
Stenographisches Protokoll

Verfassungsausschuss
Mittwoch, 10. April 2013
(46. Sitzung – Hearing)
13.08 Uhr – 16.01
Lokal VI
Tagesordnung
1. Punkt
Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, die Nationalrats-Wahl-ordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert, das Volksbegehrengesetz 2013 und das Wählerevidenzgesetz 2013 erlassen sowie das Volksbegehrengesetz 1973 und das Wählerevidenzgesetz 1973 aufgehoben werden (2177/A)
(Wiederaufnahme der am 31. Jänner 2013 vertagten Verhandlungen)
2. Punkt
Antrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Mitsprache und direkte Demokratie durch „Internet-Volksbegehren“ (1688/A(E))
(Wiederaufnahme der am 2. Mai 2012 vertagten Verhandlungen)
3. Punkt
Antrag der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Direkte Demokratie (1689/A(E))
(Wiederaufnahme der am 2. Mai 2012 vertagten Verhandlungen)
4. Punkt
Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der direkten Demokratie in Österreich (1856/A(E))
(Wiederaufnahme der am 2. Mai 2012 vertagten Verhandlungen)
Beginn der Sitzung: 13.08 Uhr
Obmann Dr. Peter Wittmann eröffnet die Sitzung des Verfassungsausschusses und begrüßt alle Anwesenden.
Vor Eingang in die Tagesordnung schlägt der Obmann vor, die Tagesordnungspunkte 1 bis 4 unter einem zu verhandeln, wogegen kein Einwand erhoben wird. Anschließend lässt er über die Beiziehung der geladenen Experten abstimmen, was einstimmig angenommen wird.
Als Experten sind folgende Personen anwesend:
Roland Egger
Dr. Eike Lindinger
Univ.-Prof. Dr. Franz Merli
Ass.Prof. Dr. Klaus Poier
Dr. Uwe Serdült
Mag. Erwin Mayer (mehr demokratie!)
Johannes Voggenhuber (Initiative MeinOE)
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Obmann Dr. Peter Wittmann führt aus, dass zwischen den Fraktionen vereinbart wurde, ein öffentliches Hearing mit Experten durchzuführen, und lässt darüber abstimmen, ob Ton- und Bildaufnahmen zulässig seien, was ebenfalls einstimmig angenommen wird.
Der Obmann begrüßt die Experten, dankt ihnen dafür, dass sie dem Verfassungsausschuss zur Beratung der Anträge 2177/A, 1688/A, 1689/A und 1856/A zur Verfügung stehen, und erläutert anschließend die vereinbarte Reihenfolge der Rednerinnen und Redner.
Sodann erteilt der Obmann Staatssekretär Dr. Ostermayer das Wort.
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Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Experten! Wir haben heute ein Hearing über einen Antrag der Abgeordneten Cap, Kopf und weiterer Abgeordneter. Der Antrag beinhaltet das Ergebnis einer Arbeitsgruppe, die im letzten Herbst eingesetzt wurde, bis kurz vor Weihnachten getagt und in intensiven Diskussionen zu einem Demokratiepaket geführt hat, das jetzt sozusagen Grundlage dieses Antrages ist.
Thema war die Frage, wie man direkte Demokratie in Österreich im Rahmen des Grundprinzips, das der österreichischen Bundesverfassung zugrunde liegt, nämlich das Grundprinzip der repräsentativen Demokratie, stärken kann. Das B-VG enthält ja auch schon in der Stammfassung ein direkt demokratisches Element, nämlich neben dem repräsentativ-parlamentarischen System Volksabstimmungen vorzusehen, entweder fakultativ oder obligatorisch im Rahmen einer Gesamtänderung der Bundesverfassung. Auch das Volksbegehren war schon verankert, damals noch mit 200 000 Stimmberechtigten, die unterstützen müssen, in Form eines Gesetzesantrages.
Im Jahre 1981, also ungefähr 60 Jahre später, wurden dann weitere Schritte gesetzt, einerseits indem die Zahl der Stimmberechtigten, der Zustimmenden von 200 000 auf 100 000 abgesenkt wurde. 1988 wurde dann noch eine weitere Regelung getroffen, nämlich dass nicht zwingend ein Gesetzesantrag erforderlich ist. Damals, 1988, wurde auch das Instrument der Volksbefragung eingeführt.
Die Frage, die wir uns – auf der einen Seite Innenministerin Mikl-Leitner, Staatssekretär Kurz, der nunmehrige oberösterreichische Landesrat Strugl, Klubobmann Kopf und aufseiten der SPÖ Bundesminister Hundstorfer, Vorsitzender Wittmann, Klubobmann Cap und ich – in diesem Arbeitskreis gestellt haben, lautet:
Wie kann man – und wo ist es sinnvoll, wo ist ein konsensuales Ergebnis zu erzielen – das Element der direkten Demokratie ausbauen?
Wir sind auf mehrere Punkte gekommen, wo wir uns geeinigt haben, und ich werde diese Punkte jetzt kurz vorstellen. Das eine ist das Thema Aufwertung von Volksbegehren. Das ist in zweierlei Form denkbar, einerseits indem wir eine elektronische Unterstützung zulassen und damit die Zugänglichkeit von Volksbegehren oder den Weg der Unterstützung von Volksbegehren erleichtern, andererseits indem wir die parlamentarische Behandlung von Volksbegehren aufwerten.
Die Aufwertung ist in folgender Form geplant: Einerseits soll es eine besondere Form der Plenarsitzung des Nationalrates geben, in der Volksbegehren behandelt werden, und zwar in diesen Sitzungen dann ausschließlich das Volksbegehren. Es soll also nicht ein Tagesordnungspunkt von vielen sein, sondern es soll eine ganz spezielle Plenarsitzung zur Behandlung eines solchen Volksbegehrens geben, in der eine erste Lesung durchgeführt wird, in der sich auch der Bevollmächtigte der Initiatoren des Volksbegehrens zu Wort melden kann und dann jeweils ein Mitglied der Bundesregierung Stellung zu nehmen hat.
Das zweite Element der Aufwertung ist, dass ein besonderer Ausschuss stattfindet, dass es also nicht im Rahmen der üblichen Ausschüsse, die es gibt, behandelt wird sondern ein spezieller Volksbegehrensausschuss eingesetzt werden soll, der dieses Volksbegehren dann behandelt.
Das dritte Element ist, dass im Parlament eine Online-Plattform zu Informationszwecken für ein anstehendes Volksbegehren eingerichtet werden soll, auf der der Text, die Begründung, Ausschussberichte, die Stellungnahmen, natürlich auch das Protokoll der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen – also mehr Transparenz über ein zu behandelndes Volksbegehren.
Ich habe vorhin auch die elektronische Unterstützung erwähnt. Es setzt natürlich gewisse Vorarbeiten voraus, damit das möglich ist, damit Doppelunterstützungen beispielsweise hintangehalten werden. Daher haben wir gesagt, wir wollen eine zentrale Wählerevidenz schaffen, um Volksbegehren auch mittels Internet unterstützen zu können. Das soll sich aber nicht auf die Unterstützung von Volksbegehren beschränken, sondern das Element oder das Ziel, eine zentrale Wählerevidenz zu schaffen, geht natürlich darüber hinaus. Es soll natürlich auch zu einer Vereinfachung für die Verwaltung, auch auf Ebene der Gemeinden kommen.
Ein Diskussionspunkt, der jetzt aufgrund des Entwurfes entstanden ist, ist, wie man in einer zentralen Wählerevidenz vermeiden kann, dass man Rückschlüsse ziehen kann, welche Bürger/welche Bürgerinnen beispielsweise Volksbegehren unterstützt haben. Man muss natürlich Vorkehrung treffen; wenn jemand sein Recht, ein Volksbegehren zu unterstützen, ausübt, muss es ja in irgendeiner Form kenntlich gemacht werden, dass dieses Recht ausgeübt wurde und nicht ein zweites Mal ausgeübt werden kann. Es hat Kritik am jetzigen Entwurf gegeben. Ich denke, es gibt Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen.
Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat auch eine Möglichkeit vorgeschlagen, nämlich indem man quasi die Wählerevidenz – beispielsweise für ein bestimmtes Volksbegehren – spiegelt, dort das dann einträgt und anschließend diese Wählerevidenz für das Volksbegehren X natürlich wieder löscht. Ich glaube, dass man über diesen Weg das datenschutzrechtliche Problem, das sich da stellen kann, lösen kann. Natürlich muss im Sinne auch der Wahlrechtsprinzipien erkennbar sein, wenn jemand sein Wahlrecht oder sein Zustimmungs-, Unterstützungsrecht für ein Volksbegehren ausgeübt hat, aber das ist meines Erachtens der Weg, wo man das machen kann.
Wie kommt man sozusagen hinein? – Die Idee ist, dass die Eintragung in der zentralen Wählerevidenz mittels qualifizierter digitaler Signatur sichergestellt wird. Ich komme dann beim nächsten Punkt noch einmal darauf zurück: digitale Signatur, Bürgerkarte.
Wir haben uns natürlich auch im Zusammenhang mit der sogenannten BürgerInnenanfrage – das ist das dritte Element – die Frage gestellt, wie man dieses Instrument ermöglichen, möglichst leicht zugänglich machen kann. Auch da sind wir zum Weg oder zur Idee gekommen, dass das sozusagen elektronisch ausgeübt werden soll. (Obmann Dr. Wittmann gibt das Glockenzeichen.) – Ich bin jetzt bei 7 Minuten; ich mache es ganz kurz.
Die BürgerInnenanfrage ist das dritte Element, die Möglichkeit – sofern 10 000 Wahlberechtigte das unterstützen –, wie bei der Fragestunde eine Anfrage an ein Regierungsmitglied zu stellen, die das Regierungsmitglied dann beantworten muss; die Abgeordneten können Zusatzfragen stellen.
Das letzte Element, Stärkung der Persönlichkeitswahlrechte, lasse ich aus und überlasse das Herrn Staatssekretär Kurz. – Danke.
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Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzte Abgeordnete! Sehr geehrte Experten! Lieber Herr Staatssekretär Ostermayer! Ich nehme den Auftrag gerne an, versuche trotzdem, noch ein bisschen Zeit einzusparen; ich werde das sehr rasch machen.
Die Diskussion über die direkte Demokratie und die Reform der Demokratie in Österreich hält an. Ich glaube, das ist gut so und ist auch ein Zeichen dafür, dass sehr viele in unserem Land Interesse daran haben, dass sich in diesem Bereich etwas bewegt.
Die Volksbefragung zur Wehrpflicht hat auch gezeigt, dass die Beteiligung überraschend hoch sein kann und dass viele die Möglichkeit annehmen, sich zu beteiligen, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt.
Wir haben vor einem Jahr – ich habe daran mitarbeiten dürfen, gemeinsam mit einigen Jugendorganisationen – ein Demokratiepaket erstellt mit einigen Vorschlägen, wie man aus unserer Sicht die Demokratie in Österreich ein Stück weiterentwickeln könnte. Ich freue mich, dass viele dieser Vorschläge auch in der Arbeitsgruppe Einfluss gefunden haben und dass sich viele dieser Vorschläge auch in diesem Antrag wiederfinden.
Es ist schon gelungen – das ist zwar ein kleiner Schritt, aber doch ein sinnvoller Schritt –, dass es große Zustimmung für die Aufwertung der Vorzugsstimmen in Österreich gegeben hat. Das heißt, dass die Hürde, wann eine Vorzugsstimme Gewicht bekommen soll, hinuntergesetzt wurde und auch eine bundesweite Vorzugsstimme ermöglicht wurde. Ein kleiner Schritt, aber doch ein, glaube ich, sinnvoller Schritt in Richtung mehr Bürgerbeteiligung und in Richtung mehr Mitsprache und mehr Möglichkeiten für Wählerinnen und Wähler, sich ihre Abgeordneten im Parlament direkt und selbst auszusuchen.
Das Paket, das jetzt auf dem Tisch liegt, bringt, glaube ich, zusätzliche Verbesserungen, die Herr Staatssekretär Ostermayer schon ausgeführt hat, von der Aufwertung der Bürgerbeteiligung bis hin zur Möglichkeit, sich auch auf elektronischem Weg zu beteiligen, was gerade für junge Menschen, glaube ich, sehr interessant sein kann und auch eine Weiterentwicklung der Kanäle, über die man Politik erleben und mitgestalten kann, ist.
Ich glaube, neben diesem ersten Schritt der Vorzugsstimme und diesem möglichen zweiten Schritt für mehr Bürgerbeteiligung und mehr direkte Demokratie sollte man auch die Vision nicht aus den Augen verlieren. Das Paket, das auf dem Tisch liegt, hat zweifelsohne auch seine Grenzen, stellt einen gewissen Kompromiss dar – mehr wäre immer schön. Und ich glaube, es ist wichtig, dieses Mehr und diese zusätzlichen Wünsche nicht aus den Augen zu verlieren.
Ich freue mich, dass bei diesem Hearing jetzt sehr viel Zeit ist, auch über diese Vorschläge zu diskutieren, denke, dass es gut ist, dass Experten hier mit an Bord sind, und freue mich schon auf den Input. Ich freue mich auch über die Vorschläge seitens der Opposition, finde persönlich viele dieser Vorschläge sehr, sehr positiv und hoffe, dass es möglich ist, da ein gemeinsames Zeichen in Richtung mehr Bürgerbeteiligung zu setzen.
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Obmann Dr. Peter Wittmann: Nachdem vereinbart wurde, dass nunmehr die Verfassungssprecher nach der Fraktionsstärke zu Wort gelangen, habe auch ich mich sozusagen in die Rednerliste eingetragen.
Ich möchte grundsätzlich festhalten: Ich glaube, dass unsere Verfassung schon über sehr weit reichende Möglichkeiten der direkten Demokratie verfügt. Deutschland hat zum Beispiel diese Möglichkeiten der Befragung, des Volksbegehrens und der Volksabstimmung in dieser Form nicht. Wir sind mit diesen Instrumentarien europaweit durchaus im gehobenen Mittelfeld bis Spitzenfeld angesiedelt.
Nichtsdestotrotz ist es eine unserer Aufgaben, uns immer wieder der Diskussion zu stellen, wie wir diese Demokratie, in der wir leben, und diese Gesellschaft weiterentwickeln können. Daher ist es auch notwendig, die technischen Gegebenheiten an die Möglichkeiten der Partizipation und umgekehrt anzupassen.
Dieser Schritt, der heute hier gesetzt werden soll, ist, glaube ich, auch medial etwas unterschätzt. Zunächst einmal versuchen wir, die Anpassung im elektronischen Bereich an konkrete Verbesserungsvorschläge zu knüpfen. Das heißt, wir versuchen, das Volksbegehren aufzuwerten, indem wir die Möglichkeit der elektronischen Unterstützung derartiger Begehren schaffen – und da wollen wir Erfahrungen sammeln – und letztendlich auch die Behandlung dieser Volksbegehren im parlamentarischen Ablauf aufwerten.
Ein sichtbares Zeichen wird sein, dass es die Möglichkeit gibt, den Initiatoren hier ein Rederecht einzuräumen, hier für jedes Volksbegehren extra eine Plenarsitzung abzuhalten, um auch die Initiatoren zu hören, und das dann letztlich in den parlamentarischen Ablauf einzuspeisen, um dann wieder in einer parlamentarischen Vollversammlung zu enden. Damit wird das Volksbegehren ganz erheblich aufgewertet.
Ich halte das für einen sehr wesentlichen Schritt, weil da zwei Möglichkeiten der Partizipation ausprobiert werden: Erstens wird die elektronische Möglichkeit für die Bürger aufgemacht, und zweitens wird die Möglichkeit der direkten Partizipation an der parlamentarischen Beratung eingeleitet. Ich denke, dass das ein sehr wesentlicher Schritt in diese Richtung ist.
Nächster Punkt: Mit der Einführung der Bürgeranfrage könnte hier ein direkt-demokratisches Instrument geschaffen werden, das eine direkte Anfrage an die Vollziehung und Administration bietet, das der Bürger bisher nicht hat. Das ist eigentlich ein Durchgriffsrecht des Bürgers an den zuständigen Minister. Ich halte das für eine ganz wesentliche Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten des Bürgers am Geschehen der Politik und des parlamentarischen Ablaufes.
Das heißt, wir versuchen hier zwei neue Wege. Und aus der gestrigen Enquete kann man mitnehmen, dass eine direkt-demokratische Erweiterung der Möglichkeiten in einem evolutionären Prozess stattfinden soll. Ich schließe mich dem an. Ich glaube, dass uns diese Diskussion – sie beginnt ja nicht erst heute – nicht wieder loslassen wird, sondern dass wir auch in den nächsten Jahren immer wieder Erweiterungsmöglichkeiten und Veränderungen in diesem Prozess herbeiführen werden, wobei ich glaube, dass wir gut daran tun, das auf der Ebene der Gemeinden einmal zu etablieren, dann in den Ländern und erst dann im Bund zu den entsprechenden Veränderungen zu kommen, um auf diese Art und Weise Erfahrungen zu sammeln, da die Gefahr einer Machtverschiebung, die man vielleicht nicht haben möchte, durchaus gegeben ist.
Wer kann bei großen Themen kampagnisieren? Wer ist in der Lage, das notwendige Kapital für derartige Kampagnen aufzustellen? Wer kann auf die Meinung Einfluss nehmen? – Ich glaube, all diese Fragen gehören geklärt und mit bedacht. Am Ende des Tages wird aber natürlich eine Erweiterung der Bürgerrechte stehen müssen, und am Ende des Tages muss auch eine Teilnahme der Bürger am parlamentarischen Prozess stehen. Aber ich halte das durchaus für einen evolutionären und nicht für einen revolutionären Weg, weil ich meine, dass es ganz wichtig sein wird, da Erfahrungen zu sammeln und diese Sache Schritt für Schritt anzugehen.
Der erste Schritt wäre heute auf der Tagesordnung – ich halte das für einen wesentlichen Schritt, weil er insbesondere sozusagen das Ankommen unserer parlamentarischen Entscheidungsprozesse im elektronischen Zeitalter einleitet, nachdem wir da auch eine elektronische Wählerevidenz und Datenerfassung ermöglichen, um letztendlich die Teilnahme zu erleichtern.
Dass man sich an bestimmte Regeln halten muss, um hier eine zentrale Wählerevidenz einzurichten, und dass das an die Bürgerkarte und an die elektronische und digitale Signatur gebunden ist, das ist eine Möglichkeit. Ich glaube, dass die digitale Signatur in Zukunft eine wesentlich größere Rolle spielen wird als jetzt und bei ihrer Einführung. Es liegt auch an uns, diese zu bewerben, um für den Bürger viele Wege zu vereinfachen, nicht nur die Teilnahme am parlamentarischen Prozess.
Die Kritik, die aufgetaucht ist und die auch der Herr Staatssekretär in seinen Ausführungen bereits angesprochen hat, ist ernst zu nehmen. Ich halte es für unerlässlich, dass man diese Löschung nach durchgeführten Volksbegehren einführt, denn hier soll für den Bürger eine Möglichkeit geschaffen werden und keine Überwachung stattfinden. Letztendlich sollte es eine Chance sein und kein Risiko bei irgendeiner Teilnahme.
Ich glaube, es ist ein erster Schritt, es wird nicht das Ende der Fahnenstange bedeuten. Es ist ein Entwicklungsprozess, der auf die technischen Gegebenheiten Rücksicht nimmt. Es ist ein Entwicklungsprozess, der dem Einzelnen eine Teilnahme an der parlamentarischen Meinungsbildung ermöglicht. Es ist sozusagen ein ganz neuer Weg, der diese Möglichkeit eröffnet.
Zur Bürgeranfrage: Es sollen, glaube ich, die sieben Bürgeranfragen mit der größten Unterstützung ins Parlament kommen, und das viermal im Jahr. Das sind 28 Möglichkeiten der direkten Teilnahme über ein neues Instrument.
Ich meine, dass wir die richtige Richtung einschlagen, und bin dafür, all diese Maßnahmen Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, dann werden wir, denke ich, eine moderne, bürgernahe und möglichst hoch frequentierte Bürgerbeteiligung in unserem Staat haben.
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Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Experten! Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute hier sitzen, um den Beginn struktureller Veränderungen im Bereich der direkten Demokratie einzuleiten.
Warum ist das so wichtig? – Wir haben in den vergangenen Jahren feststellen müssen, dass Politikverdrossenheit in bestimmten Bereichen immer stärker zu spüren ist, vor allem deswegen, weil die Kluft zwischen den Vertretenen und den Vertretern größer geworden ist. Und es geht darum, dass wir versuchen, diese Kluft zu verringern, möglichst zu schließen, um die Entscheidungen, die im Parlament getroffen werden, möglichst bürgernah zu treffen.
Diese strukturellen Veränderungen einzuleiten ist sicher etwas, um beim demokratischen Prinzip anzusetzen, damit wir die Partizipation des Volkes an den Entscheidungen im Land entsprechend stärken.
Es ist mir auch ganz besonders wichtig, dass wir, wenn wir von Politikverdrossenheit sprechen, nicht nur das Prinzip der Demokratie ganz nach vorne tragen und zur Sicherung der Demokratie aufrufen, sondern dass wir auf der anderen Seite auch die anderen Prinzipien der Verfassung ganz besonders hochhalten. Denn eine demokratische Form nützt nichts, wenn zum Beispiel gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen begangen werden können oder es eine willkürliche Polizei gibt. Wir kennen das aus manchen Republiken, Nachfolgerepubliken der Sowjetunion, die zu Demokratien wurden, wo die Menschen aber nicht gemerkt haben, dass sich am Führungsstil grundsätzlich etwas geändert hat.
Daher müssen wir immer auf mehreren Ebenen zur Sicherung der Demokratie ansetzen, nicht nur im Bereich der Beteiligung, sondern auch bei der Sicherung des Rechtsstaates und der Sicherung des Legalitätsprinzips, der Sicherung der Gewaltentrennung et cetera.
Diesen globalen Ansatz weiter zu verfolgen halte ich für ganz besonders wichtig, weil ich die Stabilität in unserem Land besonders sichern möchte und weil ich in keiner Weise italienische Verhältnisse bei uns einreißen lassen möchte. Denn das findet darin Ausdruck, dass Bürgerinnen und Bürger im Rahmen ihrer Möglichkeiten des Wahlrechts immer mehr Parteien wählen, in der Hoffnung, dass sich dadurch etwas verbessert, gleichzeitig wird jedoch die Situation noch schlechter, weil es mehr Parteien mit weniger Stimmen noch schwieriger haben, einfache Mehrheiten, geschweige denn Zweidrittelmehrheiten zu erzielen, um solch strukturelle Veränderungen zustande zu bringen.
