9742/AB XXIV. GP
Eingelangt am
16.01.2012
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0317-Pr 1/2011 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 9847/J-NR/2011
Die Abgeordneten zum Nationalrat Erwin Spindelberger, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „JuristInnen in der Unternehmensberatung“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1, 2 und 5:
Nach § 8 Abs. 1 RAO kommt die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen, außergerichtlichen, allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten grundsätzlich den Rechtsanwälten zu. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung unter anderem in der Notwendigkeit einer geordneten Rechtspflege, ein Erfordernis, das insbesondere durch das strenge Berufs- und Standesrecht der Rechtsanwälte gewährleistet und sichergestellt wird. Insoweit soll sie – wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2002, Zl. 99/19/0124, ausdrücklich festgehalten hat – auch die Parteien (also Private ebenso wie Unternehmer) vor unqualifizierten Rechtsauskünften sowie Beistands- und Vertretungsleistungen schützen.
Freilich macht das Gesetz in § 8 Abs. 2 und 3 RAO von der grundsätzlich den Rechtsanwälten vorbehaltenen Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erhebliche Ausnahmen. § 8 Abs. 2 RAO ordnet zunächst an, dass die Berufsbefugnisse, die sich aus den österreichischen Berufsordnungen für Notare, Patentanwälte, Wirtschaftstreuhänder und Ziviltechniker ergeben, von der Anordnung des § 8 Abs. 1 RAO nicht berührt werden. Damit im Zusammenhang sehen etwa die §§ 3 ff. Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) doch weitreichende Befugnisse der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater auch im Bereich der Rechtsberatung und -vertretung vor. Konkret ordnet beispielsweise § 3 Abs. 2 Z 5 bzw. § 5 Abs. 2 Z 6 WTBG an, dass der Berechtigungsumfang auch die Beratung in Rechtsangelegenheiten umfasst, soweit diese mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten unmittelbar zusammenhängen.
Darüber hinaus wird in § 8 Abs. 3 RAO angeordnet, dass von der Befugnis der Rechtsanwälte zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung jedenfalls „auch die in sonstigen gesetzlichen Bestimmungen des österreichischen Rechts eingeräumten Befugnisse von Personen oder Vereinigungen zur sachlich begrenzten Parteienvertretung, der Wirkungsbereich von gesetzlichen Interessenvertretungen und von freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer, die Auskunftserteilung oder Beistandsleistung durch Personen oder Vereinigungen, soweit sie nicht unmittelbar oder mittelbar dem Ziel wirtschaftlicher Vorteile dieser Personen oder Vereinigungen dienen, sowie in sonstigen gesetzlichen Bestimmungen des österreichischen Rechts eingeräumte Befugnisse, die in den Berechtigungsumfang von reglementierten oder konzessionierten Gewerben fallen“, unberührt bleiben.
Eine entsprechende, gesetzlich ausdrücklich eingeräumte Befugnis findet sich unter anderem auch für das reglementierte Gewerbe der Unternehmensberatung, wo § 136 Abs. 3 GewO 1994 vorsieht, dass die Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung zur Vertretung des Auftraggebers vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts berechtigt sind.
Diese Beispiele zeigen, dass nach österreichischem Recht bereits jetzt bestimmte rechtsberatende Tätigkeiten als „Nebenbefugnis“ zu konkreten beruflichen Befugnissen vorgesehen und zulässig sind, sofern ein unmittelbarer Zusammenhang mit der eigentlichen beruflichen Tätigkeit besteht und dies in den für die jeweilige Berufsgruppe maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen ist. Diese Form der „Annexberatung“ hat gleichzeitig den Vorteil, dass damit jene Probleme vermieden werden, die mit einer – etwa in § 5 des deutschen Rechtsdienstleistungsgesetzes vorgesehenen – nicht näher definierten generellen Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit in der Praxis verbunden sind.
Für den in der Anfrage konkret angesprochenen Beruf des Unternehmensberaters würde sich durch eine dem § 5 des deutschen Rechtsdienstleistungsgesetzes nachgebildete Regelung tatsächlich auch kaum etwas ändern, weil auch nach geltendem österreichischen Recht das Berufsbild des Unternehmensberaters das maßgebliche Abgrenzungskriterium für die Befugnisse rund um § 136 Abs. 3 GewO 1994 ist, dieses Berufsbild in der Rechtsprechung aber gerade im hier interessierenden Bereich sehr einschränkend ausgelegt wird (siehe etwa die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 9. August 2006, 4 Ob 111/06m).
Aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz besteht angesichts der geltenden österreichischen Rechtslage insgesamt kein Bedarf nach einem gesonderten „Rechtsdienstleistungsgesetz“.
Zu 3 und 4:
Bereits derzeit ist es (unter anderem) Rechtsanwälten und Notaren auf der Grundlage vertraglicher Übereinkünfte möglich, sowohl mit Angehörigen anderer freier Berufe als auch mit Gewerbetreibenden zusammenzuarbeiten. Dies ist auch gelebte und gut funktionierende Praxis. Nicht zulässig ist aber die „Vergesellschaftung“ mit Angehörigen anderer Berufsgruppen. Grund dafür ist insbesondere, dass in einer solchen Gesellschaft die eigenverantwortliche Erbringung der rechtsanwaltlichen und notariellen Leistungen sowie die Wahrung der strengen beruflichen Verschwiegenheitspflicht nicht verlässlich sichergestellt werden könnte. Entsprechendes gilt auch für das Verbot der Doppelvertretung. Auch sind die die Rechtsanwälte und Notare treffenden Berufspflichten mit jenen anderer Berufsgruppen nicht vergleichbar. Dies gilt umso mehr für gewerbliche Berufe, bei denen es durchwegs ein Standes- und Disziplinarrecht überhaupt nicht gibt.
Aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz ist zudem nicht recht ersichtlich, welchen Mehrwert eine Vergesellschaftung sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite haben soll, zumal es bei einem Rechtsanwalt oder Notar „berufsimmanent“ ist, dass er Leistungen, die von seinem Berufsbild nicht umfasst sind, von dritter Seite abfragt und er hier auch über entsprechende „Netzwerke“ mit Angehörigen anderer Berufsgruppen verfügt.
Ungeachtet dieser Punkte will sich das Bundesministerium für Justiz aber einer seriös geführten Diskussion rund um dieses Thema natürlich nicht verschließen. Eine solche Diskussion findet aktuell im Rahmen einer vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend eingerichteten Arbeitsgruppe statt, zu deren Mitgliedern auch Vertreter meines Hauses zählen.
Wien, . Jänner 2012
Dr. Beatrix Karl