9961/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.02.2012
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Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017     W i e n

 

GZ: BKA-353.110/0007-I/4/2012

Wien, am 7. Februar 2012

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Huber, Kolleginnen und Kollegen haben am 7. Dezember 2011 unter der Nr. 10093/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Enteignung der Tiroler Stammliegenschaftsbesitzer gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 8 und 10:

Ø  Ist Ihnen bekannt, dass sich die Enteignungsmaßnahmen der Tiroler Landesre­gierung nur gegen die Grundbesitzer im Tiroler Oberland, im Wipptal, im Zillertal und in Osttirol richten, nicht jedoch gegen die Masse der Grundbesitzer im Tiroler Unterland, sodass eine eklatante Ungleichbehandlung der Tirolerinnen und Tiro­ler anzuprangern ist?

Ø  Ist Ihnen bekannt, dass diese Enteignungsmaßnahmen, welche zu unzähligen Streitigkeiten in allen betroffenen Tiroler Gemeinden führen, mit einer kleinen No­velle zum Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 bereinigt werden können, weil das Verfassungsgerichtshoferkenntnis Slg 18.446/2008 von falschen Prämissen ausgeht, die durch den falschen erstinstanzlichen Agrarbehördenbescheid vom 9.11.2006 in die Welt gesetzt wurden?

Ø  Ist Ihnen bekannt, warum die Tiroler Landesregierung sich mit aller Kraft dagegen stemmt, dass die entschädigungslose Enteignung der Grundbesitzer im Tiroler Oberland, im Wipptal, im Zillertal und in Osttirol mit dieser Novelle zum Flurver­fassungs-Grundsatzgesetz 1951 gestoppt wird?


Ø  Ist Ihnen bekannt, warum die Tiroler Landesregierung sich mit aller Kraft dagegen stemmt, dass nicht nur die Grundbesitzer im Tiroler Unterland, welche das Ge­meindegut vor Jahrzehnten und Jahrhunderten aufgeteilt haben, sondern auch die übrigen Tirolerinnen und Tiroler ihr Eigentum ungeschmälert behalten kön­nen?

Ø  Wären Sie bereit, die entschädigungslose Enteignung der 18.000 betroffenen Ti­rolerinnen und Tiroler durch eine kleine Novelle zum Flurverfassungs-Grundsatz­gesetz zu stoppen, weil das Verfassungsgerichtshoferkenntnis Slg 18.446/2008 von falschen Prämissen ausgeht, die durch den falschen erstinstanzlichen Agrar­behördenbescheid vom 9.11.2006 in die Welt gesetzt wurden? Wenn nein, wa­rum nicht?

Ø  Ist Ihnen bekannt, dass die Tiroler Landesregierung sich im Glauben befindet, dass die betroffenen Tirolerinnen und Tiroler ihren Grundbesitz vor Jahrzehnten und Jahrhunderten den heutigen Ortsgemeinden gestohlen hätten, sodass die heutigen, entschädigungslosen Enteignungen – sozusagen als "Rückdiebstahl" – moralisch gerechtfertigt wären?

Ø  Ist die Sichtweise der Tiroler Landesregierung, welche die Privatisierung der his­torischen Bauernwälder in der Zeit seit 1909 als "Diebstahl" und "Landraub" an­prangert, für Sie nachvollziehbar, wenn alle diese Privatisierungen in ordentli­chen, rechtsstaatlichen Verfahren durchgeführt wurden, in denen üblicherweise jedes Detail vorab durch Parteienvereinbarung mit den Ortsgemeinden vereinbart war? Wenn ja, warum?

Ø  Verfügt die Österreichische Bundesregierung über die Möglichkeit, anerkannte Historiker nach Tirol zu vermitteln, welche im Stande wären, die Tiroler Landes­regierung über die historischen Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Wäldern aufzuklären? Insbesondere darüber aufzuklären, wie das heutige Bundeseigen­tum an rund 90.000 ha Tiroler Wäldern, wie das Einzeleigentum an Wäldern in Tirol, wie das Waldeigentum der Stifte Wilten und Stams und wie das Eigentum an den Agrargemeinschaftswäldern in Tirol wirklich entstanden ist?

Ø  Wollen Sie Ihre Autorität als Bundeskanzler der Republik Österreich dafür ein­setzen, dass die Tiroler Landesregierung die historische Forschung Ernst nimmt, sodass diese Landesregierung die Grundbesitzer von Kematen/Tirol, deren Rechtsvorgänger unter der historisch üblichen Bezeichnung "Gemeinde Kema­ten" im Jahr 1352(!) als Eigentümer der Kemater Alm anerkannt wurden, auch heute als wahre Eigentümer eben dieser Alm anerkennt?

 

Diese Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzleramts.

 

Zu Frage 9:

Ø  Können Sie als Bundeskanzler aller Österreicher hinnehmen, dass 18.000 Öster­reicherinnen und Österreicher von der Tiroler Landesregierung entschädigungs­los enteignet werden, ungeachtet seit Jahrzehnten rechtskräftig abgeschlossener Verfahren? Wenn ja, warum?

 

Auch diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzler­amts. Die endgültige Beurteilung der Frage der Verfassungskonformität dieser Maß­nahmen obliegt dem Verfassungsgerichtshof.

 

Mit freundlichen Grüßen