Ich bedanke mich daher auch bei der Nationalratspräsidentin, die vor rund einem Jahr eine Arbeitsgruppe, in der alle Parteien vertreten sind, eingesetzt hat, wo wir versuchen, diese Defizite verstärkt aufzuarbeiten. Ich freue mich über die Beteiligung aller Parteien an der Arbeitsgruppe, die das Wahlrecht behandelt hat, aber auch die Stärkung der direkten Demokratie, in ganz besonderer Weise.
Leider mussten wir nach einigen Monaten feststellen, dass ein Konsens zwischen allen Fraktionen nur bei einigen wenigen Punkten möglich ist, sodass wir vor die Entscheidung gestellt waren, wie wir weiter konkret vorgehen: Warten wir darauf, bis es eine entsprechende Entscheidung gibt, um den großen Wurf abzuschließen? Oder nehmen wir die Bereiche, in denen Konsens erzielt wurde, her und versuchen, darauf aufbauend einen gemeinsamen Entwurf zu machen?
Wir haben uns für die zweite Variante entschieden, weil wir es für wichtiger halten, dass wir einen Schritt in diese Richtung setzen, so wie mein Vorredner das gesagt hat, um hier den Evaluierungsprozess oder eigentlich den evolutionären Prozess für mehr direkte Demokratie mehr oder weniger einzuleiten.
Daher möchte ich auch hier alle Parteien, insbesondere die Oppositionsparteien, einladen, an diesem Entwurf, den die Kollegen Cap und Kopf hier eingebracht haben, entsprechend mitzuwirken und mit dabei zu sein, um eine Verfassungsmehrheit zu erzielen. Es geht hier darum, den ersten Schritt in Richtung direkte Demokratie zu setzen. Und Sie haben es jetzt auch mehr oder weniger in der Hand, daran mitzuwirken, den nächsten Schritt in Richtung direkte Demokratie zu setzen, für mehr partizipative Demokratie; eine partizipative Demokratie, die mit dieser Vorlage auch in die digitale Demokratie hineinwächst.
Es gibt erstmals die Möglichkeit, dass auch Auslandsösterreicher oder Personen von zu Hause, vom Computer aus online Volksbegehren unterstützen – mit der digitalen Bürgerkarte. Damit bricht wirklich ein neues Zeitalter an, und es ist ein erster Schritt.
Ich bin sehr froh darüber, dass der Herr Staatssekretär auch angekündigt hat, hier Maßnahmen zu setzen, damit es nicht zu Datenmissbrauch kommt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, Erleichterungen für die Menschen zu schaffen, denn das, was wir bisher hatten, dass sich nämlich in vielen kleineren Gemeinden Menschen nicht getraut haben, zum Gemeindeamt zu gehen, um eine Eintragung für ein Volksbegehren vorzunehmen, weil sie sich beobachtet gefühlt haben, soll geändert werden, sodass in Zukunft die Möglichkeit bestehen soll, in irgendeine Wahlbehörde zu gehen und sich dort einzutragen. Das ist ein großer Fortschritt, den wir da ermöglichen wollen, womit wir auch zu einer größeren Beteiligung an der direkten Demokratie beitragen können.
Ich möchte Sie alle daher noch einmal ganz, ganz herzlich einladen, an diesem Schritt in die Zukunft mitzuwirken – für mehr direkte Demokratie, für die Stärkung von Volksbegehren, für die Schaffung dieser zentralen Wählerevidenz, womit die Möglichkeit geschaffen wird, sich von allen Orten Österreichs aus direkt für ein Volksbegehren zu entscheiden, einzutragen, die es den Gemeinden und Ländern ermöglicht, ihre Wählerevidenzen einfacher abzurufen, die sich selbst entscheiden können, auf Lösungen, die der Bund nun für sie trifft, einzusteigen. Wir schaffen damit auch für die Auslandsösterreicherinnen und -österreicher die Möglichkeit, an Elementen der direkten Demokratie mitzuwirken.
Wir haben vor, dass wir das Paket nächste Woche im Ausschuss verabschieden. Ich lade daher jetzt hier nach den Stellungnahmen der Experten die Oppositionsparteien ein, Gespräche darüber zu führen, unter welchen Bedingungen sie bereit wären, hier mitzustimmen, sodass wir nächste Woche ein gemeinsames Paket verabschieden können, mit dem Ziel, das Ende April auch im Plenum zu beschließen.
Ich bedanke mich noch einmal ganz besonders bei Herrn Staatssekretär Sebastian Kurz, der vor knapp einem Jahr diese Initiative für mehr direkte Demokratie hier eingebracht hat, in die öffentliche Diskussion. Ich bedanke mich bei allen, die sie aufgenommen haben. Ich möchte mich auch bedanken bei der Initiative MeinOE für das Volksbegehren für mehr direkte Demokratie, das sie einbringt. Ich halte das für sehr, sehr wichtig für die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger, damit wir zu einer verstärkten Bürgerbeteiligung kommen.
Wir alle sind Vertreter von Bürgerinnen und Bürgern, und die Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, sich noch mehr und intensiver mit den Entscheidungsprozessen in Österreich auseinanderzusetzen und sie auch mitzubestimmen.
Daher bin ich auch sehr dankbar dafür, dass es mehr Menschen, mehr Gruppen gibt, die an mehr direkter Demokratie arbeiten, als ausschließlich die politischen Parteien, die hier im Parlament sitzen. – Danke schön.
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Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Hoher Ausschuss! Ich werde meine Ausführungen in drei Gruppen teilen. Das Erste ist die Vorgangsweise, wie es zu diesem Demokratiepaket kommt. Zweitens möchte ich auf den Inhalt eingehen. Und wenn dann noch Zeit übrig ist, möchte ich auch auf unsere Vorstellungen, was Weiterentwicklung der direkten Demokratie wirklich bedeutet, eingehen.
Es wurde gesagt, dass das, was hier vorliegt, das Ergebnis eines Arbeitskreises ist. – Das ist es eben nicht! Es gab zwar einen Arbeitskreis, in dem es durchaus konstruktive Diskussionen gab, aber dann gab es plötzlich einen Vorschlag der Regierungsparteien, und der liegt jetzt hier vor. Mit dem Arbeitskreis hat das überhaupt nichts zu tun. – Das einmal vorweg.
Das hat einen unangenehmen Beigeschmack für uns alle, die wir dort gesessen sind, weil wir da konstruktiv diskutiert haben und von Anfang an gesagt haben, dass wir das Ziel haben, dass es eine echte Weiterentwicklung der direkten Demokratie geben muss, was heißt, dass die Volksinitiative und das Veto-Volksbegehren als echte weitere Schritte kommen müssen. Und Staatsekretär Kurz hat das in seinem ersten Vorschlag noch drinnen gehabt. Wir sind daher davon ausgegangen, dass es wirklich in diese Richtung geht. Doch dann wurde das plötzlich gekürzt. Und das, was jetzt hier vorliegt, ist das Ergebnis davon.
Jetzt zum Inhalt des vorliegenden Demokratiepakets.
Wenn man es freundlich tituliert, dann muss man sagen: Es ist eine vertane Chance oder zum Teil sogar eine Farce.
Zur Bürgeranfrage: Die ist unglaublich kompliziert. Wer sich angeschaut, wie das funktioniert, wird mir zustimmen. Denn: Man braucht einmal eine Bürgerkarte, die wahrscheinlich die wenigsten hier herinnen haben, geschweige denn die Bürger an sich in Österreich. Dann wird eine eigene Homepage vom Parlament eigerichtet – also auch Parlamentsressourcen werden jetzt für die direkte Demokratie herangezogen –, und auf dieser kann man dann Fragen eintragen.
Dann gibt es eine Frist, und zwar: 28 Tage vor der nächsten Sitzung kann man sieben Tage lang Fragen unterstützen. Es müssen mindestens 10.000 Personen eine Frage unterstützen, damit sie dann im Parlament überhaupt vorkommt. Das heißt: Es werden möglicherweise wieder nicht die besten Fragen, sondern die mit den meisten Unterstützungen genommen. Und davon werden dann sieben im Parlament verlesen.
Die Frage muss eine einzige Frage sein. Es muss erst einmal jemand schaffen, eine Frage zu stellen, denn das ist gar nicht so leicht. Diese Frage wird dann im Parlament verlesen. Und dann können Abgeordnete Zusatzfragen stellen. Das Stenographische Protokoll wird dann demjenigen zugeschickt, der die meisten Unterstützungen hatte und dessen Frage im Parlament verlesen wurde.
Also wenn man sich das jetzt als wirkliche Weiterentwicklung der direkten Demokratie vorstellt – ich sehe das nicht so! Ich halte das überhaupt für eine Totgeburt. Möglicherweise würden das Parteiapparate auch verwenden, um gezielt ihre Fragen zu lancieren und nicht darauf angewiesen zu sein, dass die Opposition Fragen bringt. Außerdem ist es auch eine Einschränkung des Rechtes der Abgeordneten, den Ministern gegenüber eine Kontrolle auszuüben, weil ja nicht mehr so viele Fragestunden wie bisher stattfinden, sondern diese nur substituiert werden. Das heißt, es gibt dann weniger normale Fragestunden, dafür gibt es Bürgerfrage-Stunden. Dadurch werden meiner Meinung nach die Rechte der Abgeordneten eingeschränkt.
Außerdem gibt es ja jetzt auch schon ein Auskunftspflichtgesetz. Das heißt, jeder Bürger kann an sich an einen Minister eine Frage stellen, schriftlich oder mündlich. Wenn er es schriftlich macht, dann hat er die größte Sicherheit, dass er das dokumentieren kann. – Also, das, was hier vorliegt, ist eine Farce.
Dazu kommt noch, dass die Unterstützung einer solchen Anfrage in der Wählerevidenz registriert wird, denn es darf jeder nur einmal so eine Anfrage unterstützen, und daher haben wir dann eine ganz qualifizierte Datensammlung, wer welches Volksbegehren unterstützt – das wird nicht so oft vorkommen – und wer welche Bürgeranfrage unterstützt. Das wäre eine unglaubliche Möglichkeit, einerseits so quasi qualifiziert Meinungsabfrage zu machen, aber andererseits Daten über Bürger zu sammeln.
Das ist schon angesprochen worden, denn diese Kritik steht ja bereits im Raum. Ich sehe jedenfalls bis jetzt keinerlei Ansatz, dass man darauf sensibel eingeht. Ich meinerseits bin immer sehr skeptisch bei Regelungen, die eingeführt werden, dass dann die gewonnenen Daten sehr wohl zusammengeführt und verwendet werden. Ich würde daher niemandem raten, so eine Anfrage zu unterstützen, wenn er nicht will, dass es deklariert ist, wo immer er sich bewegt.
Des Weiteren ist das, was jetzt hier vorliegt, auch Kosmetik. Volksbegehren werden etwas attraktiver gemacht, das gebe ich grundsätzlich zu. Es hat natürlich mehr Bedeutung, wenn es eine Sondersitzung gibt und wenn es noch einmal im Ausschuss behandelt wird. Aber wenn dahinter keine Verbindlichkeit steht, nämlich die Verbindlichkeit, dass aus dem Volksbegehren etwas werden kann, dann ist es nur eine Verzögerung der Beerdigung. Denn: Ob das jetzt gleich, so wie jetzt halt, nachdem es ein Tagesordnungspunkt in einer Sitzung war, beendet ist oder halt dann nach mehreren Sitzungen, ist nicht ausschlaggebend. Wenn keine Kraft dahintersteckt, wenn dann nicht die Möglichkeit besteht, etwas zu erzwingen, dann ist es eben nur Kosmetik.
Das ist letztendlich der Inhalt dieses Demokratiepakets, das zwar diesen Namen trägt, das aber mehr als enttäuschend ist. Es geht überhaupt nicht in die Richtung, die wir wollen.
Damit bin ich jetzt beim dritten Punkt, und zwar: Was wir wirklich wollen, haben wir – und ich möchte jetzt keinen Wettlauf darum machen, wer diese Diskussion begonnen hat, ich weiß nicht, ob wir die ersten waren oder die Grünen oder sonst jemand – bereits im Februar 2012 in einem ganz konkreten Antrag eingebracht. Also das liegt jetzt doch schon lange im Parlament. In diesem Antrag werden ganz konkret von uns Forderungen gestellt, wie direkte Demokratie weiterentwickelt werden soll. Und das sind zwei wesentlichen Punkte. Und zwar:
Erstens: die Volksinitiative. – Das heißt, die Bevölkerung muss die Möglichkeit haben, mit einer bestimmten Anzahl an Unterstützern für ein Volksbegehren einen konkreten Gesetzesvorschlag zu machen. Und dann hat das Parlament die Möglichkeit, das aufzugreifen. Wie das dann genau abzuwickeln ist, muss noch im Detail geklärt werden. Dann muss es die Möglichkeit geben, mit den Initiatoren einen Dialog zu führen. Allenfalls wird das dann ein Gesetz. Wenn aber das Parlament damit nicht einverstanden ist, dann muss es zu einer Volksabstimmung kommen.
Das wäre eine echte Weiterentwicklung der direkten Demokratie! Das ist das, wovon jetzt hier zum Teil ansatzweise ein bisschen wie in Sonntagsreden gesprochen wurde, indem man meinte: Ja, es ist wichtig, dass die Menschen mehr Partizipation erleben! Aber das hat immer damit zu tun: Welche Möglichkeiten haben ich wirklich? Sind es nur Scheinmöglichkeiten oder sind es echte? Darin liegt der große Unterschied!
Zweitens: Also die Volksinitiative auf der einen Seite, und auf der anderen Seite als Gegenstück dazu die Veto-Volksabstimmung, wo die Bürger die Möglichkeit haben, dann, wenn ein Gesetz bereits beschlossen wurde, mit einer gewissen Unterstützung zu verlangen, dass über das bereits beschlossene Gesetz eine Volksabstimmung stattfindet, um Dinge schlicht und einfach direktdemokratisch zu verhindern.
Das ist der entscheidende Punkt! Denn wenn Frustration über die Politik entsteht, ist ein nicht unwesentlicher Punkt der, dass zwischen dem, was im Parlament eine Mehrheit findet – vielleicht unter Umständen sogar eine hochqualifizierte Mehrheit –, und dem, was in der Bevölkerung tatsächlich mehrheitsfähig ist, ein Riesenunterschied besteht und die Bürger dann nur die Möglichkeit haben, das kleinere Übel zu wählen, hätten aber unter Umständen bei einer konkreten Frage anders entschieden.
Diese beiden Punkte wären eine echte Weiterentwicklung!
Wie gesagt, ich bin sehr enttäuscht, denn das, wo wir hier stehen geblieben sind, ist Kosmetik. Es geht um eine Datensammlung, es wurden Überschriften geschaffen, es wurde mit dem Demokratiepaket ein toller Name gefunden, aber es findet nicht wirklich eine Weiterentwicklung statt.
Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Vorsitzender! Ich kann nahtlos an das, was Kollege Stefan gesagt hat, anknüpfen. Sie, die Sie hier im Parlament sitzen, aber auch die Öffentlichkeit weiß, dass es zwischen FPÖ und Grüne nicht oft der Fall ist, dass sie die gleichen Punkte kritisieren.
Vorweg möchte ich aber noch mein Bedauern ausdrücken, dass es nicht möglich war, so wie gestern bei der Bundesrats-Enquete auch heute diese öffentliche Sitzung via Live-Stream zu übertragen. Ich glaube, dass das gerade bei diesem Thema – aber natürlich auch bei anderen Themen – sehr wichtig gewesen wäre, nämlich Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht hierher kommen können, die Möglichkeit zu geben, sich zu beteiligen. Vielleicht können wir das bei künftigen Hearings checklistenartig mitnehmen und dann überlegen, ob das Sinn macht oder keinen Sinnen macht. Wir sind auf jeden Fall dafür.
Beim Wort „Kosmetik“ finde ich mich sehr gut wieder – nicht grundsätzlich, sondern was dieses Reformpaket, dieses sogenannte Demokratiepaket betrifft. Vielleicht muss man hier wirklich eines klarstellen:
Es gab eine parlamentarische Arbeitsgruppe „Parlamentarismusreform“ und dazu die Untergruppe „Direkte Demokratie“. Das, was man mit diesem Paket hier vorlegt, hat mit dem, was dort diskutiert wurde, nichts zu tun. Ich will mit diesem Paket, im derzeitigen Stadium, auch nichts zu tun haben, denn alles, was wir dort besprochen haben, ist in diesem Paket so nicht enthalten. Es gab anscheinend eine interkoalitionäre Gruppe, die dann dieses jetzt vorliegende Paket geschnürt hat.
Staatssekretär Kurz! Viele Punkte von dem, was Sie vor einem Jahr an gute Punkten, wie ich meine, vorgeschlagen habe, finden sich in diesem Paket jetzt nicht wieder. Das sollte hier auch noch einmal festgestellt werden.
Substantielles fehlt. Die Ausgangslage der Diskussion, die jetzt schon länger als ein Jahr lang öffentlich läuft, war zum einen das Thema „Politikverdrossenheit“. Das Thema „Demokratie“ ist natürlich nicht nur eine Frage: Wie reagiert man auf Politikverdrossenheit?, sondern auch eine Frage: Wie gestalten wir unseren Staat und welche Haltung haben wir zur Demokratie? Und direktdemokratische Instrumente und der Ausbau der direkter Demokratie sind natürlich nur eine mögliche Antwort auf Politikverdrossenheit oder – wollen wir es so nennen – ein möglicher Anreiz, um sich mehr an politischen Aktivitäten und auch am politischen Geschäft zu beteiligen.
Politikverdrossenheit entsteht natürlich auch durch unsere inhaltlichen Beschlüsse. Zum Beispiel: Solange es enorme Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen gibt und das Parlament es nicht schafft, Regelungen zu schaffen, die das beseitigen, und solange es noch immer Unterschiede bei den Zugangschancen im Bildungsbereich für Kinder gibt und das Parlament es nicht schafft, darauf entsprechende Antworten zu finden, so lange wird auch die Frustration mit dem politischen System nicht vergehen. – Das sei hier auch einmal erwähnt.
Nun zur bereits erwähnten BürgerInnenanfrage, die ich auch hier gern als Beispiel anführen möchte.
Wenn Sie hier jetzt sagen, das ist der erste Schritt, dann möchte ich sagen: Man kann schon erste Schritte machen, aber: Wir alle kennen das parlamentarische Geschäft und wissen – und das habe ich schon gestern bei der Bundesrats-Enquete gesagt –, dass dann, wenn einmal erste Schritte gemacht werden, diejenigen, die sozusagen den öffentlichen Druck nicht so begrüßen und die direkte Demokratie eigentlich gar nicht weiter ausbauen wollen und mit dem zufrieden sind, was da existiert, dafür sorgen, dass dieser erste Schritt einige Zeit oder viele Jahre dazu dient, zu sagen: Wir haben das doch eh gerade erst geändert! Das haben wir oftmals so erlebt.
Aber ich will auch nicht sagen: Dieser erste Schritt ist ein guter erster Schritt und da machen wir weiter!, weil er auch von Inhalt her kein guter erster Schritt ist und unter Umständen sogar dazu führt, dass die Bürgerinnen und Bürger dann noch frustrierter sind, als sie das jetzt schon sind. Und das möchte ich Ihnen anhand der BürgerInnenanfrage verdeutlichen.
Kollege Stefan hat schon ausgeführt, wie das ablaufen wird, nämlich: Man braucht 9 999 Unterstützungen, um eine Frage einzubringen. – By the way: Professor Öhlinger hat gestern gesagt, eigentlich ist das ein Recht, das man nach dem Auskunftspflichtgesetz schon hat, da eine Antwort zu erhalten, also eigentlich keine besondere Errungenschaft. – Dann kann man aber nicht im Parlament ins Plenum gehen, sondern man kann sich lediglich hinauf auf die Galerie setzen und dort zuhören, hat aber keinerlei Möglichkeit, dort den eigenen Willen oder eine Wortmeldung abzugeben, sondern nur die ParlamentarierInnen haben, wenn es dann eine Nachfrage gibt, die Möglichkeit, so wie in der Fragestunde Nachfragen zu stellen.
Also das unter den Titel „Partizipation“ und „direkte Demokratie“ zu stellen, ist wirklich ein Hohn! Alle, die hier schon jemals in Opposition waren und Antworten von Regierungsmitgliedern bekommen haben, wünschen sich nicht, dass die gleichen Antworten auch an unsere BürgerInnen übermittelt werden, wenn sie Fragen stellen. Auch das könnte wirklich massiv zur Frustration führen.
Der andere Weg ist, im Bereiche der Auskunft wirklich einen ernsthaften Schritt zu machen in Richtung Informationsfreiheitsgesetz, in Richtung Transparenzgesetz. Das ist ja gerade in Diskussion. Dann erübrigen sich auch die Fragestellungen. Es geht eben bei dem Bedürfnis nach Partizipation und bei direkter Demokratie nicht nur darum, Fragen zu stellen oder abgefragt zu werden, zum Beispiel im Rahmen einer Volksbefragung, sondern es geht dann auch darum, zu wissen, dass die eigene Unterstützung letztendlich auch zu einer weiteren Konsequenz führt und man irgendwann einmal auch mitentscheiden kann. Genau das sieht unser Vorschlag vor, und das ist das dreistufige System, wo am Ende bei ausreichender Unterstützung eine Volksabstimmung steht!
Was die Anhörung im Parlament betrifft, so haben wir beim Bildungsvolksbegehren, wo es die Möglichkeit gab, im Ausschuss zu Wort zu kommen, erlebt, dass inhaltlich dabei nichts herausgekommen ist. Wir haben im Bildungsvolksbegehrens-Ausschuss viele Stunden versessen, uns gegenseitig erzählt und ExpertInnen zugehört, wie man es besser machen könnte. Es gab in vielen Punkten Konsens, und trotzdem ist dann nichts umgesetzt worden. Nur ein Stichwort dazu: Ausbildung der ElementarpädagogInnen. Und dazu wurde diese Woche von den zwei zuständigen Ministern ein Vorschlag gebracht, der weit weg ist von dem, was in diesem Bildungsvolksbegehrens-Ausschuss besprochen wurde.
