je nach Dringlichkeit zwischen 3 und 10 Arbeitstagen und kostet € 277,-- exkl. MwSt.

 

Die von der AGES CC HYDRO in Linz durchgeführte Untersuchung von Glyphosat und dessen Metabolit AMPA im Trinkwasser dauert je nach Dringlichkeit zwischen 3 und 10 Arbeitstagen und kostet € 270,- exkl. MwSt.

 

Wie bereits ausgeführt, werden Adjuvantien wie POE-Tallowamine und ihre Rückstände nicht untersucht, da sie keine Pflanzenschutzmittel sind.