35/ABPR XXIV. GP

Eingelangt am 07.05.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Präsidentin des Nationalrats

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten Mag.a Jarmer, Kolleginnen und Kollegen haben am 8. März 2010 an die Präsidentin des Nationalrates die schriftliche Anfrage betreffend die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung (32/JPR) gerichtet. Die gegenständliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

Allgemeine Bemerkungen:

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde mittels der Regierungsvorlage 564 d.B. (XXIII. GP) dem Nationalrat übermittelt. Am 9. Juli 2009 hat der Nationalrat - abgesehen von der Genehmigung - beschlossen, dass der gegenständliche Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist ersichtlich, dass Österreich den sich aus dem Übereinkommen ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung bereits weitestgehend entsprochen hat. Zur Angleichung des rechtlichen Rahmens erinnere ich daran, dass insbesondere eine Novelle zum Bundesbehindertengesetz in Entsprechung von Art. 33 des Übereinkommens (innerstaatliche Durchführung und Überwachung) vom Nationalrat am 9. Juli 2009 beschlossen wurde1. Im Zuge dieser Novelle wurde unter anderem beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ein Unabhängiger Monitoringausschuss eingerichtet.

 

1 https://iwww.parlament.gv.at/PG/DE/XXIII/BNR/BNR_00269/pmh.shtml.


Die gegenständliche schriftliche Anfrage richtet sich an die Präsidentin des Nationalrates und kann daher nur beschränkt auf den Wirkungsbereich/Vollzugsbereich eines Präsidenten/einer Präsidentin des Nationalrates beantwortet werden. In diesem Zusammenhang darf ich auf meine Zuständigkeit gemäß den Bestimmungen des B-VG (insbesondere Art. 30 B-VG) bzw. des GOG-NR (insbesondere § 14 GOG-NR) hinweisen.

Zu den Fragen 1-9

In meinem Zuständigkeitsbereich habe ich folgende Maßnahmen gesetzt:

Im Juli 2009 wurde die Gebärdensprach-Dolmetschung und andere Maßnahmen für gehörlose Abgeordnete und die Öffentlichkeit eingeführt.

Während der Sitzungen des Nationalrates dolmetschen Teams von zwei Personen vom BerichterstatterInnenpult am Präsidium im Nationalratssitzungssaal, und zwar laut Arbeitsplan des Nationalrates bis 19 Uhr. Sitzungsteile nach 19.00 Uhr werden in bestimmten Fällen gedolmetscht, wenn etwa Gesetzesvorlagen, die Menschen mit Beeinträchtigungen betreffen, auf der Tagesordnung stehen.

Gedolmetscht werden der Inhalt der Reden, die Vorsitzführung und Zwischenrufe, so gut wie möglich.

Am 27. November 2009 startete ein gemeinsames Projekt des Parlaments und des ORF zum Ausbau des Services für die derzeit mehr als 800.000 gehörlosen oder stark hör- behinderten Menschen in Österreich. Bei der ORF-Übertragung einer Nationalratssitzung wurden erstmals am 10. Dezember 2009 Untertitel eingesetzt. Die Untertitelung ist zeitlich mit der ORF-Live-Übertragung begrenzt.

Das neue Spracherkennungssystem soll zunächst im Rahmen eines dreijährigen Pilotprojekts mit der Untertitelung der mehrstündigen Parlamentsübertragungen in Österreich getestet werden. Im Rahmen der Kooperation zeichnet der ORF für die technische Abwicklung verantwortlich und übernimmt auch Training und Schulung der RedakteurInnen, die in Zukunft die Übertragungen der Parlamentsdebatten im ORF live Untertiteln werden. Die Untertitel können über die Zuschaltung der ORF Teletext-Seite 777 gesehen werden. Darüber hinaus stehen die Untertitel dem Parlament für den Online-Bereich zur Verfügung.


Derzeit überträgt der ORF die Gebärdensprach-DolmetscherInnen bei Live-Sendungen über ORF 2-Europe und als Live-Stream auf www.orf.at.