Die Möglichkeit, als Initiatorin sprechen zu können, als die große Demokratiereform zu verkaufen, erachte ich auch als Hohn. Es gebietet die Höflichkeit, dass ich Menschen, die mit einer Initiative, mit einer Frage an mich als Parlament herantreten und auch noch die entsprechende Unterstützung dafür haben, die Möglichkeit gebe, angehört zu werden, und dass ich mich dann damit ernsthaft auseinandersetze. Das ist zwar ein schönes Asset in diesem Paket, verdient aber den Namen „Reform“ nicht.
Außerdem ist, wie in den Stellungnahmen herausgekommen ist, überhaupt nicht klar, wie es mit den Kosten bei dieser BürgerInnenanfrage bestellt ist. Das hat sowohl das Finanzministerium als auch der Rechnungshof kritisiert. Natürlich muss man auch hier die Frage stellen: Was bedeutet es, wenn das Parlament die Kosten für die BürgerInnenanfragen-Administration und -Operation übernimmt? Was bedeutet das dann für den weiteren parlamentarischen Betrieb? Und was bedeutet das dann für andere Fragestellungen?
Letztendlich geht es hier um grundsätzliche Entscheidungen, und vor diesen hat sich die Arbeitsgruppe Parlamentarismusreform gedrückt. Vor diesen drückt man sich auch bei diesem Reformpaket.
Will man, dass unsere repräsentative Demokratie um eine ernstzunehmende direkte Demokratie ergänzt wird? Und wenn ja, wie will man das?
Wenn man das will, dann muss man ernsthafte Schritte setzen. Dieses vorliegende Paket ist kein ernsthafter Schritt! Daher werden wir dem auch nicht zustimmen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie sich so weit bewegen, dass eine Zustimmung unsererseits möglich ist.
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Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man von Schritten – kleinen oder großen – in die richtige Richtung spricht, dann sollte man sich schon vor Augen führen, was der Ausgangspunkt des Ganzen gewesen ist. Nämlich: Am Beginn dieser Legislaturperiode haben ja alle noch von dem Ziel einer großen Staats- und Verwaltungsreform gesprochen. Da gab es die „Österreich-Gespräche“, da gab es Unterausschüsse für Verwaltungsreform und eine ganze Reihe von Arbeitskreisen dazu.
Herr Staatssekretär, wann hat das letzte Mal ein „Österreich-Gespräch“ stattgefunden? Ich glaube, es sind nicht Monate, sondern bereits Jahre her. Und so haben wir das mit anderen Dingen auch erlebt: dass nach all den Gesprächen, die grundsätzlich positiv gelaufen sind, wo Regierungsparteien und Oppositionsparteien ihre Meinungen eingebracht haben, dann eine Zeit lang nichts passiert ist und dann am Ende plötzlich überraschend, so wie jetzt bei diesem Demokratiepaket, etwas vorgelegt wurde, wo man sich gefragt hat: Wo kommt das jetzt her?
Bei der großen Verwaltungsreform sind dann die Verwaltungsgerichte übriggeblieben, die zwar für sich genommen positiv gewesen sind, aber von dem Ziel einer Staats- und Verwaltungsreform ist man noch weit weg.
Angesichts der Euro-Krise und der Spekulationsgeschichten sollte man hier Freiräume schaffen, um Druck ausüben zu können auf jene Gruppen – zum Beispiel auf manche „Landesfürsten“ –, die da immer wieder blockieren, um endlich einmal einen großen oder wenigstens einen größeren Wurf zusammenzubringen. Man sollte einmal eine Aufgabenkritik machen: Welche Aufgaben soll denn der moderne Staat noch übernehmen? Und man sollte neuerlich über die Kompetenzverteilung verhandeln und über die Umsetzung, etwa was die Zusammensetzung des Gesetzgebers auf Landesebene und auf Bundesebene betrifft, diskutieren. Das alles sollte man diskutieren und dann eine Reform machen.
Ich darf daran erinnern, dass ein Ausgangspunkt der jetzigen Diskussion der Vorschlag der Verkleinerung des Nationalrates gewesen ist. Dieser Vorschlag ist ja nicht nur von der Opposition gekommen, sondern auch von den Regierungsparteien. Aber hier in diesem Paket findet sich überhaupt nichts mehr davon. Obwohl es eine Allparteieneinigung gab, dass es eine Art Gesetzesinitiative, in welcher Form auch immer, eine Art Volksgesetzgebung aus der Bevölkerung heraus und auch eine Art Vetoreferendum geben soll – wie gesagt, das war eine Einigung aller Parteien, dazu gibt es auch entsprechende Anträge, und das war auch die Grundlage für diesen Arbeitskreis, wobei ich glaube, Sie meinen wahrscheinlich einen anderen Arbeitskreis, nicht unseren –, entsprechen die Dinge, die hier jetzt vorgelegt worden sind, nicht dieser Vorgabe.
Herr Staatssekretär Kurz, Sie haben gesagt, dass vieles von Ihrem Konzept in diesem Reformpaket eingearbeitet worden ist. Ich habe mir das jetzt extra holen lassen, weil ich das anders in Erinnerung gehabt habe, und kann Ihnen nicht zustimmen. Denn da haben Sie noch Folgendes drinnen: Steuergeldwidmung, Volksabstimmung nach erfolgreichem Volksbegehren, Bürgersonntage, wo man Wahlen und Referenden zusammenlegen kann, Regierungshearings am Beginn einer Legislaturperiode, Reform des Bundesrates und, und, und.
Ja, wunderbar! Darüber hätten wir wirklich gerne intensiv diskutiert, und Ihr Parteichef hat auch einmal gesagt, das sei auch die Linie, das Konzept der Österreichischen Volkspartei. Aber wieso beschließen wir es dann hier nicht? – Ich hatte auf der anderen Seite bei der ersten Lesung zu diesem Paket den Eindruck, dass vonseiten der SPÖ der Hinweis gekommen ist, man hätte durchaus auch mehr beschließen können, aber der Koalitionspartner, sprich die ÖVP, habe hier blockiert.
Da frage ich mich: Wenn Sie das als Ihren Beschluss hernehmen und die SPÖ sagt, sie hätten auch mehr als das jetzt Vorgelegte beschließen wollen, wer hat dann das verhindert? – Wir, die Opposition, waren es nicht, denn wir hätten darüber gerne sehr intensiv debattiert.
Und wenn wir über die direkte Demokratie reden und wenn immer von einem „kleinen Wurf“ und einem Kompromiss gesprochen wird, dann sage ich Ihnen: Ein „kleiner Wurf“ oder ein guter Kompromiss hätte etwa bei der Volksgesetzgebung so ausgesehen:
Wir hatten ja auch schon einmal ein Hearing mit Experten, mit Professoren, wo man gesehen hat, dass es bei einem Automatismus – das heißt, wenn ein erfolgreiches Volksbegehren über eine Volksabstimmung direkt zu einem Gesetzesbeschluss führen soll – sehr viele verfassungsrechtliche Fragen gibt, die vielleicht nicht einfach zu lösen sind, so etwa zunächst einmal die Frage der Legistik. Wir haben hier im Parlament schon das Problem, dass wir wissen, dass wir ein kompliziertes Gesetz gar nicht selbst machen können, weil es hier im Hohen Haus gar keine legistische Unterstützung gibt. Wie soll das einem Bürger zumutbar sein?
Eine weitere Frage: Wie ist das Ganze dann einzuordnen im Stufenbau der Rechtsordnung, wenn ein Gesetzesbeschluss ohne Mitwirkung des Parlaments zustande kommen soll? Wie ist das bei Abänderungen, bei Aufhebung des Gesetzes? Oder soll das nur eine Anregung und ein Auftrag an den Gesetzgeber sein, dann ein Gesetz mit dem Inhalt des Ergebnisses dieser Volksabstimmung zu verabschieden? Wie ist das wieder mit dem freien Mandat vereinbar? Und was ist, wenn der Gesetzgeber, also das Parlament, dann nicht hundertprozentig dem Wunsch der Initiatoren entsprechen kann? – Also eine Fülle von Fragen, die vielleicht lösbar sind, die aber gelöst werden müssten, wenn man da etwas Vernünftiges zusammenbringt.
Wenn man sich damit beschäftigt, dann könnte man sagen: Gut, das können wir in dieser Legislaturperiode nicht lösen, aber als ersten Schritt – damit man sieht, man wertet das Volksbegehren auf – machen wir nicht eine Volksabstimmung, aber wenigstens die Möglichkeit einer Volksbefragung bei einem erfolgreichen Volksbegehren, sodass der Druck auf die Politik verstärkt wird, etwas zu tun und nicht zu sagen, na gut, da haben jetzt 200 000 unterschrieben, aber die restlichen 5 Millionen Wahlberechtigten sind ohnedies dagegen, denn die haben nicht unterschrieben. – Das haben wir ja in der Vergangenheit immer wieder gehört.
Das wäre für mich ein Kompromiss oder ein erster Schritt, über den man reden könnte – anstatt zu sagen: Volksgesetzgebung wollten wir zwar, aber da bringen wir eigentlich nichts zusammen, kommt also nicht, Veto-Referendum kommt auch nicht, und über die Verkleinerung des Nationalrates diskutieren wir auch nicht.
Die Online-Unterstützung von Volksbegehren ist gut – das möchte ich hier herausstreichen –, auch die zentrale Wählerevidenz, nur: Da hätten wir jetzt nicht so viele Wochen und Monate darüber diskutieren müssen.
Und bei der Bürgeranfrage macht man es schon wieder unnötig kompliziert. Wo liegt wirklich das Problem, weshalb so eine Bürgeranfrage nicht auch ganz normal übers Internet eingebracht werden kann, mit einer Ausweisnummer versehen? Warum muss man sich da wieder registrieren lassen und das mit einer digitalen Signatur umsetzen? Warum kann man den Anfragesteller da nicht wirklich aktiver einbinden? – Da geht es wirklich nur um Kleinigkeiten, wo ich sage: Warum muss man da wieder zusätzliche Schranken einführen? – Es sei denn, man will das nicht. Das ist dann auch eine klare Aussage, so wie beim EU-Begehren, wo man ja den Eindruck hatte, dass man das in Österreich nicht will und die Schranken hier noch verstärkt worden sind, obwohl die Anforderungen von der EU-Ebene her gar nicht so streng gewesen wären.
So kann man es dann nicht machen, zu sagen: Wir haben uns hier zusammengefunden, um ein großes Paket zu schaffen, wir – nämlich die Regierungsparteien – haben uns aber nur auf ein ganz, ganz kleines einigen können – und selbst bei diesem kleinen gibt es noch Dinge, wo man sich fragt, warum man das so kompliziert gemacht hat –; und wenn die Opposition nicht zustimmt, dann ist sie dafür verantwortlich, dass dann gar nichts kommt! – Das wäre sicherlich der falsche Weg.
Ich bedauere es, dass das jetzt das Ergebnis ist. Aus unserer Sicht können wir diesem – so, wie es jetzt hier vorliegt – mit Ausnahme der Online-Unterstützung für die Volksbegehren auch nicht zustimmen. Ich bin sehr gespannt, was da jetzt noch von Ihnen an Reformen kommt.
Ich ersuche auch die Experten, sich jetzt nicht nur auf das Vorgelegte zu konzentrieren, sondern auch wirklich das gesamte Bild der Reform der direkten Demokratie zu beleuchten, sodass wir in diesem Bereich vielleicht wenigstens von Ihren Informationen her einen Schritt weiterkommen.
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Roland Egger: Einen wunderschönen Nachmittag, meine Damen und Herren! Mein Name ist Roland Egger. Ich bin Obmann von „atomstopp_atomkraftfrei leben!“. „atomstopp_atomkraftfrei leben!“ ist ein Anti-Atom-Verein mit Sitz in Oberösterreich, subventioniert durch das Land Oberösterreich und die Landeshauptstadt Linz.
Sie werden sich vielleicht fragen: Was macht ein Anti-Atom-Verein in Österreich, in Oberösterreich? – Wir engagieren uns für einen europaweiten Atomausstieg. Wir kampagnisieren gegen EURATOM, gegen die Europäische Atomgemeinschaft, wo Österreich ja seit seinem EU-Beitritt auch Mitglied ist. Wir beteiligen uns an Einwendungskampagnen gegen grenznahe Atomkraftwerke, gegen Temelín, gegen Paks. Wir kritisieren Atomstromimporte nach Österreich und räumen damit oft auch mit dem Mythos eines atomfreien Österreich auf – oft auch zum offenkundigen Unwillen der Politikerinnen und Politiker und Institutionen, die uns finanzieren. Und damit ergibt sich oft auch ein recht spannendes Betätigungsfeld.
Neben Aktionismus nützen wir als Anti-Atom-Verein natürlich auch die Mittel, die uns im Rahmen der direkten Demokratie zur Verfügung stehen. Wir haben zum Beispiel 2012 eine Bürgerinitiative gestartet, wo wir einen Vorschlag von Bundeskanzler Faymann aufgenommen haben, der nach der Fukushima-Katastrophe gemeint hat, der EURATOM-Vertrag könnte ja zu einem Atomausstiegsvertrag umgewandelt werden – was prinzipiell ja auch sehr löblich wäre. Wir haben diesen Vorschlag aufgenommen, eine Bürgerinitiative gestartet und Unterschriften gesammelt. Das ist dann auf der Parlamentsseite veröffentlicht und dort entsprechend unterstützt worden. Es wurde im Petitionsausschuss behandelt, wo auf Antrag der Grünen, glaube ich, eine Stellungnahme vom Außenministerium und vom Umweltministerium angefordert wurde und eine Stellungnahme vom Bundeskanzleramt abgelehnt wurde. – Das war das Schicksal dieser Bürgerinitiative.
2011 haben wir das „RAUS aus EURATOM“-Volksbegehren zur Auflage gebracht, das mit 1 322 Unterschriften die 100 000-Unterschriften-Marke verfehlt hat und per Definition damit auch kein Volksbegehren war. Es gab 2002 und 1980 aber durchaus auch Anti-Atom-Volksbegehren, die sehr viel mehr Unterschriften bekommen haben, und zwar „Veto gegen Temelín“ mit über 900 000 Unterschriften und ein Pro-Zwentendorf-Volksbegehren 1980, zwei Jahre nach der Volksabstimmung gegen Zwentendorf, mit über 400 000 Unterschriften – vom Ergebnis her aber ebenfalls völlig ohne Konsequenzen.
Dabei bin ich gleich auch bei der grundsätzlichen Kritik: Petitionen, Bürgerinitiativen und Volksbegehren in der bisherigen Form und wie sie im derzeitigen Demokratiepaket behandelt werden, bleiben ohne Konsequenzen. Was man allenfalls von einer Einsetzung eines Ausschusses, der sich mit der Forderung eines Volksbegehrens auseinandersetzt, halten kann, das könnte man den Initiator des letzten, mit knapp 400 000 Unterschriften erfolgreichen Volksbegehrens, nämlich des Volksbegehrens Bildungsinitiative, fragen und vom ihm erfahren, wie viel Frust und wie viel Enttäuschung dort übrig geblieben sind.
Es gab in der ganzen Debatte eine durchaus spannende Phase der Diskussion, und zwar als über Grenzen diskutiert wurde, ab denen aus erfolgreichen Volksbegehren irgendetwas folgen sollte. Ich habe da in Erinnerung, dass die SPÖ die Hürde mit 700 000 Unterschriften am höchsten gelegt hat, die ÖVP hat sie mit 650 000 festgesetzt, das BZÖ mit 400 000 und die Freiheitlichen mit 250 000. Da kann man sich nun fragen: Ist das viel? Ist das wenig? – In der Schweiz, das von der Bevölkerungszahl mit Österreich vergleichbar ist, reichen 100 000 Unterschriften aus, und es folgt eine verpflichtende Volksabstimmung. In Italien, das zehnmal mehr Wahlberechtigte als Österreich hat, reichen 500 000 Unterschriften aus, und es folgt zwingend eine Volksabstimmung.In Österreich kommt nach einem erfolgreichen Volksbegehren eine Behandlung im Parlament, mehr aber auch nicht. Das wissen alle Proponenten des Volksbegehrens, das haben auch wir gewusst, als wir das EURATOM-Volksbegehren gemacht haben. Das Volksbegehren war, trotz all seinen Schwächen, aus unserer Sicht ein Mittel, das wir im Rahmen unserer Kampagne „Österreich – RAUS aus EURATOM“ genutzt haben.
Seit 2008 hat es Anträge der Opposition genau in diese Richtung, für einen Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag gegeben. Insgesamt gab es 15 Anträge, davon sind sieben von den Freiheitlichen, sechs von den Grünen und zwei vom BZÖ eingebracht worden. Alle erlitten das gleiche Schicksal: vertagt, abgelehnt, nicht zur Abstimmung zugelassen, vertagt, vertagt, vertagt.
Ist ein Volksbegehren wirklich das Begehren des Volkes, oder was sagt die Anzahl der Unterschriften aus? Ich glaube: nichts. Die derzeitige Schwäche des Instruments ist nämlich, dass keine Konsequenz aus einem Volksbegehren folgt und die Bevölkerung deshalb volksbegehrensmüde ist. Es ist egal, wie viele Unterschriften ein Volksbegehren erreicht. Es ist egal, ob es danach einen eigenen Ausschuss gibt. Es ist egal, ob der Proponent eines Volksbegehrens danach ein Rederecht im Parlament hat, denn nach dieser Rede muss er bitte auf die Galerie gehen! – Ich meine, das muss man sich vorstellen, welche Zweiklassengesellschaft da aufgebaut wird! Die Konsequenz, die in diesem Demokratiepaket aus unserer Sicht, aus meiner Sicht ganz wesentlich ist, ist, dass Volksbegehren resultierende Volksabstimmungen nach sich ziehen müssen.
Das jetzige Demokratiepaket stellt sich dieser Diskussion nicht. Das Demokratiepaket in der jetzigen Form hält das Volk auf Distanz. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass das Demokratiepaket in dieser Form ein Dokument der Angst vor dem Volk ist, ganz nach dem Motto: Ja, ihr könnt gerne einen Schritt näher kommen, aber bitte nicht weiter! – Danke vielmals.
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Univ.-Prof. Dr. Franz Merli: Meine Damen und Herren! Ich war ja schon beim ersten Hearing dabei, ich kann also einiges wiederholen. Ich werde zunächst einmal über das Volksbegehren als das Hauptinstrument sprechen und dann noch kurz etwas zu den anderen vorgeschlagenen Instrumenten sagen.
Wenn man etwas zu bewerten versucht, braucht man natürlich auch Kriterien dafür und die, die ich hier herangezogen habe, sind: die Zugänglichkeit des jeweiligen Instruments, die Effektivität, die Rechtmäßigkeit dessen, was erreicht werden soll, und die Qualität in demokratiepolitischer Hinsicht.
Was die Zugänglichkeit anbelangt, ist durch die elektronische Unterstützung ein Fortschritt beim Volksbegehren erzielt worden, wenn denn das nun so beschlossen wird, wie hier vorgeschlagen. Allerdings muss ich auch dazusagen, die Eintragungsfrist ist immer noch sehr kurz. Acht Tage sind im internationalen Vergleich wenig und der verpflichtende Sonntag, der für diejenigen, die sich noch traditionell als Unterstützer eintragen lassen wollen, offen sein muss, ist jetzt auch noch weggefallen.
Im Übrigen möchte ich noch eine technische Bemerkung machen: Der Rechtsschutz gegen die Nicht-Zulassung ist ein bisschen im Vagen. Man kann da schon etwas zusammenkonstruieren, aber rein dem Text nach hat man kein Ergebnis eines Volksbegehrens, das man dann anfechten kann. – So viel dazu.
Was die Effektivität anbelangt, ist ja versucht worden – das ist schon gesagt worden –, größere Sichtbarkeit bei der Behandlung im Parlament herzustellen. Ich glaube, dass das auch gelungen ist. Es ist natürlich auch ein gewisses Ziel eines Volksbegehrens, Öffentlichkeit für ein Anliegen zu kriegen, und das kann dabei helfen. Was ich dabei nicht verstehe, ist, warum der Bevollmächtigte des Volksbegehrens bei der abschließenden Beschlussfassung im Plenum dann nicht mehr reden darf. Dafür sehe ich eigentlich keinen Grund.
Auch ansonsten gibt es Kleinigkeiten: In der ersten Lesung darf der Bevollmächtigte nicht mehr als zehn Minuten sprechen, der Minister soll nicht mehr als zehn Minuten sprechen. Da merkt man gewisse Unterschiede. Das ist nicht sehr wichtig, aber vielleicht atmosphärisch ein Element, über das man nachdenken kann.
Freilich ist diese größere Sichtbarkeit, die damit vielleicht erzielt wird, nicht das Hauptproblem. Wie schon sehr viele Redner gesagt haben, das Hauptproblem der mangelnden Effektivität ist einfach, dass das wirkungslos verpufft, das heißt, dass vielleicht Sichtbarkeit entsteht, aber kein realer Effekt. Jetzt gibt es von der Opposition und auch von anderen Gruppen den Vorschlag, Volksbegehren, die erfolgreich sind, die eine gewisse Mindestunterstützung erlangen, die aber vom Nationalrat nicht entsprechend umgesetzt werden, einer Volksabstimmung zu unterziehen. Auch dazu ist schon einiges gesagt worden. Ich kann an das anknüpfen, was ich das letzte Mal gesagt habe: Diese Modelle haben gravierende verfassungsrechtliche Probleme.
Der erste Punkt ist: Sie werden, sofern das ohne oder gegen das Parlament erfolgt, eine Gesamtänderung der Bundesverfassung brauchen. Das könnte also nur mit einer zusätzlichen Volksabstimmung eingeführt werden.
Das Zweite ist aber, dass auch eine Fülle von Fragen geklärt werden muss, die jetzt nicht geklärt werden müssen. Solange das Volksbegehren nur ein unverbindlicher Vorschlag an das Parlament ist, muss man sich über die Rechtmäßigkeit keine Gedanken machen. Das Parlament kann das alles abgleichen, zurechtschleifen, so fassen, dass es dann mit der Kompetenzverteilung und den Grundrechten zusammenpasst und vieles anderes mehr.
