9972/AB XXIV. GP
Eingelangt am 07.02.2012
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Februar 2012
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0258-I/4/2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 10098/J vom 7. Dezember 2011 der Abgeordneten Erich Tadler, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Die Staats- und Regierungschefs erzielten beim Europäischen Rat am 17. Dezember 2010 Einvernehmen darüber, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einen ständigen Stabilitätsmechanismus einrichten müssen.
Am 25. März 2011 nahm der Europäische Rat den Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Artikels 136 AEUV hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, an, womit Artikel 136 folgender Absatz angefügt wird:
"Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen."
Durch diesen Vertrag richten die Vertragsparteien untereinander eine internationale Finanzinstitution ein, die den Namen "Europäischer Stabilitätsmechanismus" ("ESM") trägt. Die Vertragsparteien sind die ESM-Mitglieder. Der ESM-Vertrag ist demnach ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den einzelnen Mitgliedern des ESM, der vom österreichischen Parlament mit einfacher Mehrheit beschlossen wird.
Zu 2.:
Der Europäische Rat einigte sich im Dezember 2010 auf die Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus auf Basis einer begrenzten Vertragsänderung (siehe Frage 1). Es handelt sich daher um keine grundlegende Änderung des EU-Rechts.
Zu 3.:
Der ESM ist eine Institution außerhalb der Europäischen Verträge. Europäisches Recht muss nur unwesentlich dafür geändert werden. Die Änderung des Artikels 136 ist nur geringfügig und an sich keine Voraussetzung für das Inkrafttreten des ESM-Vertrages.
Der Juristische Dienst des Rates hat dies mehrfach bestätigt.
Zu 4.:
Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und in weiterer Folge der ESM können auf Basis eines Abkommens zwischen einem Mitgliedstaat und der EFSF bzw. des ESM sowie zwischen einem Mitgliedstaat und der Europäischen Kommission finanzielle Hilfsprogramme vergeben, wenn andernfalls die Stabilität des jeweiligen Landes bzw. des gesamten Eurowährungsgebiets ernstlich gefährdet wäre. Es werden keine automatischen Hilfen geleistet, sondern jeweils nur nach eingehender Prüfung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds und nur gegen Unterzeichnung eines „Memorandum of Understanding“ ("MoU"), in dem die mit der Finanzhilfefazilität verbundenen Auflagen im Einzelnen ausgeführt werden.
Die EFSF und der ESM bewegen sich dabei völlig im Rahmen des geltenden Europäischen Rechts, was wiederholt vom Juristischen Dienst des Rates bestätigt wurde.
Zu 5.:
Für jedes Mitgliedsland ist jeweils das Regierungsmitglied mit der Zuständigkeit für Finanzen im Gouverneursrat vertreten.
Zu 6.:
Alle Eurozonen Mitgliedstaaten sind ESM Mitglieder.
Österreich verpflichtet sich, wie alle anderen Mitgliedsländer des ESM, seine Kapitalanteile unwiderruflich und uneingeschränkt einzuzahlen.
Zu 7.:
Wird ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied, so wird das genehmigte Stammkapital des ESM automatisch erhöht.
Der Gouverneursrat überprüft das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals des ESM regelmäßig, mindestens jedoch alle fünf Jahre. Er kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern. Dieser Beschluss tritt in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben.
Die Erhöhung des Stammkapitals kann nur einstimmig im Gouverneursrat erfolgen.
Zu 8.:
Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM stützt sich auf den Schlüssel für die Zeichnung des EZB-Kapitals durch die nationalen Zentralbanken der ESM-Mitglieder.
Der gesamte österreichische Kapitalanteil beträgt 19,4838 Mrd. €, was 2,7834% entspricht. Davon sind 2,2267 Mrd. € innerhalb der ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten einzuzahlen und weitere 17,2571 Mrd. € als abrufbares Kapital zu garantieren.