Zur Sicherstellung der Übertragung sind einige Voraussetzungen zu schaffen gewesen. So wurde für die Gebärdensprach-DolmetscherInnen im Plenum etwa eine zusätzliche Kamera samt Übertragungsleitung ins ORF-Zentrum installiert.

Die Übertragungen mit den Gebärdensprach-Dolmetscherlnnen finden nur dann statt, wenn sie auch im regulären ORF 2-Programm gesendet werden. Außerhalb der Live-Sendezeiten gibt es (noch) keine Übertragungen.

Um in Zukunft die RednerInnen am RednerInnenpult und die Gebärdensprach-Dolmetscherlnnen auf einem Kanal übertragen zu können, wurde ein Konzept ausgearbeitet, das mehrere Varianten beinhaltet. Dabei wurde vorläufig eine Entscheidung für jenes Modell getroffen, das zwei Videostreams vorsieht. Dabei sind auf einem Kanal die/der Redner/in abgebildet, auf dem zweiten die Gebärdensprach-Dolmetscherlnnen mit der/dem Redner/in Bild-in-Bild. Zusätzlich ist die Übernahme von Metainformationen der Redezeitverwaltung der Parlamentsdirektion möglich, es können also z.B. der Name der/des Rednerin/s, die Gesetzgebungsperiode oder der Titel des Tagesordnungspunktes eingeblendet werden.

Die in dieser Variante definierten Videokanäle sollen schließlich außerhalb der ORF-Liveübertragungen auf den Hauskanälen und im Internet zur Verwendung kommen.

Die für die Einblendung von Metainformationen (Name der/des Rednerin/s etc.) erforderliche Adaptierung der Redezeitverwaltung wurde seitens der EDV bereits vorgenommen

Ein konkreter Umsetzungsauftrag wurde vorerst noch nicht erteilt und könnte im Zusammenhang mit der Sanierung des Plenarsaales erfolgen.

Als infrastrukturelle Maßnahmen wurden im Plenarsaal Infrarot-Strahler (Sender) und die zugehörigen Empfänger mit Kopfhörern für die Gebärdensprach-Dolmetscherlnnen installiert.


Das RednerInnenpult, der Platz am BerichterstatterInnenpult sowie bestimmte Sitzplätze wurden für gehörlose Abgeordnete und deren DolmetscherInnen adaptiert.

In den Ausschusslokalen II, III, IV und V wurden Schwerhörigen/Gehörlosen-Induktions- schleifen installiert. Entsprechende Empfänger für die Gebärdensprach- Dolmetscherlnnen wurden angeschafft (e-monitoring), sodass die Ausschussmitarbeit von gehörlosen Abgeordneten ermöglicht wird.

Derzeit wird geprüft, in welcher Weise die Sitzplätze der Mandatare mit Bildschirmen für den Empfang einer Teletext-Untertitelung ausgestattet werden können.

Als weitere Maßnahmen zur Förderung der kommunikativen Barrierefreiheit möchte ich auf die Arbeiten am Webauftritt des Parlaments hinweisen:

§ 1 Abs 3 E-Government-Gesetz enthält den gesetzlichen Auftrag, dass behördliche Internetauftritte, die Informationen anbieten oder Verfahren elektronisch unterstützen, so gestaltet sind, dass internationale Standards über die Web-Zugänglichkeit auch hinsichtlich des barrierefreien Zugangs für behinderte Menschen eingehalten werden." Unter internationalen Standards" werden dabei die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) der Web Accessibility Initiative (WAI) verstanden.

Der bestehende Webauftritt des Parlamentes erfüllt die WCAG Level AA. Derzeit ist ein Relaunch in Arbeit, bei dem wiederum besonders auf die Einhaltung der WCAG 2.0 geachtet wird:

      Zusätzliche Informationen über den Inhalt auf Bildern, Audio- und Videoinhalten,

      Verwendung unterschiedlicher Farben im Screendesign,

      Verwendung von korrekten Tags" und Stilen (CSS),

      Klar und verständlich verfasste Textinhalte,

      Screendesign anhand einfacher Tabellen,

      Möglicher direkter Zugriff auf systemweite Funktionen,

      Gestaltung der Seiten zur geräteübergreifenden Darstellung - möglichst basierend auf den zurzeit gültigen Standards,

      Einhaltung der W3C-Grundregeln (WCAG) zum Design von Websites,

      Informationen über die Orientierung und über die Beziehungen einzelner Seiten

      zueinander,

      Möglichst einfache, leicht zu verstehende Benutzeroberfläche.