Wenn man aber so eine Art Automatismus schafft, dann muss man dieses Rechtmäßigkeitsproblem lösen, dann braucht man einen Maßstab dazu. Dieser Maßstab ist wiederum davon abhängig, ob es um ein einfaches Gesetz oder eine Verfassungsänderung gehen soll, das muss man dann festlegen. Man braucht dann einen konkreten Text, nicht eine bloße Anregung, und wenn man dann inhaltlich prüft, muss man wohl eine Art Rechtmäßigkeitsvorprüfung einführen. Die kann aber natürlich nur eine grobe Prüfung sein, denn man will ja einem Volksbegehren nicht den ganzen Schwung nehmen, indem man es lange prüft und im Anfechtungsfall noch den Verfassungsgerichtshof entscheiden lassen muss. Das heißt, es muss also eine Grobprüfung sein.
Man kann auf diese Art und Weise nicht verhindern, dass rechtswidrige Anliegen zum Gesetz werden. Dann hat man das Problem, wie man das wieder loswird. Darf das Parlament das dann wieder abschaffen, oder ändern, oder darf der Verfassungsgerichtshof es aufheben? Es gibt viele solche Probleme damit.
Wenn ich das dann mit einer gewissen Neigung kombiniere, solche Instrumente zu populistischen Zwecken auszunützen, finde ich es nicht ratsam, diesen Weg zu verfolgen. Ich glaube aber auf der anderen Seite, dass die Grundidee, dass man an ein erfolgreiches Volksbegehren – oder eines mit einer gewissen Mindestunterstützung – Konsequenzen knüpft, richtig ist.
Auch da ist schon gesagt worden, dass eine Lösung, über die Sie nachdenken könnten, wäre, das Volksbegehren in solchen Fällen mit einer Volksbefragung zu verknüpfen. Das hat den Vorteil, dass zunächst einmal die Mehrheitsfeststellung – ist die Mehrheit der Leute dafür? –, die den Betreibern ja so wichtig ist, einmal da ist, dass der politische Druck, der ja letztlich das einzige Mittel im Nationalrat ist, funktioniert, dass man sich aber viele der rechtlichen Probleme erspart, die mit einer verbindlichen Volksabstimmung verbunden wären.
Allerdings wäre es dann empfehlenswert, zwei Einschränkungen vorzunehmen: zum Ersten beim Gegenstandsbereich, nämlich keine Gesamtänderungen der Bundesverfassung zuzulassen, und zum Zweiten, keine – rechtmäßige oder rechtswidrige – Schlechterstellung der Rechtsposition von Gruppen, die Minderheiten angehören, die durch Rasse, Staatsangehörigkeit, sexuelle Ausrichtung oder ähnliches definiert sind, zuzulassen. – So viel zur Frage der Effektivität.
Was die Qualität anlangt, so ist diese bislang, soweit ich das sehe, kaum zum Thema geworden. Da kann man sich schon noch einiges vorstellen. Sie haben jetzt viele Transparenzpakete beschlossen, Sie könnten zum Beispiel auch darüber nachdenken, die Betreiber von Volksbegehren über ihre Finanzierung, über ihren Lebenslauf, über ihre Parteizugehörigkeiten und ähnliches Auskunft geben zu lassen. Man kann natürlich auch darüber nachdenken, ob nicht die Regierung oder die im Nationalrat vertretenen Parteien in einem offiziellen Rahmen Stellung beziehen sollten, sodass man nicht nur das Volksbegehren für sich hat, sondern auch Stellungnahmen dazu und zusätzliche Informationen. – So viel zu dieser Volksbegehrensgeschichte. Es gab dann noch eine Reihe von anderen Vorschlägen.
Zunächst einmal kann man überlegen, den Gegenstandsbereich des Volksbegehrens vielleicht ein bisschen über Gesetzgebungsakte hinaus zu erstrecken – das finde ich richtig. Es gibt viele öffentlich sehr stark diskutierte Entscheidungen genereller Natur, politischer Natur, die einer direktdemokratischen Mitwirkung durchaus zugänglich wären. Ich denke an gewisse Verordnungen, die man erlassen kann. Ich denke an außenpolitische Akte, wie den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen und Ähnliches mehr. Da gäbe es durchaus Raum, um noch ein bisschen Masse an Mitbestimmungsmaterial zu gewinnen.
Dann ist die Veto-Volksabstimmung vorgeschlagen worden. Da gelten alle diese rechtlichen Probleme, die ich geschildert habe, nicht. Das Problem ist aber die Dringlichkeit.
Zum Schluss sage ich noch zur Bürgeranfrage nur so viel: Vielleicht sollten Sie Ihre Energie lieber darauf richten, die Minister dazu zu bringen, die Abgeordnetenfragerechte besser zu respektieren. – Danke.
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Dr. Eike Lindinger: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich bin Rechtsanwalt, sitze nicht zum ersten Mal in so einem Verfassungsausschuss und bin immer mit demokratiepolitischen Themen und Wahlen befasst. Ich habe vielleicht weniger einen wissenschaftlichen Zugang, sondern eher den Zugang aus der Praxis, um dieses Demokratiepaket näher zu durchleuchten, denn zu mir kommen die Menschen in der Regel und fragen: Herr Doktor, das hat mir nicht gepasst, wie kann man so eine Wahl, so ein Volksbegehren anfechten? Oder: Wie organisiere ich mich, wie strukturiere ich das?
Wenn man sich jetzt diese ganzen Reformvorschläge anschaut, dann kommt man – und da gehe ich dann nicht weiter im Detail darauf ein – zu dem Schluss, das Ganze ist sehr komplex uns sehr kompliziert, es bedarf offensichtlich einer vertieften Studie. Sogar der Verfassungsgerichtshof hat ja einmal gesagt, dass man einen rechtshistorischen Fleiß braucht, um das vielleicht näher aufzuklären. – So viel dazu.
Ich möchte zwei Aspekte beleuchten, die in dieser ganzen Geschichte vielleicht etwas untergehen. Das demokratische Verständnis hat natürlich einen rechtsstaatlichen Hintergrund, aber an sich sagt man immer, das Recht geht vom Volk aus. Dann gibt es die rechtsstaatliche Grenze, wo man sagt, es gibt bestimmte Dinge, über die wird nicht diskutiert. Das sind die Grund- und Freiheitsrechte sowie die Menschenrechte, die bilden einen wesensfesten Kern, über den es keine Abstimmung geben kann und darf.
Genau diese Grenze verschwimmt hier. Da hat man nämlich auf der einen Seite ein Parlament, das für die Legislative zuständig ist, und gleichzeitig implementiert man auf der anderen Seite etwas unter dem Baustein direkte Demokratie, wo aber die direkte Demokratie nur eine Schein-Demokratie ist, weil es keine einzige wirklich effektive Umsetzung und keine Konsequenz gibt.
Einer der Schöpfer der österreichischen Bundesverfassung im Jahre 1921, Kelsen, hat in der Reinen Rechtslehre gesagt: Eine Norm ist nur effektiv, wenn sie eine Sanktion kennt und die Sanktion auch tatsächlich verhängt wird. – Zitatende.
Weder mit der Bürgeranfrage, noch mit dem Volksbegehren, noch mit einer Bürgerinitiative gibt es eine tatsächliche Effektivität. Das heißt, Leute bemühen sich, sie setzen sich ein, aber es passiert nichts. Da schließe ich mich meinem Vorredner zu meiner rechten Seite an. Das heißt, das ist zwar interessant, es kann die Bürgerverdrossenheit ein wenig aufwecken, ich glaube aber nicht, dass es das Mittel ist.
Schauen wir uns die Wurzeln an: Wie kommt man zu diesem Demokratieverständnis oder zu diesem Demokratiepaket?
An sich waren es immer Bewegungen von unten, die gesagt haben: Wir möchten etwas ändern, wir wollen das. Grund- und Freiheitsrechte sind nicht von oben oktroyiert, sondern von unten erstritten worden.
Hier kommt aber der Gesetzgeber und verordnet ein Demokratiepaket, möglicherweise um das eine oder andere auszuschalten. Nachdem ich hier lauter Abgeordnete habe: Diese direkte Demokratie geht auch auf Kosten Ihrer Abgeordnetenrechte, wahrscheinlich vor allem auf Kosten der der Opposition. Die Fragestunden, die vorgesehen sind, werden sicherlich nicht mehr Fragestunden werden. Es werden wahrscheinlich weniger Fragestunden sein. Das heißt, diese Kontrollmöglichkeit, diese Kontrollfragen hat man nicht.
Dass wir da eine Doppelgleisigkeit haben, ist schon aufgezeigt worden. Nach dem Auskunftspflichtgesetz brauche ich nicht noch zusätzlich 9 999 Stimmen, die sich registrieren lassen, sondern jeder hat dieses Recht. Ich leiste oft genug bei Fällen Verfahrenshilfen, bei denen es um Verletzungen gerade dieser Auskunftspflicht geht, und die man beim Verwaltungsgerichtshof immer ganz schlank gewinnt. Das ist aber immer ein unheimlicher Aufwand: Warum wird diese Frage nicht beantwortet? – Da könnte man überlegen, an dieser Schraube zu drehen, das heißt, bei Verletzung, wenn man diese Frage nicht beantwortet, gibt es auch eine Sanktion.
Hier gibt es eine Anfrage. Letztendlich ist das – nachdem Casting-Shows ja sehr modern sind – eine Casting-Show der sieben besten Fragen, die dann ausgewählt werden. Wenn ein entsprechender Apparat dahintersteht, kann man das sehr leicht steuern und effektiv machen, um andere Fragen vielleicht zu verhindern. – Das sage ich jetzt in Richtung der Abgeordneten.
Wenn jetzt ein Mandant zu mir kommt und sagt: Soll ich das denn machen?, Soll ich da überhaupt mitmachen? –, dann muss ich ihm eigentlich den Rat geben: Wenn du dort mitmachst, dann sei dir bitte des Folgenden bewusst: Du legst, wie bei einem Punkteführerschein in Flensburg, deinen demokratiepolitischen Zugang offen. Wenn du an einer Bürgeranfrage teilnimmst, wenn du an einem Volksbegehren teilnimmst, dann ist das alles nach dem Wählerevidenzgesetz erfasst.
Natürlich weiß ich, dass im Gesetz steht, es ist zu löschen. Es sind aber keine Fristen dazu vorgesehen, wann zu löschen ist. Das Problem ist: Was ist, wenn ein Volksbegehren angefochten wird? Dann sind die Daten gelöscht, oder sind nicht gelöscht. Wie kann man das entsprechend überprüfen?
Als nächste Problematik stellt sich, dass das Ganze letztendlich eine Meinungsumfrage oder Meinungsforschung ist, weil ich mit diesen Anfragen die Möglichkeit habe, zu erheben, welche Trends es derzeit gibt, und dementsprechend zu agieren.
Was an der ganzen Geschichte noch auffällt, ist die Anfechtung. Klar, es kann bei einem Volksbegehren derjenige anfechten, der es eingeleitet hat. Es können Mitglieder des Nationalrates anfechten. Es können Mitglieder eines Landtages anfechten. – Warum können nicht Mitglieder mehrerer Landtage anfechten? Nach Art. 42 Abs. 2 des novellierten Bundesverfassungsgesetzes ist ja vorgesehen, dass ein Sechstel von je drei Bundesländern auch sein Volksbegehren haben kann. Können sich dann Abgeordnete aus drei Landtagen zusammentun? Warum hat der Bundesrat hier kein Anfechtungsrecht? All das sollte man berücksichtigen, wenn man schon fordert, dass es solche Möglichkeiten gibt.
Eines scheint mir eigentlich aus demokratiepolitischer Sicht beziehungsweise wenn ich den einzelnen Normunterworfenen betrachte besonders gefährlich: Diese Wählerevidenz ist letztendlich, wenn man das den Erläuterungen entnimmt, ein Werkzeug. Bei einem Werkzeug bin ich immer ganz vorsichtig, denn hier gibt es einerseits natürlich die Absicht, aus der es geschaffen wurde – hier: Erleichterungen, Vorarbeiten für die europäische Wählerevidenz zu schaffen, das ist ganz klar –, andererseits ist es aber natürlich auch ein Werkzeug zum Datenabgleich, um zu schauen, ob jemand einmal, zweimal seine Unterstützungserklärung abgegeben hat.
Das ist ja ein lauterer Sinn. Bloß, was ist, wenn dieses Institut missbraucht wird? Das kann man nicht ausschließen und das ist ein sehr großes Risiko. Ich sage nur: Denken Sie an die Problematik des E-Votings, wo darüber diskutiert worden ist, und denken Sie an die Problematik im Zusammenhang mit der Wahlrechtsreform.
Da sind wir auch bei der Briefwahl. Warum kann man so eine Bürgeranfrage oder ein Volksbegehren nur mit E-Voting oder durch Unterschrift in der Gemeinde unterstützen, nicht aber mittels Briefwahl? Durch diese Wählerevidenz wird das demokratiepolitische Verständnis im Sinne der Überwachung ja erhöht. Sonst war es vielleicht nur dem Einzelnen in den Gemeinde peinlich, weil er ein Volksbegehren unterschrieben hat. Da hat man dann gewusst, wie seine demokratische Gesinnung oder seine Ausrichtung ist. Das war aber auch wieder vergessen. Mit dieser zentral gesteuerten, transparenten Wählerevidenz ist das natürlich viel einfacher, denn da laufen dann diese „mühsamen Fäden“ in einer Hand zusammen.
Das heißt, zusammengefasst: Dieses Demokratiepaket stellt eine Einschränkung der Rechte der Abgeordneten dar, weil sie weniger Fragemöglichkeiten haben, weil diese sich verlagern. Das heißt, es ist nicht ein Mehr an direkter Demokratie, sondern einfach eine Substitution, ein Austausch. Es reden ein paar im Parlament, oder einer – er darf ja nur einmal reden, er darf ja nicht noch einmal reden. Das heißt, es ist eine Präsentation und keine Debatte. Das verkennt den Inhalt einer Diskussion oder eines demokratischen Diskurses. Auf der anderen Seite haben Sie natürlich keine Effektivität. Das heißt, hier werden zig engagierte Bürger und Bürgerinnen engagiert, um eine Meinung abzugeben, die aber keine Konsequenz hat. – Danke.
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Mag. Erwin Mayer (mehr Demokratie!): Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich war auch schon das letzte Mal da und bin daher bemüht, mich nicht zu wiederholen. Das heißt, auf die dreistufige Volksgesetzgebung – wie wir sie entworfen haben, ist auf der Homepage nachzulesen – möchte ich nicht im Detail eingehen, sondern, wie es auch durchaus gefordert wurde, hier etwas grundsätzlicher werden.
Deshalb zuerst gleich die Frage voran: Wem gehört die Demokratie in Österreich? Wer ist der Souverän?
Das sind sehr banal klingende Fragen, aber dann in den Details – und ich komme dazu – nicht einfach zu beantworten. Das eigentliche Ziel – es wurde schon mehrfach angesprochen – dieser Diskussion und dieses Pakets war ja der Ausbau der direkten Demokratie. Es hat von dem Kurz-Papier bis zu anderen Stellungnahmen ja die einhellige Meinung gegeben, so wie jetzt Volksbegehren behandelt werden, das ist nicht ausreichend, die Bevölkerung ist damit nicht zufrieden, wir müssen mehr tun. Wenn es um den Ausbau der direkten Demokratie geht, muss man sich natürlich fragen, was bedeutet denn eigentlich Ausbau der direkten Demokratie.
Also erstens, direkte Demokratie heißt sachunmittelbare Entscheidung; wir reden nicht von Direktwahl vom Bundespräsidenten, der Landeshauptleute und dergleichen. Und es bedeutet zweitens, dass die Bevölkerung tatsächlich entscheiden kann. Dann ist es direkte Demokratie.
Das heißt, man überantwortet der Bevölkerung die Souveränität, die Entscheidungskompetenz in sehr komplizierten Fragen – egal, ob das die Sicherheitspolitik Österreichs ist, wie jetzt bei der Wehrpflicht, ob es da um Gentechnik, Umweltschutz, Steuern, Ausgabenpolitik geht. In vielen Ländern Europas kennen wir hiezu Beispiele. Es werden also hier sehr wichtige Entscheidungen von der Bevölkerung getroffen; diese kann selbst entscheiden.
Wenn man prinzipiell dazu bereit ist – und das war der Konsens – und darüber nachdenkt, dann frage ich mich: Wieso darf dann die Bevölkerung nicht über die Spielregeln der direkten Demokratie, über die konkrete Ausgestaltung der direkten Demokratie selbst nachdenken, und nicht nur nachdenken, sondern sich beteiligen und in einer Volksabstimmung dazu auch entscheiden?
Es ist schon mehrfach genannt worden, wenn man in Richtung echter direkter Demokratie mit Initiativerecht und Vetoreferendum geht, dann braucht es laut Bundesverfassung und VfGH-Urteil eine Volksabstimmung, da freue ich mich, dass das auch noch notwendig ist. Aber selbst wenn es das nicht bräuchte, wäre ich dafür, das so zu tun, weil aus prinzipiellen Überlegungen direkte Demokratie direktdemokratisch eingeführt gehört.
Noch etwas Wichtiges ist aus diesem VfGH-Urteil und aus dieser herrschenden Lehre herauszulesen. Was sagt denn der historische Verfassungsgesetzgeber? – Bei den obersten Bauprinzipien, bei den wichtigsten Entscheidungen, die die Republik zu treffen hat – demokratisches Prinzip, republikanische Prinzip et cetera –, soll der Souverän entscheiden. Das heißt, je wichtiger, desto eher das Volk.
Das heißt, bei allen Überlegungen, die da kommen, ob der Souverän schon gebildet genug, informiert genug ist, ob er sich in Kampagnen – dieses Wort ist gefallen – verleiten lässt, ob er populismusanfällig ist, frage ich mich: Warum gibt es das alles nicht, wenn über die Bauprinzipien der Bundesverfassung abgestimmt wird?! Da sind die BürgerInnen auf einmal souverän genug, da sind sie voll informiert und können das entscheiden.
Alleine diese beiden Überlegungen sprechen dafür, dass gerade die Spielregeln der direkten Demokratie direktdemokratisch entschieden werden sollen.
Und wie stellen wir uns das konkret vor? Jetzt gebe ich gleich am Anfang zu – denn ich habe schon viele Gespräche gehabt – unser Direkt-Demokratie-Modell ist natürlich um nichts repräsentativer als das der ÖVP, der SPÖ, vom BZÖ oder von sonst jemandem. Das ist halt eine Idee, wie man es machen kann. Wir treten dafür ein, dass der Souverän selbst einen Entwurf machen kann. Da haben wir gestern gute Vorschläge gehört, wie Bürgerräte, Bürgerinnenräte in Vorarlberg bereits funktionieren, so auch in Deutschland, so auch in der Schweiz und in anderen Ländern. Das heißt 100 repräsentativ – es können auch manchmal weniger sein – ausgewählte Bürger und Bürgerinnen setzen sich zusammen – wie beim Geschworenen-Prinzip, da gibt es ja das gleiche – und entwickeln einen Vorschlag zur direkten Demokratie.
Und worüber sollten sie sich dann Gedanken machen? – Über all das, was in Ihren Anträgen drinnen steht, wir debattieren ja heute vier Anträge, die zu entscheiden sind:
Sie sollen sich Gedanken über die Anzahl der Unterschriften machen, die notwendig sind, um von einem Volksbegehren zu einer Volksabstimmung zu kommen.
Sie sollen sich Gedanken machen, ob die Volksabstimmung ein Volksrecht, ein Parlamentsrecht oder ein Recht für beide ist. Da sollen die BürgerInnen einen Vorschlag entwickeln.
Sie sollen sich Gedanken über den Zeitraum und die Art der Unterschriftensammlung machen, ob in acht Tagen, in einem halben Jahr oder wie in der Schweiz in eineinhalb Jahren, ob elektronisch, ob mit Bürgerkarte, wie auch immer. Das sollen die Bürger entscheiden.
Sie sollen sich Gedanken machen, ob es eine zwei- oder dreistufige Volksgesetzgebung geben soll. In Deutschland kennen wir das Beispiel einer dreistufigen Volksgesetzgebung auf der regionalen Ebene, was ich für sinnvoll erachte.
Sie sollen sich Gedanken machen, ob es Volksbefragungen oder Volksabstimmungen geben soll. In der Schweiz gibt es überhaupt keine Volksbefragung, weil dort der Grundsatz vorherrscht, wenn der Souverän zur Urne geht, entscheidet er. Da gibt es keine Befragung. Und die Schweizer haben sich ihre Verfassung selbst geschrieben, von Anfang an und mit allen Detailänderungen.
Sie sollen sich Gedanken machen, ob es eine Verzahnung zwischen Volksgesetzgebung und Parlament geben soll. Ich plädiere für ja, nicht für einen Separatismus wie in Kalifornien, wo man am Parlament vorbei eine Volksgesetzgebung machen kann, sondern eher nach dem Schweizer Modell, wo das Parlament befasst wird und man auch Gegenvorschläge machen kann.
Sie sollen sich Gedanken machen, ob es Themenausschlüsse geben soll. Sollen bestimmte Themen zugelassen werden, manche nicht, oder soll über alles abgestimmt werden, worüber auch die Politik abstimmen kann? Das sollen die BürgerInnen entscheiden.
Es hat zu allen oder vielen dieser Fragen interessanterweise von Prof. Haller über das IFES-Institut eine gute Umfrage gegeben. Und da geht klar daraus hervor, dass die Bürgerinnen und Bürgerinnen sehr wohl fähig sind, sich über diese Fragen Gedanken zu machen. Und wenn sie sich eine Zeit lang zusammensetzen und schlau machen, wie es in Quebec zu einer Wahlrechtreform über ein ganzes Jahr passiert ist, dann können sie das beurteilen.
Ich warne davor, oder ich gebe zu bedenken, wir sollten hier nicht im Parlament eine nichtrepräsentative Entscheidung treffen. Und das ist möglich. Wenn die BürgerInnen mehrheitlich, und das war gefragt, eine direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild wollen, wenn sie verpflichtende Volksabstimmungen nach Volksbegehren wollen, und wenn dieses Demokratiepaket, das hier vorliegt, dem überhaupt nicht entspricht, aber eine Mehrheit von legitim und demokratisch gewählten Parteien im Parlament findet, dann ist die Mehrheit im Parlament, die Meinung nicht identisch mit dem Mehrheitswillen der Bevölkerung. Diese Nicht-Repräsentativität sollte gerade im Bereich der direkten Demokratie vermieden werden.