Zeichnungen des genehmigten Stammkapitals
|
ESM-Mitglied
|
Anzahl der Anteile
|
Kapitalzeichnung (EUR) |
|
Königreich Belgien |
243 397 |
24 339 700 000 |
|
Bundesrepublik Deutschland |
1 900 248 |
190 024 800 000 |
|
Republik Estland |
13 020 |
1 302 000 000 |
|
Irland |
111 454 |
11 145 400 000 |
|
Hellenische Republik |
197 169 |
19 716 900 000 |
|
Königreich Spanien |
833 259 |
83 325 900 000 |
|
Französische Republik |
1 427 013 |
142 701 300 000 |
|
Italienische Republik |
1 253 959 |
125 395 900 000 |
|
Republik Zypern |
13 734 |
1 373 400 000 |
|
Großherzogtum Luxemburg |
17 528 |
1 752 800 000 |
|
Malta |
5 117 |
511 700 000 |
|
Königreich der Niederlande |
400 190 |
40 019 000 000 |
|
Republik Österreich |
194 838 |
19 483 800 000 |
|
Portugiesische Republik |
175 644 |
17 564 400 000 |
|
Republik Slowenien |
29 932 |
2 993 200 000 |
|
Slowakische Republik |
57 680 |
5 768 000 000 |
|
Republik Finnland |
125 818 |
12 581 800 000 |
|
Insgesamt |
7 000 000 |
700 000 000 000 |
Zu 9.:
Versäumt es ein ESM-Mitglied, den Betrag, der aufgrund seiner Verpflichtungen im Zusammenhang mit eingezahlten Anteilen oder Kapitalabrufen oder im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Finanzhilfe vorgeschrieben wird, in voller Höhe zu begleichen, so werden sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds solange ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist.
Nimmt ein ESM-Mitglied die aufgrund eines Kapitalabrufs erforderliche Einzahlung nicht vor, beschließt der Gouverneursrat geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das betreffende ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM innerhalb vertretbarer Zeit begleicht. Der Gouverneursrat hat das Recht, auf den überfälligen Betrag Verzugszinsen zu erheben.
Zu 10.:
Diese Frist erstreckt sich auf die Dauer für die ein ESM-Mitglied seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Zu 11.:
Die besagte unwiderrufliche und uneingeschränkte Verpflichtung schreibt vor, dass die Einzahlung der von jedem ESM-Mitglied gezeichneten Anteile in fünf jährlichen Raten zu erfolgen hat. Die erste Rate muss von jedem ESM-Mitglied innerhalb von fünfzehn Tagen nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Vertrags eingezahlt werden. Ein ESM-Mitglied kann aber auch beschließen, die Zahlung seines Anteils am eingezahlten Kapital zu beschleunigen.
Zu 12.:
Artikel 10 besagt, dass das Board of Governors die Vergabekapazitäten des ESM zumindest alle fünf Jahre evaluieren muss. Das impliziert in keinster Weise eine Änderung des Kapitals. Erhöhungen müssen vom Board of Governors einstimmig beschlossen werden und treten
erst in Kraft, wenn dies von allen Mitgliedsländern ratifiziert wurde. In Österreich erfolgt diese Ratifikation durch das Parlament.
Zu 13.:
Detailregelungen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Statuten festgelegt.
Zu 14.:
Nationale Regierungen sind durch die Finanzminister/innen der Mitgliedsländer des ESM im Gouverneursrat vertreten. Der Gouverneursrat erhält regelmäßige Berichte über die Gebarung des ESM.
Zu 15.:
Der ESM wird eine „supranationale Finanzinstitution“ vergleichbar mit dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Entwicklungsbanken oder der Europäischen Investitionsbank. Die Bestimmungen zu den Rechten des ESM, seinen Leitungsgremien und zur Immunität entsprechen den internationalen Standards dieser Finanzinstitutionen.
Grundsätzlich entsteht durch den ESM-Vertrag eine funktionelle Immunität für Handlungen, die in der Funktion des ESM-Gouverneurs gesetzt wurden. Im Falle einer schuldhaften Rechtsverletzung durch ein Mitglied des Gouverneursrates ist eine rechtliche Verfolgung nicht ausgeschlossen.
Da im Gouverneursrat die jeweiligen Finanzminister/innen der einzelnen Mitgliedsländer vertreten sind, besteht jederzeit eine politische Verantwortung für alle vom jeweiligen Gouverneur mitgetragenen Entscheidungen.
Zu 16.:
Der ESM wird regelmäßig vom Board of Auditors geprüft werden, dem Mitglieder von nationalen Rechnungshöfen angehören. Dessen Berichte werden regelmäßig den nationalen Rechnungshöfen und Parlamenten zur Verfügung gestellt werden.
Zu 17.:
Der ESM wird entsprechend der gängigen Praxis einen Jahresbericht veröffentlichen und den Mitgliedsländern eine quartalsweise Erfolgsrechnung übermitteln.
Zu 18.:
Die Gouverneure werden die Finanzminister/innen der einzelnen Mitgliedsländer sein und somit Mitglieder einer gewählten Regierung.
Die Direktoren werden von den Gouverneuren bestellt.
Mit freundlichen Grüßen