(Die obige Aufzählung entspricht auch den entsprechenden Kriterien im Bericht der Bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen in Österreich 2008, Seiten 120f [III-23 der Beilagen der XXIV. GP]).

Der neue Webauftritt wird in Zusammenarbeit mit einer Designfirma gestaltet, die insbesondere auch die Barrierefreiheit in ihrem Design umzusetzen hat.

Vor der Abnahme des von der Designfirma gelieferten Prototyps (exemplarischer HTML-, CSS- und Javascript-Code, der als Vorlage für die HTML-Seiten des zukünftigen Webauftritts dient) wurde dieser mit Vorstandsmitgliedern des Vereins accessible media" (www.accessible-media.at) - einer blinden Person sowie einer Person, die nicht mit Maus arbeiten kann - diskutiert. Die so gewonnen Änderungsvorschläge wurden in das Design eingearbeitet.

Die mit den notwendigen Software-Entwicklungen bzw. -Adaptionen, welche für die Umsetzung des Designs notwendig sind, beschäftigten MitarbeiterInnen sind beauftragt, die notwendigen Arbeiten ebenfalls unter Berücksichtigung der WCAG durchzuführen.

Vor Inbetriebnahme wird ein interner Probebetrieb durchgeführt werden, bei dem nochmals die Einhaltung aller der mit technischen Mitteln erzielbaren Barrierefreiheit betreffenden Vorschriften überprüft werden wird.

Über die technisch korrekte Umsetzung hinaus werden von den WCAG bestimmte Anforderungen an die Aufbereitung der Texte und der Datentabellen gestellt.

Beispielsweise werden die erklärenden Texte, die von der Parlamentsdirektion gestaltet werden, wie z.B. die Beschreibung des österreichischen Parlamentarismus, so gestaltet, dass sie keine Lesefähigkeiten voraussetzen, die über das Niveau der niedrigen, sekundären Schulbildung hinausgehen" (WCAG 2.0 Pkt. 3.1.5). Für die redaktionelle Gestaltung dieser Texte werden parlamentsexterne Kräfte herangezogen, um eine Betriebsblindheit" bei Wortwahl und Stil zu vermeiden.


Insgesamt werden beträchtliche Anstrengungen übernommen, die Soll-Bestimmungen (Level AA) der WCAG einzuhalten. Für die Forderungen nach Level AAA (Kann-Bestimmungen) wie Darstellung der Inhalte in Gebärdensprache oder ergänzende Texte für das Leseniveau der sekundären Schulbildung für alle parlamentarischen Materialien ist dies schon aus budgetären Gründen nicht möglich.

Zur Förderung der physischen Barrierefreiheit erfolgten in den letzten Jahren eine Vielzahl von baulichen Einzelmaßnahmen um den Zugang von behinderten Personen zum historischen Parlamentsgebäude zu erleichtern. So sind im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes das Besucherzentrum, der Großteil der Räumlichkeiten im Bereich Rampe, die Eingangs- und Erdgeschoßräume in den Bereichen Tor Schmerlingplatz Mitte und Tor 3 und die ringseitigen Räume im (erhöhten) Erdgeschoß derzeit barrierefrei.

Für den Zugang von Rollstuhlfahrerlnnen und schwerst gehbehinderten Personen in das Parlamentsgebäude wurden überdies in der Hausordnung für die Parlamentsgebäude entsprechende Maßnahmen getroffen.

Nach Beschlussfassung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes wurde für die vollständige Erfüllung der Bestimmungen ein Etappenplan ausgearbeitet. Dieser sieht die barrierefreie Erschließung des Parlamentsgebäudes auf allen öffentlich zugänglichen Ebenen vor.