Deswegen sollte man sich darauf einigen: Geben wir so einem Bürgerrat das Mandat, einen Vorschlag auszuarbeiten, und am Ende des Tages – da bin ich bei der Verbindlichkeit – darf das nicht irgendwo enden, muss es eine Volksabstimmung in Österreich geben, die ohnedies geboten ist. Nur nicht wie jetzt, denn jetzt kann nur ein Gesetzesvorschlag zur Volksabstimmung aus dem Parlament kommen. Es sollte so wie in der Schweiz einen Vorschlag aus dem Parlament und einen Vorschlag aus dem Volk geben. Und die Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen entscheidet, was das bessere Konzept ist.
Ich glaube, wenn man wirklich demokratisch gesinnt ist, kann man sich dem eigentlich nicht entziehen und müsste sozusagen dem Souverän das Entscheidungsrecht geben. Das ist sehr grundsätzlich. Auf die Details möchte ich dann nur auf Anfrage eingehen. – Danke.
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Ass.Prof. Dr. Klaus Poier: Hoher Ausschuss! Meine Damen und Herren! Auch ich war beim letzten Hearing dabei. – Wie schon gesagt wurde, Revolutionen finden jetzt nicht statt. Es sind kleine Schritte, die, wenn sie gesetzt werden, gesetzt werden. Wirft man einen größeren Blick auf die Geschichte, sieht man auch, dass so große revolutionäre Umbrüche meistens nur bei existenziellen Krisen stattfinden. Die haben wir nicht. Und wenn man es etwa mit der Entwicklung in der Schweiz vergleicht, dann hat es dort auch jahrzehntelang gedauert, bis die Verfassung reformiert wurde, bis etwa auch die Volksrechte in der Form entwickelt wurden, wie die das heute haben.
Auch beim Österreichkonvent, der ja immer etwas abgeschrieben wird, sieht man, dass es hier eben Jahrzehnte braucht, bis Dinge dann doch umgesetzt werden. Es gibt mittlerweile ja doch einiges, was aus den Ergebnissen des Österreichkonvents schon umgesetzt wurde.
Wenn ich kurz aufgreifen darf, was der Herr Abgeordnete Scheibner gemeint hat, auch den größeren Blick auf die Themen, dann wäre mein größtes Anliegen – ich habe das letztens schon gesagt –, dass man Instrumente der direkten Demokratie von unten nach oben denken muss und nicht von oben nach unten. Sie sollten primär Instrumente der Bürger und der Bürgerinnen sein und nicht Instrumente der ohnedies Herrschenden.
Wenn man jetzt auf die Praxis in Österreich schaut, auch in letzter Zeit, dann haben wir ein vermehrtes Aufkommen an Instrumenten der direkten Demokratie, aber meistens eben in dem anderen Sinne, dass hier Regierende und Herrschende diese Instrumente verwenden. Man muss aber umgekehrt auch sagen, dass selbst dort, wo es auf Länder- und Gemeindeebene etwa sehr weitreichende Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger gäbe, diese von diesen bis jetzt auch nicht in dieser Zahl wahrgenommen werden.
Ich denke, dass es daher gar nicht so sehr primär auf die Regeln ankommt, und das man Regeln ändern muss, sondern es geht auch darum, dass man die politische Kultur verändern müsste, vielleicht mehr Zurückhaltung auf Seiten der Regierenden und ein größerer Ansporn bei den Bürgerinnen und Bürger, den es gemeinsam zu erreichen gilt.
Wenn man sich diese zwei Pakete insgesamt ansieht – das Wahlpaket und jetzt das Paket über direkte Demokratie, das vorgelegt wurde –, dann bin ich der Meinung, dass es jedenfalls nicht Nichts ist, und schon gar kein Rückschritt, sondern durchaus eine kleine, aber evolutive Weiterentwicklung. Es kann dabei sicher nicht stehenbleiben. Bezogen auf die Vorschläge, die existieren, und auch auf die Erwartungen, die in der Öffentlichkeit bestehen, gibt es, glaube ich, eine große Verpflichtung, dass hier weitergedacht und auch weiterreformiert wird.
Wenn ich ganz kurz auf ein paar Punkte des Pakets eingehen darf. Der eine ist die Aufwertung des Volksbegehrens: Bisher war es so, dass Volksbegehren sang- und klanglos untergehen konnten. Das wird jetzt nicht mehr sein, schlimmstenfalls gehen sie sang- und klangvoll unter. Das werden diese Sitzungen wohl gewährleisten. Ich denke, dass man das doch auch als einen positiven Schritt sehen muss, denn es schafft auch für Bürgerinnen und Bürger einen Mehrwert, dass man hier die Möglichkeit hat, im Parlament aufzutreten, wenn auch nur einmal, aber dass man auch eine Öffentlichkeit – wie schon gesagt wurde – damit erreicht. Also vielleicht ein Anreiz, dass Bürgerinnen und Bürger wieder verstärkt dieses Instrument des Volksbegehrens annehmen.
Was die Umsetzung betrifft, muss man schon auch realistisch bleiben. Es kann wohl nicht sein, dass jedes Volksbegehren ein Recht hat, dass es umgesetzt wird. Das gehört in der Demokratie dazu, dass es einer Mehrheit bedarf. Ich denke, dass es auch wert wäre, sich einmal anzuschauen, wie viele Volksbegehren auf lange Sicht dann doch Wirkungen gehabt haben. Ich glaube, dass das viel mehr sind, als man hier landläufig glaubt.
Prof. Öhlinger hat gestern schon darüber gesprochen, die Demokratie erreicht das digitale Zeitalter. Ich glaube, mit der elektronischen Wählerevidenz kann das geschafft werden. Ich sehe es auch als Vorteil, dass man Volksbegehren in Zukunft auch elektronisch unterstützen kann. Die Datenschutzprobleme sind sicher ernste, die man sich immer wieder vor Augen halten muss. Aber es muss auch einleuchten, dass es, wenn man eine elektronische Unterstützung von Instrumenten der direkten Demokratie ermöglichen will, dann eine Datenbank braucht, in der man nachsieht, ob jemand wahlberechtigt, stimmberechtigt ist, ob er das schon gemacht hat, damit man auch die anderen Pflichten einhält, ob jemand doppelt abstimmt und so fort. Freilich muss man hier immer das beste Maß an Datenschutz gewährleisten.
Ich glaube, dass viel von dem Paket irgendwie janusköpfig ist, einerseits sind es technische Verbesserungen, andererseits ist wohl auch der Versuch erkennbar, hier symbolhaft etwas für die Weiterentwicklung der Demokratie zu machen. Die Bürgeranfrage ist vielleicht so ein Fall, wo man hier symbolisch die Möglichkeit schaffen will, über das quasi im stillen Kämmerlein laufende Anfragerecht hinaus den Bürgern eine Möglichkeit zu bieten.
Ich glaube, dass man sich vielleicht noch einmal näher ansehen sollte, wie die Unterstützung technisch abläuft, damit es auch wirklich zu 28 Anfragen kommt – und das nicht dann eine Art totes Recht bleibt; das sollte es ja nicht sein. Daher könnte man sich hier vielleicht noch Verbesserungen überlegen.
Was ich jedenfalls hoffe, im Sinne dessen, wie ich direkte Demokratie verstehe, ist, dass die politischen Parteien ihre Hände von diesem Anfragerecht lassen. Es sollte eine Möglichkeit sein für Bürgerinnen und Bürger, hier auch in der Öffentlichkeit – in Facebook ist das ja jetzt sehr beliebt, dass man recht schnell irgendwelche Aufstellungen macht –, auf der Bühne sozusagen ein solches Thema diskutieren zu lassen.
Letzter Punkt: Ich sehe es schon als einen guten Schritt, dass auch AuslandsösterreicherInnen jetzt die Möglichkeit haben, Volksbegehren zu unterstützen. Es ist eigentlich nicht nachvollziehbar, warum diese Möglichkeit bisher nicht bestand. Es wurde von dieser Gruppe auch wieder moniert, dass es etwa bei der Volksbefragung jetzt im Jänner zu größeren Problemen gekommen ist, weil die Abstimmungsunterlagen viel zu spät eingelangt sind. Hier könnte man bei den Fristen etwas machen, aber vielleicht wäre es noch besser, dass man auch die praktische Abwicklung verbessert und vereinfacht, dass hier die Unterlagen auch wirklich rechtzeitig einlangen. – Vielen Dank.
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Dr. Uwe Serdült: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Ich komme aus der Schweiz. Ich beschäftige mich als Wissenschaftler schon seit einem Jahrzehnt mit direkter Demokratie, aber ich bin nicht gekommen, um Ihnen das Schweizer Modell jetzt hier zu verkaufen oder Sie davon zu überzeugen.
Einiges mag passen, einiges nicht. Direkte Demokratie muss so oder so in den jeweiligen institutionellen und politisch-kulturellen Kontext eingebettet werden. Es bringt auch relativ wenig, wenn man das mit den USA oder auch mit der Schweiz direkt vergleicht. Ich sehe das eher so, dass es halt in der Schweiz, weil wir so eine lange und vielfältige Praxis haben, relativ viel Orientierungswissen gibt, das man sich abholen kann.
Ich möchte drei Dinge tun. Ich möchte Ihnen eine meiner Thesen kundtun, warum direkte Demokratie so im Kommen ist, warum wir diese Fragen vermehrt diskutieren, dann ein paar historische Entwicklungsstränge aufzeigen, die wir weltweit beobachten, und dann das auch noch mit ein paar Forschungsresultaten aus unserem Institut anreichern.
Zuerst zu meiner These: Ich bin der Meinung, dass westliche Demokratien in Zukunft nicht darum herumkommen, mehr Elemente der direkten Demokratie in ihre politische Linie, in ihre Verfassungen einzubauen. Man kann versuchen, das noch das eine Weile hinauszuzögern, strukturelle Gründe machen aber eine Entwicklung in Richtung Anreicherung von parlamentarischen Demokratien mit bindenden Volksentscheiden wahrscheinlich. Es gib einen historischen Trend in diese Richtung.
Weshalb? – Ich denke, der Bürger/die Bürgerin der Zukunft wird jeglicher Form von Herrschaft sehr skeptisch bis klar ablehnend gegenüberstellen. Warum ist das so? – Weil Sie es als Abgeordnete zum Beispiel zunehmend mit Ihresgleichen zu tun haben. Der Bürger/die Bürgerin ist eben nicht dumm. Alleine in der Zeitspanne zwischen 1981 und 2010 ist der Prozentsatz von Sekundär- und Tertiärabschlüssen zusammengenommen in Österreich von 50 Prozent auf 80 Prozent angestiegen. Sie haben es also eventuell zwar mit frustrierten, aber per se politisch interessierten, intelligenten Menschen zu tun. Das können Sie mit Meinungsumfragen nicht so festmachen.
Was da jetzt vorliegt, sieht aus Schweizer Sicht und für mich sehr bescheiden aus. Es ist wirklich ein sehr kleiner, bescheidener Schritt, eben aus Schweizer Sicht. Politische Beteiligung ohne verbindliche Konsequenzen, die auch einmal den Interessen der politischen Elite entgegenlaufen können, führen meines Erachtens potenziell zu noch mehr Frustration.
Wie kommt es zu direkter Demokratie? Wie kommt sie in Verfassungen hinein, historisch gesehen? – Normalerweise ist es so, dass sie von unten kommt, vom Volk. Das wird normalerweise nicht dem Volk gegeben, sondern das Volk erkämpft sich direkte Demokratie, wie im 19. Jahrhundert in der Schweiz die demokratische Bewegung. In der Moderne ist es so, dass direkte Demokratie in neue Verfassungen hineinkommt, sprich, nach dem Wegfall der Sowjetunion in allen östlichen und mitteleuropäischen Ländern oder, wie Herr Poier schon angedeutet hat, dass eben große Krisen vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass zur zusätzlichen Legitimität direkte Demokratie eingebaut wird.
Historisch gesehen ist es auch so, dass diejenigen, die sich für die Einführung von direkter Demokratie politisch starkmachen, auf mittelfristige Sicht gar nicht unbedingt davon profitieren. Historisch gesehen ist es oft auch so, dass sich kleinere Parteien oder Parteien in der Opposition für direkte Demokratie einsetzen. Sobald sie dann an der Macht sind, schwindet der Enthusiasmus.
Parlament, Bundesländer und politische Parteien sind auch in einer direkten Demokratie absolut zentral. Starke politische Akteure – seien es Bundesländer, Parteien, Verbände – sind absolut essentiell; freie Medien und eine funktionierende Zivilgesellschaft natürlich auch.
Es wurde auch schon angesprochen: Der Einbezug des Parlaments ist sehr wichtig. Das Parlament sollte die Möglichkeit eines Gegenvorschlages haben. Auf subnationaler Ebene gibt es in der Schweiz noch eine viel größere Vielfalt an direktdemokratischen Institutionen. Sie können Vorlagen aufteilen. Sie können Varianten vorlegen. Es gibt ein sogenanntes konstruktives Referendum.
Ich will nicht sagen, dass Sie das alles einführen müssen. Es gibt sogar Finanz- und Steuerreferenden. Ich will Sie nicht erschrecken, aber in meiner Wohngemeinde stimmen wir jedes Jahr über den Steuerfuß ab, und ja, es kam auch schon vor, dass er abgelehnt wurde. (Abg. Dr. Cap: Und was war dann?) – Da kommen wir vielleicht später dazu, wenn Sie das fragen wollen. Es muss noch einmal darüber abgestimmt werden. Es muss geändert werden und muss angepasst werden, und dann gibt es noch einmal eine Abstimmung. Die meisten Anliegen werden inzwischen in der Schweiz nicht von politischen Parteien, sondern von zivilgesellschaftlichen Akteuren alleine oder zusammen mit politischen Parteien als Verbündete eingebracht.
Wenn Sie das umdrehen, bedeutet das auch, dass direkte Demokratie Ihnen die Chance bietet, Ihre Basis zu verbreitern. Sie können es auch so herum betrachten. Nur eine Minderheit aller politischen Entscheide kommt in der Schweiz vors Volk. Die meisten Initiativen scheitern sogar bei der Abstimmung. Initiativen haben aber starke indirekte Wirkungen. Eine Dissertation an unserem Institut hat nachgewiesen, dass 50 Prozent der Initiativen in der Schweiz Spuren in der Rechtsordnung hinterlassen haben, auch wenn sie an der Urne abgelehnt werden.
Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass natürlich auch ganz wichtig ist, dass direkte Demokratie auch Grenzen kennt. Direkte Demokratie sollte man nicht verabsolutieren, auch dort müssen rechtsstaatliche Grenzen gewahrt sein. Da haben wir in der Schweiz noch einige Hausaufgaben zu machen.
Ich hoffe, dass Sie es in Zukunft besser lösen, mit einer angemessen Vorprüfung von solchen Volksinitiativen. – Ich danke Ihnen.
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Johannes Voggenhuber (Initiative Mein OE): Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich bedanke mich für die Einladung. Das Volksbegehren „Demokratie Jetzt!“ strebt mit neun Forderungen eine umfassende Reform der österreichischen Demokratie an. Nächste Woche ist die Eintragungswoche.
Es wird Sie nicht überraschen, dass ich als Sprecher dieses Volksbegehrens zutiefst enttäuscht und irritiert über das bin, was sich hier als Demokratiepaket ausgibt, über das, was das Parlament dem Ruf nach mehr Demokratie in der Bevölkerung, dem unüberhörbaren, dem anschwellenden, immer lauter werdenden Ruf nach mehr Demokratie entgegenstellt.
Lassen Sie mich aber zuerst zwei Bemerkungen aus der Debatte mit den Sachverständigen aufgreifen, weil ich glaube, dass sie einen Schlüssel zu der Sache bilden. Das eine war die Warnung, eine Ausdehnung der direkten Demokratie würde Ihre Rechte als Parlamentarier, Ihre Machtvollkommenheit, Ihren Einfluss reduzieren. – Das Gegenteil ist der Fall!
Wenn eine Volksvertretung näher an den Bürgerinnen und Bürger ist, unmittelbarer Adressat ihrer Wünsche, ihrer Bedürfnisse, ihrer Interessen, ihrer Ziele, ihrer Horizonte, dann wächst die Bedeutung des Parlaments und sinkt nicht. Und wenn das eine Einschränkung ist, vielleicht noch einen Bürger oder vier Bürger im Jahr für 5 Minuten im Parlament reden zu hören, dann darf ich Sie einmal an die Regierungsgesetzgebung erinnern, die in diesem Land herrscht, oder wie es denn um die freie Debatte und die Anfragerechte der Parlamentarier gegenüber ihrer eigenen Regierung in Wahrheit bestellt ist?
Die Geschichte der Demokratie in Österreich ist eine Krankengeschichte. Die großen, schweren Krankenschübe mögen lange zurückliegen, aber sie will und will kein Ende nehmen. Man könnte die Geschichte noch einmal bemühen und Ihnen in Erinnerung rufen, dass die bürgerliche und soziale Revolution 1848 hier in diesem Land im brutalsten Neoabsolutismus geendet hat. Dass diese Demokratie in Österreich niemals von innen, sondern immer von außen kam: nach dem Ersten Weltkrieg als auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Innen ist sie mehrmals gescheitert. Und die Frage heute ist, haben wir sie denn zum Blühen gebracht, die Demokratie, die uns die Befreiungsmächte gebracht haben? Haben wir sie zum Blühen gebracht?
Wir haben eine Verfassung, in der verbürgt ist, dass das Recht vom Volk ausgeht, alles Recht vom Volk ausgeht. Wir haben als einziges Land, das mir bekannt ist, den Begriff Realverfassung. Damit bezeichnet man doch die Summe aller täglichen Verfassungsbrüche! Die steht nirgends, macht aber unsere politische Realität aus.
Und nach dieser Realverfassung geht das Recht nicht vom Volk aus, sondern von den Parteizentralen und der Exekutive und der Bürokratie.
Die zweite Bemerkung, die ich aufgreifen wollte, war die von Herrn Prof. Poier, der gesagt hat, wir brauchen für große Schritte eine große Krise. – Das ist richtig. Aber glauben Sie mir, wir haben die Krise. Wir haben eine fulminante Verteilungskrise, Bankenkrise, wir haben eine europäische Krise. Und wir haben für den, der es wirklich noch nicht bemerkt hat, eine fundamentale Vertrauenskrise im eigenen Land. Die ehemals staatstragenden Parteien, die heute hier dieses Demokratiepaket vorlegen, haben schon bisher jede Aussicht auf eine absolute Mehrheit verloren, dann haben sie die gemeinsame Verfassungsmehrheit verloren – und bei der nächsten Wahl werden sie die Mehrheit verlieren, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Und die Wahlbeteiligung droht unter 50 Prozent zu sinken.
Wer darin keine Krise erkennen kann, wer glaubt, dass man einen Abgrund in Trippelschritten überwinden kann, irrt.
Ich hoffe, dass Sie nächste Woche aus der Mitte der Bevölkerung, aus der Zivilgesellschaft, von den Bürgerinnen und Bürgern, mit deren Unterstützung dieses Volksbegehrens ein ganz anderes Demokratiepaket auf den Tisch bekommen werden, und dass dieses Demokratiepaket dann andere Reaktionen herrufen wird.
Mit dem Paket bin ich, wenn Sie das wünschen, schnell fertig. Es sind ja auch nur winzige Stellschrauben – es ist wohl mehr Verpackung als überhaupt Schraube –, die hier ein bisschen gedreht werden, aber bitte.
Die Registrierung der Volksbegehren ist ein gewaltiges Problem, ist ein Grundrechtsproblem. Und ich bitte sehr eindringlich, auch aufgrund der Reaktionen, die wir bekommen, das ernst zu nehmen. Die Online-Unterstützung ist richtig, aber lässt sich natürlich mit etwas mehr Nachdenken auch anders machen. Es sind schon Vorschläge genannt worden, etwa der Spiegelung. Es sind für eine gewisse Zeit Zugänge zu sperren, bis das Volksbegehren rechtskräftig oder nicht angefochten ist oder ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes erfolgt. Es gibt sehr wohl die Möglichkeit, zu verhindern, dass da politische Profile der Bürger entstehen können.
Rede-Recht: Ja, es ist schon gesagt worden, das ist kein Rederecht, zehn Minuten eine Kurzpräsentation vor dem Parlament zu machen. Das ist keine Debatte. Das ist doch auch Schein!
Zum Thema Kostenerstattung darf ich Sie darauf hinweisen: Sie wissen heute in einer Mediengesellschaft um die Umstände einer Kampagne sehr gut Bescheid. Die Parteien bekommen das Tausendfache dessen, was ein Volksbegehren an Kostenersatz bekommt. Das ist unerträglich. Sie wissen ganz genau, dass mit 10 000 €, die Sie bei einem erfolgreichen Volksbegehren bekommen, nicht einmal die Portokosten zu bezahlen sind. Sie lassen die Bürger ins Leere laufen. Sie lassen sie aushungern. Sie sagen bei jeder Parteifinanzierungserhöhung: Demokratie kostet Geld! – Aber das Geld ist immer nur Ihres. Die Bürgerinnen und Bürger bekommen keine Mittel, ein Volksbegehren zu organisieren, nicht einmal im Sinne einer Wahlkampfkostenrückerstattung, nicht einmal in einer Höhe, die etwa dem entspricht, was die Parteien für die Wahlkämpfe kassieren.
Jetzt lassen Sie mich noch etwas zu dieser Anfrage sagen, weil mich die besonders provoziert. Ich glaube, die bürgerliche Höflichkeit gebietet es seit ein paar hundert Jahren, dass man Anfragen, die an einen gestellt werden, auch beantwortet. Wie sehr war das noch ein Teil auch unserer politischen Kultur, dass ich, wenn ich einem Minister einen Brief schreibe, eine Antwort bekomme und nicht an einer Lotterie teilnehmen muss, bei der nur die sieben besten Anfragen, die von 10 000 Menschen unterstützt werden müssen, eine Antwort bekommen. Wenn Sie das in Skandinavien vorstellen, ich glaube, Sie würden nur schallendes Gelächter ernten. Ich kann doch einem Minister eine Frage stellen. In Skandinavien hätte ich das Recht, sämtliche seiner Dokumente und Briefe einzusehen, dort herrscht ein Informationsrecht – statt einer Amtsverschwiegenheit.
Lassen wir doch die Kirche im Dorf und versuchen wir doch nicht, den Bürgern 10 000 Unterschriften abzuverlangen, damit er eine Frage stellen darf. Das ist eine Verhöhnung der Bürger – und keine Erweiterung des Anfragerechts!
