9966/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.02.2012
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BM für Landesverteidigung und Sport

Anfragebeantwortung

Adler groß

MAG. NORBERT DARABOS

BUNDESMINISTER FÜR LANDESVERTEIDIGUNG UND SPORT

S91143/284-PMVD/2011                                                                                        7. Februar 2012

Frau
Präsidentin des Nationalrates

Parlament

1017 Wien

Die Abgeordneten zum Nationalrat Tadler, Kolleginnen und Kollegen haben am 7. Dezember 2011 unter der Nr. 10099/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "Landesverteidigung und Neutralität" gerichtet. Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu 1 bis 5 und 10:

Nach herrschender Lehre [vgl. Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 (2007), S. 77 und 95] ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass eine Gesamtänderung der Bundesverfassung dann anzunehmen ist, wenn zumindest eines der sogenannten Grundprinzipien oder Baugesetze der Bundesverfassung inhaltlich geändert wird. Diese Grundprinzipien sind nicht im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) aufgezählt, sondern haben sich vor allem aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und aus der rechts­wissenschaftlichen Lehre entwickelt. Über die Zahl der Grundprinzipien und ihren Inhalt besteht keine einhellige Meinung. Übereinstimmung herrscht über das Bestehen des demo­kratischen, republikanischen, bundesstaatlichen und rechtsstaatlichen Grundprinzips. Auch das liberale und das gewaltentrennende Prinzip werden in der Lehre als Grundprinzipien be­trachtet. Die verfassungsrechtliche Grundlage der immerwährenden Neutralität Österreichs bildet das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs, BGBl. Nr. 211/1955. Eine damit zusammenhängende untrennbare Verbindung mit einem bestimmten Wehrsystem ist der Bundesverfassung hingegen nicht zu entnehmen.

Zu 6 und 9:

Nach Art. 23j Abs. 1 B-VG wirkt Österreich an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik (GASP) der Europäischen Union (EU) auf Grund des Titels V des EU-Vertrages mit. Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine verfassungsrechtliche Grundlage zur Teilnahme Österreichs an Einsätzen im Rahmen der GASP der EU besteht. Explizit ist auch in der Einsichtsbemerkung des Herrn Bundespräsidenten zur Ratifikationsurkunde für die EU‑Verfassung vom 14. Juni 2005 unter Pkt. 5. festgehalten: „5. Es ist auch behauptet worden, dass durch den EU-Verfassungsvertrag der Österreichische Staatsvertrag und/oder die Österreichische Neutralität abgeschafft oder irrelevant werden.

Dazu darf zunächst festgestellt werden, dass der EU-Verfassungsvertrag auf den Österreichischen Staatsvertrag keinerlei Auswirkungen hat – ebenso wie er auch auf völkerrechtliche Verträge anderer EU-Mitgliedsstaaten keine Auswirkungen hat.

Was die Österreichische Neutralität betrifft darf darauf hingewiesen werden, dass nicht nur die konkreten Verpflichtungen Österreichs aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität (keine Beteiligung an einem Krieg, kein Beitritt zu einem Militärpakt und keine Stationierung fremder Truppen auf österreichischem Territorium) aufrecht bleiben, sondern dass im Europäischen Verfassungsvertrag ausdrücklich festgehalten ist, dass die Bestimmungen über die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik “nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitglieds­staaten“ berühren. Daher wird sowohl in der Regierungsvorlage, als auch im Bericht des Verfassungsausschusses darauf verwiesen, dass diese so genannte „irische Klausel“ den neutralen Staaten weiterhin die Möglichkeit gibt, ihren Verpflichtungen aus der Neutralität nachzukommen. Auch das in diesem Zusammenhang erforderliche Einstimmigkeitsprinzip trägt dazu bei, dass es weiterhin in der Hand Österreichs und der österreichischen Bundesregierung liegt, auf die Neutralität Österreichs und auf die Charta der Vereinten Nationen Bedacht zu nehmen.“

Zu 7:

Ja. Ein Freiwilligenheer – insbesondere im Rahmen der ESVP – kann grundsätzlich im Rahmen realistischer personeller Zielsetzungen und unter der derzeit gegebenen geopoliti­schen Lage, alle jene Aufgaben bewältigen, die unser derzeitiges System erfüllt. Voraus­setzung ist allerdings, dass die Rahmenbedingungen für eine personelle Rekrutierung, für den Ein- und Ausstieg in umfassender gesamtstaatlicher Weise geschaffen werden sowie die finanzielle Sicherstellung des Gesamtsystems im erforderlichen Umfang gewährleistet wird.


Zu 8:

Ja; diese Frage stellt sich für mich nicht.

Zu 11:

Ich habe den Generalstab am 5. September 2011 mit der Planung und Umsetzung von drei Pilotprojekten zwecks Erprobung einer allfälligen Aussetzung der Wehrpflicht und Umstellung auf ein Freiwilligenheer auf Basis der Empfehlungen der Bundesheerreform­kommission beauftragt. Da die Umsetzung der Pilotprojekte erst ab Anfang Februar 2012 vorgesehen ist, ersuche ich um Verständnis, dass ich von einer konkreten, weiterführenden Aussage absehe.

Zu 12:

Nein.