In Verfolgung dieses Etappenplans wurden zwei Treppenlifte zur barrierefreien Erreichbarkeit der ringseitigen Räume des Parlamentsgebäudes, zwei Behinderten-WCs im 1. Stock und drei Behinderten-WCs im Besucherzentrum im Erdgeschoß errichtet. Weiters wurden Induktionsschleifen zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit für Schwerhörige auf der Galerie des Nationalratssaals, in drei Ausschusslokalen und im Pressezentrum eingebaut.

Da derzeit an einem Gesamtkonzept für die Sanierung des historischen Parlamentsgebäudes gearbeitet wird, musste vorerst die Ausführung des Etappenplans ruhend gestellt werden, wobei dieser in die derzeit laufenden Erhebungsarbeiten vollinhaltlich eingebracht wird.

In den im Eigentum der Republik Österreich-Parlamentsdirektion stehenden Neben- gebäuden werden die barrierefreien Erfordernisse schrittweise umgesetzt.

Das Palais Epstein wurde im Zuge der Generalsanierungsarbeiten entsprechend den Grundlagen über barrierefreies Bauen umgebaut.

In den für das Parlament angemieteten Räumlichkeiten sind die Büroflächen barrierefrei gestaltet.

Die Bestimmungen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes können derzeit im historischen Parlamentsgebäude nicht vollständig erfüllt werden. Es ist aber zu betonen, dass dieser Zustand aufgrund der im Gesetz enthaltenen Übergangsbestimmung bis zum 31. Dezember 2015 nicht rechtswidrig ist.

Der geplante Umbau des Parlamentsgebäudes soll im weitestmöglichen Umfang die Barrierefreiheit im Sinne dieses Gesetzes herstellen.

Zusätzliche Verbesserungen auch für behinderte BesucherInnen sind in Vorbereitung.

Zahlreiche weitere bauliche Maßnahmen sind angedacht, befinden sich aber derzeit aufgrund der laufenden Projektentwicklung (Stichwort: Umbau) im Planungsstadium. Eine konkrete Darstellung ist aufgrund des Planungsstadiums daher derzeit nicht möglich.

Sie können aber versichert sein, dass meine Entscheidungen wesentlich von den Gesichtspunkten der gegenständlichen UN-Konvention getragen werden.

Als legistische Maßnahme habe ich die Parlamentsdirektion beauftragt, in Absprache mit den Behindertensprechern aller fünf Fraktionen einen Vorschlag auszuarbeiten, der den erhöhten Aufwand, der Mitgliedern des National- oder Bundesrates mit Behinderung bei Ausübung ihrer parlamentarischen Tätigkeit entsteht, berücksichtigt. Es liegt mir nun ein  Vorschlag  vor,  der  bei  Vorliegen einer im Behindertenpass  ausgewiesenen Behinderung eine Erhöhung des Höchstvergütungsanspruches gemäß § 10 Bundesbezügegesetz, gestaffelt nach dem Grad der Behinderung, vorsieht. Dieser Vorschlag könnte bei der nächsten Novellierung des Bundesbezügegesetzes als gemeinsamer Antrag aller fünf Fraktionen eingebracht werden.


Zu Frage 10:

Bei der Ausarbeitung von für Menschen mit Behinderungen relevanten Rechtsvorschriften, die das Parlament betreffen, werde ich so wie bisher die BehindertensprecherInnen aller Fraktionen einbeziehen.

Soweit Begutachtungen von Gesetzesentwürfen im Bereich des Nationalrates erfolgen, werde ich mich überdies dafür einsetzen, dass die Betroffenen und die sie vertretenden Organisationen einbezogen werden.

Zu Frage 11,12 und 13:

Ich kann zu diesen Fragen nur auf meine eingangs dargestellte beschränkte Zuständigkeit als Präsidentin des Nationalrates verweisen. Ich versichere jedoch, dass ich alle meine Möglichkeiten ausschöpfen werde, um die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen und anderer Menschenrechtsverträge zu fördern.

Zu Frage 14:

Die Zuständigkeit zur Koordinierung der Erstellung des Staatenberichtes liegt beim Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; von diesem wurde ich mit Schreiben vom 26. März 2010 eingeladen, am Staatenbericht mitzuarbeiten, und ich habe diese Aufgabe im Rahmen meiner Zuständigkeit wahrgenommen.