Meine Damen und Herren, ich habe nur wenige Minuten, daher: Ich danke für Ihre Geduld, dass Sie mich einen Appell an Sie richten lassen. Es ist die originäre Aufgabe dieses Hauses und dieses Ausschusses über die Demokratie und die Entwicklung der Demokratie zu befinden. Das, was mir und uns allen und der Öffentlichkeit hier geboten wird, was ist das? – Ein als Initiativantrag getarnter Arbeitsgruppen-Regierungsvorschlag, Parteienvorschlag. Wo entstanden? – Sie wissen es nicht. Ich weiß es nicht. Teile davon habe ich schon im Innenministerium gehört, Teile davon im Kurzpapier gelesen, Teile davon von Staatssekretär Ostermayer gehört.
Ist das Beispiel, das hier gegeben wird, nicht die deutlichste Röntgenaufnahme, dass dieses Haus nicht der autonome, unabhängige Gesetzgeber dieses Landes ist, wie die Verfassung es ihm vorschreibt? – Hier entsteht nicht die Zukunft Österreichs. Und das, nicht nur die direkte Demokratie, sondern auch ein starkes, unabhängiges Parlament, wollen wir erreichen!
Wenn Sie im Augenblick (Obmann Dr. Wittmann gibt das Glockenzeichen) trotz des Rufes der Bürger und ihrer Proteste noch immer mehr auf Verwaltung und Regierung hören, dann kann ich nur hoffen, dass die Unterstützung zu unserem Volksbegehren so nachdrücklich und so laut wird, dass Sie Ihrer Aufgabe auch wieder bewusst werden.
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Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte mich zunächst einmal bedanken für die wirklich sehr, sehr interessanten Analysen und Beiträge der Experten, die Stellungnahmen der Verfassungssprecher, teilweise ja auch schon diskutiert in der Arbeitsgruppe, die wir hier im Parlament hatten. Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass wir grundsätzlich offen für alles sind, wenn es praktikabel ist und wenn es einen wirklichen demokratischen Mehrwert bekommt. Was für uns besonders wichtig ist, wenn man über neue Modelle diskutiert, ist, dass man sie auch zu Ende denkt!
Womit ich ein Problem habe, ist – wenn ich gleich auf einen der Punkte der Männerriege von hier oben eingehen darf –, dass es jetzt nach Ihrer Kategorie natürlich zwei verschiedene Arten von Volksvertretern gibt: Das sind die hier gewählten Volksvertreter, und das sind die initiativen, spontanen Volksvertreter.
Wenn man dieses Prinzip, das auch hier zu beobachten war – übrigens unter Missachtung all der Gesetze, die wir jetzt da gerade beschlossen haben, Antikorruption, Transparenz, was da alles vor dem letzten Sommer an Gesetzen hier im Haus beschlossen wurde, wo wir jetzt auch begonnen haben mit dem Amtsmissbrauch und noch einmal das Amtsgeheimnis und Transparenzpaket – noch einmal! – diskutieren wollen. Wir sind also auch fast schon dabei, Teile des Volksbegehrens abzuarbeiten, von den Punkten her, die wir da drinnen haben.
Aber wenn ich mir das ansehe, stellt sich schon die Frage, wenn alle alles wissen und alle bei allem mitbestimmen: Wo ist dann das Zentrum, wo der Kompromiss formuliert wird und die Entscheidungen fallen?
Ich bin nur dafür, um das jetzt fast politikwissenschaftlich motiviert zu sagen, dass man das zu Ende denkt und sich dann die Frage stellt: Wie schaut so ein anderes und neues politisches System aus? – Wenn ich die Frage nicht beantworten kann, sowohl von der Kostenseite her, von der Problematik der Integration in der Europäischen Union her, von all den Verpflichtungen her, die damit verbunden sind, aber auch von dem her, was das Wesen der repräsentativen Demokratie und des Staates ist: Ausgleich, der Kompromiss, die verschiedenen Interessen einzubauen.
Auch die Realverfassung, die Kollege Voggenhuber vorhin angesprochen hat, ist etwas, wo uns momentan die Leute aus anderen Ländern fragen, wieso wir im europäischen Vergleich eigentlich unter möglichst geringen sozialen Kosten doch so optimale Ergebnisse beim Wachstum, bei der Beschäftigung, bei all dem haben. Da können wir alle miteinander stolz sein, wurscht, ob man gerade Opposition, Regierung oder sonst was ist. Das heißt, es muss ja doch irgendwo in dem politischen System ein realer Handlungsmehrwert drinnen sein, der sich im Vergleich mit anderen Ländern ähnlicher Entwicklung niederschlägt.
Das möchte ich sozusagen ergänzend hinzufügen und ersuchen, dass man dann, wenn man über etwas nachdenkt, was das Vorhandene in der Struktur relativiert, in Frage stellt oder zu anderen Funktionsabläufen führt, das auch zu Ende debattiert. Darum geht es, um sonst gar nichts.
Der eine sagt 300 000, wir haben einmal 700 000 gesagt, andere sagen wieder das mit der verpflichtenden Automatik und der Gesetzgebung – da hat aber Professor Merli vorhin die vielen, vielen rechtlichen Folgeprobleme aufgezeigt. Du wirst irgendwo ein Zentrum brauchen, das letztlich den Ausgleich schafft! Das kann dann nicht bei einer spontanen Volksversammlung auf dem Forum Romanum sein, sondern das muss irgendwo anders stattfinden. Das ist das, wo ich sage, dass man darauf – wahrscheinlich werden wir ja noch weiterdiskutieren, das ist heute nicht das letzte Mal – auch ein bisschen mehr eingehen soll.
Wobei vielleicht Folgendes hinzugefügt sei: Bei den Oppositionsparteien verstehe ich es am allerwenigsten, weil da die Frage der Einschränkung der Rechte – Parlament, Abgeordnete und so weiter – war. Ich meine, das kommt fast schon einer Sinnkrise der Opposition gleich. Denn das, was die Oppositionsparteien da sagen, heißt: Okay, es ist zwar ganz nett, dass wir da tätig sind, aber jetzt sollen es endlich andere machen. Macht es ihr da drüben, die Männerriege mit den diversen Initiativen direktdemokratischer Natur, und wir schauen uns das einmal in Ruhe an. Wenn sie uns noch brauchen, machen wir weiter, und wenn nicht, machen wir nicht weiter. – Die Selbstverkleinerungsnummer macht uns das BZÖ ohnehin gerade vor. Darum hat es mich gewundert, dass gerade Kollege Scheibner dieses Thema angesprochen hat.
Aber es ist jedenfalls etwas, wo ich sage: Da bin ich noch nicht überzeugt, auch, was die Frage von Praktikabilitäten oder Missbrauch betrifft. Das muss man auch sehen. Ich bin für diese zentrale Wählerevidenz, aber ich habe auch die Sensibilität, dass man sich das genau anschaut. Da soll nicht irgendeine Orwell'sche Nummer herauskommen – dann sind wir sofort dagegen! –, aber als Unterstützung gedacht, dass das irgendwie den direkten Weg schneller schafft, dass wir auf diese Art mit den Mitteln der Elektronik mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung schaffen, ohne die vielleicht negativen Möglichkeiten, die Sie angeführt haben – die wollen wir nicht –, werden wir so lange darüber nachdenken, bis es eben funktioniert.
Das ist also der Hintergrund. Da ist keine Böswilligkeit, wenn wir sagen, gut, wir machen Janusköpfe, wir machen ein bisschen mehr Demokratie, schauen wir uns an, wer da ein bisschen mehr Demokratie haben möchte – na, das ist lächerlich! Erstens einmal würde das gar nicht mehr möglich sein, wenn man so etwas denken würde, diese Metternich'schen Gedanken. Vielleicht haben wir noch ein paar Reste drinnen, aber das ist ja gar nicht realpolitisch in Wahrheit möglich.
Was ich in dem Zusammenhang vielleicht noch sagen möchte, ist: Ich meine, es ist ja niemandem benommen, die jetzigen Möglichkeiten, die auch in Europa eigentlich schon sehr positiv sind, an Volksbegehren, Volksabstimmung, Volksbefragung – bitte, wir haben jetzt eine erfolgreiche Volksbefragung gehabt! Nein, sie war für uns inhaltlich nicht gerade erfolgreich, aber sie war erfolgreich als Einrichtung. Das ist ja nicht nichts! Wir haben zum Atomkraftwerk Zwentendorf eine Volksabstimmung gehabt: ist ja nicht nichts!
Daher bitte ich Sie, das schon zu berücksichtigen, und auch hier werden wir aus dem Ausland gefragt, von denen, die das nämlich nicht haben. Weder die Realverfassung haben sie, die eigentlich sehr gut funktioniert, noch haben sie diese Instrumentarien. Das ist einmal etwas, auf das man aufbauen kann, das man vielleicht auch weiterentwickeln kann und wo ich mich dagegen wehre, jetzt einmal a priori so negativ darüber zu sprechen.
Das Ausschließen von Parteien bei der Direktdemokratie – also wenn wir die Bürgeranfrage haben, dann schaue ich einmal kurz da hinüber und lasse mich mit sämtlichen Stricknadeln meiner verstorbenen Großmutter stechen, wenn nicht die drei Oppositionsparteien dann hinter nicht wenigen Bürgeranfragen stehen werden. Warum auch nicht! Das ist ja nichts Negatives. Entschuldigung, auch eine Partei kann gemeinsam mit der Bevölkerung etwas diskutieren – in einer spontanen Versammlung, wie Sie dort oben so schön gesagt haben – und unterstützt dann, dass es diese Bürgeranfrage gibt! Was ist da so unanständig? Wir müssen uns doch als Parteien nicht jedes Mal dafür entschuldigen, dass wir Parteien sind, oder? – Na, eben!
Daher sehe ich da nicht so etwas Negatives. Wenn in dem Volksbegehren gestanden ist – bei den Punkten, die wir gerade abgearbeitet haben, steht zum Beispiel: gegen die höchste Parteifinanzierung der Welt. Über die Unterstützung der Volksbegehren, ob das ausreichend ist, wird man sicher auch diskutieren können, wenn wir das aufwerten wollen, wenn man das hier im Haus besser bearbeiten will. Aber jetzt haben wir eine Transparenz zur Parteienförderung eingeführt, die gerade in Europa modellhaft ist! Wir lassen uns gerade durchleuchten, andere Länder können sich das jetzt einmal wirklich genauer anschauen. Wir werden das aber evaluieren! Wenn es zu wenig ist, werden wir weitermachen.
Also wir sind da schon auf einem Weg, wo ich sage: Die repräsentativ-demokratische Einrichtung des Parlamentes ist jetzt eigentlich gerade dabei, das Problem längst schon erkannt zu haben, längst schon Schritte gesetzt zu haben. Und wir sind noch nicht fertig. Wir wollen da noch weitergehen, und zwar dort, wo es praktikabel ist, ohne dieses Erfolgssystem in Frage zu stellen.
Über diese apokalyptischen Bilder werden wir dann lachen. Ich schätze den grünen Danton sehr, aber diese apokalyptischen Bilder, die Kollege Voggenhuber manchmal entwickelt, damit ein bisschen mehr Bewegung in dieses Volksbegehren hineinkommt, kann ich bei aller Sachlichkeit nicht teilen. Denn auch an den Früchten muss man etwas erkennen, und an den Früchten, muss ich sagen, kann man erkennen, dass das bei uns im europäischen und internationalen Vergleich trotz alledem eine funktionierende, eine wirklich funktionierende Demokratie ist, die auch nach wie vor eine Beteiligung hat. Nicht nur bei Volksbegehren, auch bei den Nationalratswahlen und Bundespräsidentenwahlen ist eine repräsentative Beteiligung da.
Abschließend: Es ist niemandem benommen, dass er auch im eigenen Bereich experimentiert. Wenn es Parteien gibt, das Prinzip der spontanen Wählerversammlung, sich dort wählen zu lassen, vielleicht das Rotationsprinzip wieder zu erörtern. Oder dass man, bevor man etwas einführt in einem regionalen Rahmen, wo man glaubt, dass das in der Bevölkerung kontroversiell ist, vielleicht vorher befragt und nachher einführt. Nur so vielleicht im Dialog jetzt gesagt: Da kann man ja im Kleinen experimentieren. Ich möchte niemanden davon abhalten.
Oder: Der Verteidigungsminister Scheibner wird bei Beschlussfassung der Eurofighter sicher darüber nachgedacht haben, ob er nicht vielleicht eine Volksabstimmung darüber machen sollte, als er damals in der Regierung war. Jetzt ist er nicht mehr in der Regierung, jetzt kriegt er irgendwie die direktdemokratischen Gene, die da unruhig werden in ihm. Na, wieso nicht zu den Eurofightern als Minister? – Kollege Scheibner, Sie waren da anscheinend für ein anderes Modell, da hätten Sie ja sagen können: Befragen wir doch! Die damalige Regierung hat sich nicht gescheut, Befragungen zu machen. Temelín – da hat mich Westenthaler schon x-mal darauf hingewiesen – war eine Regierungsbeteiligung, trotzdem hat man eine Abstimmung gemacht, mit gar nicht so einer geringen Beteiligung.
Ich erinnere nur ein bisschen daran, dass jeder irgendwann einmal die Chance gehabt hätte, das schon zu leben, was er jetzt fordert, beziehungsweise jetzt überhaupt das einfordern könnte im Kleinen, wo er gerade in einer Regierungsbeteiligung ist. Das sage ich also nur ein bisschen zur Auflockerung.
Ansonsten: Wenn die Opposition jetzt selbst ein bisschen eine Krise hat und meint, es reicht nicht mehr, was sie macht, und sie braucht daher andere Initiativen, dann finde ich das sehr interessant. Aber dann hätte ich gerne, dass sie das mehr ausführt, dass sie diese Selbstkritik ein bisschen mehr darstellt, wieso da nichts weitergeht und wieso man diese Ergänzung in diesem Bereich brauchen würde. Das wäre meine Anregung.
Ich hoffe, dass der Diskussionsprozess weitergeht. Noch einmal: Wir sind offen für alles, wirklich alles, wenn es praktikabel ist und wenn es wirklich machbar ist, denn die Demokratie ist für uns das höchste Gut.
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Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Klubobmann, vielen Dank für das Therapieangebot! Aber erstens (Abg. Dr. Cap: Das ist meine Stärke!) – ja, dachte ich mir – basiert Therapie auf Freiwilligkeit und zweitens auf Bedürfnis, und das ist nicht da. Aber spannend ist es schon, dass Sie eine 35 Jahre zurückliegende Abstimmung sozusagen als Referenz hernehmen, dass ohnehin etwas passiert in dem Bereich.
Aber lassen wir das einmal beiseite. Ich gehe auch nicht auf alle diese Untergriffe, Übergriffe oder was auch immer, was Oppositionsparteien betrifft, ein. Und was die Wiener Politik betrifft, denke ich mir: Die machen das schon, Rot und Grün in Wien machen das schon.
Ich habe ein paar Fragen; zuvor vielleicht schon noch eines: Der Punkt ist ja nicht, dass wir jetzt über die 600 000, die 700 000 oder die 300 000 streiten. Der Punkt und der Geist, der in diesem Paket, das Sie hier vorlegen, aus meiner Sicht problematisch ist, ist ja, dass es eben nicht signalisiert, dass hier ein Wille vorhanden ist, Volksbegehren – oder wie auch immer man sie nennen mag – auch irgendwann einmal in verbindlichere Instrumente umwandeln zu lassen. Da kann und muss man auch noch lange diskutieren, und da danke ich auch allen ExpertInnen, die hier klare Worte gefunden haben über Fragen der Grenzziehung wie Menschenrechte: Welche Fragen dürfen überhaupt umfasst sein? Wie ist das dann mit dem Bestand? Können die vom Parlament wieder umgeworfen werden? – Das ist ja heute noch gar nicht diskutiert worden, und viel mehr.
Aber was weder in der Arbeitsgruppe für Parlamentarismus-Reform von Ihrer Seite spürbar war noch in diesem Paket spürbar ist, ist der grundsätzliche Wille, in diese Richtung zu denken. Die Fragen, die Sie aufwerfen, sind ja nicht falsch. Nur, wir haben ein Jahr lang in dieser Arbeitsgruppe diskutiert und sind keinen Schritt in diese grundsätzliche Frage gegangen: Will man jetzt in diese Richtung schauen, um sich dann mit dem Grundsätzlichen und den Details zu beschäftigen, oder nicht? – Vor diesem Hintergrund haben sich alle, die sich hier kritisch geäußert haben, zu Recht kritisch geäußert.
Zu den Fragen, die ich vor allem auch an die zwei Staatssekretäre stellen möchte, gehört, warum es zum Beispiel keine Briefunterstützung gibt. Das wurde auch von einem der Experten angesprochen. Es gibt jetzt also die Online-Unterstützung als Möglichkeit, es gibt die Unterstützung, weiter wieder ins Amt zu gehen – bei Wegfall des Sonntags –, aber es gibt nicht die Möglichkeit, Brief zu unterstützen. Erfahrungen aus anderen Ländern – vielleicht kann da Dr. Serdült auch noch etwas über die Schweiz erzählen – zeigen aber, dass dort, wo die Menschen eben nicht irgendwo hingehen müssen, sondern sich entweder per elektronischem Klick oder per Brief-Abschickung beteiligen können – auch in Wien ist das jetzt bei der Volksbefragung wieder klar herausgekommen –, die Beteiligung steigt.
Warum auch unterschiedliche Erfordernisse bei dem österreichischen Volksbegehren? – Wenn wir das jetzt vergleichen mit der Europäischen Bürgerinitiative, wo wir die Bestimmungen für Österreich das letzte Jahr erst beschlossen haben – nicht, dass ich glücklich bin mit diesen Bestimmungen, weil ich nach wie vor den Führerschein und den Pass für eine zu hohe Hürde halte und hier auch bedauere, dass das Ministerium trotz eines einstimmigen Entschließungsantrags im Nationalrat noch keine Schritte gesetzt hat, um hier Erleichterungen vorzunehmen oder diese zu prüfen, zumindest wurde mir das jetzt in einer Anfrage so mitgeteilt –: Warum hier unterschiedliche Systeme einführen, die die Menschen erst recht wieder verwirren?
Auch wenn wir hier in diesen verschiedenen Ebenen denken, wissen Sie ganz genau: Leute unterscheiden weder zwischen Befragung und Abstimmung noch Begehren. Sie unterscheiden auch nicht, ob das jetzt ein europäisches Begehren oder ein österreichisches Begehren ist, finden aber hier unterschiedliche Möglichkeiten vor. Das sind Hürden, die wir aufbauen, die nicht notwendig wären.
Die nächste Hürde ist die Bürgerkarte oder die sogenannte qualifizierte elektronische Unterstützung. Im Ein-Prozent-Bereich sind sozusagen die Menschen, die eine Bürgerkarte innehaben, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es mehr werden. Weil Sie, Herr Staatssekretär, vorhin die jungen Menschen angesprochen haben: Die sind sicher nicht in der Gruppe! Das sage ich, ohne dass ich jetzt hier konkrete Zahlen vorliegen habe, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Gruppe ist, die Bürgerkarten besitzt. In der Regel sind es Menschen, die sie für andere Bereiche brauchen oder die sie einmal ausprobieren wollten. Das wurde mir von mehreren Menschen erzählt, und das haben wir auch beim E-Voting bei den ÖH-Wahlen gesehen, dass es hier wenige gab, die sie innehatten.
Die Eintragungszeit wurde nicht verlängert. Hier wurde heute auch schon gesagt, dass das im Vergleich zu anderen Staaten eigentlich eine sehr geringe Eintragungszeit ist für die Möglichkeit, etwas kundzutun. In der Schweiz sind es mehrere Wochen bis Monate.
Die Kostenfrage, die ich schon in meinem ersten Statement angebracht habe, würde ich auch noch einmal gern als Frage an Sie richten. Finanzministerium und Rechnungshof kritisieren, dass es hier keine Kostenschätzung gibt. Was können Sie uns da bezüglich der Kosten sagen?
Dann gibt es ja auch in Ihrem Regierungsübereinkommen ein Übereinkommen, dass Sie sich für eine Volksabstimmung auf europäischer Ebene einsetzen. Da würde mich interessieren, was in den viereinhalb Jahren Regierungsarbeit diesbezüglich passiert ist.
Dann habe ich noch eine Frage an die ExpertInnen – oder eigentlich nur Experten, „ExpertInnen“ ist Gewohnheit –, vor allem an die Professoren Merli und Poier, weil hier die inhaltlichen Grenzen der Begehren angesprochen wurden und Sie, Professor Merli, noch einmal für die Grund- und Menschenrechte hier diese Formel eingebracht haben. Sehen Sie auch noch andere Bereiche, wo Grenzen gezogen werden müssten? – Also zum Beispiel die Frage der Finanzen, die Frage von Staatsverträgen, die Diskussion rund um europäische Verträge und vieles mehr, die wir auch letztes Jahr im Sommer rund um ESM und Fiskalpakt hatten.
Dann würde mich, Herr Dr. Serdült, bezüglich der Beteiligung noch Folgendes interessieren: Wie viele Menschen in der Schweiz beteiligen sich überhaupt an solchen Initiativen?
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Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Reizwort Bürgeranfrage in der vorgelegten Form – es ist als „Casting-Show“, „Lotteriegewinn“ oder so bezeichnet worden, was das dann letztlich wird.
Ich möchte da eigentlich auf einen Aspekt zurückkommen. Es steht ja jedem Bürger frei, über einen Abgeordneten einmal die Interpellation auszuüben. Ich glaube, da verpufft einiges. Wenn man das so durchdenkt: Was passiert denn jetzt bei Anfragen, wenn man nicht gleichzeitig die Amtsauskunft entsprechend stärkt? – Da gibt es ja auch einen Vorstoß. Herr Staatssekretär Kurz hat gemeint, darüber muss man sprechen, welche Auskunft man direkt bekommt.
Ich sehe das Ganze in der Frage der Gewaltenteilung. Warum muss bei einem Bereich der Exekutive die Legislative zwischengeschaltet werden, um eine Auskunft zu bekommen? Warum muss sich die Legislative, dieses Haus, dieses hoffentlich selbstbewusste Parlament hergeben, um die Plattform zu bieten für etwas, was eigentlich an eine andere Säule der Gewalten herankommt? – Ich spreche da jetzt gar nicht von den Kosten: Warum muss das Parlament die Kosten dafür tragen, dass ein Bürger einen Minister fragen darf? Warum ist das so?
Ich würde das also gerne auch einmal im Bereich der Gewaltenteilung gesehen haben, warum man das so einspannen muss. Ich sehe nämlich Anlass zu einer ganz anderen Befürchtung. Was passiert denn schon jetzt, wenn ein Abgeordneter sein Interpellationsrecht ausübt und eine Frage stellt, in der er sagt: Mich würde interessieren, wie viel die Bank XY, die vom Bankenrettungspaket betroffen ist, an Steuern in Österreich zahlt, damit man da eine Relation hat. – Da bekomme ich die Antwort: Das ist ein individueller Verwaltungsakt, dazu wird keine Auskunft gegeben.
Jetzt gibt es dann den Bürger XY, der ohne Parteiapparat im Hintergrund einfach ganz ehrlich sagt: Mich interessiert das. Dann gibt es Zehntausende, die das unterstützen, weil sie das interessiert. Und der bekommt dann einen Zweizeiler zurück, in dem drinsteht: Tut mir leid, zwar eine gute Frage, aber leider keine Antwort!? – Dieser Bürger und diese Zehntausende Unterstützer, elektronisch, mit Handy, mit Bürgerkarte und sonst etwas, werden dann alle „jubeln“ und sagen: Na, wirklich wahr, wir haben eine derart ausgebildete Demokratie, eine derart gute Struktur dahinter, wir sind begeistert von dieser Republik Österreich und den Mitteln, die wir als Bürger haben!
Da kann im Gegenteil sogar etwas passieren, was eigentlich überhaupt nicht gewünscht wird, solange nämlich die Auskunftskultur im Sinn einer wirklich gelebten Amtsauskunft es nicht verdient, dass das hier als Überschrift steht!
Ich glaube nämlich vielmehr oder habe den Verdacht, dass die Bürgeranfrage mit dieser „Lotterie“, dass man dann unter den sieben Besten gekürt oder gewählt wird, in Wirklichkeit ausgenützt wird von denen, die über entsprechende Apparate verfügen, dass die sagen werden – vielleicht Regierungsparteien oder sonst etwas –: Da wollen wir nichts Unbequemes hineinmanipulieren lassen, machen lassen oder sonst was, das stützen wir mit unseren Apparaten und machen irgendwelche Scheinfragen!
Wir erleben doch auch das Ritual der Fragestunde, wo man ganz genau weiß, welcher Minister welche Fragen von wem vorgeschrieben bekommen hat, damit man eine Selbstinszenierung macht. Für Selbstinszenierungen ist dieses Instrument eindeutig zu schade! Es ist missbrauchsanfällig.
Was das Grundlegende ist – und darum bin ich auch im Verfassungsausschuss –: Ich glaube, dass diese Art und Weise, wie es geschieht, mit dem System der Gewaltentrennung nichts zu tun hat. Wenn der Bürger vom Gesetzgeber etwas haben möchte, dann kann er jedem einzelnen Nationalrat aus dem Wahlkreis, von der Partei, was auch immer sagen: Bitte, frage das ab! Er wird es tun oder nicht; dann wird er ihn vielleicht das nächste Mal nicht mehr wählen, wenn er es nicht tut; diese Möglichkeit hat er.
Daher: Warum das Parlament zwischenschalten für so ein Placebo? – mit viel Aufwand und Kosten.
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Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Ich gehe gleich direkt auf das, was Kollege Cap gesagt hat, ein. Ich wollte mich gar nicht zu Wort melden, aber das hat mich schon ein bisschen gestört.
Herr Kollege, wenn Sie dem Kollegen Scheibner vorwerfen, dass er im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Kauf keine Volksabstimmung hat machen lassen, dann zeigt das vielleicht genau eines der zentralen Probleme, die wir haben. Jetzt sind Sie in der Regierung, und Sie könnten auch darüber abstimmen lassen oder zumindest die Bevölkerung befragen, ob der Eurofighter-Vertrag nicht aufgelöst werden könnte. Ich denke, wir wissen alle, wie das ausgeht, wie die Abstimmung beziehungsweise die Befragung ausgehen würde.
Das ist genau der Punkt. Es gibt zwei Gründe, warum eine Regierung – egal, wer drinsitzt – nicht wirklich will, dass die direkte Demokratie verstärkt wird. Der erste Grund ist Selbstherrlichkeit und eine gewisse Art von Machtrausch, dass man eben denkt: ich weiß es besser!, und unter Umständen nicht mehr erkennt, was Bürger und Bürgerinnen schon längst wollen. Das Zweite ist, dass es innerhalb der Regierung Streitereien gibt, dass aufgrund dieser Uneinigkeit auch nichts Gescheites zustande kommt und dass da auf keinen Fall das Volk entscheiden darf.
Wir haben vom Kollegen Gerstl gerade gehört, dass das, was jetzt auf dem Tisch liegt, eine Konsensgeschichte innerhalb des Arbeitskreises war. Das kann es nicht gewesen sein, denn sonst wäre jetzt nicht die gesamte Opposition dagegen! Es war, glaube ich, ein Konsens zwischen den Regierungsparteien, und der ist so mangelhaft – ein Konsens oder Kompromiss, aber jedenfalls ein Konsens, der am Schluss vorgelegen ist –, der ist so schwach, darauf möchte ich gar nicht eingehen. Das ist also meiner Meinung nach wirklich nicht der Rede wert.
Aber wir sehen in anderen Bereichen der Regierung – beispielsweise Bildung, oder auch jetzt bei der direkten Demokratie –, dass man das Volk eben nicht darüber befragen möchte. Die Streitereien führen nicht dazu – vielleicht mit Ausnahme des Bundesheers, wo man jetzt in Ruhe weiterarbeiten kann, ob man damit zufrieden ist oder nicht –, dass es möglich wäre, so etwas zu stärken und damit innerhalb einer Regierung auch eine gewisse, wie soll man sagen, Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. – Also das ist das. (Abg. Dr. Cap: Du wirst die Kulturförderungslandschaft nicht mehr wiedererkennen!)
Jetzt sage ich etwas, mit dem ich dir ein bisschen helfe. Das ist die andere Geschichte. Was mich nämlich stört, auch jetzt bei diesen Hearings und so, ist, dass man nicht auch über die Schwierigkeiten der Demokratie redet. Dazu wäre hier die Möglichkeit vorhanden.
Es ist schon richtig, wir gehen davon aus, dass alles immer von allen mitentschieden werden könnte. Wird davon die direkte Demokratie extrapoliert, so würde das bedeuten, dass über alles dauernd mehrheitlich abgestimmt werden könnte. Das möchte ich nicht haben – nicht, weil ich Angst vor den Entscheidungen habe, sondern weil es minderheitenfeindlich ist!
Wir brauchen uns nur zu überlegen, was geschieht, wenn in einer Schulklasse darüber abgestimmt wird, was im Turnunterricht gemacht wird, Völkerball oder Fußball. Die Mehrheit sind meinetwegen Buben, die wollen lieber Fußball spielen; jedes Mal wird darüber abgestimmt, und dann haben wir jedes Mal Fußball. Ja, das ist klischeehaft, aber in der Extrapolierung wäre das etwas, wo ich eine Angst hätte vor, wie du gesagt hast, Kompromissen im Parlament, im Zentrum, wo Entscheidungen abgewogen werden können. Da muss man schon aufpassen.
Daher hätte ich jetzt ganz gerne von Ihnen, Herr Dr. Serdült, gehört: Gibt es solche Probleme nicht auch in der Schweiz? – Also unabhängig von den rechtsstaatlichen Grenzen, die Sie angeschnitten haben, wo eigentlich irgendwann einmal darüber nachgedacht wird – ich bin in dieser Austauschgruppe der Parlamentarier mit der Schweiz, und das höre ich jedes Mal –, wo darüber nachgedacht wird, dass vielleicht solche Mehrheitsentscheidungen, wenn die Leute zu wenig informiert sind, wenn sie zu wenig betroffen sind, unter Umständen in die verkehrte Richtung gehen können.
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Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Die Abstimmung über die Abfangjäger bringt mich auf das wesentliche Thema, dass sich ja bei der Weiterentwicklung die Frage stellt: Auf welche Themen ist eine Volksabstimmung einzuschränken? – Ich dachte gar nicht an die Akte der Vollziehung. Das ist wirklich eine totale Weiterentwicklung, daran hätte ich gar nicht gedacht. Aber es würde mich interessieren – ich glaube, da gibt es Ansätze, vielleicht Mag. Mayer, Dr. Lindinger oder auch die anderen Experten –, dass man vielleicht auch dazu etwas sagt: Wie stellen Sie sich das vor, die Themen einzuschränken, über die es Volksabstimmungen geben darf?
Unser Ansatz ist ja: Was das Parlament darf, muss unserer Meinung nach selbstverständlich auch das die Bevölkerung dürfen. Aber da würde ich bitten, dass man das herausarbeitet, dass man vielleicht auch etwas sagt über die Problematik der Minderheitenfeindlichkeit oder darüber, wie man über Grundrechte abstimmen kann und so weiter, dass man das vielleicht kurz herausentwickelt.
Die Bürgerbeteiligung bei der Weiterentwicklung der direkten Demokratie ist angesprochen worden. Das finde ich an sich völlig logisch. Wenn man sagt, man geht den Schritt und entwickelt direkte Demokratie weiter, dann ist das eine wesentliche Änderung der Verfassung – das ist auch schon angesprochen worden – und wird es sowieso eine Volksabstimmung brauchen. Aber dann stellt sich eben die Frage, wer den Text vorgibt und ob es da nicht auch eine Einbindung der Bevölkerung gäbe. Vielleicht kann man auch das noch einmal kurz ansprechen.
Dann ist die Briefwahl zur Sprache gekommen, eigentlich im Zusammenhang mit der Unterstützung von Volksbegehren. Da stellt sich umgekehrt folgende Frage. Jetzt bekommen wir eine Wählerevidenz, und ein wesentlicher Kritikpunkt unsererseits an der Briefwahl war, dass ich, wenn ich die Briefwahlkarte abschicke, nicht nachvollziehen kann, ob sie angekommen ist beziehungsweise bei der Wahl berücksichtigt wurde. Das ist ja ein möglicher Faktor, dass man manipuliert, indem man eben bei Briefwahlkarten dafür sorgt, dass diese einfach nicht mehr existieren. Ich kann das aber als Briefwähler nicht nachvollziehen, weil ich ja nicht hingegangen bin und es in die Urne geworfen habe, sondern ich habe es mit der Post abgeschickt. Ich habe es vielleicht sogar abgegeben, aber ob das dann bei der Auszählung berücksichtigt wurde, kann ich nicht sehen.
Jetzt meine Frage: Wenn wir diese Wählerevidenz haben, wäre es ja eine Möglichkeit, dort einzutragen, dass das dann berücksichtigt wurde. Findet das statt oder nicht? – Das fände ich nämlich bedeutend weniger problematisch, als mich beim Volksbegehren oder bei der Anfrage zu einem Thema zu deklarieren, weil da ja nur zu kontrollieren wäre, ob ich an der Wahl teilgenommen habe, ohne zu wissen, in welcher Form. Das würde mich interessieren, das ist einfach eine Wissensfrage, beziehungsweise wenn nicht, warum das nicht so ist.
Zum Schluss noch: Dr. Lindinger hat auch die Problematik der Grundrechtseinschränkung durch die mögliche Verknüpfung der Daten angesprochen, wenn ich mich hier deklariere, eben wieder bei Bürgeranfragen oder Volksbegehren. Ich glaube, das Thema gab es damals schon bei der Europäischen Bürgerinitiative, dass ich auch dort weitgehend Daten speichere, die Effektivität der Bürgerinitiative aber sehr reduziert ist. Wir wissen ja alle, wie unglaublich kompliziert die Europäische Bürgerinitiative ist und was für Erfordernisse sie hat, dass sie überhaupt einmal möglicherweise zugelassen wird, und so weiter.
Also die Verhältnismäßigkeit zwischen dem, was ich bewirke, indem ich meine Daten preisgebe, und der Einschränkung der Grundrechte – da würde ich bitten, dass man vielleicht auch zu dieser Abwägung noch etwas sagt.
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Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Kollege Cap hat ein doppeltes Missverständnis, glaube ich, zum Ausdruck gebracht. Zum einen glaube ich nicht und hat auch niemand verlangt, dass über Akte der Vollziehung unbedingt und permanent Abstimmungen durchgeführt werden müssen. Das heißt, ob die Regierung mit Audi oder VW oder Škoda fahren soll, da halte ich es nicht unbedingt für notwendig, dass man permanent darüber abstimmen lassen soll.
Wie überhaupt, glaube ich, hier ein Missverständnis zum Ausdruck gebracht worden ist, dass Instrumente der direkten Demokratie durch Parteien oder Parteienvertreter oder Regierungsvertreter umgesetzt werden sollen. So habe ich das letztlich verstanden. Es soll nicht die repräsentative Demokratie ersetzen – und ich bekenne mich zur repräsentativen Demokratie –, sondern ergänzen. Damit haben wir ja mit all diesen Instrumenten, über die wir jetzt reden, theoretisch – hoffentlich auch praktisch – nichts zu tun.
Noch einmal: Wiewohl ich ein Unterstützer des Ausbaus der direkten Demokratie bin, habe ich vertreten - und tue das auch heute noch –, dass die Volksbefragung über die Wehrpflicht ein Missbrauch dieses Instruments gewesen ist. Das soll ja nicht eine Entscheidung einer Regierung ersetzen, sondern es soll eine Möglichkeit für die Bevölkerung sein, auch selbst Initiativen zu setzen. Wenn jemand in der Bevölkerung oder eine Gruppe der Meinung ist, wir wollen eine Initiative setzen auf eine Gesetzgebung oder auf eine entsprechende Willensbekundung, dann soll das möglich sein und entsprechende Folgen dann nach sich ziehen, aber nicht so weit, dass man gleich sagt, na ja, wir hätten ja da auch entsprechende Initiativen machen können. Es soll eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie sein. Es ist natürlich interessant, wenn man sagt, das hat es ja gegeben mit der Volksabstimmung zu Zwentendorf – ich glaube, 1978 war das – und das zweite Beispiel dann eben mit dieser Volksbefragung.
Noch einmal unsere Sicht: Wir wollen keinen Ersatz der repräsentativen Demokratie, denn wir sollen ja auch verantwortlich gemacht werden bei den Wahlen, sondern wir wollen eine verfassungskonforme Möglichkeit der Ergänzung.
Ich sehe durchaus auch Schwierigkeiten und über die sollten wir wirklich reden, über die Rahmenbedingungen einer verpflichtenden Volksabstimmung nach einem Volksbegehren. Da wäre ja der Ausweg gewesen, zumindest als ersten Schritt, hier eine Volksbefragung möglich zu machen. Aber bei all diesen verfassungsgesetzlichen Problemen soll das nicht möglich sein, sondern dann ist es wieder unsere Entscheidung, ob wir diesem Ergebnis der Volksbefragung nachkommen oder nicht und aufgrund dieser Erfahrungen hätte man sich ja dann weiterentwickeln können. Aber jetzt nur zu sagen, das macht Schwierigkeiten und jetzt legen wir das Ganze beiseite, ist meiner Ansicht nach ein bisschen zu wenig. Jetzt kann man natürlich auch sagen, na ja, es ist spannend, warum das gerade die vom BZÖ verlangen, das ist ein bisschen Masochismus. Jetzt sollten wir ja zum Ausdruck bringen, dass es nicht um die eigene Partei geht, sondern um den Grundsatz.
Wenn es nur um die eigene Partei geht, dann kommt so etwas heraus, wie zum Beispiel dass man zwar die Verkleinerung des Nationalrates vertritt – und so groß kann man, glaube ich, gar nicht sein, dass dann anscheinend irgendwer nicht Angst hat um sein eigenes Mandat –, das Ganze dann aber abgeblasen wird. Es wäre schon auch eine interessante Frage gewesen, ob die 183 Nationalräte, die Bundesräte, 100 Landtagsabgeordnete in Wien, 1 400 Bezirksräte wirklich noch notwendig sind. Die Begründung für diese Einrichtung in Wien, die kenne ich noch aus meiner Kindheit. Die Bezirksräte, die eben ein bisschen Taschengeld bekommen haben, sind am 2. Mai durch die Wohnungen gegangen und haben gesagt: Hören Sie, bei Ihnen ist keine Fahne am 1. Mai. Wir hätten da günstig etwas fürs nächste Jahr. – Das ist in Ordnung, aber im 21. Jahrhundert, glaube ich, ist das nicht unbedingt eine Rechtfertigung für Mandatsträger. Das sind alles Dinge, wo die Diskussion abgesagt wurde, und das verstehe ich nicht.
Ich bedanke mich bei allen Experten. Die Begeisterung für dieses jetzt Vorgelegte war ja enden wollend. Jetzt meine Frage auch an die Vertreter der Regierungsparteien – der Ausschuss ist ja schon bald, der letztlich beschlussfassende –, wenn dann immer gefragt wird, wann die Opposition zustimmen wird, dann stellt sich jetzt schon die Frage bei diesem kleinen Paket: Was gibt es jetzt noch für einen Verhandlungsspielraum? Setzen wir uns noch zusammen und versuchen wir wirklich aus dieser Bürgeranfrage noch etwas halbwegs Vernünftiges zu machen? Wird es noch eine Möglichkeit geben, die Behandlung der Volksbegehren noch effizienter zu gestalten oder sagen Sie, das ist es jetzt? Stimmt ihr zu oder nicht? Wenn ihr nicht zustimmt, werden wir sagen, hurra, jetzt haben wir wenigstens auch das nicht und die Opposition ist schuld oder wie wird sich das gestalten? Wenn Sie sagen – Sie wissen, ich bin da immer für Offenheit –, es gibt noch eine Möglichkeit, dann werden wir versuchen, noch irgendwo auf einen Nenner zu kommen oder etwas einzubringen. Seien Sie hier offen! Wenn Sie sagen, na, wir haben uns jetzt mühsam auf diesen Kompromiss geeinigt, nehmt es oder nehmt es nicht, dann wissen wir auch, was wir tun und dann ersparen wir uns eben einiges. Jeder hat dann das auch in der Öffentlichkeit zu verantworten. Ich glaube, es wäre jetzt notwendig, wenige Tage vor der geplanten Beschlussfassung, dass wir auch den Handlungsspielraum noch abstecken könnten.
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Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Vorsitzender! Ich möchte gleich eingehen auf die Ausführungen meines Vorredners, aber insbesondere zuerst noch einmal festhalten, dass ich glaube, dass es eine wirkliche Übereinstimmung gibt, dass die zentrale Wählerevidenz ein positiver Fortschritt ist, dass dadurch Online-Abstimmungen ermöglicht werden. Ich habe jetzt, wenn ich das richtig herausgehört habe, von keiner Fraktion gehört, dass da irgendetwas dagegen sprechen würde. Also ich sehe da schon, dass es in dem Entwurf, den wir vorgelegt haben, Punkte gibt, die sehr konsensfähig sind, und andere, wo es noch ein bisschen einen Veränderungsbedarf aus der Sicht der Opposition gibt.
Wenn die Opposition das auch so sieht, dass sie grundsätzlich sagen kann, ja, da sind Elemente drinnen, die positiv sind, die wir auch unterschreiben, in anderen Punkten wollen wir gerne noch etwas mehr machen, dann glaube ich, dass das, was wir schon vereinbart haben, nämlich dass sich alle Verfassungssprecher morgen noch einmal zusammensetzen und in die Details noch einmal hineingehen, eine gute Grundlage ist. Wir werden schon morgen vielleicht an weiteren Verbesserungen arbeiten, die der Opposition auch ermöglichen, diesem ersten Schritt in Richtung mehr direkte Demokratie auch besser zustimmen zu können.
Dieses Angebot möchte ich jetzt nochmals erweitern. Ich möchte Sie noch einmal dazu ermuntern oder ich gehe einmal davon aus, dass das unter uns kommuniziert wurde und auch bei Ihnen hoffentlich angekommen ist. Ich glaube, es gab da schon eine Aussendung, auch auf Referentenebene, wo für diese morgige Sitzung eingeladen worden ist. Damit können wir den nächsten Schritt setzen, damit wir die Initiative, die wir vor einem Jahr begonnen haben, auch teilweise zu einem positiven Abschluss bringen können für nächste Woche oder spätestens eben zum Plenum, wo wir die Zweidrittelmehrheit wirklich brauchen. Ich möchte auch nicht verhehlen, dass wir dazu gerne auch bereit sind. Das ist nicht das Ende der Fahnenstange, wie mein Kollege von der Regierungspartei auch schon gesagt hat.
Ja, wir sind auch bereit, die nächsten Schritte anzugehen. Ich habe das auch im letzten Plenum schon erklärt. In der nächsten Legislaturperiode ist das sicher ein Punkt, an dem wir weiterarbeiten, keine Frage, aber es wäre wirklich schön – ich möchte dazu die Oppositionsparteien nochmals einladen –, wenn wir in dieser Legislaturperiode schon einen Schritt in die richtige Richtung setzen könnten. Ich denke, in diese Richtung sollten wir einfach weitermachen.
Obmann Dr. Peter Wittmann: Ich kann mich dem nur anschließen, sonst müssten wir ja die Sitzung morgen nicht machen. Ich glaube schon, dass da noch Veränderungsmöglichkeiten vorhanden sind.
Es liegt mir keine weitere Wortmeldung vor. Daher schließe ich die Debatte und würde jeden der Experten um eine Replik ersuchen, die 3 Minuten Redezeit nicht übersteigen soll. Herr Egger kommt zu Wort. – Bitte.
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Roland Egger: Ich halte meine Replik ganz kurz. Herr Cap hat eben das erfolgreiche Modell angesprochen und zwei Beispiele hergenommen, die in der Tat sehr erfolgreich waren, nämlich die Volksbefragung und die Volksabstimmung zu Zwentendorf. Meiner Ansicht nach ist eigentlich ganz klar, warum sie erfolgreich waren, auch hinsichtlich der Beteiligung der Bevölkerung, nämlich weil unmissverständlich, ganz klipp und klar kommuniziert wurde, dass es Konsequenzen bei diesen beiden, Volksbefragung und Volksabstimmung, geben wird. Ich denke mir, genau mit der Ankündigung, es wird eine Konsequenz geben, hat man die Bevölkerung auch motivieren können, hinzugehen und die Meinung auch kundzutun. Wenn das unverbindlich geblieben wäre, wäre das Ergebnis vielleicht ganz ein anderes gewesen, auch hinsichtlich der Beteiligung der Bevölkerung. Ich denke mir beim Thema direkte Demokratie, dass daraus Konsequenzen folgen müssen, welche auch immer, aber das einfach so nur in den Raum zu stellen und allenfalls ein paarminütiges Rederecht bei Volksbegehren zuzugestehen, das ist meiner Meinung nach eben zu wenig, wie ich schon gesagt habe. – Danke.
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Dr. Eike Lindinger: Betrachten wir nur kurz den historischen Verfassungsgesetzgeber. In den zwanziger Jahren war das natürlich ein sehr großer Schritt, demokratische Institute in der Verfassung zu implementieren. Staatssekretär Ostermayer hat das auch vollkommen zutreffend aufgezeigt, dass es schrittweise Erneuerungen gegeben hat.
Ich glaube nur, dass der Schritt, der jetzt geplant ist, weder evolutionär noch revolutionär ist. Das ist eigentlich ein Stillstand.
Wenn wir uns wirklich demokratisch sehen und direkte Demokratie ernst nehmen, dann müssen wir uns dazu bekennen, dass es eine Teilung geben wird, wo man sagt: Da ist das Parlament – und dann gibt es Bereiche, wo man das Volk einbindet.
In der Verfassungslehre von Carl Schmitt, der jetzt den 125. Geburtstag hat, wird ausgeführt, dass parlamentarische Demokratie und direkte Demokratie sich eigentlich nicht wirklich vertragen. Das ist in den zwanziger Jahren so festgestellt worden.
Das ist wahrscheinlich die Herausforderung, die wir jetzt haben oder die Sie haben, nämlich diese Schnittstellendefinition zu treffen. Wenn der Abgeordnete Cap gesagt hat, das ist alles negativ und die Männerriege da drüben, dann tut uns das leid, dass wir als Männer eingeladen worden sind. Vielleicht gibt es auch Frauen, die das können und dazu eine Auskunft geben können. Aber es ist nicht die Aufgabe der Experten, zu sagen, welches Gegenmodell es jetzt gibt. Wir können uns gerne in einer Runde zusammensetzen und ein Modell entwickeln. Das kann jetzt dieses Rätemodell sein, das kann aber auch anders aussehen, wenn man etwas findet. Aber klar muss sein: Welche Tortenecken lassen wir direkt-demokratisch zu und welche nicht?
Es wurde gesagt, es sind nur Akte der Gesetzgebung. Ich habe jetzt in dieser Diskussion aber mitbekommen, dass es viele Akte der Vollziehung gewesen sind, über die diskutiert worden ist und die über abzustimmen gewesen wäre. Zu entscheiden, welches Fluggerät oder ob ein Eurofighter angeschafft werden soll, ist nicht ein Akt der Gesetzgebung. Wenn wir sagen, wir wollen das haben, dann können wir auch darüber diskutieren. Aber die Einigkeit muss einmal klar sein, dass das, was jetzt ist, aus meiner Sicht zu wenig ist, und dass wir das nicht brauchen. Ich glaube auch nicht, dass es ein kleiner Schritt ist.
Sinnvoller wäre es, festzulegen, welche Bereiche zulässig sind, welchen wesensfesten Kern wir festhalten.
Dann wäre zu sagen, wo wir die direkte Demokratie nicht ausüben können.
Und in einem dritten Schritt wäre zu sagen, wenn wir einen Zusatz an direkter Demokratie haben – und auch das noch zur Klarstellung: nicht die Abgeordneten trauen sich nicht –, dann gehört das zusätzlich noch zu den Fragestunden, die ohnehin vorhanden sind. Es kann nicht sein, dass die Fragestunden dann weniger werden.
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Mag. Erwin Mayer (mehr Demokratie!): An meinen Vorredner anknüpfend: Ich sehe das ein bisschen anders. Ich glaube, dass diese grundsätzliche Frage, was indirekt-demokratisch und was direkt-demokratisch zu entscheiden ist, dem Souverän selbst zur Entscheidung vorzulegen ist. Dieses Zusammenspiel zwischen Parlament und direkter Demokratie können die BürgerInnen selbst entscheiden. Ich möchte auch Ängste nehmen und bin da sehr zuversichtlich, dass da sehr viel Parlamentarismus und sehr starker Parlamentarismus herauskommt. Ich glaube, dass die ÖsterreicherInnen wie alle anderen sehr an ihrem Parlament hängen und durchaus mit einer Stärkung des Parlaments, gerade gegenüber der Exekutive, auch einverstanden wären und dem Parlament auch mehr Mittel zum Beispiel zur Verfügung stellen würden.
Aber grundsätzlich ist es am Souverän, dieses Verhältnis zu klären. Ein BürgerInnenrat ist ein Modell, in dem man eben repräsentative Vorschläge erarbeiten kann; das war uns wichtig. Wir sind natürlich oft gefragt worden, wenn wir unser Modell vorstellen: Ja, wer seid denn Ihr? – Ihr seid in paar Hanseln, eine NGO – aber wir sind gewählte Repräsentanten. Was ist denn hinter eurem Vorschlag? Na eigentlich nichts – klar – außer ein durchdachtes Konzept.
Es ist schon wichtig, dass ein Vorschlag, der zu einer Abstimmung kommen soll, wirklich repräsentativ erarbeitet werden muss. Das Parlament hat diese Repräsentativität über die Wahl – und das Volk kann das eben über so einen BürgerInnenrat machen.
Als Antwort an Herrn Mag. Stefan: Diese BürgerInnenräte funktionieren in der Realität schon, also in Vorarlberg; ich habe auch andere Länder erwähnt. Auf lokaler Ebene und auch auf regionaler Ebene, auf Landesebene geht es da auch um Gesetze. Also da wird nicht nur darüber entschieden, ob eine Stadthalle errichtet oder eine Brücke gebaut wird, sondern da geht es auch um gesetzliche Regelungen; das ist dem Souverän durchaus zuzutrauen. Ich habe Quebec in Kanada ins Spiel gebracht. Die haben eine Wahlrechtsreform ein Jahr lang ausgearbeitet. Das waren Bürger, die vorher von diesem Thema überhaupt keine Ahnung gehabt haben.
Zur Themeneinschränkung wurde ich auch von Mag. Stefan gefragt. Da vertreten wir auch die Ansicht, dass es da nicht zweierlei Maß geben sollte, sondern es ist wichtig, möglichst präzise zu definieren, wo die Grenzen des Souveräns liegen. Man ist eben nicht unendlich souverän als österreichischer Souverän. Es gibt zwingendes Völkerrecht. Es gibt EU-Recht, das in Österreich zu befolgen ist. Es gibt Menschenrechte. Wir sind also nicht völlig frei. Aber wer ist jetzt wir? – Da meine ich, dass das Parlament und eine Volksinitiative den gleichen Schranken unterliegen müssen.
Da finde ich, jetzt auch verfassungssystematisch gedacht – in Österreich wird in der Bundesverfassung geregelt, wie ein Gesetz entstehen kann, da steht, die Regierung ist ermächtigt einen Vorschlag einzubringen, das Parlament kann einen Vorschlag einbringen et cetera –, genau vor diese Stelle gehört einfach hingeschrieben: nicht möglich sind Abstimmungen über … – Dort muss dann möglichst präzise definiert werden, was nicht möglich ist. Dann muss dort auch präzise definiert werden, wer das zu prüfen hat, und ob es eine Vorabprüfung ist. In der Schweiz wird gerade diskutiert, ob das nicht klüger wäre, weil da haben sie wirklich ein Defizit mit dem Nachprüfen von vielleicht problematischen Volksabstimmungen. Es muss festgelegt werden, ob man, wenn es eben vom Parlament kommt, sagt, beim Parlament geht man davon aus, das das das schon passen wird, dann machen wir nachher eine Prüfung, wie es der Verfassungsgerichtshof jetzt auch schon kann. (Obmann Dr. Wittmann gibt das Glockenzeichen.)
Wichtig ist nur, ob vorab oder danach geprüft wird: Es müssen die gleichen Levels gezogen werden. Was nicht sein kann ist, dass man sagt, wenn das Parlament über Todesstrafe, Asyl und ich weiß nicht was alles entscheidet, dann ist es okay oder dann wird es schon vielleicht geprüft werden und aufgehoben werden, aber direkt-demokratisch darf das gar nicht zur Frage kommen. Da müssen die gleichen Gesetze gelten und auch von den Betroffenen aus gesehen ist das wichtig.
Abschließend möchte ich nur noch sagen, wir haben – da Sie Zwentendorf ins Spiel gebracht haben – eine einzige freiwillige Volksabstimmung gehabt, weil Kreisky das damals so beschlossen hat, aus welchen Überlegungen auch immer. (Obmann Dr. Wittmann gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Leider sehe ich dass die Politik die Konsequenz daraus gezogen hat: einmal und nie wieder. Die zweite Volksabstimmung war 1994. Das war eine obligatorische, weil es eine Gesamtänderung der Bundesverfassung war. Es hat seither keine von Repräsentanten beschlossene Volksabstimmung mehr gegeben. Das muss sich wieder ändern. – Danke.
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Univ.-Prof. Dr. Franz Merli: Zu drei konkreten Punkten möchte ich etwas sagen. Gegenstandbereich: Stellen Sie sich vor, ein Volksbegehren für die Abschaffung der FPÖ könnte die Mehrheit bekommen, könnte auch eine Zweidrittelmehrheit bekommen. Messen Sie es an Ihrem eigenen Modell! Dann werden Sie merken, es ist vielleicht nicht ideal, wenn man da keine Bremsen drinnen hat. (Abg. Mag Stefan: Ist es möglich, das im Parlament zu beschließen? Das kann man nicht abstimmen!) Ja, ich bin auch der Meinung. Es ist rechtswidrig, natürlich. (Abg. Mag. Stefan: Na also!) Es würde am demokratischen Prinzip scheitern.
Wenn Sie mich das ausführen lassen, dann erkläre ich Ihnen, was der Unterschied ist. Es betrifft ja nicht nur die FPÖ, es betrifft ja die Grünen – ganz gleich – oder das BZÖ oder jede Minderheitengruppe kann es genauso treffen, und deshalb will ich Ihnen nur deutlich machen, wie notwendig es ist, hier vorher, bevor man eine große Unterschriftensammlung über das startet und dann ein Eintragungsverfahren, dass man da noch Bremsen eingebaut hat, Spaßbremsen und auch Bremsen gegen Übles.
Es gibt drei Grenzen, die da aus meiner Sicht eine Rolle spielen. Die Grundprinzipien der Verfassung würden in dem Fall zutreffen. Zweites Beispiel wäre das Minarett-Verbot, ein Schweizer Beispiel, und überall dort, wo es um die Minderung der Rechte von geborenen oder strukturellen Minderheiten geht. Ob das zulässig ist oder nicht, nämlich im Ergebnis, sollte nicht Gegenstand dieser Form von demokratischer Willensbildung sein, weil das eben nicht so sehr wie das Verfahren im Parlament auf den Kompromiss ausgerichtet ist. Das gilt zum Beispiel auch für Adoptionsrechte von Homosexuellen oder ähnliche Fragen. Das dritte Beispiel betrifft die Unzuständigkeit. Soll Österreich Gentechnik zulassen oder nicht? – Das ist kein Gegenstand. Das entscheidet bei uns die EU und nicht Österreich.
Zweiter Punkt, über den ich sprechen wollte, ist der Gegenstandsbereich Vollziehung. Es gibt eine ganze Reihe von generellen Entscheidungen der Vollziehung, die durchaus sinnvoll mit einer direkt-demokratischen Mitwirkung gemacht werden könnten. Denken Sie an die Grazer Umweltzone, über die der Grazer Bürgermeister rechtswidrig und unter falscher Rechtsgrundlage eine Bürgerbefragung durchgeführt hat! Das ist eine Sache, die man durchaus einer echten Volksbefragung unterziehen könnte. Für die Eurofighter und Zwentendorf im Übrigen hat man extra ein Gesetz machen müssen, damit man es überhaupt zum Gegenstand einer Volksabstimmung machen konnte. Das war an sich auch eine Vollziehungsfrage.
Dritter Punkt: Es gibt ein paar Missverständnisse beim Datenschutz. Erstens einmal ist es besser, wenn das in dieser elektronischen Liste steht als wenn das bei der Gemeinde aufliegt, wo jeder jeden kennt. In diese Liste kann ja nicht jeder einsehen. Die die einsehen dürfen, sehen diese Eintragung nur, wenn sie eine ganz bestimmte Anwendung haben. Diese Daten werden gelöscht, sobald sie keine Funktion mehr haben. Das ist anders, als es bisher in den Gemeinden gehandhabt wurde. (Obmann Dr. Wittmann gibt das Glockenzeichen.) Außerdem kann man den Zugriff natürlich auch protokollieren, jeden dieser Zugriffe, die in dieser Datenbank gemacht werden.
Wenn man es richtig macht, kann man da schon einen relativ effizienten Datenschutz sicherstellen, so gut es eben bei solchen Datenbanken geht. – Danke.
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Ass.Prof. Dr. Klaus Poier: Ich glaube, die Grundidee, dass das Volk der Souverän ist, führt dazu, dass man die Grenzen sehr eng sehen müsste. Im Wesentlichen teile ich das, was Prof. Merli ausgeführt hat. Mir wäre es vor allem wichtig, dass Dinge ausgeschlossen werden, die eine Art Verhetzung darstellen, beispielsweise die Verletzung von Minderheitenrechten. Dass man hier mit direkt-demokratischen Verfahren, die eigentlich einen ganz anderen Sinn haben, die Öffentlichkeit dazu benutzt, um zu verhetzen, das sollte ausgeschlossen werden.
Ich glaube gar nicht, dass es ausgeschlossen sein sollte, dass man die Grundprinzipien der Verfassung verändern kann, also etwa die Bundesländer abzuschaffen. Warum sollte das nicht ein zulässiges Volksbegehren sein, auch wenn ich jetzt nicht dafür wäre?
Carl Schmitt wurde angesprochen, ein bekannter Gegner, ein Verächter des Parlamentarismus. – Ich glaube, dass es eben nicht so sein sollte, dass man repräsentative und direkte Demokratie gegeneinander ausspielt. Ohne repräsentative Demokratie ist ein Massenstaat nicht zu führen.
Die direkte Demokratie wäre als Korrektiv eine Ergänzung.
In diesem Sinne wünsche ich mir persönlich, dass dieses Paket, auch wenn es ein kleines Paket ist, vielleicht noch mit Verbesserungen, beschlossen wird, aber dass jedenfalls die Diskussion weitergeht. Da wäre sicher noch einiges zu tun.
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Dr. Uwe Serdült: Ich versuche, es kurz zu machen in der noch verbleibenden Zeit.
Online-Unterstützung, das war eine Frage. Ich finde das ganz sinnvoll, dass man damit beginnt, wie es jetzt in der Schweiz beim E-Voting ist, also beim Abstimmen. Da gibt es erste Experimente, Pilotversuche. In der Schweiz gibt es keine Unterstützung für das Unterschriften-Sammeln. Das geschieht in der Schweiz relativ rudimentär sozusagen auf der Straße. Da unterschreibt man vorm Supermarkt. Es gibt keinen Amtszwang und die Gemeinden überprüfen dann die Angaben und vergleichen die Unterschriften und schauen, ob das eine zählbare Unterschrift ist oder nicht. Dieses sogenannte E-Collecting ist in Planung, aber ich finde diese Online- oder Internetinstrumente generell sinnvoll. Ich finde es sinnvoll, dass man dort einmal beginnt.
Vielleicht sollte man nicht gerade großtechnische, teure Systeme einführen. Die haben ja auch eine gewisse Laufzeit und müssen dann wieder erneuert werden. Ein wichtiges Prinzip in der Schweiz ist, dass man alle Kanäle offen hält, dass man nach wie vor eben auch an der Urne, per Brief und jetzt neu für die Auslandsschweizer und in einzelnen Gemeinden und Kantonen per Internet abstimmen kann.
Zur Frage Beteiligung noch kurz: In der Schweiz sieht man, dass die politische Beteiligung im langjährigen Schnitt etwa bei 45 Prozent liegt. Das heißt aber nicht, dass man sich konstant auf diesem Niveau beteiligt; einmal ist die Beteiligung 30 Prozent, dann 70 Prozent.
Vielleicht ist für Sie ganz interessant, zu wissen, dass ich aufgrund von Stimmregisterauswertungen nachweisen konnte, dass nur innerhalb von zweieinviertel Jahren 75 Prozent der Wahlberechtigten mindestens einmal an einer Abstimmung teilgenommen hat. Das ist dann schon viel mehr als in den meisten anderen Demokratien. Das heißt, innerhalb von einer Legislatur – wenn wir das leicht extrapolieren – nehmen wirklich mindestens 80 Prozent, ohne Wahlen, irgendwann einmal an der offiziellen Politik teil.
Bei der Frage nach den Mehrheitsentscheiden, die in die falsche Richtung gehen, da kommt es natürlich immer darauf an, auf welcher Seite sie stehen. Wir haben in der Schweiz auch Probleme. Die Minarett-Initiative wurde angesprochen, aber es gibt auch Vorlagen wie die betreffend die Homosexuellen. Das kam an der Urne durch, vor drei, vier Jahren. Das ist jetzt generalisiert in der Schweiz und da gibt es überhaupt keine Diskussion wie in Frankreich oder in anderen Ländern. Es wurde an der Urne entschieden und ist durch. Es ist bei uns so: Einmal gewinnen sie, einmal verlieren sie und das gleicht sich mit der Zeit aus. Der Kompromiss findet eigentlich vorher statt, in der Aushandlung mit den Parteien. Die Parteien haben da eben die Möglichkeit, einen Gegenvorschlag zu machen.
Ich gebe zu, vereinzelt gibt es diese Probleme. Das muss die Schweiz anpacken und das kommt natürlich auch daher, weil immer mehr internationales Recht geschaffen wird; nationales und internationales Recht verschränken sich immer mehr. Das ist auch für die Schweiz ein wichtiger Punkt. Wie will man das handhaben in Zukunft? Das wird auch Sie ganz stark beschäftigen, wenn Sie weiterfahren auf diesem Weg. – Danke.
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Johannes Voggenhuber (Initiative Mein OE): Ich glaube, es gibt einen Widerspruch in der politischen Debatte, den wir einmal auflösen sollten, nämlich den Widerspruch zwischen der abwehrenden Haltung, der Ängstlichkeit gegenüber direkt-demokratischen Entscheidungen in komplexen Fragen – und dem zentralen Verfassungsgebot der Volksabstimmung bei Gesamtänderung der Verfassung. Etwas komplexeres als diese Frage, die zwingend vorzulegen ist, gibt es ja wohl nicht. Ich denke, wir sollten uns hier von der Auffassung der direkten Demokratie des Jahres 1920 schleunigst um 100 Jahre nach vor bewegen.
Inzwischen ist das Volk nicht mehr „Pöbel“, vor dem man sich fürchten muss, sondern ist Zivilgesellschaft, und damit eigentlich die Schatzkammer einer Gesellschaft von Kreativität, Kompetenz, Verantwortung, Engagement, Interesse.
Es ist in dieser Debatte immer noch eine Furcht davor zu spüren, vielleicht weil man auch so damit umgegangen ist. Ich denke, sie ist obsolet und durch die Geschichte der letzten Jahrzehnte wohl mehr als widerlegt durch viele sehr erfolgreiche Beispiele in europäischen Ländern, in denen sowohl die direkte Demokratie, als auch der Parlamentarismus gestärkt wurde.
Zu den Einwänden von Herrn Klubobmann Cap: Ich möchte Sie auf den konkreten Vorschlag hinweisen, den wir gemacht haben, der ja einige Fragen von Ihnen beantwortet.
Wir haben ja in unserem Volksbegehren auch ganz massiv die Ausweitung und Stärkung, den Ausbau des Parlamentarismus zum Ziel. Wir haben das nicht einfach nur so nebeneinander gestellt, sondern es ist ineinandergreifend. Für das Volksbegehren ist das der Vorschlag eines dreistufigen Volksbegehrens, womit auch etwas sehr sinnvolles erreicht wird, nämlich dass die Volksbegehren nicht immer bis zum Letzten durchgefochten werden müssen, wenn es doch schon nach Erreichen der ersten 8 000 Unterstützungserklärungen, die notwendig sind zur Einreichung des Volksbegehrens, eine Verhandlungsphase mit dem Parlament geben könnte.
Nach unserem Vorschlag gibt es eine Frist von zwölf Wochen, in der das Parlament sagt, damit und damit und damit könnten wir uns eigentlich einverstanden erklären, das machen wir zu unserer Sache und dann haben die Initiatoren noch einmal die Entscheidung, dieses Volksbegehren überhaupt weiter zu betreiben oder den Vorschlag des Parlaments anzunehmen. – Das würde, glaube ich, eine ganz, ganz konstruktive und positive Dynamik in so ein Volksbegehren bringen.
Die zweite Phase wäre die Eintragungswoche und eine sechsmonatige Frist für das Parlament mit beratender Stimme der Initiatoren. Da geht es um Arbeit, um Verhandlung, da geht es nicht um irgendein Schaufenster im Plenum, da geht es um die beratende Stimme in den Ausschüssen, um hier auch reden zu können. Ich versuche nur so schnell, wie nur irgend möglich zu sein.
Volksabstimmungen bei 300 000 Unterschriften, das ist jetzt der Punkt, der der chronischen Entsorgung von Volksbegehren ein Ende machen soll. Bei Verfassungsfragen gilt 50 Prozent Quorum und 30 Prozent bei einfachen Gesetzen, nicht aber für Fragen von Grund- und Freiheitsrechten, weil auch das Parlament – da gilt ja durchaus die Formel – nicht das Recht hat, Grund- und Freiheitsrechte und auch das Völkerrecht und damit auch geltendes europäisches Recht aufzuheben, weil auch das Parlament nicht das Recht hat, eigenständig über europäisches Recht zu bestimmen.
Mit etwas mehr Vertrauen in die Bürger würden wir vielleicht größere Schritte machen können – als immer nur in diesen Kinderschuhen.
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Obmann Dr. Peter Wittmann: Eine Anmerkung möchte ich schon noch machen: Ich halte es eigentlich für unangebracht, sozusagen den Kronjuristen des „Dritten Reichs“, der eine Diktatur gerechtfertigt hat, in einer Diskussion für mehr Demokratie zu zitieren. Das ist, glaube ich, nicht angebracht.
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Ich schlage im Einvernehmen mit den Fraktionen vor, die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 4 jeweils zu vertagen.
Wer dem zustimmt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Einstimmige Annahme.
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Die Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 16.01 Uhr